Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, natürlich kann man nicht sagen, wie viele Beschäftigte heute in diesem Land aktuell davon profitieren werden. Ich habe mir die Mühe gemacht, als die Erste Lesung dieses Gesetzentwurfes anstand, bei der Hansestadt Rostock nachzufra
gen, ob sie einen Überblick hätten, wie viele öffentliche Aufträge tatsächlich von ihnen erteilt worden wären in der Vergangenheit, in dem letzten Jahr, wo sie sagen könnten, so und so verhält sich die Einordnung der Beschäftigten in den verschiedenen Tarifverträgen oder nicht tarifgebundenen Unternehmen. Was ich als Antwort bekam, war, das können wir nicht sagen, weil dazu müssten wir erst mal wissen, wer wen wie bezahlt bei welcher Auftragserteilung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir können es sagen beim Bauhauptgewerbe. Da gilt der allgemeine Mindestlohn nach dem entsprechenden Arbeitnehmerentsendegesetz, der dort geregelt ist. Aber bereits im Baunebengewerbe gilt der nicht mehr. Sie müssen also selbst bei Bauaufträgen schon differenzieren, welches einzelne Gewerk gemacht wird. Sie müssen auch berücksichtigen, dass es viele Bereiche aus dem öffentlichen Auftragswesen gibt, die nicht durch entsprechende Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz geregelt sind. Ich nenne nur einzelne Beispiele: Das sind der Landschafts- und der Gartenbau, das sind die Straßenreinigung und der Winterdienst, sofern es nicht kommunale Unternehmen sind, das ist das Sicherheitsgewerbe in vielen öffentlichen Einrichtungen und, wie gesagt, das sind andere darüber hinaus auch noch.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dann muss man deutlich sagen, wem sollte dieses Gesetz oder dieser Gesetzentwurf tatsächlich nützen. Wir haben, ich habe das eben angesprochen, auf der Bundesebene heute einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro. Das ist sehr, sehr wenig. Wir haben am gestrigen Tage den neuen Vorschlag der Mindestlohnkommission gehört auf Bundesebene, wonach der bundesweite Mindestlohn zum 01.01.2019 auf 9,19 Euro steigen soll.
Wenn man sich dieses Gesetz anguckt, dann sind wir heute schon, wenn wir dieses Gesetz verabschieden, mit 9,54 Euro deutlich über dem bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn. Wir werden, und das muss man auch an dieser Stelle sagen, heute schon sagen können, dass zum 1. Oktober 2018 dieser Mindestlohn in diesem Land wieder steigen wird, nämlich, wenn ich die entsprechenden Zahlen aus den letzten Monaten, aus den letzten Quartalen zugrunde lege, dann liegen wir ungefähr bei einer Steigerung von circa 2,3 Prozent. Das sind die Tarifsteigerungen im Jahr 2017 gewesen, dann wären wir bei knapp 9,80 Euro. Dann können wir heute schon sagen, wenn wir die tariflichen Steigerungen der letzten Jahre Revue passieren lassen, und es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das in den kommenden Jahren nicht der Fall sein wird, dass wir schon im Jahr 2019 bei 10 Euro in diesem Land liegen werden, Tendenz weiter steigend.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Signal an die Bundesebene, dass insgesamt an der Lohnsituation in der Bundesrepublik Deutschland, soweit es die Lohnuntergrenzen angeht, deutlich angezogen werden muss. Mein Kollege Thomas Krüger hat es vorhin schon gesagt, wir stehen damit nicht allein. Die Landesregierung in Thüringen unter dem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow hat die gleichen Überlegungen. Sie sagen
explizit, dass sie sich den Gesetzentwurf des Landes Mecklenburg-Vorpommern zum Vorbild nehmen und entsprechend in Thüringen einen gesetzlichen Vergabemindestlohn von 9,54 Euro einführen wollen, genau der gleiche Vergabemindestlohn, den wir heute hier beschließen wollen.
Dort wird es, und das finde ich gut und mein Fraktionsvorsitzender hat es schon angesprochen, ausdrücklich von der Fraktion DIE LINKE, die dort die Regierung mitbildet, begrüßt, dass das entsprechend gemacht wird. Ich darf zitieren, was der entsprechende wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag im Februar 2018 dazu sagte: „Es war ein langer Weg, nun bekommt auch Thüringen einen Vergabe-Mindestlohn, für den wir als LINKE schon lange gekämpft haben.“ Ja, leider hat er da geirrt, weil die Landesregierung in Thüringen unter Herrn Ramelow bis heute nicht in der Lage war, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen. Das ist der qualitative Unterschied der Arbeit der Koalitionsfraktionen und der Landesregierung unter Federführung der Ministerpräsidentin Schwesig hier in Mecklenburg-Vorpommern zu dem, was in Thüringen passiert.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will das hier nicht ausarten lassen, weil wir haben diese Debatte nicht nur bereits bei der Ersten Lesung geführt, wir führen sie schon seit Jahren. Die Argumente, die dabei ausgetauscht werden, insbesondere von den Kritikern eines Vergabemindestlohnes, sind immer die gleichen:
Erstens heißt es, die Belastungen insbesondere der Unternehmen dadurch, dass sie jetzt höhere Löhne zahlen müssten, wären viel zu groß.
