Protocol of the Session on December 8, 2016

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor Ihnen liegt der Antrag der Linksfraktion „Schulsozialarbeiter nicht im Regen stehen lassen – Konzept zur dauerhaften Sicherung der Schulsozialarbeit in Mecklen

burg-Vorpommern unverzüglich vorlegen“. Er ist heute zum zweiten Mal Thema im Landtag. Wir hatten ihn im November als Dringlichkeitsantrag im Staatstheater bereits eingereicht. Die Dringlichkeit wurde von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und CDU, mit einer fadenscheinigen Begründung von Bildungsministerin Birgit Hesse abgelehnt.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Andreas Butzki, SPD: Na, na, na, na, na! Torsten Renz, CDU: Nö, nö, nö, nö, nö! – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Sie meinte, der „Regenschirm“ sei „aufgespannt“. Es war für SPD und CDU damals nicht dringlich, dass mehr als 30 Stellen in der Schulsozialarbeit im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte und landesweit zum Ende des Jahres

(Andreas Butzki, SPD: 27!)

und weitere fast 100 Stellen im Laufe des Jahres 2017 auslaufen werden, weil eine Anschlussfinanzierung nach dem Bildungs- und Teilhabepaket nicht gesichert ist,

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

ansonsten hätten Sie damals schon die Gelegenheit gehabt, dazu zu reden. Heute steht unser Antrag damit automatisch wieder auf der Tagesordnung und ich bin auf die Debatte gespannt.

Auch heute stehen wieder – oder nachher werden sie wieder stehen – Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, Lehrer, Eltern, Gewerkschaften auf der Straße. Diesmal sind es nicht 30 wie im vergangenen Monat November, diesmal werden es mehr als 100 Leute sein, die gegen Ihre Politik protestieren, weil der Schirm eben nicht gespannt ist, so, wie Sie es uns einreden wollen.

Schulsozialarbeiter, Lehrer und Eltern gehen auf die Straße, weil sie trotz Ihrer Lippenbekenntnisse zur Schulsozialarbeit in den letzten Jahren die Schulsozialarbeiter haben hängen lassen, nicht nur hängen lassen, Sie haben die Schulsozialarbeit im Land abgebaut, trotz Ihrer Aussage im Koalitionsvertrag von 2011, die Schulsozialarbeit zu sichern. Was für ein Widerspruch! Es bleiben bei den Schulsozialarbeitern befristete Arbeitsverhältnisse, unsichere Aussichten, wie man gerade wieder aktuell merkt, ständiges Hoffen und Bangen um eine nachhaltige Finanzierung. Das ist der Alltag der Schulsozialarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern! Was ich Ihnen zum Vorwurf mache, ist, dass Sie das alles wissen.

Ich möchte an Ihren eigenen Antrag aus dem Jahr 2013 erinnern. Da haben Sie die Lage der Schulsozialarbeiter so schön beschrieben: „Nunmehr muss sich die gemeinsame Förderung so verstetigen und mehrjährig ausgestaltet werden, dass Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sowie Jugendsozialarbeiterinnen und Jugendsozialarbeiter kontinuierlich und entwicklungsorientiert mit den jungen Menschen arbeiten können, ohne befürchten zu müssen, dass die Länge der jeweiligen Zuwendung grundsätzlich ihre Fortbeschäftigung infrage stellt. Permanente Arbeitsplatzunsicherheit und häufiger Personalwechsel sind nicht geeignet,“

(Thomas Krüger, SPD: Und welche Ebene hat da falsch geplant? – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Wer hatte denn gesagt, dass das Geld dafür ausgegeben werden kann? Das war das Sozialministerium des Landes.)

„bedürftigen jungen Menschen verlässliche Hilfen in festen sozialen Beziehungen zu geben.“ Zitatende aus Ihrem Antrag.

Weiter heißt es in Ihrem Antrag aus dem Jahr 2013, meine sehr verehrten Damen und Herren von SPD und CDU, „die Personalkostenförderung für die Fachkräfte der Schulsozialarbeit und Jugendsozialarbeit“ sei „ab“ dem Jahr „2014 mit den Landkreisen und kreisfreien Städten in gemeinsamer Verantwortung kontinuierlich fortzuführen“.

