Protocol of the Session on June 28, 2018

Selbstverständlich.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Das Thema Fluchtursachen ist komplex, wirkt sich aber zugleich massiv auf unsere Zukunft aus. Das hier heute eingebrachte Anliegen der LINKEN hat also eine Berechtigung, greift aber angesichts der Dimension, vor der wir stehen, einen kleinen, für Mecklenburg-Vorpommern kaum zutreffenden Aspekt heraus, der die ganze Tragweite des Problems völlig verdrängt.

Wenn wir uns klarwerden, warum die Migrationskrise den Grenzschutz in Europa in Daueratem hält, dann kommen wir nicht an der Frage nach dem Bevölke

rungswachstum in Afrika und Nahost vorbei. Wir können auch nicht die Frage der ökonomischen Ungleichheit durch die Industrialisierungsprozesse außer Acht lassen. Nach mittleren UN-Schätzungen der zukünftigen Bevölkerungszahlen wird sich die afrikanische Population innerhalb des laufenden Jahrhunderts von 1,2 Milliarden auf 4,4 Milliarden Menschen fast verdreifachen. Die Bevölkerung in Afrika wächst damit jedes Jahr um drei Prozent. Das sind 30 Millionen Menschen, die einen unglaublichen gesellschaftlichen Druck in diesen Ländern hervorrufen. Es ist diese Stresssituation in vielen Ländern, die absehbar einen Migrationsdruck ungeahnten Ausmaßes für Europa produzieren wird.

Warum spreche ich von Stress? Dem Soziologen Rolf Peter Sieferle zufolge war es, und ich zitiere, „die Zunahme des relativen Wohlstands, die in den letzten Jahren eine Massenmigration eingeleitet hat. Zuvor waren es eher die Angehörigen der (gut ausgebildeten) Eliten, die in die Industrieländer migriert sind, jetzt ist es tendenziell jeder, der sich ein Mobiltelefon leisten kann.“ Zitatende.

Ein entscheidender Faktor ist die wirtschaftliche Transformation von nur schwach entwickelten Regionen auf der Welt. Liebe LINKE, da sollten wir uns unaufgeregt über Globalisierungskritik austauschen. Und ja, die globale Lage ist mehr als bedenklich. Es ist die dort stattfindende Industrialisierung, die immer mehr Gewinner und Verlierer in einer schnell wachsenden Bevölkerung schafft. Gerade dies baut den Druck bei vor allem jungen Männern auf, der sich im Spannungsfeld von Erwartungen und Befriedigung von Erwartungen widerspiegelt. Jede an sich simple, aber zutreffende Überlegung für wachsende Unzufriedenheit führt entweder in die direkte Wirtschaftsmigration oder zu innerstaatlichen Konflikten, also zu Bürgerkriegsflucht. Besonders dieser Hintergrund ist hoch problematisch, weil er zeigt, dass die Entwicklungshilfe in stark wachsenden Gesellschaften die Erwartungen der Menschen bestätigt und so neue Konflikte erzeugen kann – was aus der Sicht der AfD aber nicht heißen soll, dass keine Entwicklungshilfe mehr geleistet werden darf. Diese muss aber immer am gesellschaftlichen Output vor Ort gemessen werden.

Natürlich ist es verständlich, dass aufgrund dieser Perspektiven viele junge Leute versuchen, in Europa eine Zuflucht zu finden. Doch das ist problematisch, wie ein Blick in unsere Großstädte zeigt,

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD: Jawohl!)

denn diese Menschen treffen hier in Deutschland auf ein Land, das als eine komplexe arbeitsteilige Gesellschaft mit hoher Bevölkerungsdichte aufwartet. Es fehlen dann sowohl bildungstechnische als auch kulturelle Voraussetzungen, um in einer auf Spezialisierung und kapitalistischer Effizienzmaschinerie aufgebauten Gesellschaft zurechtzukommen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Viele in Europa angekommene Migranten werden bei uns zwar nicht ökonomisch, aber gesellschaftlich einen sozialen Abstieg erleiden.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Ja.)

Dies fördert wiederum die Ernüchterung, dies wiederum erzeugt Hass und Radikalisierung.

Meine Damen und Herren, nach diesem fast etwas theoretischen Beitrag bleibt zu hoffen, dass wir in der heutigen Debatte nicht mit Schaum vorm Mund diskutieren, sondern uns alle fragen, ob und wie MecklenburgVorpommern einen Beitrag leisten kann, damit Fluchtursachen bekämpft werden können, denn das werden Ihnen Ihre Bürger danken. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort die Abgeordnete Julitz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Lesen des Antrages dachte ich mir noch, dass das nicht ganz einfach wird, dass der Gedanke im Grunde ein guter ist und nur ein Strohhalm. Nach der Einbringung sehe ich das jetzt ein bisschen anders.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Ich arbeite mich mal an den einzelnen Punkten ab:

Natürlich begrüßen wir die Initiativen der Landesregierung zur Ansiedlung der Wirtschaft unter Punkt I.

