Protocol of the Session on April 27, 2018

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Ihre Fraktion hat in der Zwischenzeit zwei Kleine Anfragen zu den Opferambulanzen gestellt – auf eine von Ihnen nehmen Sie ja auch Bezug –, nur steht in den Antworten nichts anderes, als schon im Dezember 2016 in der Antwort zu meiner Kleinen Anfrage stand. Sämtliche Informationen, die jetzt angeblich Motiv zu Ihrem Antrag waren, hatten Sie schon zum Zeitpunkt, als wir unseren Nachtragshaushalt beraten haben, wie auch bei der Beratung zum Doppelhaushalt 2018/2019. Warum

haben Sie es damals nicht schon beantragt, wenn Ihnen das Thema so wichtig ist? Weil es Ihnen gar nicht um die Sache geht.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Politisch ist bezüglich der Opferambulanzen zwischenzeitlich nur eins passiert: Der Ansatz für den Doppelhaushalt 2018/2019, und das durften wir heute schon hören, wurde gegenüber dem vorherigen Doppelhaushalt jährlich um ein Drittel auf 80.000 Euro erhöht. Das ist gut so. Es gibt also bereits mehr Geld für die Opferambulanzen, aber wir müssen schauen, ob es tatsächlich ausreichend ist. Wir werden das Thema deshalb noch mal im zuständigen Ausschuss näher beleuchten.

Um ehrlich zu sein, ist eine Erhöhung der Mittel um ein Drittel sicher nicht das, was wir eigentlich wollten, aber es bildet zumindest die Steigerung der Fallzahlen von 2015 zu 2016 ab. Neuere Zahlen liegen mir leider noch nicht vor.

Wenn der AfD-Fraktion diese Steigerung nicht ausreicht, stellt sich natürlich die Frage, warum Sie eine weitere Erhöhung der Mittel nicht bereits in den Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2018/2019 gefordert haben. Ich werde es Ihnen sagen: Weil es Ihnen nicht um die Stärkung der Opferambulanzen geht, sondern Sie wollen die Opferambulanzen instrumentalisieren,

(Zurufe von Dirk Lerche, AfD, Jens-Holger Schneider, AfD)

um auf eine vermeintlich prekäre Sicherheitslage im Land hinzuweisen. Nur darum geht es!

(Jens-Holger Schneider, AfD: Genau.)

Wenn es darum geht, sich wirklich für Sicherheit einzusetzen, dann ziehen Sie sich jedes Mal zurück. Sie beklagen, es gibt zu wenig Polizisten im Land. Als im Innenausschuss der Haushalt und somit auch der Stellenplan der Polizei beraten wurde, haben Sie den Vorschlägen der Regierung ohne Änderungsvorschläge zugestimmt. Sie beklagen, es gibt zu wenige Richter und Staatsanwälte im Land. Als im Rechtsausschuss der Justizhaushalt beraten wurde, blieben Ihre Forderungen weit hinter den Bedarfen zurück.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Hört, hört!)

Laut dem Personalbedarfsberechnungssystem der Justiz PEBB§Y hatten wir zu diesem Zeitpunkt alleine in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bei den Staatsanwaltschaften 34 Stellen zu wenig, die meine Fraktion auch gefordert hat. Sie haben gerade mal vier zusätzliche Stellen gefordert. Jetzt beklagen Sie die zu geringe Ausstattung bei den Opferambulanzen. Noch in den Haushaltsberatungen haben Sie diese nicht beanstandet und wenige Monate zuvor haben Sie unsere Forderung nach Erhöhung der Mittel im Nachtragshaushalt zurückgewiesen.

Sehen Sie, meine Herren von der AfD, genau das unterscheidet uns!

(Dr. Ralph Weber, AfD: Gott sei Dank unterscheidet uns sehr, sehr viel.)

Wir arbeiten hier im Landtag darauf hin, die Situation für die Menschen zu verbessern. Sie wollen nicht die Situa

tion verbessern, Sie wollen schlechte Situationen beibehalten,

(Vincent Kokert, CDU: Soso.)

um sie dann zu skandalisieren und mit dem Finger drauf zeigen zu können.

