Protocol of the Session on January 10, 2017

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Rainer Albrecht, SPD: Das hast du sehr gut erklärt. – Vincent Kokert, CDU: Endlich mal einer, der sich auskennt hier.)

1872 – über diese Sturmflut möchte ich gar nicht reden, da kam nämlich zu diesem Hochwasserstand, den wir in der Ostsee schon hatten, durch starke südwestliche Winde nach diesem Tief auch ein extremes Hoch mit Orkanwindstärken, das zu diesem Wasserstand führte. Über 200 Gebäude sind kaputtgegangen, die Anzahl der Menschen, die obdachlos geworden sind, hatten Sie genannt. 200 Menschen sind, glaube ich, ums Leben gekommen,

(Minister Dr. Till Backhaus: 221.)

und in Greifswald/Wieck sieht man diesen Pegel noch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir waren diesmal nicht nur betroffen im Hafen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich habe auch so ein paar Probleme, denn der Hochwasserschutz wird ja geregelt im Paragrafen 83 des Landeswassergesetzes. Sie haben immer wieder darauf hingewiesen, sehr geehrter Herr Minister, dass alle im Zusammenhang bebauten Gebiete dadurch geschützt werden sollten. Ich kann Ihnen ein Beispiel aus meiner Gemarkung in Freetz sagen, das war eines der ersten Schöpfwerke, die 1990 weggenommen worden sind. Der Greifswalder Bodden stand bis ungefähr hundert Meter von einem Dorf entfernt, das eigentlich drei Kilometer vom Bodden weg war. Bis dahin war das Wasser gelaufen. Hätten wir das Schöpfwerk noch, dann wäre das vielleicht nicht so gewesen.

Dass wir unbedingt etwas tun müssen und der Küstenschutz bei uns eine hochrangige Rolle spielt, das werden wir im Zusammenhang mit dem Landeswassergesetz weiter besprechen. Aber was mich ein bisschen stutzig macht, ist ja, dass wir, wenn wir jetzt Kiesentnahmen aus der Ostsee zum Schutze vor Hochwasser machen – wir

haben über 240 Kubikmeter Gebiete ausgewiesen, die wir zur Rohstoffgewinnung nutzen können, Entschuldigung, ich möchte noch mal die Zahl verbessern, es sind 412 Quadratkilometer, die wir als Gewinnungsfelder für sandige Rohstoffe bei uns nutzen können –, was mich aber stutzig macht, ist, dass wir, bevor wir diese nutzen können, Schwierigkeiten mit dem internationalen Naturschutzrecht bekommen, wir Umweltverträglichkeitsprüfungen machen müssen, wir mit dem Bergrecht konfrontiert werden. All das sind Sachen, die wir in diesem Falle umgehen müssen und können, weil, Herr Minister, Gefahr in Verzug ist. Ansonsten müssten wir wirklich mal darüber nachdenken, wenn wir zum Schutze unserer Küsten aus dem Sand, der vor unseren Küsten liegt, zusätzlich zu den Kosten, die wir für die Aufspülung der Hochwasserschutzanlagen nutzen, auch noch Ausgleichsmaßnahmen an Land machen müssen, denn dadurch verteuern sich die Küstenschutzmaßnahmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Minister hat einige Schäden an bestimmten neuralgischen Punkten unserer Küste genannt. Ich möchte noch auf zwei, drei hinweisen, die Sie nicht genannt haben, die vielleicht für Sie auch neu sind, die aber bei der Überfliegung bestimmt bekannt werden, denn der Bürgermeister von Thiessow hat mir vorgestern Bilder vom Südperd geschickt. Sie werden es wissen, dass durch den Landschaftspflegeverband über Liegenschaften der ehemaligen Sowjetunion alles schön entsorgt und ein wunderbares Areal geschaffen worden ist. Da ist das Südperd so weit weggebrochen, dass elektrische Kabel aus den Steilufern heraushängen. Hier wird es dringend notwendig, dass etwas getan wird. Der Bürgermeister sagte mir, er schicke da keinen seiner Gemeindearbeiter hin, um etwas zu richten. Außerdem sind nicht nur auf dem Darß die Hochwasserdeiche kaputtgegangen, sondern in Thiessow am Oststrand sind auf einer Länge von zweieinhalb Kilometern die Deiche bis zur Hälfte weg. Auch da muss so schnell wie möglich Hilfe gebracht werden.

Meine Damen und Herren, die nunmehr durch das Tief „Axel“ verursachten Schäden stellen sowohl für die Kommunen als auch für das Land besondere Herausforderungen dar. Deshalb haben wir uns als Koalitionsfraktionen auf einen Hilfsfonds geeinigt, der zur Beseitigung von Flutschäden auf den Weg gebracht werden soll, und bitten Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Lenz.

