Protocol of the Session on January 24, 2019

Vor allen Dingen aber sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Wildt, Sie haben mich jetzt ein bisschen mit dem Spagat überrascht und den haben Sie nicht aufgelöst. Als Bekenntnis war ja: Ich bin für das, was dort geschieht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Kann es aber nicht so zeigen.)

Aber dann hole ich alle Argumente der Kritiker raus. Und wenn Ihnen jemand zuruft, wie stehen Sie dazu, sagen Sie: Nein, ich trage ja bloß vor.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Die werden aber in einer Weise vorgetragen und zusammengestellt, denn sonst hätte man auch die durchaus vielfältigen anderen Argumente mit anbringen müssen. Sie suchen sich die aus, die in Wahrheit in summa sagen, eigentlich darf man so ein Projekt nicht machen. Das finde ich nicht nachvollziehbar. Ich finde, den Spagat haben Sie noch nicht geschafft. Vielleicht höre ich nachher noch, wie sich dann der Kreis am Ende wieder schließt. Ich glaube, Sie müssen sich bekennen, ob Sie dafür oder dagegen sind.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Das habe ich ganz deutlich gemacht, ganz deutlich.)

Das war sozusagen Ihr Wunsch. Ich würde die Frage und Antwort gern anders geben. Ich sage dazu gleich etwas.

Ich würde aber gern etwas vorwegnehmen, um eines Ihrer Argumente aufzugreifen, weil das zuzusagen auch ein Stück weit das Signal ist, und das haben Sie in der Rede eben auch an wiederholten Stellen gehabt: Wenn wir dieses Nord-Stream-2-Projekt nicht machten, dann wäre der russische Staat schon pleite und sozusagen der böse russische Staat besiegt.

Erstens …

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Nein, das ist so nicht richtig.)

Sie müssen meine Überspitzung aushalten,

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Nein, das ist so nicht richtig. – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

wenn ich Ihre Zitate anderer und mindestens genauso überspitzte Dinge aushalte.

Erstens. Dieses Gut-Böse-Schema fällt mir schwer, da bin ich irgendwie zu differenziert, zu sozialisiert.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Ohne die Gasexporte wäre Russland pleite.)

Zweitens. In Zeiten …

(Zuruf von Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Das halten Sie ja schwer aus, was ich hier tue, merke ich.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

In Zeiten, als die großen Blöcke sich noch viel kritischer, um nicht zu sagen, feindseliger gegenüberstanden, hat Europa, Westeuropa in einer Größenordnung trotzdem russisches Gas genommen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig!)

und dann hätte man eigentlich Ihrer Logik folgend erst recht sagen müssen, das dürft ihr gar nicht, denn ihr finanziert damit ein wirklich von allen anerkanntes Gegnerbild. Man könnte es auch umgekehrt formulieren: Ohne russisches Gas, ohne deutsche Gasentgelte wäre der russische Staat pleite. Ich würde es mal so formulieren: Ohne russisches Gas, das geht dann auch umgekehrt, wäre die westliche und mitteleuropäische Wirtschaft vermutlich am Boden. Das ist schon eine enge Wechselbeziehung, die seit vielen Jahrzehnten lebt. Und genau auf die will ich gern verweisen, weil Sie zu Recht gesagt haben, die Wirtschaftsbeziehungen sind eng verflochten.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Ja.)

Ja, das sind sie seit Jahrzehnten, und zwar in Zeiten, als man sich in einer Weise aggressiv in die Augen geguckt hat,

(Horst Förster, AfD: Das ist friedensfördernd.)

dass man staunt, und trotzdem ist es gelungen auf der Ebene und vielleicht auch ein bisschen, da bin ich dann bei Ihnen, deswegen, weil man nie die endgültige Eskalation hatte, sondern man hat weiterhin gewisse Dinge gepflegt. Ob ich damit recht habe, weiß ich nicht.

(Zuruf von Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Meine Hoffnung ist, dass genau solche Gespräche, solche Wirtschaftsbeziehungen, solche fortlaufenden Miteinander dazu beitragen, dass du eben nicht in eine immer extremere, aggressivere Eskalation verfällst,

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Das ist doch vollkommen unstrittig. Gehen Sie doch mal auf die Argumente ein! – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

und ich freue mich doch sehr, wenn wir da unstrittig sind. Nein, Sie müssen es aushalten, dass ich Sie bei einem Thema abhole, wo Sie genau die Eskalation hineingebracht haben, und genau an der Stelle hole ich Sie auch ab.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Nein, nein!)

Doch, doch. Auch diese Meinung müssen Sie aushalten.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Halt ich ja aus, aber gehen Sie doch auf die Argumente ein!)

