Protocol of the Session on November 21, 2018

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie haben das Ding gar nicht gelesen!)

Im Weiteren wird nicht mehr unterschieden zwischen legaler und illegaler Migration.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Es wird nur noch festgestellt, dass es in den einzelnen Staaten einen Status gibt, der einem illegalen Aufenthalt gleichsteht. Da werden die Staaten aufgefordert, den in einen legalen Bleibestatus umzuwandeln,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

also eine völlige Nivellierung all dessen, was unsere Asyl- und Zuwanderungsregelungen bisher immer hochgehalten haben. Die UN-Mitglieder verpflichten sich, alle, die zu uns kommen, in ihrem rechtlichen Status den hier Lebenden völlig gleichzustellen. Was die Gesundheitsversorgung angeht, was die soziale Sicherung angeht,

(Karen Larisch, DIE LINKE: Menschenrechte!)

was rentenrechtliche Anstrengungen und Ähnliches angeht: Gleichstellung aller Migranten, unabhängig von ihrem Migrationsstatus. Meine Damen und Herren, man handelt also nach dem Motto, wenn wir alle illegalen Migranten zu legalen erklären, dann gibt es natürlich keine illegale Migration mehr. Nur leider sieht die Wirklichkeit anders aus.

Ich möchte mal Frau Wagenknecht zitieren, die mitgeteilt hat in ihrem Rundbrief: „Linke Parteien, die so etwas mittragen, sind dem Untergang geweiht und haben ihn verdient.“

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Warum? Weil kein Staat dieser Welt, kein Sozialsystem unserer westlichen Staaten eine solche Migration packen und schultern könnte, weil man also das wohlverdiente Sicherheitsgefühl der eigenen Bevölkerung – Sicherheit im sozialen Sinne, aber natürlich auch im körperlichen Sinne –

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

völlig missachtet und dem Wohlbefinden der zu uns Kommenden zu opfern bereit ist. In dem Sinne hat auch Helmut Schmidt – übrigens schon im Jahr 2004 – gesagt: „Die multikulturelle Gesellschaft ist eine Illusion von Intellektuellen.“ Das nur mal dazu.

Eingriffe in die Presse-, Meinungs- und Forschungsfreiheit schließen sich an. Es sollen nur noch positive Bilder der Migration weitergetrieben werden.

(Martina Tegtmeier, SPD: So ein Quatsch!)

Meine Damen und Herren, das ist eine Einladung für alle, die irgendwie daran denken, zu uns zu kommen. Ein ganzer Kontinent bricht auf. 300 bis 500 Millionen Menschen allein aus Afrika könnten sich auf den Weg machen, um hier anzuklopfen und zu sagen: Hallo, da sind wir, nehmt uns auf und stellt uns mit den Einheimischen völlig gleich! Eine nie da gewesene Wanderungsbewegung, die die Probleme, die wir mit der illegalen Zuwanderung aus dem Jahr 2015 hatten, weit in den Schatten stellt.

Noch ein Satz zur angeblichen Unverbindlichkeit: Einmal frage ich mich – das soll ja der Superjoker sein –, „unverbindlich“ und gleichzeitig verpflichtet man sich, passt nicht. Unverbindliche Verbindlichkeiten gibt es nicht, meine Damen und Herren, und Völkergewohnheitsrecht ist schnell entstanden. Die UN-Menschenrechtserklärung zeigt ganz genau, wie schnell so was bindend wird. Um das zu verhindern, hat Österreich die Unterschrift endgültig verweigert und wir müssten dasselbe tun. Umsetzen der Verwaltungsvorschriften und Verwaltungshandeln führen zu einer rechtlichen Selbstbindung, sodass wir nicht mal die zehn Jahre abwarten müssten, bis aus dem angeblich unverbindlichen Pakt Verbindlichkeit erwächst.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das muss verhindert werden zum Schutz unserer Sicherheitssysteme.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung. Frau Drese, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Worum geht es beim UN-Migrationspakt? Spätestens die Flüchtlingssituation in den Jahren 2015 und 2016 hat uns in Europa unmittelbar vor Augen geführt, kein Land der Erde kann Herausforderungen wie diese allein bewältigen. Migration ist so alt wie die Menschheit, die Migrationsbewegungen der heutigen Zeit haben aber globale Ausmaße angenommen, die auch globale Antworten erfordern. Laut Angaben des UNHCR sind in diesem Jahr weltweit 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht,

mehr als je zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die allermeisten bleiben jedoch als Binnenvertriebene in der Krisenregion oder den Herkunftsländern selbst. Nach Europa kommt nur ein Bruchteil der Menschen.

