(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Vincent Kokert, CDU: Oh, dann mache ich mir mal langsam einen Stichwortzettel.)
Besonders begrüßen möchte ich Herrn Dr. Jungrichter, den Vorsitzenden des Schweriner Theatervereins, der hier oben Platz genommen hat. Für ihn ist dieses Thema eine Herzensangelegenheit.
In der Tat, dieses Thema hat mehr Facetten, als die Ergebnisse des Theatergipfels darstellen, auf den der Blick der Öffentlichkeit gerne fokussiert werden soll. Und jetzt geht es weiter in der Molltonlage, die wir hier ganz am Anfang von Frau Kröger schon gehört haben. Es sind 25 Jahre vergangen, die geprägt waren von gewollter und verordneter Sparpolitik, nur die letzten sechs Jahre davon fallen in die Laufzeit der sogenannten Theaterreform.
Vordergründig sind einige Linderungen mit dem jüngsten Theatergipfel für die Maßnahmen dieser Theaterreform angeschoben worden. So ist der Status quo der nicht vollendeten Reformvorgaben nun festgeschrieben und die künstlerische Abwärtsspirale ist fast zum Stillstand gekommen. Es müssen nur noch die restlichen altersbedingten ersatzlosen Stellenabbauten in den Häusern und Orchestern vollzogen werden. Dann ist die stabile Ausgangslage erreicht, die durch die angekündigte Dynamisierung der Finanzierung für die nächsten Jahre abgesichert ist. Aber was spielte und spielt sich hinter den Kulissen ab? Hier werde ich meine Ausführungen exemplarisch auf Schwerin beschränken.
Zunächst möchte ich Sie mit einigen Zahlen konfrontieren, die einen Überblick zu den Veränderungen im personellen Bereich über den gesamten Zeitraum, also zwischen den Spielzeiten 1991/1992 und der aktuellen, belegen.
Regisseuren auf 17 Schauspieler und 1 festen Regisseur, der auch noch Schauspieldirektor ist, geschrumpft.
Bühne von 9 Schauspielern mit 2 festen Regisseuren auf 5,5 geschrumpft, denn eine Schauspielerin ist auch noch gleichzeitig Dramaturgin.
Um das Bild auf der Personalseite noch etwas abzurunden, werfen wir noch einen Blick auf die Gehälter oder besser Gagen, denn für das Theaterpersonal – also neben dem künstlerischen Personal auch das für den
Spielbetrieb notwendige Personal wie Bühnentechniker, Maskenbildner und so weiter – gilt immer noch ein unserer Meinung nach völlig aus der Zeit gefallener Tarifvertrag, der sogenannte „Normalvertrag Bühne“. Für Künstler wird die Mindestgage, also das Einstiegsgehalt, seit diesem Jahr immerhin auf 2.000 Euro brutto festgeschrieben. Dazu gilt aber eine Wochenarbeitszeitgrenze von 48 Stunden und eine Vertragslaufzeit von einem Jahr, die beliebig oft verlängert werden kann, ohne jemals daraus den Status einer Festanstellung zu begründen.
Sicherlich kann man das unter der Überschrift „Tarifautonomie“ ausblenden, nur ändert das nichts an der Situation für die Menschen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet reden wir bei der Besoldung von Grundschullehrern über Luxusprobleme. Und trotzdem hatte der Schweriner Intendant zum letzten Theaterfest den Akteuren und Mitarbeitern jegliche Kritik in Richtung der Landespolitik untersagt. Oh Mann, hat der Humor, habe ich so gedacht! Ich habe auch die Gelegenheit genutzt, mich mit Herrn Tietje, der gestern Abend Gast des Sommerfestes war, ausführlich zu unterhalten.
(Minister Harry Glawe: Nicht alles ausplaudern. – Vincent Kokert, CDU: Haben Sie ihn auch das Richtige gefragt?)
Meine Damen und Herren, die Personalsituation spiegelt aber nur eine Seite der rigorosen Sparpolitik wider. Auf der anderen Seite ist gleichzeitig ein Investitionsstau entstanden. Die krassesten Beispiele hierfür sind die in diesem Zeitraum unrettbar verrotteten Theatergebäude in Parchim und Rostock. An beiden Standorten freuen wir uns jetzt auf teure Ersatzinvestitionen. Das Große Haus hier in Schwerin ist nicht so marode wie andere Häuser. Das hat es seinem herausragenden Denkmalstatus zu verdanken und nicht zuletzt auch einem überaus rührigen Theaterverein,
der aktiv wichtige Impulse gesetzt hat und so auch Restaurierungs- und Modernisierungsprojekte angeschoben hat und begleiten konnte. Mein Dank auch noch mal in diese Richtung!
Aber nehmen wir einmal die anderen Gebäude in den Blick. Es klang schon an, da ist zunächst das Eckgebäude Theaterstraße/Kleiner Moor. Hierin befindet sich unter anderem das Büro des Orchesterdirektors Lutz de Veer im Dachgeschoss, also eine durchaus repräsentative Position im Hause.
Um die Ecke in diesem Gebäudekomplex ist die Schlosserei des Theaters. Sie ist nicht beheizbar. Dafür stehen die sanitären Anlagen in einem katastrophalen Zustand. Toilette und Dusche sind nur improvisiert.
Die Dusche ist praktisch nicht nutzbar, da wegen fehlender Heizung auch kein Warmwasser verfügbar ist. In Tischlerei, Schneiderei und Malsaal kommt zu den Auswirkungen des Renovierungsstaus, die ich hier nicht weiter vertiefen will, noch das Problem fehlender Rettungswege hinzu. Ein Nebeneffekt der nicht getätigten Investitionen in die Infrastruktur ist, dass sich kein Nachwuchs findet, der sich unter solchen Bedingungen, wie er sie hier vorfindet, zu einer Ausbildung entschließt, denn in nahezu jedem privaten Handwerksbetrieb, und sei er noch so klein, findet er bessere Arbeitsbedingungen vor und hat auch als Berufseinsteiger eine bessere Entlohnung zu erwarten.