Bevor ich zu Punkt II komme, vielleicht noch etwas Generelles. Weltweit waren 2017 rund 68 Millionen Menschen auf der Flucht. Das ist im fünften Jahr in Folge ein trauriger Rekord. Als Hauptgrund für Flucht wird nach wie vor Krieg, Gewalt und Verfolgung angegeben. 85 Prozent der Menschen finden Zuflucht in benachbarten Entwicklungsländern. Die allermeisten kommen eben nicht nach Europa, und die, die nach Europa kommen, sind zum Großteil Syrer. Syrien ist kein Land, das irgendwie zurückliegt, sondern hoch entwickelt, zum Teil höher entwickelt als bei uns. Also insofern, das war eben nix. Gründe für Flucht sind weiterhin auch Hungersnot, fehlende Ressourcen, Naturkatastrophen und so weiter.

Insofern meine erste Kritik an der Überschrift. Auch der Minister ist eben darauf eingegangen, die Überschrift hätte durchaus präziser aussehen müssen und in der vorliegenden Form wird nicht klar, was der Antrag eigentlich möchte. Auch in der Einbringung wurde nicht klar, wo wir in der komplexen Frage von Fluchtursachenbekämpfung mit dem Antrag hinwollen. Gesprochen haben Sie vor allem über Rüstungsexporte. Im Antrag geht es ausschließlich um das Agieren von Konzernen.

Ich komme zu Punkt II, bei dem es schon etwas schwieriger wird. Ich gebe Ihnen recht, dass es tatsächlich durch unterschiedlichstes Agieren von Unternehmen zur Verstärkung oder Entstehung von Fluchtursachen kommt. Und auch bei Ihren Beispielen in Ihrem Antrag bin ich ganz bei Ihnen. Allerdings ist die Einschätzung, wann ein Konzern zu eben diesen gehört, etwas vielschichtiger. Wer macht diese Einschätzung? Wer maßt sich an, darüber zu urteilen? Gerade der Schweizer Konzern Nestlé steht mit seinen mehr als 2.000 Produkten in 194 Ländern auf allen Kontinenten ganz häufig in der Kritik. Eine der Haupteinnahmequellen ist abgefülltes Wasser, ganz häufig aus Ländern, in denen Dürrekatastrophen auf der Tagesordnung stehen – günstig produziert, unverständlich. Wasserausbeutung, Abholzung der Regenwälder, verunreinigte Babynahrung, Tierversuche sind noch nicht alle Skandale, über die man in den letzten Jahren in den Schlagzeilen lesen konnte.

(Thomas Krüger, SPD: So ist das.)

Verschiedenste Berichterstattungen zeigen, dass diese Kritiken nicht unberechtigt sind. Trotzdem ist es schwierig, eine Einschätzung von Konzernen in „gut“ und „böse“ vorzunehmen. Das ist also meine zweite Kritik.

Ich komme zu Punkt III: Die Unterstützung der Landesregierung von Initiativen unter Punkt III.1 sehen wir zum Beispiel beim Promotor*innen-Programm des Eine-WeltNetzwerkes in M-V, die eben genau über diese Ursachen aufklären.

(Elisabeth Aßmann, SPD: Genau.)

Die Staatskanzlei unterstützt dabei. Mehr geht bestimmt immer, aber wenn wir schon von unserer Dartscheibe heute gesprochen haben: Machen wir schon.

(Karen Larisch, DIE LINKE: Genau.)

Unter Punkt III.2 sollen nun Kriterien für die Beschaffung von Produkten in den Ministerien und Landesbehörden erarbeitet werden, die geeignet sind, Fluchtursachen entgegenzuwirken. Für diesen Punkt hätte ich mir eine Begründung gewünscht, die ich auch in der Einbringung nicht gehört habe. Stattdessen sagten Sie sogar, dass der Boykott von Produkten dieser Konzerne keine Lösung ist. Was also soll dieser Punkt uns sagen?

Ich habe mich Folgendes gefragt: Ist M-V tatsächlich in der Lage, mit der Entscheidung, zum Beispiel keine Produkte von Konzernen wie den genannten zu beziehen, Druck auf diese Konzerne auszuüben und damit eine Veränderung zu erreichen? M-V könnte maximal eine Vorbildfunktion übernehmen. Diese Frage muss meiner Ansicht nach allerdings auf europäischer Ebene gelöst und diskutiert werden.

