Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste! Not macht erfinderisch, sagt ein altes Sprichwort. Die Not, um die es hier geht, ist ein Mangel an Grundschullehrern. Die Länder Berlin und Brandenburg haben als Lösung die Angleichung des Grundschullehrergehaltes an das der übrigen Lehrer erfunden. Dies will die Fraktion DIE LINKE nun auch in Mecklenburg-Vorpommern einführen.
Erstens. „Die unterschiedliche Vergütung der Lehrkräfte an den Grundschulen und den weiterführenden Schulen ist in der heutigen Zeit nicht mehr sachgerecht.“
Und zweitens habe ich daraus entnehmen können: „Auch sind bereits andere Bundesländer, z. B. Brandenburg und Berlin, den Schritt der Angleichung der Gehälter“ und so weiter „gegangen“. Zitatende.
Man reibt sich verwundert die Augen und fragt: Ja, und? Wo sind die neuen Fakten, die für eine Angleichung sprechen? Denn schließlich ist die derzeitige ungleiche Bezahlung ja durch Einstufungsrichtlinien und Abstandsgebot, wie die Ministerin eben ausgeführt hat, im öffentlichen Dienst gut begründet. Und die Begründung,
Das sind erstens die Regelstudienzeit, die bei Grundschullehrern neun und bei Lehrern weiterführender Schulen zehn Semester beträgt, wobei die wirklich benötigte Studienzeit bei der zweiten Gruppe in der Regel deutlich höher ist.
Grundschulrechnen ist eben nicht mit der Mathematik einer Gymnasialklasse zu vergleichen. Und wer meint, dass die Aneignung derartigen Wissens nicht mit Mehrarbeit und Begabung zusammenhängt, der sollte sich die Studienabbrecherquoten in diesen Fächern anschauen.
(Beifall Horst Förster, AfD – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Der sollte erst mal Ahnung haben von Bildung, Herr Dr. Jess. – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)
Frau Oldenburg, wir haben schon öfter festgestellt, dass Sie versuchen, die Leute hier zu diffamieren. Ich sage Ihnen, Sie sind zwar eine Lehrerin, aber ich sage Ihnen auch ganz offen, eloquentes Auftreten alleine verbessert nicht den Inhalt der Rede.
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Na, Sie sollten sich wenigstens Inhalt aneignen, Herr Dr. Jess!)
Drittens der deutliche Unterschied zwischen dem fachlichen Arbeitsaufwand bei den weiterführenden Schulen, insbesondere den Gymnasiallehrern – das betrifft Unterrichtsvorbereitung, Unterrichtsnachbereitung, Korrekturaufwand für Klassenarbeiten und Tests.
Stellen wir also fest, die unterschiedliche Bezahlung von Lehrkräften in Grundschulen und weiterführenden Schulen haben beziehungsweise hatten ihre Berechtigung.
Jetzt frage ich mich: Was könnte als Argument für eine Gleichstellung der Lehrer in der Bezahlung sprechen? Da wäre zunächst der schlichte Wettbewerbsgedanke zu nennen, das heißt, das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Im internen Bereich des öffentlichen Dienstes ist das allerdings ein eher ungewöhnliches Prinzip.
Der Antragsteller meint, dass die Länder Berlin und Brandenburg die Absolventen für Grundschulen aus Mecklenburg-Vorpommern abziehen könnten, da diese Länder die Anpassung innerhalb der nächsten fünf Jahre schrittweise vornehmen werden. Da beide Länder nur sieben Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik ausmachen, ist dies wohl eher ein untergeordneter Faktor. Ich denke nicht, dass wir dadurch ins Hintertreffen geraten werden.
Weiterhin könnte der Wegfall der Unterschiede in Ausbildungsaufwand und Arbeitsaufwand zwischen Lehrern in Grundschulen und weiterführenden Schulen ein Faktor sein. Der Unterschied im Ausbildungsaufwand ist nicht beseitigt. Das liegt in der Sache begründet. Ich wies schon darauf hin, Rechnen in der Grundschule ist mit der Mathematik der Oberstufe halt nicht zu vergleichen
und Sachkundeunterricht braucht eine weniger tiefgründige Ausbildung als Chemie, Physik oder Biologie. Auch daraus ergibt sich wieder das Abstandsgebot.
