(allgemeine Heiterkeit – Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und AfD – Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)
Es geht aber vor allem um Tourismus. Und hier müssen wir leider feststellen, dass 2017 Mecklenburg-Vorpommern in der Beliebtheitsliste der Radreiseanalyse des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs auf dem 7. Platz nach unten durchgereicht worden ist, im Jahr 2018 die gleiche Platzierung – auch eine Art von Bestandserhaltung, aber bestimmt nicht so gemeint. Dieses Jahr teilen wir uns den Platz 7 noch zusätzlich mit dem Bundesland Thüringen, das vorher gar nicht unter den besten 10 gewesen ist.
In solchen Ranglisten kann man gut Vergleiche finden, denn gerade die Radreiseanalyse ist ein wichtiger Indikator für die Attraktivität des Fahrradtourismus hier im Land. Der Fahrradtourismus ist für uns – da sind wir uns sicher alle einig – ein nicht zu vernachlässigender Zweig der Tourismusbranche. Das heißt im Umkehrschluss, es ist nicht nur an Herrn Minister Pegel, sondern auch an seinem Kabinettskollegen Herrn Glawe, sich ebenfalls ins Zeug zu legen und hier merkliche Verbesserungen zu erzielen.
Vielleicht können wir dabei auch etwas von Thüringen lernen, denn alles scheint man dort nicht falsch zu machen. Thüringen hat als erstes Bundesland im Jahr 2015 das BYPAD-Instrument in Anspruch genommen. BYPAD steht hierbei für Bicycle Policy Audit. Anfang dieses Jahrtausends haben Experten dieses Auditverfahren entwickelt. Zunächst haben es Länder wie Polen und Estland angewandt und damit Erfolge erzielt. Später wurde es erweitert, sodass dieses Modulsystem auch auf kleinere Einheiten wie beispielsweise Bundesländer anwendbar wurde. Eine Evolutionsgruppe, zusammengesetzt aus Politik, Verwaltung und Verbänden, kann anhand von Modulen Ziele festlegen und laufend Verbesserungen im kleinen Rahmen vornehmen. In Thüringen hat das gut funktioniert. Das Ergebnis, innerhalb von knapp drei Jahren unter die besten zehn Radfahrerländer zu gelangen, kann sich durchaus sehen lassen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ein guter Teil der touristischen Radwege wie beispielsweise der Ostseeküsten-Radweg, also einst das Flaggschiff unter den Tourismusradwegen, unterliegt beim Erhalt in weiten Teilen der Zuständigkeit der Gemeinden. Es ist richtig, dass das Land hier nicht einfach das Zepter in die Hand nehmen kann, denn es verstieße gegen die kommunale Selbstverwaltung, und das Ministerium für Infrastruktur hätte laut Herrn Pegel außerdem gar nicht die Kapazitäten, um diese Aufgaben zusätzlich zu bewältigen.
An dieser Stelle kommen wir an einen relativ merkwürdigen Dissens. Vonseiten des Ministeriums kommt die Aussage, dass für Radwegeprojekte in den Gemeinden und Landkreisen noch deutlich Luft für Fördergelder nach oben ist. In den Werkstattgesprächen, die im Rahmen der Erarbeitung des Landesverkehrsplanes durchgeführt wurden, nannten die einzelnen Landkreise Ursachen für die Mängel in der Fahrradwegeinstandhaltung. Als vorrangige Gründe wurden hier Finanzierungsprobleme und nachrangig erst Probleme mit der Verwaltung genannt. Wenn also 75 Prozent der Gelder für kommunale Radwegprojekte aus Fördermitteln des Landes kommen könnten und die Gemeinden und Landkreise trotzdem nicht in der Lage sind, solche Projekte anzuschieben, dann ist etwas faul, und das passiert dann zum beidseitigen Schaden – für das Land und auch für die Kommunen.
