Protocol of the Session on June 28, 2018

Die aktuellen Zahlen und Fakten sind symptomatisch für den bestehenden Lehrermangel und offenbaren eine Überlastung vieler Lehrer, die sich auch in einem hohen Krankenstand äußert.

Damit sind wir bereits bei den demografischen Problemen, die sich auf der einen Seite durch unmittelbar bevorstehende altersbedingte Abgänge von Lehrkräften äußern, aber auf der anderen Seite eben auch in einem Schülerboom, den Mecklenburg vielleicht nicht ganz so heftig zu erwarten hat, aber wo trotzdem mit einem heftigen Ansteigen der Schülerzahlen bis 2025 zu rechnen ist laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung.

Die Gründe für den Lehrerbedarf liegen auf der Hand. Es sind nicht nur die Folgen des Lehrerpersonalkonzepts, es ist vor allem die mangelnde Attraktivität des Berufes, kombiniert mit einem langen und anspruchsvollen Studium, in dem schon viele Lehramtsstudenten scheitern und dem dann auch noch ein recht anspruchsvoller und langer Vorbereitungsdienst folgt. Der einst so geachtete Berufsstand des Lehrers hat im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung derart an Wertschätzung verloren und an Autorität, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass Lehrkräfte heute zunehmend psychischer und sogar physischer Gewalt von Schülern und zunehmend auch von Eltern ausgesetzt sind. Nicht grundlos wird über Schulen als waffenfreie Zonen diskutiert.

Meine Damen und Herren, es ist wohl auch kein Tabubruch, in diesem Zusammenhang das vielleicht gut gemeinte, aber nicht gut gemachte Inklusionskonzept zu erwähnen. Es stellt Lehrkräfte vor völlig neue Herausforderungen, um nicht zu sagen, treibt sie zunehmend zur Verzweiflung, da es immer wieder passiert, dass einzelne Schüler in die Klassenverbände gelangen, die permanent den gesamten Unterrichtsbetrieb behindern.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das alles führt für unsere Lehrer zu einem überaus anstrengenden Arbeitspensum, das nicht zuletzt aufgrund der hohen Pflichtstundenzahl die tariflich festgelegte Arbeitszeit oft erheblich übersteigt. Die bis jetzt geltenden Pflichtstundenzahlen wurden mit dem Schuljahr 2004/2005 beginnend eingeführt. Der Philologenverband Mecklenburg-Vorpommern hat bereits darauf hingewiesen, dass diese Erhöhung damals mit einer schlechten Finanzlage begründet worden ist und eine Absenkung bei einem Steuerplus versprochen wurde.

Meine Damen und Herren, dass aktuell etwa 35 Prozent aller Lehrer an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen

in Mecklenburg-Vorpommern in Teilzeit arbeiten – und bei den Gymnasiallehrern sind es sogar fast 50 Prozent –, ist ein ernst zu nehmendes Anzeichen dafür, dass die Stundenbelastung zu hoch ist. Hier setzen wir mit unserem Antrag an, indem wir die Landesregierung auffordern, die Pflichtstundenzahl je nach Lehramt um bis zu zwei Unterrichtsstunden zu verringern.

(Beifall Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Diese sollen aber nicht einfach wegfallen, sondern als variable Unterrichtsstunden für anfallende Vertretungen vorgehalten werden. Damit würden wir gleichzeitig das Problem des Unterrichtsausfalls entschärfen und das Fahren von Lehrern zu anderen Schulen minimieren können.

Das alles gab es vielleicht schon mal, meine Damen und Herren, aber Sie werden erkennen, dass wir die gewünschten Anpassungen der Lehrkräfte-ArbeitszeitLandesverordnung dahin gehend verändern wollen, dass wir zumindest die enthaltene Differenzierung nach Lehrämtern beibehalten und damit die Pflichtstundenzahl der Grundschullehrer wie in den anderen Bundesländern üblich leicht – das heißt hier eine Stunde – über der der üblichen Lehrämter liegen wird. Aufgrund der besonderen Tätigkeitsmerkmale des Lehramtes im fachpraktischen Unterricht an beruflichen Schulen sehen wir dort eine Absenkung ebenfalls um nur eine Stunde vor. Bei allen anderen Lehrämtern ist eine Reduzierung von zwei Stunden vorgesehen.

