Das Dritte, was hier dazwischengerufen wurde, ist, man geht nur einmal im Jahr oder so zum Gericht. Da frage ich die Kollegen, die das sagen: Was ist mit der Polizei? Was ist mit den Betreuern?
(Zuruf aus dem Plenum: Und was hat das jetzt mit der Gerichtsreform zu tun? – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Der Bestand der Zweigstellen! – Zurufe von Thomas Krüger, SPD, und Simone Oldenburg, DIE LINKE)
Herr Sellering, Ihre Bildersprache ist ja faszinierend, muss ich sagen. Das hört sich alles gut an. Sie ist natürlich besonders geeignet, die zu überzeugen, die vom Justizbetrieb keine Ahnung haben.
(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zurufe von Andreas Butzki, SPD, Vincent Kokert, CDU, und Torsten Renz, CDU)
Ich fange an mit der Spitze. Der Knieschaden, natürlich ist das ein wunderbares Bild, dass da einer mit einem
Knieschaden angehumpelt kommt zum Arzt, der sagt, wunderbar, habe ich noch nie gehabt. So läuft es ja in der Justiz nicht.
Sie sind natürlich, das meine ich auch gar nicht vorwurfsvoll, das ist ja normal, Sie sind natürlich geprägt als Verwaltungsrichter. Das hat man deutlich gemerkt. Ich habe …
Ja, weil dort ist in der Tat eine ganz andere Spezialisierung. Ich habe da im Grunde nur Referendarerfahrung, kann mich aber heute noch an die Erschließungskammer erinnern,
weil die nur Erschließungssachen machten und es mich – ich war ja schon mal am Amtsgericht gewesen – völlig erstaunt hat, dass die im Grunde alles vergleichbare Fälle hatten und jedes Mal ganz wichtig alles wieder mit den Satzungen dann abgezogen haben. Die Verwaltungsgerichte arbeiten anders, sehr speziell und sind auch sehr spezialisiert. Die können Sie mit dem Arbeitspferd Amtsgericht überhaupt nicht vergleichen.
Wenn Sie ein Amtsgericht haben, von welchen Größenordnungen reden wir denn, um eine Spezialisierung zu haben, die Ihnen vorschwebt? An den Amtsgerichten jetzt mit acht bis zehn Richtern haben Sie vielleicht höchstens drei bis vier Richter, die machen Zivilsachen. Zivilsachen sind eine unheimliche Breite. Aber das will ich Ihnen nicht alles erzählen. Also was das Leben alles bietet, das können Sie sich gar nicht vorstellen, das kann alles irgendwo mal beim Zivilgericht landen. Bei drei bis vier Richtern können Sie die da nicht spezialisieren. Die klassischen Spezialisierungsgebiete wären vielleicht Bausachen, Verkehrssachen und noch so irgendwas. Wenn man das die ganze Zeit machen würde, das ist bei den Mischdezernaten ohnehin nicht notwendig, das macht überhaupt keinen Spaß.
Gerade die kleinen bis mittleren Einheiten hier, das war meine Erfahrung aus dem Wechsel von NRW nach Schleswig-Holstein, sind viel leistungsfähiger, weil sie überschaubarer sind, weil man direkt kommuniziert und den Anwalt auch mal anruft und Kollegen anruft, und nicht nur schriftliche kleine Verfügungen macht. Also dazu könnte ich Ihnen viel erzählen.
Punktum oder auf den Punkt gebracht: Die Spezialisierung ist ein fadenscheiniges Argument, weil es bei den Größenordnungen, von denen wir sprechen, gerade bei unseren Ausführungen hier, sich überhaupt nicht auswirkt.