Wie erwähnt, ich bin da ganz bei Ihnen, dass das Land hier nicht einfach in die Zuständigkeit der Gemeinden und Landkreise funken soll. Was hat aber andererseits die Landesregierung von vollen Fördertöpfen, die am Ende keiner ausschöpfen kann, während Radwege nicht besser werden? Es wäre an der Zeit, die Förderrichtlinie zu überdenken, wenn es in den Landkreisen von Nordwestmecklenburg bis Vorpommern-Greifswald bereits daran scheitert, ein Viertel der Summe für ein Radwegeprojekt zusammenzubekommen. Denkbar wäre auch eine zusätzliche Unterstützung für die Instandhaltungskonzepte der Gemeinden. Nach dem Neubau der Radwege ist die Unterhaltung ein weiterer Kostenfaktor, der den Gemeindehaushalt belastet.
Aber das Problem ist Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, durchaus bekannt. Ich darf mal kurz die Ziffer 106 Ihrer Koalitionsvereinbarung zitieren. Da heißt es: „Die Koalitionspartner werden bei der Förderung des Radwegebaus neben dem Neubau verstärkt die Substanzerhaltung berücksichtigen und ihre verschiedenen Förderrichtlinien untereinander abstimmen und entsprechend ausrichten. Der Neubau oder Ersatzneubau von Radwegen im kommunalen oder touristischen Bereich soll nur gefördert werden, wenn auch ein Erhaltungskonzept vorliegt und belastbar umgesetzt werden kann. Bei Radwegen, die bisher mit Fördermitteln des Landes gebaut worden sind, erwarten die Koalitionspartner, dass die Unterhaltungspflichten durch die Zuwendungsempfänger tatsächlich wahrgenommen werden.“
Lässt man sich das durch den Kopf gehen, drängt sich die Frage auf: Was sonst? Oder: Baut man weiter kilometerlange Radwege an Bundes- und Landesstraßen, während man dem Bestand beim Verfall zusieht? Das kann es nicht sein, dann fällt man auch ganz schnell aus den Top Ten heraus. Wenn Mecklenburg-Vorpommern Radfahrland Nummer eins werden möchte, muss das Land mit den Gemeinden in den Dialog treten. Gemeinsame Problemanalyse und anschließend auch gemeinsame
Lösungsansätze zu entwickeln, das ist hier gefragt. Ein erster Ansatz ist dank dem neuen Landesverkehrsplan, der ja auch großen Wert auf den Radverkehr legt, durchaus vorhanden.
Bitte sehen Sie mir die kleine Redewendung nach, wenn ich sage, man muss das Rad hier nicht neu erfinden. Schauen wir uns doch die erfolgreichen Konzepte, die es gibt, an. Das Ministerium hat im Energieausschuss bereits Baden-Württemberg als Vorbild herausgehoben. Auch hier fand in einigen Regionen die BYPAD-Methode Anwendung. Seien wir also aufgeschlossen für bewährte Strategien, aber auch für neue Lösungsansätze. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Brade, die positiven Auswirkungen von Sport, im Besonderen das Radfahren, sind unzweifelhaft. Und ich kann mir so ein Wettrennen zwischen Herrn Brade und Herrn Borschke gar nicht vorstellen. Da kommt mir in Erinnerung der Film – vielleicht kann sich der eine oder andere daran erinnern – „Schußfahrt nach San Remo“. Das wäre ja mal was.
Nein, es ist viel zu ernst, das Thema, weil es einerseits eine Mobilitätsgarantie, andererseits aber in einem Tourismusland wie Mecklenburg-Vorpommern von wirtschaftlicher Bedeutung ist. Das Radfahrland MecklenburgVorpommern ist ein sehr aktuelles Thema – ich sage, nicht nur für Touristiker in unserem Land –, denn der Radverkehr hat in den letzten Jahren in unserem Bundesland deutlich zugenommen und gewinnt für die Mobilität unserer Bürger und Urlaubsgäste sowie im Alltagsverkehr als auch im Tourismus eine immer größere Bedeutung.
Und selbst ich habe es nicht für möglich gehalten: die Entwicklung der E-Bikes. Inzwischen ist das eine wichtige Mobilitätsgarantie für unsere älteren Bürger, aber eben auch für die jungen Menschen, die ganz einfach noch nicht motorisiert mobil sind. Deshalb sind die Entwicklungen und der Erhalt der Radwegeinfrastruktur – das ist das Entscheidende, ich kann also nur den Sport machen und Radl fahren, wenn ich auch die Infrastruktur habe, und darum geht es im Wesentlichen bei dieser
Aussprache, darauf kommen wir noch zurück – zwingende Voraussetzungen für den Erhalt der Mobilität und die touristische Entwicklung.