Vor dieser Entwicklung die Augen zu verschließen, hilft uns kein bisschen weiter. Nationale Alleingänge stellen angesichts komplexer globaler Flucht- und Migrationsbewegungen keine nachhaltige und humane Lösung dar. Und Konsens sollte auch sein, dass Länder, die von großen Fluchtbewegungen betroffen sind, Unterstützung brauchen und dass die gemeinschaftliche Solidarität unerlässlich ist. Das ist jedenfalls mein Verständnis von Migrationspolitik.

Sehr geehrte Damen und Herren, es bedarf daher dringend einer internationalen Verständigung zum Thema Migration. Es geht hierbei nicht nur um Flucht aus politischen Gründen, sondern auch um Wanderung aus einer Vielzahl von Gründen. Viele Länder sind gleichzeitig Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländer. Wir brauchen den weltweiten Dialog darüber, wie es gelingen kann, Migration unter Beachtung der Menschenwürde zu steuern, zu ordnen und Integration zu berücksichtigen.

Ich sehe deshalb den UN-Migrationspakt als einen enorm wichtigen ersten Schritt der internationalen Gemeinschaft, Migration zu steuern. Und ich sehe es als positives Zeichen, dass der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ von über 180 Staaten, also der ganz überwiegenden Mehrheit der Weltgemeinschaft, unterstützt wird und noch im Dezember 2018 von den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedet werden soll. Der Pakt bietet die Chance, sich auf ein gemeinsames internationales Regelwerk zu verständen und damit Migrationspolitik nachhaltig und wirksam zu gestalten. Es ist vor allem auch der Versuch, durch verbesserte internationale Zusammenarbeit Migration in ihren verschiedenen Ausprägungen in geordnete und reguläre Bahnen zu lenken. Eine sichere, geregelte und legale Migration ist im Sinne aller Beteiligten.

Und um auch das klarzustellen: Der Migrationspakt hebt nicht die Unterscheidung zwischen illegaler und legaler, oder besser, zwischen regulärer und irregulärer Migration auf. Ausdrücklich verpflichten sich Staaten im Migrationspakt, irreguläre Migration zu verhindern, allerdings im Rahmen geltenden internationalen Rechts, wie zum Beispiel unter Beachtung der Garantien der Genfer Flüchtlingskonvention.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Keine Abschiebungen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, schauen wir uns den „Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ – so der offizielle Name des UN-Migrationspakts – etwas genauer an. Der umfassende Ansatz des Themas Migration kommt in der Präambel, dem Leitprinzip, den 23 Zielen und den zugeordneten Maßnahmen, deren Umsetzung, Weiterverfolgung und Überprüfung zum Ausdruck. Grundlegend ist, dass es sich um einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen handelt. Der Pakt betont das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmten, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln. So heißt es zum Beispiel in Ziffer 15 Buchstabe c, Zitat: „Innerhalb ihres Hoheitsbereichs dürfen die Staaten

zwischen regulärem und irregulärem Migrationsstatus unterscheiden, einschließlich bei der Festlegung ihrer gesetzgeberischen und politischen Maßnahmen zur Umsetzung des Globalen Paktes, unter Berücksichtigung der verschiedenen nationalen Realitäten, Politiken, Prioritäten und Bestimmungen für Einreise, Aufenthalt und Arbeit und im Einklang mit dem Völkerrecht“, Zitatende.

Einen zentralen Stellenwert hat die Achtung der Menschenrechte. Ziffer 15 besagt auch, ich zitiere: „Durch die Umsetzung des Globalen Paktes sorgen wir dafür, dass die Menschenrechte aller Migranten, ungeachtet ihres Migrationsstatus, während des gesamten Migrationszyklus wirksam geachtet, geschützt und gewährleistet werden. Wir bekräftigen außerdem die Verpflichtung, alle Formen der Diskriminierung, einschließlich Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz, gegenüber Migranten und ihren Familien zu beseitigen,“ Zitatende.