Sie dürfen nachher noch ganz viel hier sagen, aber dass ich Sie auf dem Fuß ertappt habe …

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Gehen Sie doch mal auf die Argumente der anderen ein!)

Einen Moment! Einen Moment bitte! Ich habe jetzt hier wirklich die lange Leine gelassen, aber wie gesagt, es darf nicht in Zwiegespräche ausarten. Es ist eine Aussprache und der Minister richtet sich hier an alle.

Jetzt können Sie fortfahren.

Herzlichen Dank.

Ich würde aber gern noch einen zweiten Punkt ansprechen. Die Aussprache hat eine gewisse Gefahr. Sie signalisiert, das sei was, was man politisch macht. Das hat auch eine politische Dimension, keine Frage, aber ich habe gerade an einem bundesdeutschen Rechtsstaat genossen, dass wir in erster Linie in einem Rechtsstaat leben.

(Der Abgeordnete Dr. Matthias Manthei bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Zurzeit nicht. Sie können nachher genug Gelegenheiten nutzen.

Also ich habe es jetzt einmal zugelassen. Ich habe vernommen, dass der Herr Minister jetzt keine Zwischenfrage beantworten will. Allerdings muss ich dann auch zur Aufklärung beitragen, dass für die Fraktion Freie Wähler/BMV aufgrund ihrer Größe keine weitere Redezeit zur Verfügung steht, sodass eine Reaktion auf Ihre Rede zumindest bei diesem Tagesordnungspunkt nicht mehr möglich ist.

Da wird die Fraktion künftig ihre Redezeit anders einteilen müssen.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Genau.)

Meine Damen und Herren, wenn Sie die politische Dimension ansprechen, dann ist das unzweifelhaft gegeben, aber ich würde mir in der Bundesrepublik Deutschland vor allem eine rechtliche Dimension wünschen.

(Zuruf von Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Wir kritisieren auch in diesem Hohen Haus, äußern in unseren Medien zuweilen Rechtsstaatsbedenken gegenüber dem russischen Rechtssystem, und umgekehrt sagen wir, schaut her, wir machen es anders. Genau deshalb finde ich ein rechtsstaatliches Genehmigungsverfahren, einen Rechtsstaat, der hinten dranhängt, eine Menge wert. Und viele der Rufe, die wir zurzeit in der Europäischen Union hören, vieles von dem, was die USAmerikaner von uns fordern, ist doch zu sagen, Rechtsstaat ist immer wunderbar. Aber manchmal schaltest du den Rechtsstaat ab und machst aus politischem Bauchgefühl heraus etwas anderes als das, was du dir eigentlich in die Gesetze schreibst, nämlich, dass jemand einen Antrag stellt, wir gewisse Kriterien abprüfen und wenn die erfüllt sind, gibt es die Genehmigung.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Das ist nicht richtig.)

Damit würde ich gern auch auf die Strategie des Landes reagieren. Ich fände es schräg, als Genehmigungsbehörde zu sagen, es gibt Nord Stream um jeden Preis. Das können weder das Haus, in dem ich mitarbeiten darf, noch das Haus, in dem der Kollege Backhaus mitarbeiten darf, so leisten. Das wollen wir auch nicht. Umgekehrt sind wir auch nicht ins Verfahren gegangen und haben gesagt, das ist politisch aber nicht opportun aus unserer Sicht, wir verhindern das um jeden Preis, sondern es war völlig klar, die treffen auf ein vernünftiges Verfahren. Diese Verfahren sind abgeschlossen, und zwar sind alle auf bundesdeutschem Boden angestrengte Verwaltungsverfahren. Sie hängen in einer gerichtlichen Überprüfungsinstanz. Auch dort werden sie ohne politische Einflussnahme, das ist mir wichtig, durch die Verwaltungsgerichte entschieden und am Ende des Tages werden wir mit den Entscheidungen umgehen, aber wir haben entsprechende Verfahren umgesetzt.

Die Strategie war in der Tat, das will ich Ihnen auch sagen, dass wir bei einem solchen Großprojekt koordiniert vorgehen und uns deshalb angeschaut haben, gibt es große Problemblöcke, die man sich vorher anguckt, laufen wir blind in irgendwelche Dinge. Nein, das tun wir aber nicht nur, wenn ein russisches Unternehmen ein Projekt beantragt, das tun wir ebenfalls bei großen bundesdeutschen Projekten, jetzt können Sie auch eine Menge anderer Nationalitäten meinethalben bei anderen Projekten verfolgen, weil wir glauben, dass Investitionen in diesem Bundesland, das gewerblich und industriell durchaus noch Input gebrauchen kann, hilfreich sind, und deshalb würden wir bei jedem dieser Projekte helfen. Es ist keine Sonderrolle, die wir einem zubilligen.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Das ist völlig unstrittig.)