Protocol of the Session on April 26, 2018

Dann kam dazwischen die Frage von Herrn Kramer nach den Nettozahlern. Herr Waldmüller, ich habe jetzt den Vorteil, dass ich kurz darüber nachdenken konnte, was vielleicht mit dieser Frage gemeint ist. Damit ist natürlich gemeint, dass immer wieder die These von der AfD in den Raum geschoben wird, es wäre vielleicht günstiger, wir wären gar nicht in der EU oder würden zumindest nicht in diesen Haushalt einzahlen und das Geld bei uns selbst in Deutschland verwenden. Diese These ist falsch, das möchte ich mal ganz deutlich sagen.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das war die Gründungsidee der AfD. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Wir haben bei den Fördermitteln – Herr Glawe, Sie haben auch schon mal darüber gesprochen – das Prinzip, dass es immer wieder Eigenanteile gibt und dass sozusagen kaskadenförmig diese Fördermilliarden von Brüssel über Deutschland, über die Bundesländer in die Regionen fließen zu den einzelnen Projekten, immer wieder mit Eigenanteilen. Das heißt, es wird am Ende viel mehr Geld für die Investition freigesetzt, als wäre das nur ein einziger Zahlungsstrom zum Beispiel aus Berlin nach Anklam, um mal irgendeine Stadt zu nennen. Wir haben einen viel größeren Multiplikatoreffekt.

Das Zweite ist natürlich, Kohäsion ist ja nicht nur ein Fremdwort, sondern es hat einen gewissen Sinn. Wir möchten, dass die Lebensverhältnisse in Europa sich angleichen, genauso wie wir das in Deutschland auch haben, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland. Wo wären wir, wenn wir dieses Prinzip nicht hätten? Dann würde nämlich Vorpommern noch viel stärker zurückliegen, als es das sowieso schon tut.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Die haben mit Solidarität nichts am Hut.)

Dann hätten wir diese Solidarität gar nicht, dann wäre Bayern allein wahrscheinlich ganz vorn an der Spitze und der restliche Teil Deutschlands käme ins Hintertreffen. Und das wollen wir alle nicht. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Fraktionsvorsitzende Herr Krüger.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuallererst

möchte ich mich herzlich bedanken bei unserer Ministerpräsidentin und natürlich auch bei den anderen Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer dafür, dass sie die Mühe auf sich genommen haben, nach Brüssel gefahren sind und dort unsere Interessen vertreten haben. Es ist keine Selbstverständlichkeit, das hat es in früheren Förderperioden so in dieser Form nicht gegeben. Vor diesem Hintergrund ein herzlicher Dank, denn wir reden alle über die Weiterentwicklung von Mecklenburg-Vorpommern, wir reden über die Weiterentwicklung von Deutschland und natürlich reden wir auch über die Weiterentwicklung Europas. Für uns sind diese Mittel wichtig. Diese Förderung ist für Mecklenburg-Vorpommern wichtig.

Aber lassen Sie mich, bevor ich auf die Mittel selbst noch mal eingehe, auch etwas zur Rolle der EU sagen. Herr Lerche würde wahrscheinlich sagen, da steht jetzt am Pult ein EU-Fanatiker. Fanatiker, das habe ich gerade mal nachgeguckt, ist jemand, der mit blindem Eifer irgendetwas verfolgt. Meine Damen und Herren, ich bin nicht blind, ich trage zwar eine Brille, aber ich kann noch sehr gut gucken. Allerdings kann ich mich auch ereifern, ich gestehe es zu. Ich ereifere mich dafür, dass wir Frieden haben, und zwar 73 Jahre Frieden in diesem Europa,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, BMV und Torsten Koplin, DIE LINKE)

und zwar auf dem Boden der Europäischen Union. 73 Jahre Frieden!

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich die Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg anschauen – und Sie können zurückgehen, ich sage diese Zahl jetzt einmal, 1.000 Jahre –, Sie werden keine 30 Jahre in diesem Zeitraum finden, keine 30 Jahre, in denen sich auf dem Gebiet der heutigen Europäischen Union die Leute nicht die Köpfe eingeschlagen haben. Jetzt haben wir seit 73 Jahren Frieden. Das ist ein Verdienst dieser Europäischen Union, einer Europäischen Union, meine Damen und Herren, die im Übrigen nicht ohne Ecken und Kanten ist. Sie hat Ecken und Kanten und auch Dinge, die wir kritisieren, Dinge, die verbesserungswürdig sind. Übrigens ist das nicht nur in der Europäischen Union so, sondern auch in Deutschland, wenn Sie sich beispielsweise die Bürokratie angucken oder schwerfällige Prozesse, dass man mitunter Probleme hat herauszufinden, wer denn jetzt wirklich verantwortlich ist.

