Protocol of the Session on January 24, 2019

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das war doch kein Gedicht, das hat sich nicht gereimt.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es wäre sicherlich eines ausgiebigen politikwissenschaftlichen Diskurses würdig zu erörtern, inwieweit dieses Zitat auch heute noch Gültigkeit hat. Zu Zeiten Schillers jedoch unter einem absolutistischen und illiberalen Staat, der für Schiller wie für viele andere Menschen von vielfältigen Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit verbunden war, hatte es mit Sicherheit Berechtigung. Heutzutage, in Zeiten eines freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaates, an den die Bürgerinnen und Bürger viele Erwartungen haben, ohne den weder Freiheit, rechtsstaatliche Ordnung noch wirtschaftlicher Wohlstand möglich wären und in dem der Diskurs über politisches Handelns selbstverständlich und unverzichtbar ist, gilt für das Kennzeichen eines besten Staates mit ebenso großer Sicherheit etwas anderes, als dass man nicht von ihm spricht. Dies gilt in besonderem Maße in Zeiten, in denen für viele Bürgerinnen und Bürger nicht immer leicht verständlich ist, welche staatliche Ebene für welches staatliche Handeln zuständig ist, wenn es nicht auf der Hand liegt, ob es nun die Kommunal-, Landes-, Bundes- oder Europapolitik ist, die eine bestimmte Entscheidung getroffen hat oder eine konkrete Maßnahme beschlossen hat.

Aus diesem Grunde entspringt der vorliegende Antrag auch keineswegs dem Konsum eines traditionellen norddeutschen Likörgetränks,

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

sondern er entspringt der Überzeugung, dass für die Bürgerinnen und Bürger klar ersichtlich sein sollte, wenn das Land Mecklenburg-Vorpommern mit Steuergeld seiner Bürgerinnen und Bürger Investitionen umsetzt oder mit Landesmitteln fördert. Ziel des Antrages ist es, sicherzustellen, dass aus Landesmitteln geförderte investive Maßnahmen einheitlich und deutlich sichtbar als solche ausgewiesen werden,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

einheitlich, damit der Wiedererkennungseffekt größer ist als bei individueller Beschilderung, je nach der Förderbewilligung oder Ausführung der Maßnahme der jeweils zuständigen Behörde. Wer an dieser Stelle Zweifel an der Sinnhaftigkeit hat, möge bitte Marketingexperten konsultieren. Und der Ausdruck „deutlich sichtbar“ erklärt sich wohl gänzlich von selbst.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist wie mit dem „Rügener Badejungen“.)

Insofern spare ich mir auch hierzu weitere Ausführungen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, die hinter diesem Antrag stehende Idee ist übrigens keineswegs neu und wir wollen sie auch gar nicht für uns reklamieren. In Schottland beispielsweise legt die Regionalregierung seit Jahren größten Wert darauf, dass jede aus EU-Mitteln geförderte Maßnahme durch eine unübersehbare Plakette als solche gekennzeichnet wird. Die Bundesländer Bayern und Sachsen haben für ihre Landesförderung eine jeweils sehr weitgehende Einheitlichkeit der Hinweisschilder umgesetzt. Hinter all dem steckt die Überlegung, dass die Bürgerinnen und Bürger staatliches Handeln nur dann beurteilen können, wenn es für sie ersichtlich und auch eindeutig zuzuordnen ist. Nur wenn Sie wissen, wer für eine Maßnahme verantwortlich ist, können sie Verantwortung zuordnen, einfordern und die Verantwortlichen gegebenenfalls auch zur Rechenschaft ziehen. Insofern entspricht ein klares, einheitliches, unübersehbares Kennzeichnen von Fördermaßnahmen nicht mehr und nicht weniger als der demokratietheoretischen Forderung nach Transparenz und Verständlichkeit staatlichen Handelns.

Sehr geehrte Damen und Herren, für die konkrete Ausgestaltung der Kennzeichnung soll die Landesregierung einen Umsetzungsvorschlag vorlegen. Dabei sollte sich die Kennzeichnung nach den Vorstellungen meiner Fraktion an der Praxis beispielsweise in Bayern und Sachsen orientieren. Sowohl Bauschilder als auch Schilder an abgeschlossenen Maßnahmen sollen einheitlich einerseits auf das Land als verantwortliche politische Ebene und andererseits auf den Landtag als Haushaltsgesetzgeber hinweisen und einen starken Wiedererkennungseffekt bewirken.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich wäre ja für Fritz Reuter als Symbol.)