Also bleibt die alltägliche Arbeitssituation als wirkliches Argument, und da gebe ich Ihnen recht, hier haben wir nämlich eine Situation, wo tatsächlich die Grundschulen aufgrund der Politik der Bundesregierung vor zwei neue Herausforderungen gestellt sind. Das sind:
Ländern und Kulturen mit Kindern, die schlecht oder kein Deutsch sprechen – allein in VorpommernGreifswald sind Kinder mit mehr als zehn unterschiedlichen Sprachen in den Schulen –,
gedanke der UN in Deutschland aufgrund eines Übersetzungsfehlers über die Forderung der UNBehindertenrechtskonvention hinausgeht.
Meine Damen und Herren, ich habe Hochachtung vor den Leistungen der Lehrerschaft, die sich derartigen Herausforderungen stellen muss. Aber eigentlich muss man auch den deutschen Schülern und Eltern danken, die diese Schulsituation, die nur zu oft auch zulasten ihrer Kinder geht, durch eigenes Engagement aufzufangen versuchen.
Allerdings ist die Situation nicht in allen Schulen, Klassen und Regionen gleich. Wohngebiet und ländlicher Charakter oder Großstadtcharakter spielen hier hinein. Deshalb halten wir die grundsätzliche Anpassung der Lehrergehälter für falsch. Wir könnten uns aber andere Lösungen vorstellen, zum Beispiel, in besonderen Brennpunkten entsprechende Zulagen zu zahlen.
Aber kommen wir zum Antrag zurück. Wie heißt doch die schöne Lebensweisheit? Wenn du etwas tust, so bedenke das Ende, oder hier inhaltlich vielleicht passender, die
Folgen. Angenommen, wir würden die Vergütungen der Lehrer in Grundschule und weiterführender Schule angleichen, wer glaubt denn, dass die Grundschule die Probleme, die angesprochen wurden, dauerhaft lösen wird? Nein, die Probleme werden in die weiterführenden Schulen hindurchwachsen. Sollen dann die Lehrer dieser Schulen wieder aufgestockt und dann bessergestellt werden?
Ein weiteres Problem: Die Bundesfamilienministerin Giffey hat sich bereits auf diesen Abweg begeben, indem sie jüngst forderte, dass auch das Gehalt der Erzieherinnen in Kitas an das der Grundschullehrer angepasst werden sollte. Sollen dann also zu guter Letzt Kitaerzieherinnen dasselbe verdienen wie Gymnasiallehrer?
Zwei weitere Punkte würde ich gerne noch in die Diskussion werfen. Die tatsächliche Arbeitszeit der Gymnasiallehrer übersteigt oftmals erheblich die tarifvertraglich festgelegte Stundenzahl.
Die liegt in der Regel am großen Korrekturaufwand in den höheren Klassen. Zum Zweiten sind andererseits nahezu 50 Prozent der Gymnasiallehrer und -lehrerinnen in M-V teilzeitbeschäftigt, während nur 28 Prozent der Grundschullehrer und 37 Prozent der Regionalschullehrer Teilzeit arbeiten. Manche meinen, dies spiegele den Versuch der Lehrer wider, aus der Überbelastung zu entfliehen. Also hier wäre es wirklich angebracht, mal genauer hinzuschauen.
Schauen wir uns die letzte Lehrkräftebedarfsprognose für Mecklenburg-Vorpommern an, so stellen wir fest, dass die nötigen Bedarfsdecken der Einstellungen von Grundschullehrern für das Schuljahr 2019/2020 fast auf null sinken, während der Bedarf an Regionalschullehrern, später auch von Gymnasiallehrern sehr stark ansteigt. Wollen wir dann ständig mit dem Geldhahn an den Symptomen herumkurieren? Wichtiger wäre es, die Ursachen anzugehen, so, wie wir es mit unserem Antrag zur Behebung des Lehrermangels heute Nachmittag versuchen werden.
Aus den soeben dargestellten Gründen lehnen wir den Antrag der Antragsteller ab. Allerdings, der Antrag enthält aus unserer Sicht in Punkt II.4 eine Forderung, die wir durchaus mittragen können. Wir meinen eben auch, dass die höhere Vergütung von Mitgliedern der Schulleitung angesagt wäre, auch wenn man bedenkt, dass sie natürlich durch Unterrichtsstundenentlastung bereits andere Entlastungen haben. Insofern würden wir bei einer Trennung der Abstimmung diesem Punkt durchaus zustimmen können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.