(Vincent Kokert, CDU: Soso. – Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Meine Damen und Herren, die Opferambulanzen leisten eine unglaublich wichtige Arbeit in diesem Land und wir werden uns auch weiterhin für ihre Stärkung einsetzen.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Dazu gehört ganz sicher auch eine Aufstockung der finanziellen Mittel, aber einen halbgaren Pseudoantrag von der AfD-Fraktion braucht es dazu nicht. Für diesen werden wir uns nicht vor den Karren spannen lassen.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Insofern werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Zu dem Änderungsantrag der BMV, die ein Konzept für die Opferbetreuung fordert: Das gibt es meines Erachtens schon im Land. Wenn wir hieran Verbesserungsbedarf sehen, und das sehen wir als Linksfraktion, können wir uns dazu gerne in den Ausschüssen damit beschäftigen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Martina Tegtmeier, SPD)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort die Abgeordnete FriemannJennert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer wieder ist in Zeitungsartikeln, im Fernsehen oder direkt in den Wahlkreisen von Fällen häuslicher und sexualisierter Gewalt zu lesen, die uns tief berühren und die wir selbstverständlich verurteilen.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Medial wird häusliche Gewalt oftmals stark eindimensional als direkte Form der körperlichen Gewalt charakterisiert. Möchte man diesem Erscheinungsbild jedoch vertieft nachgehen, so muss man unweigerlich verbale, sexuelle, wirtschaftliche und psychische Gewalt in den Begriff der häuslichen Gewalt mit einbeziehen.

Das Bundesfamilienministerium geht davon aus, dass 80 Prozent aller Opfer von Partnerschaftstaten Frauen sind. Mehr als 50 Prozent von ihnen haben in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Tatverdächtigen gelebt. Wirksamen Opferschutz kann es nur geben, wenn staatliche und nicht staatliche Institutionen Hand in Hand kooperieren und wir Personen, die von häuslicher Gewalt bedroht sind oder sich bedroht fühlen, Hilfsangebote bieten.

Meine Fraktion hat daher in der vergangenen Haushaltsdebatte die Telefonseelsorge im Land mit jeweils zusätzlichen 50.000 Euro für die Jahre 2018 und 2019 im Rah

men des Strategiefonds sehr gerne unterstützt, weil wir um die gestiegenen Fallzahlen und Leistungen der ehrenamtlichen Telefonseelsorger wissen. Weitere Un- terstützung können hilfesuchende Personen bei dem bundesweiten Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ erfahren, das in 18 Sprachen und rund um die Uhr angeboten wird.

Allerdings gilt es, nicht nur die direkten Opfer von häuslicher Gewalt zu schützen und gesellschaftlich aufzufangen, sondern auch die, die mittelbar von ihr betroffen sind. Dazu zählen leider in vielen Fällen auch Kinder, die Gewalt in der Partnerschaft ihrer Eltern oder zwischen Familienangehörigen hautnah miterleben müssen. In der Pädagogik und in der Psychologie wird eindringlich davor gewarnt, welche weitreichenden traumatischen Erfahrungen das Miterleben von häuslicher Gewalt bei Kindern auslösen kann. Auch ist häusliche Gewalt, also die Gewalt zwischen in einem Haushalt lebenden Personen, etwas, das uns alle angeht. Sie zerstört Existenzen, Familien, manchmal auch Leben und verursacht Schäden, die nur mit größter psychologisch-medizinischer Anstrengung geheilt werden können.

