Protocol of the Session on January 23, 2019

Für meine Fraktion ist klar: Wir sagen Ja zur europäischen Integration, wir sagen Ja zur EU, aber wir brauchen dringend Reformen für eine demokratischere, sozialere und friedlichere Union, denn Wohlstand, meine Damen und Herren, misst sich am Ende nicht an den Aktienwerten oder den Umsätzen von DAX-Unternehmen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Sebastian Ehlers, CDU: Wenn das Frau Wagenknecht hören könnte!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion Freie Wähler/BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

Ja, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Als die Europäische Gemeinschaft gegründet wurde, waren es sechs Mitgliedsstaaten, die sich zusammengeschlossen haben. Heute sind es 28 Mitgliedsstaaten. Allein daran können Sie schon sehen, wie attraktiv die Europäische Union für die Staaten auf unserem Kontinent ist. Es war ein großer Ansturm, ein großer Anreiz, Mitglied in dieser Europäischen Union zu werden. Über die Jahrzehnte hinweg wuchs die Gemeinschaft zusammen und hat immer größere Vorteile für die Mitgliedsstaaten gebracht. Wir haben tatsächlich, objektiv betrachtet, die längste Epoche von Frieden, Demokratie, Zusammenarbeit und auch Wohlstand auf unserem Kontinent.

Aber – das wurde schon mehrmals gesagt – es gibt natürlich Reformbedarf. Das ist auch überhaupt gar kein Wunder, denn die 28 Mitgliedsstaaten sind sehr heterogen. Wir haben unterschiedliche Niveaus beim Arbeitsmarkt, beim Einkommen und bei den sozialen Standards. Allein schon deshalb sind Schwierigkeiten naturgegeben und müssen immer wieder aus der Welt geschafft werden. Man braucht immer wieder Reformen. Und was auch schon angesprochen wurde, ist das Thema Subsidiarität. Es ist immer wieder neu auszuhandeln, welche Ebene ist für welches Thema zuständig. Ist es richtig

verteilt oder möchte man daran etwas ändern? Alles kein Grund für Panik oder für Aufregung – das sind ganz normale Themen in einem Staatenbund, die man lösen kann.

Nun gibt es neuerdings, seit einiger Zeit Parteien, die immer stärker in allen europäischen Ländern darauf pochen, ihre eigenen nationalen Interessen zuerst zu postulieren. Es gibt auch eine Partei, die sagt, deutsche Interessen zuerst, dafür ist sie da. Das hört sich vielleicht für den einen oder anderen sogar gut an, aber man muss ja doch mal fragen: Was kann dabei herauskommen? Es kann dabei nur eine Politik auf kleinstem gemeinsamen Nenner herauskommen, denn immer sind ja die verschiedenen Interessen gegeneinander abzuwägen.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Genau.)

Was kann der kleinste gemeinsame Nenner sein? Da sind Sie wahrscheinlich der Meinung, das wäre dann eine Freihandelszone. Und da muss ich sagen, Sie befinden sich im Irrtum. Der kleinste gemeinsame Nenner wäre noch nicht einmal eine Freihandelszone. Aus deutscher Sicht ja, wir würden gern all unsere Produkte überallhin exportieren, aber viele andere Staaten würden dann ihre Volkswirtschaft schützen wollen und wir bekämen ohne die Kohäsionspolitik, Regionalpolitik und so weiter noch nicht mal diese Freihandelszone hin.

Deswegen ist die Europäische Union so wichtig. Sie muss weiterentwickelt werden. Insofern ist es besonders tragisch, dass die Briten ausscheiden wollen. Und da, Frau Schwesig und Herr Krüger, gingen mir Ihre Forderungen nicht weit genug. Ich möchte nicht nur, dass es keinen harten Brexit gibt, ich möchte, dass es gar keinen Brexit gibt. Deswegen müssen wir den Brexit verschieben. Dieses Angebot muss vom Kontinent kommen. Es muss auch möglich sein, ein zweites Referendum abzuhalten. Das macht aber nur Sinn, wenn man neue Angebote von Europa an die Briten macht.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das entscheiden die Briten Gott sei Dank alleine.)