Meine Damen und Herren, aber der Rückzug zur Nation, wie der eine oder andere das hier im Hause auch gern postuliert, führt uns in eine Sackgasse. Ich habe vor wenigen Wochen einen Satz gelesen, ich kann Ihnen leider heute nicht mehr sagen, von wem er stammt, aber ich meine, es war ein Kirchenmann, der hat etwas gesagt, was mich sehr beeindruckt hat, und das würde ich jetzt gern zitieren. Dieser Satz lautet: „Wenn mehr als ein Land sagt, mein Land first, dann werden wir uns früher oder später auf Soldatenfriedhöfen wiedertreffen.“ Zitatende. Und ich finde, das trifft es. Nationalismus wird uns am Ende in eine Sackgasse führen, Nationalismus hat uns immer dazu geführt, dass man sich auf Kriegsschauplätzen wiedergetroffen hat. Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren, auch deswegen ist uns diese Europäische Union sehr wichtig.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Ann Christin von Allwörden, CDU)

Einen zweiten Grund möchte ich nennen: Wir haben vor Kurzem erlebt, wie wichtig die Europäische Union ist. Unsere Partner über den großen Teich, die Amerikaner, machen Sicherheits- und Außenpolitik und sagen, es ist sicherheitsrelevant schwierig, wenn Stahl und Aluminium aus Deutschland nach Amerika geliefert werden. Das ist sicherheitsrelevant schwierig, haben uns die Partner gesagt. Und dann ist man auf Deutschland zugekommen und hat festgestellt, dafür sind die Deutschen ja gar nicht zuständig, das sind die Europäer. In diesen Gesprächen hat man festgestellt, das ist vielleicht doch eine Nummer zu groß, und hat zumindest diese Zollvariante erst einmal ausgesetzt.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, das wäre nicht passiert, wenn Deutschland als Nationalstaat allein dort aufgelaufen wäre. Wir sind dort mit der Europäischen Union unterwegs und hier gilt der Satz, der schon immer galt: Gemeinsam sind wir stark. Ich möchte, dass wir stark sind, deswegen stehe ich zu dieser Europäischen Union.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Vincent Kokert, CDU)

Meine Damen und Herren, Sorge bereitet mir aber auch, dass innerhalb der Europäischen Union der Zusammenhalt nicht der ist, wie ich ihn mir vorstelle. Ich will ein Beispiel nennen, für Sie sicherlich sehr interessant, das war die Bereitschaft, Migrantinnen und Migranten aufzunehmen. Es geht um Menschen, die vor Not, Krieg und Verfolgung geflüchtet sind. Wir haben erlebt, dass Menschen nicht in Ländern Osteuropas aufgenommen werden, die aber von der EU deutlich profitieren. Ich kritisiere das ausdrücklich, mich ärgert das. Wir haben erlebt, dass die nationalistischen Regierungen in einigen Ländern auch Vorbehalte geschürt haben gegen diese Menschen. Das ist alles etwas, was mich sehr ärgert, was ich zurückweisen möchte. Und ich sage, Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wenn man Solidarität haben will, dann bitte in allen Bereichen. Mein Vorschlag wäre, dass man die Migrationskosten künftig auch europäisch finanziert und alle daran beteiligt. Das sind beispielsweise auch die Länder, die nicht bereit sind, hier Menschen aufzunehmen.

Meine Damen und Herren, so, wie ich mir wünsche, dass die Kosten der Migration solidarisch von der EU finanziert werden, so wird in Brüssel auch darüber diskutiert, inwieweit man weitere Dinge finanzieren soll. Hier werden beispielsweise genannt die Sozialpolitik und weitere große Themen, die man allein nicht hinkriegt, wie die Bewältigung des Klimawandels, die umweltfreundliche Energieerzeugung, die Sicherung der EU-Außengrenzen oder vieles andere. Richtig ist – und das ist die Wahrheit, Herr Kolbe –, der EU-Haushalt wird sinken, der Brexit wird kommen, das wissen wir, und wenn man wie Sie sagt, Sie werden das kritisch begleiten, wo gekürzt wird, dann muss man am Ende auch sagen, wo das Geld herkommen soll, ansonsten funktioniert das Ganze nicht.

(Karsten Kolbe, DIE LINKE: Ja, richtig!)

Wenn das Geld weniger wird, dann ist das die logische Folge.

In der EU wird darüber diskutiert, inwieweit man andere Einnahmequellen erschließt. Da ist davon die Rede, dass man vielleicht Anteile an der Umsatzsteuer erhebt oder

eine eigene Kunststoffsteuer oder ähnliche Dinge. Das ist alles nicht ausgegoren. Richtig ist, entweder wir erschließen der Europäischen Union eigene Einnahmequellen oder wir müssen mehr Geld bezahlen, weil weniger Geld zur Verfügung stehen wird. Das sind die Varianten.

Meine Damen und Herren, es ist hier schon gesagt worden, es gab 10 Milliarden Euro seit 1991 für Mecklenburg-Vorpommern. Schauen Sie sich um in unserem Land, schauen Sie sich in den Städten und Dörfern um, schauen Sie sich in den Betrieben um, schauen Sie sich die Infrastruktur an! In all diesen Dingen stecken europäische Mittel und das ist auch gut so.