In der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Berichtsjahr 2017 in Mecklenburg-Vorpommern lässt sich feststellen, dass in der Fallgruppe „Familie, Ehe, Partnerschaft und Angehörige“ eine leichte Zunahme an Straftaten zu verzeichnen ist von 19,7 im Jahr 2015 auf 19,9 im Jahr 2016. Gerade in Fällen der häuslichen Gewalt ist erschwerend zu erkennen, dass laut Angaben der Dunkelfeldstudie 98,4 Prozent der Fälle erst gar nicht zur Anzeige gebracht werden. Die Aussagekraft der Angaben aus der Polizeilichen Kriminalstatistik wird durch diese Tatsache erheblich eingeschränkt. Häufig geloben Partner, nachdem sie gewalttätig geworden sind, Besserung und bereuen die Tat, wodurch auf eine Anzeige verzichtet wird oder solche schlicht zurückgezogen wird. Das Risiko der betroffenen Personen, erneut Opfer einer Gewalttat beziehungsweise eines Verbrechens zu werden, nimmt statistisch nachweisbar erheblich zu.

Einen weiteren und mittlerweile sehr erfolgreichen Bestandteil des Opferschutzes in Mecklenburg-Vorpommern bilden die beiden Opferambulanzen an den Rechtsmedizinischen Instituten in Rostock und Greifswald, um die es in diesem Antrag geht. Betroffene von Gewalt können die Opferambulanzen als Anlaufstelle nutzen, um hier ihre Verletzungen kostenlos und vor allem unabhängig davon, ob eine Strafanzeige gestellt wird, beweisfest dokumentieren zu lassen. Dieses Hilfeangebot hat sich im Hinblick auf die gestiegenen Fallzahlen und den erhöhten Bekanntheitsgrad der Opferambulanzen bewährt. Der Dienst wird seit der Errichtung im Jahre 2011 durch das Land gefördert und zunehmend auch von Jugendämtern, Staatsanwaltschaften und Kliniken in Anspruch genommen.

Es ist wichtig, dass das Land Opfer von Gewalttaten darin unterstützt, ihre Rechtsansprüche bei einem späteren Klageweg vor Gericht durchzusetzen und ihre Verletzungen auf Grundlage medizinischer Gutachten rechtssicher zu dokumentieren. In den Haushaltsberatungen hat sich das Land daher dazu entschieden, die Arbeit der Opferambulanzen an den Rechtsmedizinischen Instituten finanziell aufzuwerten. Allein im Jahr 2016 musste die Rostocker Ambulanz knapp 200 Fälle mehr bearbeiten – ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vorjahren. 2011 waren es 47 Fälle.

Mit der unabhängigen Beweisdokumentation stehen die landesseitig geförderten Opferambulanzen allerdings nicht allein da. Auch Staatsanwaltschaften und die Kommunen, speziell die Jugendämter, haben die Pflicht, sich bei der unabhängigen Feststellung von Verletzungen Betroffener einzubringen. Mit dem Inkrafttreten des Doppelhaushaltes 2018/2019 im Dezember des vergangenen Jahres konnten wir daher durchsetzen, dass die Mittel für die freiwillige gerichtsfeste Beweisdokumentation für Opfer von Gewalt von jährlich 60.000 auf 80.000 Euro erhöht wird. Damit erhöht sich an den jeweiligen Stellenbudgets der Institute der finanzielle Spielraum.

Abgesehen davon, dass im laufenden Haushaltsjahr ohnehin keine Änderungen mit Ausnahme eines Nachtragshaushaltes an einzelnen Positionen vorgenommen werden können, erreicht Ihr Antrag den Landtag mindestens ein halbes Jahr zu spät. Da auch Sie über den Landeshaushalt für die Jahre 2018/2019 abgestimmt haben, hätten Sie Ihre Änderungen an geeigneter Stelle im Sozialausschuss beziehungsweise im Rechtsausschuss einbringen können, haben Sie aber nicht. Auch inhaltlich trägt Ihr Antrag nicht durch, weil wir eine Aufstockung der Landesmittel für die Opferambulanzen bereits mit den Haushaltsgesetzen beschlossen haben.