Nein, nein, das entscheiden nicht die Briten, das Angebot muss von Europa kommen. Da bin ich ganz bei Herrn Gabriel, Ihrem früheren Vorsitzenden der SPD, der genau das gefordert hat und der auch ganz klar sagt, man muss auf die Forderungen der Briten eingehen und man muss auch die Freizügigkeit in Europa weiterentwickeln und braucht da etwas geänderte Regeln für alle, kein Chaos, sondern Regeln, die für alle gleich gelten. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV und Tilo Gundlack, SPD)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der SPD der Fraktionsvorsitzende Herr Krüger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die eine oder andere Äußerung hier im Saal veranlasst mich, doch noch mal nach vorne zu kommen. Ich habe vernommen, dass Herr de Jesus Fernandes auf die Rede der Ministerpräsidentin eingeworfen hat, dass wir das Geld ja auch eingezahlt haben.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns das Verhältnis der Gemeinden und Kreise zum Land angucken, dann haben wir einen Finanzausgleich, den organisieren wir. Wenn wir uns das Verhältnis des Landes MecklenburgVorpommern zu anderen Bundesländern und zum Bund anschauen, dann organisieren wir uns einen Finanzausgleich, im Übrigen einen Finanzausgleich, der unsere eigene Finanzausstattung, die bei 55 Prozent liegt, bis auf 98 Prozent anzieht.

Wenn wir uns die Länder innerhalb der Europäischen Union anschauen, dann machen wir einen minimalen Ausgleich, der liegt bei einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Bei einem Prozent! Da kann man natürlich beikommen und sagen, dass dieser Ausgleich ein Dorn im Auge ist. Ich sage Ihnen, dieser Ausgleich führt dazu, dass die unterschiedlichen Entwicklungen in den Staaten – in Teilen zumindest – angepasst werden. Das ist richtig,

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

weil wir damit unseren Binnenmarkt stärken, weil wir damit den Frieden erhalten, damit die Friktionen, die es zwischen Staaten, die sich unterschiedlich entwickeln, gibt, schlicht und einfach nicht auftreten. Deswegen ist es richtig, dass wir hier finanzieren.

Dann gibt es die Diskussion, die von Ihrer Seite auch kritisiert wird, inwieweit man in Zukunft die Europäische Union ausfinanziert, denn wenn Großbritannien in der Tat die EU verlässt, dann ist ein Finanzdefizit da. So, und dann wird diskutiert, ob wir von 1 Prozent auf 1,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gehen, das heißt, eine minimale Anhebung. Da sage ich Ihnen: Solange wir darüber diskutieren, ob wir die Militärausgaben so anheben, wie Donald Trump das momentan vorhat, nämlich derzeit sind es 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das soll gehen auf 2 Prozent, solange wir darüber reden, bin ich nicht bereit, das Friedensprojekt Europa im Regen stehen zu lassen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Horst Förster, AfD)

Noch eins will ich Ihnen sagen: Meine Großmutter hat viel erlebt. Sie hat den Zweiten Weltkrieg erlebt. Sie sind von hinten, da, wo jetzt Polen ist, mit einem Wagentrack hierhergezogen und haben viel Not und Leid erlebt. Meine Großmutter hat mir gesagt: Weißt du, lieber das ganze Leben Brot und Wasser, aber nie wieder Krieg. Und, meine Damen und Herren, genau darum geht es: eine gemeinsame Entwicklung der Staaten zu organisieren.

Und wenn Herr Grimm sich hier hinstellt und sagt, Frieden und Wohlstand rücken in immer weitere Ferne, dann sage ich Ihnen, Sie leben irgendwo in einem anderen Land.

(Jochen Schulte, SPD: Ja.)

In dieser Europäischen Union,

(Christoph Grimm, AfD: Habt ihr aus dem Brexit gar nichts gelernt?)

auf dem Gebiet dieser Europäischen Union hat es in den 1.000 Jahren – „1.000 Jahre“ hört man ja öfter aus der

rechten Ecke –, in den 1.000 Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg keine 30 Jahre gegeben, wo die Leute sich nicht die Köppe eingeschlagen haben. Wir haben jetzt weit über 70 Jahre Frieden, und das ist das Projekt Europäische Union, und das lassen wir uns nicht kaputtmachen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Dr. Wolfgang Weiß, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns mal weitermachen. Hier ist ja wirtschaftspolitisch einiger Unsinn erzählt worden. Ich will nur darauf verweisen, was Sie gesagt haben im Bereich der Europäischen Zentralbank. Sie haben der Europäischen Zentralbank vorgeworfen, dass Sie für die Nullzinspolitik verantwortlich ist, dass sie schuld daran ist, dass die kleinen Sparer jetzt keine Zinsen mehr haben. Ich sage Ihnen, dann müssen Sie auch auf die Amerikanische Zentralbank verweisen, denn die Amerikanische Zentralbank hatte über eine längere Zeit auch null Zinsen. Und dann bitte ich Sie mal, nach Japan zu gucken, die gehören zufälligerweise wohl nicht der Europäischen Union an. Seit 20 Jahren kämpfen die gegen Deflation, denn genau darum geht es bei dem, was die EZB macht, nämlich gegen Deflation kämpfen.

(Christoph Grimm, AfD: Es geht um die Rettung der reichen Länder.)