Wie dies für verschiedene Maßnahmen und Förderkonstellationen umzusetzen ist, insbesondere bei der Komplementärfinanzierung mit EU-Mitteln, und für welche Fördermaßnahmen eine Plakette in der Praxis sinnhaft ist, bedarf tiefer gehender Prüfungen.

Meine Fraktion ist sehr zuversichtlich, dass das Finanzministerium uns dazu überzeugende Lösungen präsentieren wird. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag, freue mich auf die Debatte und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst für die Landesregierung der Finanzminister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Geheimnis, das glossenumwobene Geheimnis ist also hiermit offenbar gelüftet: Der Plakettenminister, das bin wohl ich.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut!)

Und ich nehme diese Aufgabe, wenn das Parlament dies heute beschließt, mit großer Freude

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Und Demut. – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Dann muss der Briefkopf geändert werden.)

und Pflichtbewusstsein,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

sehr geehrter Herr Abgeordneter Liskow, an.

Ich hatte so den Eindruck, als wenn der eine oder andere in der Öffentlichkeit, vielleicht sogar hier im Haus, das Thema doch für, sagen wir, nicht ganz so wichtig hält,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Niemals!)

vielleicht auch für einen Fall für Loriot.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das würde uns niemals in den Sinn kommen.)

Ich hatte so den Eindruck.

Ich möchte allerdings sagen, zu dieser Gruppe von Menschen zähle ich mich nicht. Und ich würde Ihnen gern mal begründen, warum ich glaube, dass diese Maßnahme sicherlich nicht eine weltbewegende Veränderung des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Doch, doch!)

aber doch vielleicht einen wichtigen Akzent setzen könnte.

Sie haben ja vielleicht davon gelesen, dass eine Delegation von Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern im August des Jahres 2018 die Stadt Wien besucht hat. Darunter befanden sich auch zwei Mitglieder der Landesregierung, mein geschätzter Kollege Pegel und ich. Warum sind wir nach Wien gefahren? Weil wir uns unterrichten lassen wollten über eine über hundert Jahre bestehende Tradition im staatlichen, im kommunalen sozialen Wohnungsbau, welche Erfahrungen dort sind, warum die Stadt Wien seit hundert Jahren daran glaubt, dass Wohnen ein öffentliches Gut ist und nicht dem privaten Markt überlassen bleiben kann, weil Marktkräfte in bestimmten Wohnungsmärkten, jedenfalls großen Metropolen, zu erheblichen Segregationstendenzen und Spaltung einer Stadt führen können und warum man das in Wien nicht will.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Deshalb mussten Sie erst nach Wien fahren, um das zu erkennen?! – Peter Ritter, DIE LINKE: Manch einer muss nach Hamburg fahren, Pferde angucken.)

Das Interessante daran war – und Sie können sich weiter darüber lustig machen –, das Interessante, was man dort erfahren konnte, war Folgendes: Warum gelingt denen das seit hundert Jahren?

Ich habe es vor Ort verstanden, glaube ich: Man geht zum Bürgermeister, wird empfangen, und der erzählt einem etwas über das Grundverständnis dieser Stadt, seine Menschen und über die Frage, was öffentliches Bauen für eine Rolle spielt. Dann gehen Sie zu einem Abgeordneten, der erzählt Ihnen genau dasselbe. An

schließend gehen Sie zum Chef der Wohnungsgesellschaft, das war eine Frau, die erzählt genau dasselbe. Und schließlich treffen Sie eine Managerin in einem Wohnquartier, eine private Architektin – das Quartiersmanagement macht das offenbar in Österreich anders, da können sich einfach private Einrichtungen für solche Aufträge bewerben –, und selbst diese private Architektin aus einem selbstständigen Architektenbüro erzählte dieselbe Philosophie. Die gesamte Stadt Wien atmet diese Tradition und diesen Geist. Deswegen gibt es das auch nach 20 oder 30 Jahren Neoliberalismus in Europa und der Welt in der Stadt Wien immer noch.