Noch ein Wort an Frau Ministerin Drese gerichtet: Wenn Sie eine Bundesregelung anvisieren, ist das vielleicht ein Thema für die ASMK. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Für die Fraktion der BMV hat jetzt das Wort der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Mitbürger! Der vorliegende Antrag mag vielleicht zu spät sein, wenn man an die Haushaltsberatungen denkt, trotzdem greift er ein wichtiges Thema auf. Wir können uns ja nicht nur alle zwei Jahre hier treffen, weil immer ein Doppelhaushalt veranschlagt wird, sondern wir müssen auch in der Zwischenzeit wichtige Themen aufgreifen.

(Christoph Grimm, AfD: Sehr richtig!)

Wie man das Ganze dann terminiert, ob man in die Vorbereitung geht und vielleicht zu dem nächsten Doppelhaushalt erst zu Maßnahmen kommt, das mag so sein. Wenn es aber unbedingt dringend wäre, dann gibt es schon Möglichkeiten, auch zwischenzeitlich mal was zu finanzieren.

Aber Sie haben natürlich recht, im Einzelplan 10, Kapi- tel 1001, Titel 526.06 sind für die Jahre 2018 und 2019 jeweils 80.000 Euro eingestellt. Das ist eine Steigerung von immerhin 20.000 Euro, das haben wir bereits gehört. Das ist in dem Fall sogar ein Drittel, weil die Basis entsprechend klein ist, dann machen auch 20.000 Euro schon mal 33 Prozent aus.

Dieser Ansatz war wahrscheinlich schon von vornherein zu niedrig. Ich muss aber zugeben, uns ist das auch jetzt erst im Nachgang aufgefallen. Wir sind als kleine Fraktion nicht in der Lage, immer jeden Titel hier so exakt zu überprüfen. Er scheint mir von vornherein zu niedrig zu

sein, um einen, ich zitiere aus der Pressemitteilung des Ministeriums – das brauche ich eigentlich gar nicht, Frau Drese hat es gerade auch noch mal gesagt –, „höheren Stellenanteil an beiden Rechtsmedizinischen Instituten finanzieren“ zu können.

Mit einer Erhöhung der Stellenanteile allein wird den Opfern aber auch nicht geholfen sein. Diese einseitige Konzentration auf den strafrechtlichen Aspekt hat doch nur den Strafanspruch des Staates zum Inhalt und nicht die vollständige physische und psychische Rehabilitation der Geschädigten im Sinne einer wirklich vollständigen Wiederherstellung. Deswegen haben wir unseren Änderungsantrag eingebracht. Denn was wir benötigen, ist ein konsistentes Gesamtkonzept einer langfristig und ausreichend finanzierten Opferbetreuung. Die Opferambulanzen sind dabei nur ein Baustein und aus unserer Sicht noch nicht einmal der wichtigste. Sie zeigen nur die Spitze des Eisberges, denn die Opfer dieser Straftaten leiden vor allem psychisch und physisch. Das hat erheblichen Einfluss auf Familie, Beruf, auf das gesamte soziale Umfeld. Das Angebot zum Beispiel von Traumaambulanzen ist ein gutgemeintes, aber eben auch nur ein äußerst begrenztes Angebot. Das deutsche Gesundheitswesen ist auf den langfristigen Bedarf der Betroffenen überhaupt nicht ausgerichtet. Fachleute bemängeln vor allem unzureichende Therapieangebote, wie zuletzt in der FAZ vom 5. April 2018 zu lesen war.

Für die Betroffenen beginnt eine neuerliche Tortur, wenn es um Therapieplätze geht. Bereits die Wartezeiten sind erheblich. Dazu gibt es auch Kleine Anfragen, allerdings nur von anderen Bundesländern, aber wir können davon ausgehen, dass die Wartezeiten bei uns ähnlich sind wie in allen anderen Bundesländern. Aus therapeutischer Sicht ist bereits das ein klassischer Fehlstart für eine erfolgreiche Behandlung. Die von den Krankenkassen finanzierte Therapiedauer ist oft nicht ausreichend, um auch Folgeschäden auszutherapieren, sprich, dass der Betroffene wirklich vollständig genesen kann.