Und jetzt, wo die Inflation auf die Zielmarken gestiegen ist, wird entsprechend umgesteuert von der Europäischen Union, und das ist richtig so.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das ist grundfalsch!)

Meine Damen und Herren, und dann sind Sie wieder beigekommen und haben das Thema Umweltschutz, wie ich empfinde, mit Füßen getreten. Natürlich kann man kritisieren. Ich höre das ja auch von anderen, dass sehr ehrgeizige Ziele im Bereich der CO2-Reduzierung vorgegeben werden. Aber so ist das nun mal in der Politik. Wenn wir als Politiker keinen Druck machen an der einen oder anderen Stelle, dann wird auch nichts passieren. Ich sage Ihnen, es wird Anpassungen geben und die, die sich am besten anpassen, werden am Ende auch die Nase vorn haben. Natürlich will ich, dass es am Ende auch die deutschen Autobauer sind, die die CO2-Werte einhalten können, und dafür muss natürlich entsprechend in Forschung investiert werden. Das muss man machen, wenn man das will, und wir wollen es.

(Zuruf von Christoph Grimm, AfD)

Ich sage Ihnen, zu allen Zeiten hat es Umbauprozesse gegeben, zu allen Zeiten, und wer versucht hat, diese Umbauprozesse aufzuhalten, der hat hintenangestanden. Es gab Menschen, die haben Maschinenstürmerei gemacht, als die Dampfmaschine eingeführt worden ist. Ja, kann man machen. Man steht am Ende hintenan. Wir wollen nicht hintenanstehen, wir wollen ehrgeizige Ziele, die in anderen Ländern schon erreicht werden, und deswegen werden wir hier auch entsprechend handeln.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, mich würde mal das Energiekonzept der AfD interessieren. Bisher höre ich nur, was nicht geht. Bisher höre ich nur, es gibt gar

keinen Klimawandel, das heißt, wir müssen nichts tun. Ich weise das in aller Form zurück.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Jochen Schulte, SPD: Das ist heiße Luft!)

Und wenn wir dabei sind, meine Damen und Herren, natürlich gibt es keine Diskussion von Ihrer Seite hier, ohne dass Migrantinnen und Migranten vorgeführt oder als Argumentation herbeigeführt werden. Das war auch hier so. Ich bitte Sie, sich einfach mal mit den Realitäten zu beschäftigen.

(Christoph Grimm, AfD: Haben Sie das gemacht? – Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Zu den Realitäten gehört, dass wir im Vergleich von 2017 zu 2016 einen Rückgang von Asylbewerbern von 72,5 Prozent hatten.

(Horst Förster, AfD: Und jeden Monat kommen 15.000 dazu!)

Vielleicht nehmen Sie es einfach mal wahr. 2017 beispielsweise kamen 67 Prozent aller Zugewanderten aus Europa und nur 4,3 Prozent aus Afrika. Auch das ist die Wahrheit.

Dann lassen Sie mich ganz kurz eingehen auf das, was hier heute nicht war, aber in den Medien war, nämlich dass …

(Dr. Ralph Weber, AfD: Dann kommen sie in Spanien, Malta oder Italien an.)

Lassen Sie mich doch ausführen! Sie haben noch Zeit. Kommen Sie doch nach vorne! Machen Sie es doch einfach, machen Sie es doch einfach!

Dann möchte ich darauf eingehen, was in den Medien war, was Sie hier heute nicht gesagt haben, aber was bei Ihnen ja immer mit durchklingt, nämlich, dass wir das EUParlament abschaffen sollen – das haben Sie ja gerade beschlossen – und dass unter bestimmten Umständen Deutschland auch aus der EU austreten soll. Meine Damen und Herren, wenn ich in der Gemeinde bin und mit dem Kreis unzufrieden bin, trete ich dann aus dem Kreis aus? Nein, mache ich nicht, dann ändere ich etwas beim Kreis. Wenn ich im Kreis unzufrieden mit dem Land bin, trete ich dann als Kreis aus dem Bundesland aus? Das mache ich auch nicht. Ich bleibe da drin und mache da weiter. Wenn ich mit dem Land als Bundesland mit der Bundesregierung unzufrieden bin, dann werden wir nicht aus dem Bund der deutschen Länder austreten. Genauso dämlich wäre es, wenn Deutschland die Europäische Union verlassen würde, das wäre ein Fehler.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Herr Wildt, Sie haben recht, wir haben das Ziel, dass die Europäische Union beieinanderbleibt. Ich nehme zur Kenntnis und Sie ja auch, dass das Volk der Briten sich anders entschieden hat, und ich erkenne an, dass die sich anders entschieden haben. Ich finde das nicht gut. Ich würde mir das, was Sie da gesagt haben, dass die Briten diesen Beschluss zurücknehmen, wünschen. Mir