Der Landtag begrüßte damals aufgrund Ihres Antrages ausdrücklich die Finanzierung der Schulsozialarbeiter aus Mitteln aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Ich bin froh, dass wir damals einen Änderungsantrag gestellt und schon damals ein langfristiges Konzept gefordert haben und dass wir diesen Schwachsinn schon damals abgelehnt haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Was ist von Ihrem Antrag übriggeblieben und welche Situation haben wir drei Jahre später im Jahr 2016? Geändert hat sich nichts: immer noch kein Konzept zur Finanzierung der Schulsozialarbeit und Jugendsozialarbeit, immer noch eine Flickschusterei bei der Finanzierung der Schulsozialarbeit. BuT, ESF, BAföG – das erinnert mich eher an einen Song der „Fantastischen Vier“ aus dem Jahr 1999 zur Finanzierung von wichtigen Stellen der Schulsozialarbeiter.

(Heiterkeit bei Karsten Kolbe, DIE LINKE)

Der Einsatz der BuT-Mittel, so hört man heute von Herrn Brodkorb, sei ein ordnungspolitischer Fehler gewesen, obwohl Sie, meine Damen und Herren, es 2013 noch begrüßten. Und wenn Sie hier den Kreisen den Vorwurf machen, dass sie nicht genügend geplant und nach dem Bedarf ausgerichtet die Schulsozialarbeiter in den Landkreisen und kreisfreien Städten finanziert hätten, dann frage ich mich: Wo ist Ihr Standard auf Landesebene? Wo ist eine Landesjugendhilfeplanung auf Landesebene, die am Bedarf orientiert, so, wie es das SGB VIII vorsieht, sagt, wie viel Schulsozialarbeiter an wie viel Schulen wir brauchen? Davon sehe ich auf Landesebene überhaupt nichts. Das ist der Vorwurf, den wir machen. Und dann den Kreisen zu sagen, ihr habt falsch geplant, das ist einfach unredlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Aber mit der Flickschusterei nimmt es kein Ende. Jetzt sollen noch die Hortmittel, Teile der Schulsozialarbeit, gesichert werden. 27 Schulsozialarbeiter aus dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte sind auf der Straße. Sie können jetzt in Grundschulen tätig werden oder Personal mit sonderpädagogischer Ausbildung, kurz PmsA, werden. Aber wie sagte mir eine Schulsozialarbeiterin im Gespräch: Wenn ich hätte Lehrer werden wollen oder Erzieher, dann hätte ich das gelernt.

Ich habe bei der Landesregierung immer den Eindruck, dass alle, die irgendwas mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, sich gegenseitig ersetzen können, vertreten können, weil Sie es einfach verpassen zu planen. „Fachkräftegebot“, „Profession“ – all das scheinen Fremdwörter für Sie zu sein. Sie bieten zwar den Menschen im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte einen Ausweg, aber schwächen damit gleichzeitig die Schulsozialarbeit.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Mogelpackung.)

Und das wissen Sie alles nicht nur seit Monaten oder Wochen, das war seit Langem vorauszusehen. Mit dem Einsatz von Restmitteln aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für die Schulsozialarbeit war klar, dass die Stellen auf wackeligem Boden stehen und spätestens mit dem Aufbrauchen dieser Mittel andere Finanzierungswege gefunden sein müssen, damit die Schulsozialarbeit an vielen Schulen erhalten bleibt, so, wie es Herr Brade gesagt hatte. Ich glaube, wir reden nicht mehr über die Frage der Wichtigkeit der Schulsozialarbeit, ich denke, da sind wir uns alle einig, sondern darüber, wie es weitergehen soll, und davon sehe ich zurzeit nichts. Das ist einfach unverantwortlich.

Die Regierung von SPD und CDU hat es in den vergangenen Jahren trotz mehrfacher Aufforderung unter anderem meiner Fraktion, der LINKEN, hier im Parlament und in Sozialausschusssitzungen unterlassen, ein dauerhaftes Finanzierungskonzept zur Sicherung der Schulsozialarbeit – und ich möchte die Jugendsozialarbeit hier ausdrücklich mit einbeziehen – zur Anwendung zu bringen. Nun stehen viele Stellen in der Schulsozialarbeit vor dem Aus und für die Schülerinnen und Schüler bricht das so wichtige außerunterrichtliche pädagogische Angebot an den betroffenen Schulen weg.

