Protocol of the Session on March 14, 2019

Genau deshalb handelt es sich auch nur um Empfehlungen. Jeder Mitgliedsstaat muss erst einmal für sich abklopfen, wie er in den Bereichen aufgestellt ist. Deutschland ist in dem Fall nicht das Land, das sich zuvorderst angesprochen fühlen sollte – Deutschland mit seiner Grundsicherung für Arbeitslose, Deutschland mit seiner Krankenversorgung, Deutschland mit seinem Recht auf Bildung in jeder Altersklasse, Deutschland mit seinen gesetzlich vertieften und verbrieften Arbeitnehmerrechten.

Vielleicht helfen uns Statistiken weiter. Das europäische Statistikamt hat bereits Daten erhoben, die sich mit den Forderungen der Europäischen Säule befassen. Beispielsweise nicht erwerbstätige Jugendliche, die weder an Bildung noch an Weiterbildungen teilnehmen: in Deutschland 6,3 Prozent, im Übrigen ein Wert, der 2005 noch bei 10,9 Prozent lag – also jetzt bei 6,3 Prozent in Deutschland, in Spanien aber bei 13,3 Prozent, in Rumänien bei 15,2 Prozent und in Italien bei 20,1 Prozent. So ist es mit weiteren Werten auch. Deutschland belegt durchweg einen guten vorderen Platz. Die Notwendigkeit Ihres Antrages sehe ich deshalb sehr kritisch.

Die Kommission hat Leitlinien erlassen, um die Unterschiede in den Mitgliedsländern langfristig anzugleichen. Wenn Sie sich diese Grundsätze ganz genau angucken, dann werden Sie feststellen, dass es in Deutschland, Frankreich oder in anderen sozialen Marktwirtschaften West- und Mitteleuropas nur wenige Veränderungen bis gar keine Veränderungen zum Status quo geben wird. Es wird nur wenige Veränderungen geben, weil sie diese Empfehlungen in sehr weiten Teilen bereits umsetzen, ja, sogar Vorreiter sind. Aber ganz anders wirkt das doch in anderen Mitgliedsstaaten im Osten und Süden. Das zeigen auch die Zahlen, die ich Ihnen gerade genannt habe. Ich muss aber deutlich sagen, dass auch bei einer Verabschiedung dieser Leitlinien die primäre Zuständigkeit für Fragen zum Zugang und zur Ausgestaltung des Sozialschutzes bei den Mitgliedsstaaten selbst liegt und dass diese Zuständigkeit respektiert werden muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Fraktion kann Ihrem Antrag nicht zustimmen. Wir sehen in der sozialen Säule nicht die Pflicht für Deutschland, neue Mindeststandards einzuführen, sondern die anderen Mitgliedsstaaten an unsere heranzuführen, dies aber ganz im Rahmen der EU-rechtlich vereinbarten Subsidiarität. Wir lehnen Ihren Antrag deshalb ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt der fraktionslose Abgeordnete Herr Arppe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Von der großen britischen Staatsfrau Maggie Thatcher stammt das Bonmot: Das Problem mit dem Sozialismus ist, dass ihnen irgendwann mal das Geld der anderen Leute ausgeht.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Damit hatte sie recht. Es ist mit ein Grund dafür, dass die Briten dem Projekt EU seit jeher sehr distanziert und kritisch gegenüberstehen, weil sie sehr wohl wahrgenommen haben und wahrnehmen, dass es da doch erhebliche sozialistische Tendenzen gibt, die verstärkt werden durch solche Initiativen, wie die Linksfraktion sie hier aufs Tapet gebracht hat.

(Thomas Krüger, SPD: Was ist denn sozialistisch? Erklären Sie das mal!)

Der russische Dissident Nikolai Bukowski, der derzeit als Flüchtling sozusagen in London im Exil lebt – in London und nicht in Deutschland –, äußerte in einem Interview unlängst, dass ihn die EU immer mehr an die verblichene Sowjetunion erinnert mit der EU-Kommission als Politbüro.

(Thomas Krüger, SPD: Das ist hochgradiger Schwachsinn.)

Beide Gremien wurden bekanntlich durch nichts und niemanden demokratisch legitimiert,

(Thomas Krüger, SPD: Ach, die Regierungen sind nicht legitimiert?!)

auch Herr Juncker nicht,

(Horst Förster, AfD: Unzulänglich! Unzulänglich, Herr Krüger!)

auch Herr Juncker nicht.

(Thomas Krüger, SPD: Die Regierungen sind nicht legitimiert?!)

Natürlich ist es richtig, dass wir erhebliche soziale Verwerfungen haben in Europa.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Die nordeuropäischen Staaten Deutschland, Frankreich, Skandinavien liegen bei den Sozialausgaben zwischen 30 und 40 Prozent über dem EU-Durchschnitt, während zum Beispiel die südosteuropäischen, aber auch einige baltischen Staaten bis zu 70 Prozent unterhalb des EUDurchschnitts liegen. Um das zu novellieren und auszugleichen, wie Sie es wahrscheinlich anstreben, bräuchten wir erhebliche Geldmittel und keiner sagt uns so recht, wo die herkommen sollen – umso mehr dies, als Deutschland gerade dabei ist, seinen Wohlstand zu verspielen in einer Art kollektiven Selbstmord durch die Energiewende, durch die Zerstörung der Automobilindustrie,

(Thomas Krüger, SPD: So ein Schwachsinn! – Peter Ritter, DIE LINKE: Die Massen- einwanderung nicht zu vergessen.)

denn es gibt sehr viel mehr Leute im Ausland,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die Masseneinwanderung!)

die fassungslos nach Deutschland gucken, als dass es welche gibt, die fassungslos nach Großbritannien gucken.

Woran die EU tatsächlich krankt, ist nicht nur die soziale Situation, sondern das ist mangelnde Demokratie.

(Thomas Krüger, SPD: Also sind Sie für ein Vollparlament in der EU, ja?!)

Das sind auch die Folgen der deutschen Sonderwege – ich hatte das schon mal gesagt –: die unkontrollierte Massenzuwanderung, das sind die Energiewende, der Atomausstieg,

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

der nicht mit den europäischen Partnern abgesprochen war.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

All diese Dinge haben dazu beigetragen, dass die Briten jetzt die Nase voll haben und die EU verlassen wollen. Mit Ihren Plänen wird das alles noch viel schlimmer, denn eine Transferunion,

(Martina Tegtmeier, SPD: Die rote Lampe leuchtet schon. – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

das ist das Letzte, was wir wirklich wollen können. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Um das Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Kolbe.

(Egbert Liskow, CDU: Ziehen Sie zurück, Herr Kolbe!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Liskow, selbstverständlich werden wir den Antrag nicht zurückziehen.

(Egbert Liskow, CDU: Warum nicht?)

Nein. Vielleicht kriege ich Sie doch noch überzeugt.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau.)

Ich fange mal an mit dem Innenminister.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Herr Caffier, ich muss sagen, ich war ein bisschen enttäuscht, schockiert. Ich habe selten so eine schwache Rede eines Europaministers gehört. Also die war ideologiegeschwängert bis zum Ende.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Sie haben mich und meine Fraktion ernsthaft gefragt, ob wir die Menschen zu Sklaven einer zentralistischen Planwirtschaft machen wollen. Ist das Ihr Ernst? Also doch nicht wirklich?!

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Das können Sie besser, Herr Caffier.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Das muss ich Ihnen wirklich sagen,