Zweitens, wir haben es gerade eben wieder gehört, wird gesagt, ja, es trifft überhaupt keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, weil die verdienen alle schon mehr im Land.
Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, da frage ich Sie: Was ist denn jetzt wahr? Bezahlen die Unternehmerinnen und Unternehmen bei den öffentlichen Aufträgen heute alle schon mehr als das, was wir hier festschreiben wollen, oder ist es so, dass die Unternehmen tatsächlich mehr belastet werden, weil sie heute alle weniger bezahlen? Eines von beiden kann nur die Wahrheit sein.
Wir als SPD-Landtagsfraktion, wir als Koalitionsfraktion stehen auf dem Standpunkt, wir machen einen einfachen Strich, wir sagen, was sie mindestens zu zahlen haben, damit die Beschäftigten sich in diesem Land darauf verlassen können. Ich glaube, das ist ein guter Weg. Es ist auch ein guter Weg, dass das entsprechend dynamisiert wird. Es freut mich, dass wir da die Gewerkschaften an unserer Seite stehen haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Zweiten Lesung endet eine Debatte, die bereits mit der erstmaligen Einbringung unseres Gesetzentwurfes im Juni des vergan
genen Jahres noch durch meinen Kollegen Helmut Holter begonnen hat. Sie ist zuweilen leidenschaftlich und naturgemäß auch mit unterschiedlichen Intentionen geführt worden. In der Auseinandersetzung mit dem Vergabegesetz wurden immer wieder Schlagwörter ausgepackt, die aus meiner Sicht den Blick auf den Kern des Ganzen ein Stück weit verstellen. Da wurde behauptet, dass ein zu hoher Mindestlohn die Unternehmen überfordert, anschließend wurde die Beachtung der Tarifautonomie angemahnt und schließlich die Europarechtskonformität alternativer Ideen infrage gestellt.
Aber was ist denn eigentlich der Kern eines Vergabegesetzes? Da geht es nach meinem Verständnis doch um Folgendes: Das Land und in Zukunft dann auch die Kommunen sagen, ich kaufe mir Leistungen ein. Wer diese Leistung erbringt, das entscheiden sie allein. Daher knüpfen sie die Auftragsvergabe an bestimmte Bedingungen, in unserem konkreten Fall zum Beispiel an einen vergabespezifischen Mindestlohn. Warum passiert das? Weil politisch gewollt ist, dass der Auftragnehmer seinen Beschäftigten einen anständigen Lohn bezahlt, und weil das Land damit beispielgebend vorangeht, was nicht unwichtig ist, wenn führende Repräsentanten der Landesregierung gegenüber der Wirtschaft die Forderung nach guter Arbeit und guten Löhnen aufmachen.
Das Ganze machen wir im Privatleben nicht anders. Wir entscheiden selbst, welche Firma wir beispielsweise mit dem Fliesen unserer Terrasse betrauen und was uns dabei wichtig ist. Soll es schnell gehen und wenig kosten oder erwarten wir Qualitätsarbeit, bei der hochwertige Materialien von exzellent ausgebildeten Fachkräften verbaut werden? Wenn die Wahl auf die zweite Variante fällt, dann wissen wir, dass sich das schlussendlich auch im Preis widerspiegeln wird. Als Auftraggeber tragen wir die aus unserer bewussten Entscheidung resultierenden Mehrkosten. Genau das Prinzip gilt bei öffentlichen Aufträgen. Wir könnten in das Gesetz auch 12 Euro Mindestlohn hineinschreiben, dann würde es teurer für das Land, na klar, aber kein Unternehmen muss deshalb nur 1 Cent mehr ausgeben, weil es sein Angebot auf der Basis der kalkulierten Kosten abgibt.
Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen werden mit ihrer Mehrheit heute den Gesetzentwurf der Landesregierung beschließen.
Wenn ich mir das Papier anschaue, dann stimmt mich das nicht wirklich glücklich, und zwar nicht so sehr, weil SPD und CDU einen gut durchdachten Gesetzentwurf meiner Fraktion ablehnen werden. Das ist nun mal die Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition.
weil es sich um das Ergebnis eines Kompromisses handelt, Herr Renz, bei dem niemand sein Gesicht verlieren will, und sich sowohl SPD als auch CDU als große Gewinner inszenieren möchten. Doch wie im Fußball kann es nie zwei Gewinner gleichzeitig geben, auch wenn findige Leute nicht nur zu Zeiten der Fußball-WM
dies mit Wortschöpfungen wie „Meister der Herzen“, Kollege Renz, zu kaschieren versuchen. Sie können jetzt mal überlegen, wer von den beiden Koalitionären dann der „Meister der Herzen“ ist.