Dann die Bearbeitungsdauer. Da kann ich nur dem Vorredner, meinem Kollegen Professor Weber, recht geben, das weiß doch auch jeder: Die Bearbeitungsdauer hängt
genau immer von einer bestimmten Nase ab, die hinter der Statistik steht. Das wissen Sie doch alles als Justizminister. Da ist ein Richter, der hat immer ein sauberes Dezernat. Der hat eine Bearbeitungsdauer bei Zivilsachen von drei bis vier Monaten, manche sechs Monate, dann wird der schon nervös. In der Spalte über sechs Monate taucht der kaum auf. Da ist ein anderer Kollege daneben, der dieselbe Belastung hat, den müssen Sie aber spätestens nach zwei Jahren austauschen, weil der immer völlig versackte Dezernate hinterlässt. Damit kann man übrigens auch noch Karriere machen. So, das ist die Realität an den Gerichten. Bearbeitungsdauer sagt also zur Struktur gar nichts.
Interessanterweise da, wo es dann kribbelig wird, haben Sie gar nichts zu gesagt, zu unserem Hauptargument. Wir haben ja Zweigstellen, die diese ausreichende Größe haben. Wir haben nicht nur von den Minizweigstellen gesprochen, sondern wir haben – Kollege Professor Weber hat es ausgeführt – auch jetzt nach den Zahlen zwei Gerichte, wo es eklatant ist, die die ausreichende Größe haben auch für ein eigenes Präsidium. Dazu habe ich kein Argument gehört, auch nicht von Ihnen.
Sie haben das ausgespart. Was spricht dagegen, die zu Hauptstellen zu machen? Da wäre im Grunde nichts Grundsätzliches geändert,
(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Zurufe von Rainer Albrecht, SPD, Thomas Krüger, SPD, und Jochen Schulte, SPD)
… die Probleme, die bei der Anhörung allzu deutlich wurden, dass Zweigstellen mit Hauptstellen, dass das eine schwierige Ehe, ein schwieriges Verhältnis ist. Zweigstellen funktionieren nicht so.
dann hätten Sie bitte schön an der Expertenanhörung teilnehmen müssen. Oder gehen Sie hin, da wird man Ihnen das erzählen,
Zweigestellen sind ein Problem. Warum gibt es die hier in der Republik fast überhaupt nicht? Genau aus diesen Gründen, weil eigenständige Gerichte besser funktionieren, da hat man eine eigene Identität. Dazu kein Wort. Es
gibt nämlich kein wirkliches Argument, das dafür spricht, Zweigstellen, die die Größenordnung anderer Hauptstellen haben, weiterhin künftig als Zweigstellen zu behandeln,
auch von den Geldern her nicht. Der Direktorposten, der da vielleicht dazukommt, dieser Klecker von R1 und R2, das ist ja kein Betrag im Grunde.
Das sind keine großen Unterschiede. Außerdem war immer die Rede davon, Kosten würden keine Rolle spielen. Das war ja auch, ja, gut, nehmen wir das mal beim Wort, Kosten spielen keine Rolle. Aber das sind wirklich keine Kosten, die ins Gewicht fallen.
Ich kann nur noch mal appellieren, gehen Sie vor Ort, erkundigen Sie sich, machen Sie sich ein Bild! Es wäre kein Gesichtsverlust, wenn die Regierungsfraktionen in der Lage und willens wären, das zu überprüfen. Und dort, wo sich heute eindeutig feststellen lässt, dass es keine Argumente gibt, die Zweigstellen weiter aufrechtzuerhalten, dann machen Sie daraus Hauptstellen!
Wir haben als AfD-Fraktion akzeptiert, und dem kann man sich nicht verschließen, dass natürlich eine gewisse Größe wünschenswert ist,
etwa bei acht. Davon gehe ich aus. Deshalb sagen wir in der Sache, das Anliegen grundsätzlich ja, aber im Schnellschuss alle Zweigstellen zu Hauptstellen zu machen, dazu haben wir uns eindeutig positioniert, dass das aus unserer Sicht nicht durchdacht und nicht umsetzbar ist. Man kann darüber reden, inwieweit das möglich ist. Ich persönlich, das will ich gar nicht verhehlen, bin sicher und ich prophezeie das auch, außer bei den drei genannten Gerichten Demmin, Parchim und – was noch? –,