Derzeit verfügt Mecklenburg-Vorpommern an 37,6 Prozent der Bundesstraßen und ebenso an den Landesstraßen und 24,7 Prozent an Kreisstraßen über Radwege. Weitere touristische Radwege finden wir auf Deichen, in Wäldern oder auf landwirtschaftlichen Wegen, die noch dazukommen. Nach Auskunft der ADFC-TravelbikeRadreiseanalyse 2017 belegt Mecklenburg-Vorpommern den Platz 7 von 148 Regionen. Ich könnte von einem Erfolg sprechen, aber das ist es eben nicht, weil wir schon bessere Platzierungen erzielt hatten und eine Stagnation eingetreten ist. Von daher ist das noch lange nicht zufriedenstellend, wenn man bedenkt, dass in einem Flächenland die Entwicklung der Radewegeinfrastruktur nicht nur aus touristischer Sicht gesehen werden darf.
Weil ich in meiner Freizeit – Sie sehen, Herr Brade, mir fehlt eigentlich viel, zu viel Zeit, das sieht man auch – leidenschaftlicher Fahrradfahrer bin und ich auch gerne, wenn ich mit meiner Frau im Urlaub bin, die Fahrräder mitnehme und natürlich um die Situation der Infrastruktur der Radwege weiß, womit wir uns da rumschlagen müssen, gilt es, das einfach aufzugreifen und Vorschläge zu finden, um das zu verbessern, damit wir wieder attraktiver werden.
So titelte auch die Lokalausgabe der Schweriner Volkszeitung am 27. September zu Recht, ich zitiere: „Schlechtes Klima für Radfahrer“. Kritisiert wurden unter anderem die Buckelpisten und Löcher im Radwegenetz.
Das alles wird nicht nur von Bürgern in MecklenburgVorpommern beklagt, wir bekommen besorgte Zuschriften von Radtouristen, die aus diesen Gründen unser Land zukünftig meiden wollen. Das Fahrradland Mecklenburg-Vorpommern fällt also in der Gunst der Fahrradtouristik zurück. Gleichzeitig vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine Bürgerinitiative oder ein Bürgermeister mich als verkehrspolitischen Sprecher der Fraktion anschreibt oder anruft und den Ausbau eines Radweges an einer der viel befahrenen Bundes-, Landes- oder auch Kreisstraßen fordert.
(Unruhe vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Herr Ritter, ich habe jetzt genug gesehen.)
Nach Ansicht meiner Fraktion kommt dem Ausbau und dem Erhalt von Radwegen für den Alltagsverkehr sowie dem touristischen Radverkehr gleichermaßen Bedeutung zu. Einerseits dient dies der Verbesserung der Verkehrssicherheit im Allgemeinen und andererseits der Steigerung der touristischen Attraktivität bei den Besuchern unseres Landes. Meine Fraktion sieht den Schwerpunkt des Radwegeausbaus zunächst an besonders stark frequentierten Straßen, an denen ein erhöhtes Verkehrsgefährdungspotenzial für Radfahrer zu verzeichnen ist. Ebenso sind wir auch der Auffassung, dass die radtouristische Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern verbessert werden muss. Dies darf allerdings nicht zulasten des Alltagsradverkehrs erfolgen. Wenn also der Radwege
ausbau mit der Verbesserung der touristischen Radwegeinfrastruktur einhergehen kann, ist dies umso besser.
Es ist übrigens auch gut und geboten, dass der ADFC deutlich auf Missstände aufmerksam macht. Auch möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich auf die Ziele der Arbeitsgemeinschaft für fußgänger- und fahrradfreundliche Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern hinweisen, die zum Parlamentarischen Abend am 13. November 2018 vorgestellt worden sind. Die Fraktionen waren alle vertreten, wir kennen das und das war eine gute Anregung, das Thema heute im Parlament als Aussprache aufzurufen. Da danke ich noch mal der Fraktion, dass sie das hier auf die Tagesordnung gesetzt hat.