Schauen wir uns den Gesetzentwurf der Landesregierung noch einmal genauer an, Herr Krüger. Positiv zu bemerken ist zunächst, dass die Landesregierung auch nach Einführung des bundesweit geltenden gesetzlichen Mindestlohns eigene Akzente setzen will und grundsätzlich an der Notwendigkeit, einen eigenen vergabespezifischen Mindestlohn festzulegen, festhält. Positiv ist weiterhin, dass sie sich dabei von den Debatten pro und contra Europarechtskonformität nicht hat anstecken lassen. Möglicherweise werden wir im Übrigen vor dem Hintergrund der neu verabschiedeten Entsenderichtlinie künftig auch wieder über Themen wie echte Tariftreueklauseln hier diskutieren können. Positiv klingt ebenso die Mindestlohnhöhe, denn immerhin sind 9,54 Euro nach Schleswig-Holstein künftig der zweithöchste Vergabemindestlohn bundesweit.
Aber was heißt das praktisch? Ich will ein Bild bemühen. Stellen Sie sich vor, Sie stehen im Supermarkt und kaufen eine Packung Billigschnitzel. Die Packung an sich ist hübsch gestaltet, der Preis mit, sagen wir, 3,99 Euro ist unschlagbar günstig und durch das Fenster in der Packung leuchtet das obenauf liegende rote, fettfreie und saftige Schnitzel.
Zu Hause angekommen, öffnen Sie die Packung, nehmen das erste Schnitzel heraus und stellen fest, dass die übrigen fünf Schnitzel faserige graue Lappen sind. Entsprechend groß ist Ihre Enttäuschung, weil der Inhalt natürlich nicht zur Verpackung passt.
Herr Gundlack, meine Damen und Herren, genauso ist es auch mit diesen 9,54 Euro. Sie klopfen sich auf die Schultern und feiern den zweithöchsten Vergabemindestlohn Deutschlands. Das ist das oberste Schnitzel. Das ist wirklich ansehnlich und gut. Doch schaut man darunter, stellt man fest, dass die 9,54 Euro unterhalb der Branchenmindestlöhne liegen. Im Bauhauptgewerbe Ost werden 11,75 Euro gezahlt, im Elektrohandwerk 10,95 Euro, bei den Gebäudereinigern, soweit es sich um Innen- und Unterhaltsreinigung handelt, 9,55 Euro, im Falle von Glas- und Fassadenreinigern 12,18 Euro, bei den Dachdeckern 12,90 Euro sowie bei den Malern und Lackierern 12,40 Euro.
Branchenmindestlohn, Herr Krüger, bedeutet, dass diese Löhne unabhängig davon zu zahlen sind, ob das einzelne Unternehmen tarifgebunden ist oder nicht. Das sollten Sie jetzt auch mal begreifen, wenn Sie immer wieder, wie heute erneut in der Aktuellen Stunde, darauf abstellen, dass es so viele tarifungebundene Unternehmen gibt. Das hat mit den Dingen, die den Branchenmindestlohn betreffen, leider gar nichts zu tun.
Genau deshalb haben wir immer wieder nachgefragt bei der Landesregierung, wie viele Beschäftigte welcher Branchen nach Auffassung der Landesregierung tatsächlich vom nun geplanten Vergabemindestlohn profitieren werden. Da bleibt einfach unterm Strich festzustellen, dass weder in den Ausschussberatungen noch in der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage eine entsprechende Antwort geliefert werden konnte oder wollte. Stattdessen haben Sie lediglich die vage Annahme formuliert, dass Beschäftigte in der Abfallwirtschaft, im Garten- und Landschaftsbau oder im Bereich der Wäschereidienstleistungen einen Mehrwert vom vergabespezifischen Mindestlohn haben werden.
Da die Zahl derjenigen vermutlich überschaubar bleiben wird, fällt es schwer zu glauben, dass hier tatsächlich das erste Ziel der Landesregierung, eine Lohnspirale nach oben in Gang zu setzen, realisiert werden kann.
Ganz ähnlich sieht es übrigens mit dem zweiten Hauptziel der Landesregierung aus, mit dem Gesetz einen nachhaltigen Impuls zur Stärkung der Tarifbindung zu setzen.
Bisher konnte mir noch niemand erklären, worin beim Gesetzentwurf der Landesregierung genau jener Impuls bestehen soll, denn anders als in unserem alternativen Gesetzentwurf koppeln Sie den Vergabemindestlohn nicht an einen Tarifvertrag. Somit geben Sie die Hoheit über die weitere Entwicklung nicht direkt in die Hände der Tarifparteien, sondern, das haben Sie gesagt, Sie orientieren sich am Tarifindex des Statistischen Bundesamtes.
(Jochen Schulte, SPD: Ja, Herr Kollege Foerster, und woraus setzt der sich zusammen? Nach meiner Ansicht aus Tarifverträgen.)
Sie verzichten zudem auf die aus unserer Sicht wichtige Botschaft, dass immer dann, wenn das Land Aufträge extern vergibt, die Beschäftigten beim Auftragnehmer mindestens nach der untersten Tarifgruppe im Tarifvertrag der Länder bezahlt werden sollten.