Die Attraktivitätssteigerung durch die Stundenabsenkung wird noch durch einige zu erwartende Nebeneffekte verstärkt, auch wenn diese nicht unmittelbar kalkulierbar sind. Man denke nur an einen möglichen Rückgang der auf Überlastung zurückzuführenden Krankheitstage und Frühpensionierungen und so weiter, die Erhöhung der Unterrichtsqualität mit all ihren positiven Folgewirkungen,

(Unruhe und Heiterkeit bei Ministerin Stefanie Drese und Peter Ritter, DIE LINKE)

zunächst auch durch die Reduzierung des Ausfalls, und die variablen Unterrichtsstunden. Wir rechnen weiterhin mit positiven Effekten dahin gehend, dass auch einige Teilzeitlehrkräfte motiviert werden, ihre Stundenzahl zu erhöhen, teils wieder bis zur Vollbeschäftigung.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Sind die zehn Minuten nicht schon rum? – Heiterkeit bei Ministerin Stefanie Drese: Gefühlt ja.)

Den Beginn dieser Pflichtstundenabsenkung haben wir für das Schuljahr 2020/2021 angesetzt, damit ausreichend Zeit für die nötigen Vorbereitungen zur Verfügung steht und die erforderlichen Mittel des Doppelhaushaltes eingeplant und dann auch eingestellt werden können. Im bundesweiten Wettbewerb um die Gewinnung von Lehrkräften wird sich ein verringertes Stundendeputat ebenfalls als akzeptanzfördernde Maßnahme für unser Bundesland auswirken.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Antrag sieht unter 2. die Verdopplung der Anrechnungsstunden für Klassenleiter vor, die der Paragraf 8 der LehrkräfteArbeitszeit-Landesverordnung festlegt. Damit sollen die zunehmenden und zeitaufwendiger werdenden Leis

tungsaufgaben und auch die Zahl der Elternkontakte ausgeglichen werden, die neben der Lehrtätigkeit zu erfüllen sind. Außerdem möchte ich hier nur auf Themenbereiche wie Inklusion und Integration hinweisen und auf Digitalisierung, wodurch der Arbeitsumfang noch zunehmen wird, auch für Klassenleiter.

Auch die erhöhte Arbeitsbelastung von Schulleitern wollen wir mit zwei zusätzlichen Anrechnungsstunden vergüten. Ihre hohe Verantwortung, der gestiegene Aufwand und das zu meisternde Konfliktpotenzial werden gegenwärtig nicht ausreichend honoriert, unserer Meinung nach. Das zeigt sich auch an den Schwierigkeiten bei der Besetzung von Schulleiterstellen.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Lehrerpersonalkonzept hat dazu geführt, dass gerade jetzt die älteren Lehrer, man kann sagen, jahrzehntelang auf Verschleiß gearbeitet haben. Deshalb wollen wir die bisherige Regelung der Altersanrechnungsstunden um eine Unterrichtsstunde aufstocken,

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

sodass nach Vollendung des 57. Lebensjahres zwei, nach Vollendung des 60. Lebensjahres drei Anrechnungsstunden gewährt werden. Für uns ist das eine Frage der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die Verantwortung für die Lehrergesundheit zu übernehmen. Und es werden hier nebenbei Freiräume für die Verstärkung der Kollegien durch junge Lehrkräfte entstehen.

Werte Kollegen! Liebe Gäste! In Punkt 3 unseres Antrages widmen wir uns den Klassenstärken. Wir plädieren für die Wiedereinführung des Klassenteilers. Das heißt konkret, bei Überschreitung einer Schülerzahl von 27 muss nach unserem Antrag die Klasse geteilt werden. Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass das Lernen in kleineren Klassenverbänden zu besseren Leistungen führt und die Anzahl von Klassenwiederholungen senkt. In Mecklenburg-Vorpommern gab es bis 2009 eine Obergrenze, die eine Schülerzahl von 28 Schülern an Grund- und Regionalschulen

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Obergrenzen finden Sie gut, ne?)

beziehungsweise 29 an Gymnasien festlegte.

