Protocol of the Session on March 13, 2019

Aber natürlich! Ich habe Sie doch gesehen, wie Sie vorhin gefeixt haben, als der Kollege Kröger hier gestanden hat.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da kamen mir die Tränen, als er geredet hat.)

Natürlich hat der Kollege Kröger recht, der gegenwärtige, wiedervereinigte deutsche Staat wird der DDR immer ähnlicher.

(Beifall Christoph Grimm, AfD)

Das ist auch der Grund, warum sich viele ehemalige Bürgerrechtler inzwischen alternativen politischen Kräften

wie zum Beispiel der AfD zuwenden und dass immer mehr Menschen ein Déjà-vu haben, wenn sie heute durch das Land gehen und feststellen müssen, das haben wir doch alles schon mal gehabt, wegen dem, was wir heute von der Politik präsentiert bekommen, sind wir doch damals nicht – teilweise unter Lebensgefahr – auf die Straße gegangen.

(Torsten Renz, CDU: Dann nennen Sie doch mal namhafte Bürgerrechtler!)

Zum Beispiel Vera Lengsfeld und andere.

(Torsten Renz, CDU: Nennen Sie mal fünf!)

Heute,

(Torsten Renz, CDU: Namhafte!)

heute sitzen diejenigen, die wir damals besiegt zu haben glaubten, wieder an den Schaltstellen der Macht, fabulieren von Enteignung – nicht wahr, Herr Ritter –, in Berlin. Enteignung ist wieder auf der Tagesordnung, etwas, womit die DDR damals gute Erfahrungen gemacht hat. Wir haben wieder eine politische Justiz heute, dass Andersdenkende abgeurteilt werden auf der Grundlage von Paragrafen, die es so ähnlich auch im Strafgesetzbuch der DDR gegeben hat.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Bin ich verantwortlich dafür oder was?!)

Das allein ist doch einer Demokratie schon unwürdig. Wir haben heute wieder Medien, die dem Staat, die der Regierung zu Munde reden,

(Vincent Kokert, CDU: Ja, das sehen aber nur Sie so.)

und wir haben heute auch wieder eine Art LTI, eine Lingua Tertii Imperii sozusagen, das heißt eine Sprachentwicklung, die es sonst nur im Totalitärregime gibt, diese ganze Gendersprache, die da heute im Kommen ist und die Gott sei Dank auf immer mehr Widerspruch stößt.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Das sind alles Dinge, die wir im Kopfe behalten sollten, wenn wir 30 Jahre friedlicher Revolution gedenken. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Julitz und ich hoffe, mir ist niemand böse, wenn ich die Hoffnung ausdrücke, dass die ausdrücklichen Glückwünsche des Landtages Sie hier erreicht hatten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Gedenkort dient dem Erinnern und Mahnen zu positiven oder negativen historischen Ereignissen. Ein Gedenkort soll möglichst alle Teile der Bevölkerung ansprechen – die, die es vielleicht selbst erlebt haben, sowie diejenigen, die es nur aus Erzählungen kennen. Frau von Allwörden hat das angesprochen. Meist erinnern wir uns an negative Ereig

nisse, sodass ich es sehr begrüße, dass wir einen Anlass haben, der durchaus positiv gelagert ist. Zum Konzept selbst mit seinen drei Säulen, glaube ich, brauche ich nichts mehr zu sagen.

Als Warenerin freue ich mich natürlich über den einstimmigen Beschluss der Stadtvertretung, der ich selbst angehöre. Mit unserem Bürgermeister Norbert Möller, den ich von hier herzlich grüße, stehe ich in regelmäßigem Kontakt über den Stand. Daher weiß ich, wie aktiv die Stadt, die Landeszentrale für politische Bildung – in Personen Herr Schmidt, Frau Drescher – sowie die Landtagsverwaltung an der Umsetzung des Konzeptes arbeiten. Soweit ich weiß, folgt schon in der nächsten Woche der nächste Termin in Waren. Ganz besonders wichtig ist eben diese Einbeziehung der Stadt. Vor Ort bringen sich schon jetzt viele Bürgerinnen und Bürger sowie die Kirchgemeinden ein, um die Vorbereitungen für die zentrale Veranstaltung am 16.10. durchzuführen. Das ist zu begrüßen.

Historische Ereignisse bringen mit sich, dass es irgendwann keine Zeitzeugen mehr gibt. Ein besonderes Augenmerk legen wir also auf die jungen Menschen, die selbst keinen Anteil an der friedlichen Revolution haben, die ein Leben ohne Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie nicht kennengelernt haben und nur aus Erzählungen kennen. Ich bin 1990 geboren, ich bin eine von den zwei Abgeordneten, die Frau von Allwörden angesprochen hat und gehöre somit glücklicherweise genau zu dieser Zielgruppe. Ja, glücklicherweise – es ist natürlich ein Privileg, in Freiheit aufzuwachsen.

Aus meiner Schulzeit weiß ich, dass Geschichte, egal, welche, nicht immer einfach zu vermitteln ist. Glücklicherweise haben wir jetzt noch viele Zeitzeugen, somit lässt sich dieses Thema meiner Meinung nach gut vermitteln. Daher finde ich es auch außerordentlich begrüßenswert, dass wir einen jährlichen Schülerwettbewerb durchführen wollen.