Dass in diesem Rahmen auch dem Kindeswohl, der Geschlechterperspektive, der Stärkung aller Frauen und Mädchen Rechnung zu tragen ist, ist ein wichtiges Anliegen. Das Recht auf Schutz, Zuflucht und Hilfe ist zentraler Bestandteil der Menschenrechte. Die Menschenrechte gelten universell und für jeden Menschen, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft oder sonstigen Merkmalen. Und – das ist nicht neu und scheint dennoch immer wieder aus dem Blick zu geraten – Menschenrechtsverletzungen dürfen nicht hingenommen werden. Jegliche Form von Diskriminierung ist ein Verstoß gegen Menschenrechte. Staatliches Handeln muss immer darauf bedacht sein, Diskriminierungsschutz sicherzustellen und die spezifischen Schutzinteressen besonders schutzbedürftiger Personengruppen im Rahmen der Aufnahme und Unterbringung verbindlich zu berücksichtigen.

Die im Pakt formulierten Ziele decken vielfältige Aspekte der Migration ab. Sie umfassen beispielsweise die Datenerhebung und -nutzung als Grundlage für eine faktenbasierte Politikgestaltung, die Bereitstellung zeitnaher Informationen in allen Phasen der Migration, die Sicherstellung eines Nachweises der rechtlichen Identität, die Verbesserung von Wegen für eine reguläre Migration, Rettung von Menschenleben und Minderung prekärer Situationen, die grenzübergreifende Bekämpfung der Schleusung und des Menschenhandels, die Rekrutierung von Arbeitskräften, die Gewährleistung einer menschenwürdigen Arbeit, den Zugang von Migrantinnen und Migranten zu Grundleistungen, die Ermöglichung einer würdevollen Rückkehr und nachhaltigen Reintegration.

Sehr geehrte Damen und Herren, bereits diese Aufzählung macht deutlich, die Ziele und die Maßnahmenvorschläge berühren definitiv nicht nur alle Ebenen, sondern auch alle ministeriellen Zuständigkeitsbereiche. Mit Blick auf die Zuständigkeit in meinem Ressort möchte ich auf das Ziel Nummer 16 näher eingehen, die „Befähigung von Migranten und Gesellschaften zur Verwirklichung der vollständigen Inklusion und des... Zusammenhalts“. Ich zitiere: „Wir verpflichten uns, inklusive, von sozialem Zusammenhalt geprägte Gesellschaften zu fördern, indem wir Migranten befähigen, zu aktiven Mitgliedern der Gesellschaft zu werden, und das gegenseitige Engagement der Aufnahmegesellschaft und der Migranten“

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

„bei der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten zueinander fördern, einschließlich der Einhaltung der innerstaatlichen

Gesetze und der Achtung der Gebräuche des Ziellandes.“ Zitatende.

Was ist hieran ablehnungswürdig, meine sehr geehrten Damen und Herren?

(Dr. Ralph Weber, AfD: Alles!)

Frau Ministerin!

Nein...

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kröger?

Ja.

Bitte.

Vielen Dank.

Frau Ministerin, was halten Sie von dem Begriff „Diaspora“, der in diesem Migrationspakt des Öfteren auftaucht? In dem Zusammenhang, in dem er da steht, bedeutet er nichts als die Duldung und Förderung von Parallelgesellschaften.

(Karen Larisch, DIE LINKE: Bitte?)

Das ist Ihre Auslegung des Ganzen. Ich habe eben zitiert und habe geendet mit „und der Achtung der Gebräuche des Ziellandes“. Ich glaube, das erübrigt weitere Ausführungen.

(Horst Förster, AfD: Sind wir hier in Neukölln?)

Nein, es ist begrüßenswert, dass dieses Anliegen im Rahmen des Migrationspaktes so explizit benannt wird. Was ist ablehnungswürdig an der Bekämpfung von Menschenhandel, der Schaffung legaler Wege für Migration? Und was ist ablehnungswürdig am Ausbau des Diskriminierungsschutzes, an der Stärkung von Ehrenamt und Zivilgesellschaft, am Zugang zu Sprache, Bildung und Gesundheitsversorgung? Die AfD sagt einfach Nein und erklärt die Probleme für erledigt und sich nicht für zuständig. Das reicht aber nicht!

(Dr. Ralph Weber, AfD: Nee, leider nicht.)