Ein Blick auf die Homepage des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zeigt leider, dass nicht einmal dort explizit auf dieses Thema eingegangen wird. Insofern sollten wir lieber schauen, welche besseren Möglichkeiten für uns zur Verfügung stehen. Die Verbindung der Ansiedlung von Konzernen in M-V und der schwierigen Frage der Behebung von Fluchtursachen hier in den Kontext zu stellen, halten wir für nicht zielführend. Wir lehnen Ihren Antrag daher ab. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Für die Fraktion der BMV hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die BMVFraktion wird den Antrag ablehnen. Als ich vor zwei Wochen diesen Antrag in den Händen hielt – nach der Antragsfrist bekommen wir ja immer den Stapel mit allen Anträgen –, dachte ich erst, die Seite 2 würde fehlen. Ich habe überlegt, ob die Gründe irgendwie noch mal kommen, aber so, wie sich herausgestellt hat, sollte der Antrag ohne Gründe bleiben.

(Torsten Renz, CDU: Überraschungseffekt.)

Es war wohl so geplant vom Antragsteller,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

sodass ich mich ganz entspannt heute hier hingesetzt habe und dachte, ich höre mir jetzt mal die mündliche Begründung an. Das ist ja nicht verboten, obwohl man vielleicht überlegen müsste bei der Geschäftsordnungsänderung, ob man nicht wenigstens eine kurze Begründung verlangt für einen Antrag, weil es auch ein ziemlicher Rundumschlag ist.

Ich habe Ihnen also jetzt, Frau Larisch, gelauscht bei der Begründung und habe so Sätze gehört wie „Roma haben in Serbien keine Rechte“, „Warlords beherrschen die Welt“

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

oder „Menschenrechte werden gegen Geld verkauft“ und so weiter und so fort. Viele plakative Sprüche, die nicht überzeugen, sage ich mal. Das sind so lauter emotionale Sprüche, das ist keine sachliche Argumentation, also Ihre Einbringung. Sie sind noch mal dran, vielleicht kommt ja noch was, aber bisher gab es überhaupt keine Begründung für diesen Antrag.

Ich bin Frau Julitz, meiner Vorrednerin, dankbar, die die Erste überhaupt in dieser Debatte ist, die auch mal was zum Antrag selber gesagt hat. Gut, da hat sie mir dann leider schon ein bisschen weggenommen. Ich möchte daher nur kurz auf den Antrag selber eingehen und hier keine Rede wie vor der UNO-Vollversammlung halten.

(Beifall Bernhard Wildt, BMV)

Zum Antrag: Zu Punkt I wäre es mal schön gewesen – aber vielleicht machen Sie es ja noch –, Sie sagen, es werden Initiativen der Landesregierung begrüßt und so weiter und so fort, die Prinzipien guter Arbeit, da würde sich anbieten, wenn Sie noch sagen, um welche Initiativen es sich dabei handelt. Frau Julitz nannte, glaube ich, zwei oder drei. Und was sind Ihrer Meinung nach „Prinzipien guter Arbeit“? Vielleicht erklären Sie uns das noch.

Bei Nummer II verurteilen Sie pauschal internationale Konzerne, durch die hier „weltweit Fluchtursachen hervorgerufen … werden“. Das ist natürlich in dieser Pauschalität auch falsch und auf jeden Fall nicht überzeugend. Dann nennen Sie konkrete Konzerne, ohne aber genau zu sagen, warum Sie jetzt hier die beiden Konzerne genannt haben, bezüglich Wasserausbeutung und Abholzung. Auch das müsste eigentlich noch mal näher begründet werden.

Und abschließend, zu Punkt Nummer III fehlt auch die Begründung, welche Initiativen hier ergriffen werden sollen. Was soll eigentlich passieren? Welche Initiativen sollen unterstützt werden? Also wenn ich jetzt Regierung wäre, der Antrag würde durchgehen, würde ich nicht so genau wissen, was soll ich jetzt eigentlich machen. Und wer soll eigentlich über Fluchtursachen aufgeklärt werden? Das haben Sie auch nicht gesagt. Abschließend b), „Kriterien“ sollen hier geschaffen werden, da müssten Sie sagen, welche Kriterien sollen dann hier überhaupt genannt werden, um dem Antrag ein bisschen Substanz zu geben, sodass insgesamt der Antrag eigentlich ein Nichtantrag ist. Er ist schlichtweg nicht zustimmungsfähig. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV und Dr. Ralph Weber, AfD)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Renz.