Sagen wir, mit Teilergrenze, Frau Oldenburg. Vielleicht trifft es das besser.

(Andreas Butzki, SPD: Aber er hat es gehört.)

Die bei unserem Antrag angelegte Grenze haben wir auf 27 festgelegt. Das würde etwa 280 Schulklassen im Land an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen betreffen. Alle in unserem Antrag vorgesehenen Regelungen sollten nach einer Laufzeit von zwei Schuljahren unserer Meinung nach evaluiert werden, um gegebenenfalls nachzusteuern.

Auf den voraussichtlichen Einwand der Landesregierung, dies sei alles zu teuer, antworten wir: Gute Bildung kostet Geld, und wo ist dies besser angelegt als in der Zukunft unserer Kinder! – Vielen Dank, die rote Lampe leuchtet.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Andreas Butzki, SPD: Woher soll das Geld kommen?)

Ich möchte zunächst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Neubrandenburg auf unserer Besuchertribüne begrüßen. Ich hoffe, Neubrandenburg ist trotzdem sicher.

(allgemeine Heiterkeit)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst für die Landesregierung die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Frau Hesse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das gibt es auch nicht allzu oft: Die Begründung für diesen Antrag liefert mir eine gute Begründung, um diesen Antrag abzulehnen beziehungsweise das vorzuschlagen, gleich mit,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut!)

und das direkt im ersten Absatz. Da nämlich, werte AfDFraktion, schreiben Sie, wie schwierig es bereits jetzt ist, den Bedarf an Lehrkräften zu decken. Gleichzeitig würde so gut wie alles, was Sie in Ihrem Antrag fordern, bedeuten, diesen Bedarf bei uns in Mecklenburg-Vorpommern weiter hochzuschrauben. Das ist aus meiner Sicht in der derzeitigen Situation nicht besonders clever, zumal die Lage bundesweit mindestens genauso angespannt ist wie hier bei uns, wenn nicht noch angespannter.

Haben Sie einfach mal ausgerechnet, was das bedeuten würde an zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrern, was Sie hier fordern?

(Jens-Holger Schneider, AfD: Ja, haben wir. – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Ich glaube nicht, weil,

(Andreas Butzki, SPD: Wie viel denn? Wie viel denn?)

damit man überhaupt mal eine Größenordnung im Kopf hat,

(Peter Ritter, DIE LINKE: 120 Millionen.)

was nur eine einzige Maßnahme bedeuten würde:

(Andreas Butzki, SPD: Wie viel? – Dr. Ralph Weber, AfD: 120 Millionen. – Andreas Butzki, SPD: Lehrerstellen.)

Es geht nicht um das Geld, es geht um die Lehrerstellen, es geht um die Köpfe. Noch mal für Sie: Wir versuchen, unseren Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern zu decken. Das ist eine große Herausforderung bundesweit. Und was Sie hier fordern, würde bedeuten, um nur mal eine Maßnahme zu nennen, wenn Sie sagen, wir würden die Unterrichtsverpflichtung um eine Stunde pro Woche reduzieren an allen Schularten, bräuchten wir 435 zu

sätzliche Lehrkräfte, bei zwei Stunden wären es rund 900. Damit Sie überhaupt mal ein Gefühl haben, was Sie hier fordern.

Wir sind im Moment dabei, unseren Bedarf an den jetzigen Lehrerinnen- und Lehrerstellen zu decken, und das ist, das gebe ich auch zu, für uns schon eine Riesenherausforderung. Wenn wir das jetzt machen würden, was Sie hier fordern, würden wir die Unterrichtsversorgung nicht abdecken können. Sie fordern etwas, was bedeuten würde in der Konsequenz, wir können die Unterrichtsversorgung an unseren Schulen nicht mehr absichern. Wenn Sie das ernsthaft fordern, weiß ich nicht, wie die Schülerinnen und Schüler, wie die Lehrerinnen und Lehrer und wie die Eltern darauf reagieren.

(Elisabeth Aßmann, SPD: Genau.)

Insofern, sehr geehrte Herren der AfD,

(Jens-Holger Schneider, AfD: Ja.)