Die Frage ist: Was hat das jetzt mit der Plakette zu tun? Wenn Sie durch Wien gehen, können Sie von Haus zu Haus gehen und sehen, hier hat die Gemeinde Wien für die Bürger dieser Stadt dieses Haus im sozialen Wohnungsbau errichtet, zum Beispiel 1956. Manchmal stehen auch noch Architekten da drauf. Dann gehen Sie zum nächsten Haus und da steht das wieder dran. Das heißt, der Bevölkerung von Wien wird auch durch diese Maßnahme verdeutlicht, dass es sich um ein öffentliches Gut handelt und die guten Wohnbedingungen der Stadt Wien etwas mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, mit politischen Entscheidungen von Amtsträgern zu tun haben. Und deswegen gibt es in dieser Stadt kollektiv ein ganz anderes Bewusstsein,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

ein ganz anderes Bewusstsein dafür, was staatliche Aktivitäten oder am Ende Aktivitäten der Solidargemeinschaft auch für Folgen haben können, was das bedeutet, und deswegen gibt es dort immer noch diese Bereitschaft, das zu unterstützen.

Insofern möchte ich, wie erwähnt, nicht sagen, dass, wenn wir jetzt Plaketten in Mecklenburg-Vorpommern anbringen, wir einen großen Ruck nach vorn machen und das Wirtschaftswachstum nach oben gehen wird, aber es kann vielleicht einen kleinen Beitrag dazu leisten, Bürgern in diesem Land zu verdeutlichen, dass ein gut ausgebauter und handlungsfähiger Staat keine Selbstverständlichkeit ist, jedenfalls, wenn man sich in der Welt umblickt, und dass es Ressourcen braucht, um dies zu erhalten. Und diese Ressourcen sind die Bereitschaft der Bevölkerung, das zu unterstützen. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das Handeln des Staates ist die Voraussetzung dafür, dass dieser Staat auch so erhalten bleiben kann.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gut, gut!)

mein Eindruck ist schon, dass wir in den letzten Jahren zunehmend mit einem Ausmaß an Staatsverachtung auch bei Bürgerinnen und Bürgern konfrontiert sind, das, glaube ich, für diesen Staat ein Problem darstellt. Ich weiß nicht, ob immer jeder dieser Bürger, die sich in Staatsverachtung üben, ob die sich darüber eigentlich im Klaren sind, wie es ihnen ginge, wenn es diesen Staat nicht gäbe, was sie alles nicht hätten, weil es Solidarleistungen sind, ob Straßenbau,

(Beifall Christoph Grimm, AfD)

ob innere Sicherheit, ob Schulen oder andere Dinge. Das sind alles Gemeinschaftsleistungen. Insofern ist es so,

wenn dann Bürger vielleicht, weil sie in einer Situation unzufrieden sind oder sicherlich berechtigt mal, wie soll ich sagen, ihren Unmut äußern wollen, wenn sie den gleichsam auf den gesamten Staat übertragen und seine Institutionen, übertragen sie ihn auf ihr eigenes Lebensmodell, weil sie sich das gar nicht klarmachen, dass es ohne diesen Staat dieses Land so gar nicht geben würde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte es nicht überhöhen, aber ich möchte Sie auch ermuntern, das Thema dieser Plaketten nicht lächerlich zu machen, sondern, wie gesagt, mich hat das Beispiel Wien sehr beeindruckt. Es war ein gutes Beispiel, mich davon zu überzeugen, als ich diesen Antrag gesehen habe. Ich hatte nicht die Ehre, an der Erstellung des Antrages mitzuwirken, es ist natürlich eine Initiative der Fraktionen, aber als ich das gelesen habe, war ich sofort davon überzeugt, diese Bildungsreise nach Wien hat einen Beitrag dazu geleistet. Und ich hoffe, dass Sie, auch wenn Sie das nicht für den größten Fortschritt in diesem Lande halten, dann doch vielleicht für einen gewissen Anteil oder einen Beitrag zur Bewahrung unserer Demokratie und für die Begründung eines positiven Staatsgrundverständnisses …

(Vincent Kokert, CDU: Sehr gut, sehr gut!)

Herr Abgeordneter Kokert, jetzt habe ich leider aufgrund des Zwischenrufes vergessen, wie ich den Satz begonnen habe. Aber auch dieses Ende ist kein schlechtes.