Erstens. Bereits im August hatte der Wirtschaftsminister Herr Glawe vorgeschlagen, überregionale Radwege wie den von Kopenhagen nach Berlin oder die OstseeküstenRoute in Landeshoheit zu übernehmen. Sie wissen, dass es infolgedessen Unstimmigkeiten mit dem Verkehrsministerium gab. Der Verkehrsminister Herr Pegel hatte auf unterschiedliche Zuständigkeiten hingewiesen – zu Recht, die sind ja auch da, aber sie müssen nicht dauerhaft so sein. Ich sage Ihnen, mit dem Wegschieben von Zuständigkeiten und Verantwortungen werden wir keinen Radtouristen zurückgewinnen. Ich meine, hier fehlt ein Konzept, das eine Bestandsanalyse, Handlungsfelder und Maßnahmen der Radverkehrsförderung beinhaltet, ein Landesradverkehrskonzept zum Beispiel.
Die vier Planungsregionen haben jeweils regionale Radverkehrskonzepte erstellt. Die Herangehensweise unterscheidet sich dabei aber erheblich. Beispielsweise wurden in einigen Regionen touristische Radwege und die für den allgemeinen Verkehr einbezogen, in anderen Regionen handelt es sich hingegen um ein rein touristisches Konzept. Beim vorhandenen Radwegenetz zur Erreichbarkeit zentraler Orte handelt es sich also mehr oder weniger um ein raumordnerisches Netz, das noch nicht die tatsächlichen Bedarfe und örtlichen Gegeben
heiten berücksichtigt. Das bedeutet, es spricht einiges für die Schaffung eines Gesamtnetzes Radverkehr, und zwar als Bestands- und Zielnetz.
Zweitens. Wenn wir diesen Schritt gehen und Missstände dokumentieren, dann werden wir irgendwann über eine vernünftige finanzielle Ausstattung reden müssen. Das ist nach meiner Auffassung nur konsequent. Sonst bleibt das bei den Wunschvorstellungen, wenn nicht über die finanzielle Ausstattung auch ganz klare Regelungen getroffen werden. In Mecklenburg-Vorpommern wird der Bau von Radwegen überwiegend mit EU-Strukturfördermitteln, genauer gesagt mit dem EFRE unterstützt. Bei bedeutsamen touristischen Radwegen, insbesondere den Radfernwegen beträgt der Fördersatz bis zu 90 Prozent. Das Problem: Die Erhaltung und Unterhaltung kann aus förderrechtlichen Gründen jedoch nicht aus EFRE-Mitteln erfolgen. Das wissen wir alle. Der ADAC, der Tourismusverband und die Arbeitsgemeinschaft für fußgänger- und fahrradfreundliche Kommunen M-V sowie große Teile der Kommunen wünschen sich daher – in meinen Augen zu Recht – eine Beteiligung mit Landesmitteln an diesen Kosten.
Ein wenig Wasser muss ich allerdings in den Wein gießen, denn wir müssen uns vor Augen halten, dass Landesmittel natürlich knapp bemessen sind, man kann ruhig sagen, Goldstaub sind. Bei Ausbaukosten von circa 160.000 Euro für einen laufenden Kilometer Radweg ist klar, dass man nicht allen Wünschen gleichzeitig gerecht werden kann. Die Koalitionspartner haben sich aber im Rahmen der Koalitionsvereinbarung dahin gehend verständigt, dass die Radverkehrsinfrastruktur zu einem flächendeckenden, durchgängigen, bedarfsgerechten, abgestimmten und sicheren Gesamtnetz weiterentwickelt werden soll. Hierbei sollen sowohl Alltagsverkehr und touristischer Radverkehr den verschiedenen Bedürfnissen gerecht werden. Das Lückenschlussprogramm soll nach Maßgabe des Haushaltsplans bis 2021 fortgesetzt werden, um bestehende Lücken im Radverkehrsnetz zu schließen. Grundlage hierfür soll die Prioritätenliste der Landkreise sein.