Ehrlicherweise muss ich aber noch etwas loswerden und da zeigt sich dann die unterschiedliche Interpretation von Ereignissen. Jungen Menschen anhand solcher historischen Ereignisse, Demokratie, Freiheit, ja und auch Mut und Hoffnung näher bringen zu wollen, kann nur funktionieren, wenn wir sie auch selbst ernst nehmen. Wenn Greta, eine junge mutige Frau, gemeinsam mit Tausenden jungen Menschen weltweit für ihre Zukunft auf die Straße geht wie zur friedlichen Revolution

(Zurufe von Dr. Gunter Jess, AfD, und Dr. Ralph Weber, AfD)

und wir die Entscheidung treffen müssen, darüber diskutieren, ob sie nun Profi genug sind oder die Schule schwänzen dürfen,

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

können wir nicht erwarten, dass sie sich für das Vergangene interessieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion der CDU der Fraktionsvorsitzende Herr Kokert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gerne auch noch das eine oder andere zu der Debatte beitragen, weil allzu häufig haben wir ja nicht die Gelegenheit, eine Debatte zu führen, wo man sich eigentlich politisch so ein bisschen zurückziehen und jeder seine eigenen Erlebnisse vielleicht noch mal Revue passieren lassen kann.

Die Vorrednerin hat ja für sich verbucht, sie gehört also zu der Generation, ich gehöre zu der „Generation staatenlos“ nach Auffassung der LINKEN. Ich bin 1978 geboren, deswegen bin ich kein waschechter Ossi. Meinen Pionierausweis habe ich mittlerweile weggeschmissen. So richtig weiß ich gar nicht, wo ich hingehöre. Ich bin also ein Wendekind, habe das live miterlebt. Ich kann mich an die Menschen in meiner Heimatstadt Neustrelitz erinnern, die damals durch die Strelitzer Straße bis in die Stadtkirche gegangen sind, erst ganz leise und irgendwann auch mit Rufen. Also jeder hat, glaube ich, seine persönlichen Erfahrungen.

Ohne dass man jetzt versucht, aus diesem Thema politisches Kapital zu schlagen, darf ich jedenfalls in dieser Runde sagen, ich glaube, es war meine Fraktion, die 2017 überhaupt die Debatte dazu angestoßen hat.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig!)

Da gab es nämlich den ersten Antrag.

Ja, das meine ich jetzt gar nicht … Ich will auch gar kein Lob oder so dafür, aber das ist schlicht und ergreifend die Wahrheit.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Man muss es noch mal erwähnen.)

Und wir haben …

Ja, aber natürlich muss ich das erwähnen, Herr Ritter, sonst sieht es nachher so aus, als wenn Sie das noch angestoßen hätten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nein, ich will es ja nur bestätigen.)

Sie waren da eher zurückhaltend,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich will es doch nur bestätigen.)

jedenfalls damals noch.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich will es doch nur bestätigen.)

Der Auftrag war damals relativ eindeutig. Das kann natürlich weder der Landtag noch eine einzelne Fraktion leisten. Das muss die Regierung mit ihrer Verwaltung machen. Sie hat das einzig Richtige getan, sie hat das an Frau Drescher weiterdelegiert, die, glaube ich, auch heute unter den Zuschauern sitzt. Dann hat es ein Konzept gegeben und über das diskutieren wir ja auch nachher ein bisschen.

Ich will Ihnen sagen, was ich damals in der Debatte gesagt habe, und dazu stehe ich auch heute noch, aber das

ist, wie gesagt, meine persönliche Meinung. Ich möchte überhaupt nicht in Waren so einen Kranzabwurfplatz, wissen Sie?! Ich möchte nicht, dass wir dahinfahren, halb mit Trauerstimmung und nicht so genau wissen, was wir da eigentlich sollen. Ich glaube sogar, dass unsere Nichtaufarbeitung von demjenigen, was 1989 passiert ist, ein Stück weit heute noch unser Problem ist, warum wir auch so ein verkrampftes Verhältnis zu unserer eigenen Nation haben. Ich kann völlig ruhig und locker sagen, das gehört zu den glücklichsten Ereignissen, die wir – jedenfalls in den letzten Jahrzehnten – in Deutschland erlebt haben. Und ich weiß nicht, warum wir – speziell wir Ostdeutschen – uns nicht einfach mal darüber freuen können, dass uns auch als deutsches Volk so was gelungen ist, völlig friedlich, völlig frei heute in einer Demokratie zu leben.

Ein bisschen nachdenklich macht mich das schon, der Vorschlag kam damals von mir, es ist ja heute auch mehrfach gesagt worden, alles nicht möglich – ja, ich hätte es gut gefunden, wenn der Landtag in Waren eine Landtagssitzung gemacht hätte. Aber es war meine persönliche Meinung. Wenn die Mehrheit der Fraktionen zu der Auffassung kommt, dass das Unsinn ist, dann ist das halt so. Ich glaube nur, ohne die friedliche Revolution würde es diesen Landtag gar nicht geben. Sie wissen ja, Verwaltungen gibt es immer, Regierungen gibt es immer, aber so ein gewähltes Parlament, das gibt es eben nicht immer. So was gibt es nur in einer Demokratie.

Deshalb glaube ich nach wie vor, es würde uns gut zu Gesicht stehen, wir schaffen es, dort eine sehr, sehr würdige Veranstaltung zu organisieren, und zwar selbst als Parlament, denn wir sind der Ausfluss der Demokratie, die es heute in Deutschland und auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Und ich hoffe, dass wir möglichst viele junge Menschen dazuholen und sagen können, schaut euch an, was ist das eigentlich für ein Geschenk, was uns die deutsche Geschichte gemacht hat. Und deshalb will ich nicht darauf hinaus, dort einfach nur eine Stele hinzustellen, eine Gedenktafel anzuhängen und zu sagen, hier waren die ersten mutigen Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, sie sind von A nach B gegangen, das ist auch schön.