Das Wort erhält nunmehr Herr Dr. Weiß von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weshalb wir hier über Sturmtief „Axel“ reden: Wir haben sicherlich alle mit erheblichem Mitgefühl, mit einer erheblichen Portion Ehrfurcht vor den Gewalten der Natur, diesem – man kann es schon nicht mehr so nennen – Schauspiel, was da vorige Woche passiert ist, zugeschaut, einige beigewohnt. Aber auf der anderen Seite kann man auch fast sagen: „The same procedure as every year“. Wie auch immer, es ist Natur. Und dass es dieses Mal etwas heftiger ausging, es war die stärkste Sturmflut seit 2006, sagt eigentlich überhaupt nichts. Es ist Natur und es ist auch

völlig egal, ob wir hier in Hunderten oder in Zweihunderten reden, was die Jahresbemessung anbetrifft, darauf werde ich noch zu sprechen kommen.

Bei allen zu beklagenden Schäden – auch das wurde bereits gesagt – gab es eine sehr gute Nachricht: Es gab weder Tote noch Verletzte. Allerdings waren die erheblichen Schäden, die zu beklagen sind, zum Teil sehr eindeutig, zum Teil noch nicht erkennbar: vollgelaufene Keller, abgesoffene Autos, überflutete und gesperrte Straßen, zerstörte touristische Infrastruktur, Küstenabbrüche, angegriffene und beschädigte Schutzdeiche und Dünen. Es gibt viel zu reparieren, das kostet Geld, das kostet viel Geld. Deshalb ist es gut, dass die Koalitionsfraktionen heute diesen Antrag vorlegen, der schnelle und unbürokratische Hilfe verspricht und alle Zuständigen in die Pflicht nimmt, auch wenn die Höhe der tatsächlichen Schäden – und denken wir auch an die Folgeschäden – noch gar nicht bekannt ist und bekannt sein kann.

Meine Fraktion hat vorgestern beantragt, dass uns dazu die Landesregierung zeitnah im Agrarausschuss berichtet. Ich bedauere an dieser Stelle nur, dass es keinen fraktionsübergreifenden Antrag gab.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, ich kann mir heute keine Ablehnung Ihres Antrages vorstellen. Allerdings werden die Soforthilfen – definiert bis 500 Millionen Euro vom Land –, denke ich mal, bei Weitem nicht ausreichen. Erste Überschläge zeigen bereits …

(Heiterkeit bei Rainer Albrecht, SPD: Nicht 500, 25! So viel haben wir nun nicht. – Minister Dr. Till Backhaus: 25!)

Jetzt ist aber doch der Wunschtraum mit mir durchgegangen und ich danke für diesen Intelligenztest, den Sie mir hier abringen Ihrerseits, oder die Aufmerksamkeit.

(Vincent Kokert, CDU: Wir hören zu.)

Aus unserer Sicht müsste es im Punkt 1 …

(Harry Glawe, CDU: Wir hören genau zu.)

Danke, danke. Das macht eine Runde.

… der Aufforderung an die Landesregierung nicht „bis zu 25 Mio. Euro“, sondern vielleicht doch besser „mindestens 25 Mio. Euro“ heißen.

Und noch etwas: Dass die Kommunen in ihrem Zuständigkeitsbereich Verantwortung tragen, wie im Punkt 3 explizit ausgedrückt, steht für uns außer Frage, zumal in der Vergangenheit tatsächlich Fehler begangen wurden. Natürlich ist es bedauerlich, dass wie in Zempin auf Usedom ein Kiosk praktisch unsanierbar zerstört wurde. Immerhin hängt daran mindestens eine wirtschaftliche Existenz. Es ist eine persönliche Katastrophe. Das aber in den Mittelpunkt zu stellen, widerspricht dem allgemeinen Sinn des Antrages.

Andererseits muss die Frage erlaubt sein, warum in einem solch gefährdeten Gebiet überhaupt gebaut wurde, auch wenn in einem solchen konkreten Falle die Genehmigung sicher lange zurücklag und der Strand wohl noch weiter weg war als vor der Sturmflut. Ich habe immer wieder noch die Worte des Ministers im Ohr, „Nordmaga

zin“ macht es möglich, der bei seinem Besuch vor Ort sinngemäß bemerkte, dass es manche wohl nie lernen werden, dass in einem solchen Abschnitt nicht gebaut werden sollte. Das Gleiche gilt aus unserer Sicht für öffentliche touristische Infrastruktur und Anlagen. Aber wer definiert in diesem Zusammenhang, welche Kommune leistungsfähig ist und welche nicht, wenn es denn um Hilfen geht? Das ist uns zu schwammig und auch nicht gerecht. Meine Fraktion würde sich wünschen, dass hier vielleicht sogar eine konkrete prozentuale Höhe der Beteiligung der Kommunen stehen würde.