Wie verzweifelt die Lage ist und wie dringend eine Lösung hermuss, das machten die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter, aber auch der Bundesfachverband Schulsozialarbeit und die Landkreise deutlich in zahlreichen Faxaktionen, mit Briefen, mit Protestaktionen und auch nachher werden sie auf dem Alten Garten stehen.

Aber das ist Ihr neuer Politikstil, von dem ich gestern so viel gehört habe, dass Sie angeblich mit den Menschen reden wollen. Ich habe das Gefühl, dass Sie weiterhin verschlossene Ohren, verschlossene Augen haben

(Torsten Renz, CDU: Nö, das täuscht.)

vor dem Problem der Schulsozialarbeit.

(Andreas Butzki, SPD: Haben Sie mal das Wahlergebnis angeguckt, Frau Bernhardt? Haben Sie das?! – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja, ja!)

Insofern waren das, was gestern in der Regierungserklärung gesagt wurde, für mich alles nur Worthülsen.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Wir, die Fraktion DIE LINKE im Landtag MecklenburgVorpommern, fordern Sie mit unserem Antrag auf, eine Konzeption zur Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit

(Glocke der Vizepräsidentin)

für eine dauerhafte und

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD und Peter Ritter, DIE LINKE)

flächendeckende Sicherstellung in Mecklenburg-Vorpommern …

Einen Moment, Frau Bernhardt!

Meine sehr geehrten Herren, wenn es hier Dialoge zwischen den Reihen gibt, dann gibt es die Möglichkeit, das draußen in der Lobby zu machen. Hier vorne redet Frau Bernhardt. Die Dialoge haben jetzt eine Lautstärke und eine Frequenz erreicht, dass die Rednerin am Rednerpult nicht mehr zu verstehen ist. Ich bitte, zukünftig darauf zu achten und bei großem Gesprächsbedarf die Lobby zu nutzen.

Jetzt können Sie fortfahren, Frau Bernhardt.

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Sehr geehrte Damen und Herren, an der Erarbeitung eines fundierten Konzeptes sind natürlich die relevanten Akteure zu beteiligen, so meinen wir. Das geht von den kommunalen Spitzenverbänden über die Fachverbände der Jugend- und Schulsozialarbeit hinaus. Sie müssen an der Konzeptionierung mitbeteiligt sein, gemeinsam muss in gemeinsamer Verantwortung ein solches Konzept auf den Weg gebracht werden.

Der Antrag, der uns von SPD und CDU vorliegt, weist eine andere Schrift auf. Gerade da ist die gemeinsame Erarbeitung mit den Fachverbänden, mit den Landkreisen und kreisfreien Städten unterblieben. Hier fand kein Dialog statt. Insofern ist es wichtig, auch in unserem Antrag noch mal darauf hinzuweisen, dass dieses Konzept gemeinsam erstellt werden soll, dass alle an einem Strang ziehen.

Insgesamt, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind aktuell 327 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern tätig. 198 davon werden aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert und eben nicht aus Landesmitteln, wie uns immer gesagt werden möchte. 129 sind aus Restmitteln des Bildungs- und Teilhabepaketes finanziert. Die Stellen über ESF sind noch bis 2020 gesichert, die BuT-Stellen bis Ende 2017. Insofern, denke ich, brauchen wir schnellstmöglich dieses Konzept. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung Frau Drese.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Seit

nunmehr über 20 Jahren unterstützt das Land die Schulsozialarbeit. Mit Blick auf die veränderten Anforderungen an Schulen und die zunehmenden Problemlagen von Kindern und Jugendlichen hat die Schulsozialarbeit in unserem Land in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Deshalb ist es gut, dass sich das Hohe Haus gleich zu Beginn der neuen Wahlperiode mit diesem Thema befasst und sich zur gemeinsamen Verantwortung für die Schulsozialarbeit bekennt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir ist bewusst, dass in der öffentlichen Debatte immer Finanzierungsfragen im Vordergrund gestanden haben.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Die bei der Landesjugendhilfeplanung fehlt.)