Eines möchten wir auch klarstellen: Wenn sich ein armes und strukturschwaches Bundesland wie MecklenburgVorpommern anmaßt zu entschließen, umgehend eine Art Soforthilfe für Sturmflutschäden einzurichten, dann sollte unsere Landesregierung eine gleichartige Forderung an den Bund richten. Wer eine Schuldenbremse einzieht und für eine mangelhafte finanzielle Ausstattung der Bundesländer sorgt, der sollte auch für Soforthilfe bereit sein.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Trotzdem möchte ich die klare Erwartungshaltung meiner Fraktion aussprechen, dass die betroffenen Kommunen entlang der Ostseeküste trotz aller Zuständigkeitsprobleme nicht überfordert werden dürfen. Nicht alle können es sich leisten, sofort alle Strandzugänge und Schäden an der Infrastruktur sowie an den Dämmen und Deichen selbst zu reparieren. Bei solchen Fällen muss das Land schnell und unbürokratisch einspringen, das ist ja auch der Sinn des Antrages und das ist auch gut so. Die nächste Urlaubssaison steht bevor. Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Der Minister selbst hat eben den 16.04. ins Spiel gebracht, ein denkwürdiges Datum.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Ebenso muss von allen Zuständigen – und ich wiederhole das und betone es, von allen Zuständigen – mehr über vorbeugenden Hochwasser- und Sturmflutschutz nachgedacht werden, denn eines ist klar: Bedingt durch den real existierenden Klimawandel wird der Meeresspiegel auch in den nächsten Jahrzehnten ansteigen, und das nicht einfach nur um wenige Zentimeter. Dieser Anstieg kommt dann noch zu einer eventuellen Sturmflut dazu.

200 Jahre sind vielleicht eine gute Bemessungsgrundlage für entsprechende Berechnungen, aber, meine Damen und Herren, allein mit dem Modellvorhaben der Raumordnung, an den sich die Planungsregion Vorpommern beteiligt hat und wo gerade zu diesem Sachverhalt erhebliches Forschungspotenzial auf den Tisch gelegt wurde, zeigt uns ganz deutlich, was passieren würde, wenn die in den nächsten 50 Jahren erwarteten Anhebungen des Meeresspiegels mit einer solchen Flut kombiniert werden. Da geht es weiter, da geht es um Einträge bis ins Grundwasser, da geht es um viele Dinge, die wir oberflächlich überhaupt nicht sehen.

Passiver Hochwasserschutz lässt sich aber nicht unendlich verbessern, jedenfalls nicht zu gesellschaftlich vertretbaren Kosten. Vielmehr müssen wir neu lernen, mit der Natur zu leben und unsere Strategien zum Hochwasserschutz neu zu überdenken. Das ist eine mittel- und langfristige Aufgabe, egal, wer die Landesregierung stellt. Die Natur hat keine Uhr, die sich nach Legislaturperioden richtet, und ich bin als Geograf mindestens auch soweit

Geologe, dass ich noch in ganz anderen Zeithorizonten zu rechnen vermag.

Frau Präsidentin, meine Fraktion beantragt die Einzelabstimmung der Punkte 1 bis 3 des Aufforderungsteils des Antrages. Sicher haben Sie sich das nach meinen Anmerkungen bereits denken können.

Trotzdem zum Schluss noch eine Bemerkung: Die Jubelarien im Feststellungsteil des Antrages hätte man sich sparen können, liebe Antragstellerinnen und Antragsteller von SPD und CDU, denn das, was Sie bejubeln, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, so steht es nämlich im Gesetz.

(Egbert Liskow, CDU: Wir wollen doch nicht jubeln. Das sind Feststellungen.)

Das steht nur obendrüber.

Meine Damen und Herren, die Bemerkungen von Herrn Lenz verführen mich allerdings noch zu einer weiteren Überlegung und die möchte ich hier nicht für mich behalten.

(Marc Reinhardt, CDU: Schade!)

Das mag ja sein, dass Sie das bedauerlich finden, aber die Leute, die am Strand wohnen, sehen das vielleicht anders.

Die Stranddynamik, die wir beobachten, ist mittlerweile ein relativ deutliches Hin- und Herschaukeln zwischen dem, was im Uferbereich im Trockenen und im Feuchten passiert. Vieles von dem, was jetzt abgebrochen wurde, ist ja nicht verloren. Es liegt vor dem Strand als Sandbänke und diese Sandbänke werden durch Aufspülung wieder herausgenommen und hochgeschaufelt – ein unendliches Spiel, könnte man fast glauben, wenn es so weitergeht. Wenn wir das nicht schaffen, aus diesem, man könnte fast sagen, selbst induzierten Teufelskreis herauszukommen, dann wird die nächste Sturmflut nichts anderes tun, als diesen Sand wieder dorthin zu transportieren, wo er jetzt liegt. Und das brauchen wir nicht, das ist teuer. Da bräuchten wir vielleicht, Herr Minister, doch mal eine andere Strategie, vielleicht ein anderes Modellvorhaben der Raumordnung. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Christian Brade, SPD)

Danke, Herr Abgeordneter.

Das Wort erhält Herr Gundlack von der Fraktion der SPD.

Hier liegt noch ein Kugelschreiber. Ich weiß nicht, wem er gehört.

(Vincent Kokert, CDU: Den hat der Wind dahin geweht.)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Danke sagen, Danke an alle Einsatzkräfte und ehrenamtlichen Helfer in den Kommunen, die sich gegen das Hochwasser gestemmt und bei der Beseitigung der Schäden geholfen haben und immer noch helfen. Auch möchte ich nicht die Menschen uner

wähnt lassen, die die Einsatzkräfte und Helfer uneigennützig mit Verpflegung und Getränken versorgt haben, denn das gehört auch dazu.