Vor diesem Hintergrund finde ich es richtig, dass die deutschen Ministerpräsidenten nach Brüssel fahren und dort dafür kämpfen, dass wir auch in Zukunft noch einen entsprechenden Anteil an den Mitteln bekommen. Im Übrigen hat sich auch meine Fraktion darum bemüht. Wir sind im September letzten Jahres in Brüssel gewesen, hatten ein Gespräch mit Finanzkommissar Oettinger, um hier noch mal klarzustellen, dass bei aller guten Entwicklung, die wir in Mecklenburg-Vorpommern haben, auch künftig wichtig ist, dass Mecklenburg-Vorpommern Geld bekommt. Wir haben wichtige Bereiche, die zu finanzieren sind. Die Ministerpräsidentin hat es schon angesprochen, der Bereich der Landwirtschaft ist ein ganz starker Bereich für uns in Mecklenburg-Vorpommern. Dieser Bereich muss natürlich auch weiterhin ausfinanziert werden.

Ich finde es gut, dass wir einen Landwirtschaftsminister haben, meine Damen und Herren, der ein eigenes Konzept vorlegt dafür, wie es mit den europäischen Finanzen in diesem Bereich, der am weitesten europäisch organisiert ist, weitergehen kann, aber ich will auch die Fischer nennen oder so ganz konkrete Dinge wie Schulsozialarbeit oder kommunale Baumaßnahmen, den Hochwasserschutz, energetische Sanierung, Integrationsmaßnahmen, Forschungsprojekte und vieles, vieles andere. Unter dem Strich sind es in dieser EU-Förderperiode 2,3 Milliarden Euro, die aus der EU kommen, Geld, das wir hier in Mecklenburg-Vorpommern für die Entwicklung brauchen.

Nun kann man sich wie die AfD hinstellen und sagen, machen wir einfach einen auf Egoismus. Sie haben dargestellt, dass Ihnen die Montanunion gereicht hätte. Die Europäische Gemeinschaft wäre das Höchste, was Sie anerkennen. Ich bitte Sie einfach: Schauen Sie in den Römischen Verträgen mal nach, welche Visionen die Menschen dort hatten, die damals genau diese beiden Institutionen gegründet haben, die Montanunion und die Europäische Gemeinschaft.

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Sie werden überrascht sein, denn das große Ziel, die EU zu schaffen, war damals schon da, das war damals schon angelegt. Wenn Sie die EU ablehnen, dann schauen Sie sich mal an, was mit der EU dazugekommen ist an wesentlichen Teilen! Ich habe es gerade noch mal gesagt, das ist nämlich die gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik. Wollen Sie die gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik nicht? Das ist die gemeinsame Justizpolitik, Inneres, das ist, wenn man Straftäter verfolgt, all diese Sachen. Ich bin davon ausgegangen, dass das für Sie etwas ist, was für Sie auch wichtig ist, aber offenbar nicht.

Meine Damen und Herren, diese Europäische Union ist die Lehre aus den letzten zwei großen Kriegen. Diese Europäische Union ist für uns wertvoll.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Dann haben Sie ausgeführt, eigentlich in Frageform, Sie wollten hören, dass Deutschland der größte Nettozahler ist. Deutschland wird der größte Nettozahler sein, davon gehe ich auch aus, da muss man hier nicht hinterm Berg halten, aber wir sind auch größter Profiteur. Da können Sie nicht – das ist eine Milchmädchenrechnung, wenn Sie es tun – schauen, wie viel Mittel gehen nach Brüssel, wie viel Mittel fließen nach Deutschland zurück, denn durch die Mittel, die von Brüssel kommen, werden weitere Mittel gehoben. Das ist das Erste, meine Damen und Herren. Das Zweite ist, dass wir versuchen, Lebensstandards anzugleichen, denn wenn Sie beispielsweise in einen polnischen Supermarkt gehen, oder nehmen Sie einen spanischen, oder in einen Baumarkt gehen und schauen mal in die Regale, wo die Produkte herkommen, dann sind das Produkte, die zum Teil aus Deutschland kommen.

(Der Abgeordnete Dr. Ralph Weber meldet sich für eine Anfrage.)

Ich werde Ihre Frage nicht beantworten, Sie können sich gleich hinsetzen.

(Zuruf von Thomas Schwarz, SPD)

Herr Krüger, einen Moment! Herr Fraktionsvorsitzender, das war jetzt zwar eine klare Ansage, aber im Grunde genommen haben wir ein parlamentarisches Verfahren. Ich habe Sie zu fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen, aber über das Hinsetzen entscheidet dann, glaube ich, der Fragesteller selbst.

Also gehe ich recht in der Annahme, dass Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Weber nicht zulassen?

Frau Präsidentin, Sie gehen recht in der Annahme.

Jetzt können Sie fortfahren.

Wenn Sie dann durch die Regalreihen gehen, werden Sie feststellen, dass viele der Produkte aus Deutschland kommen. Und jetzt die Frage zu stellen, wovon die Leute das eigentlich kaufen – die kaufen das dadurch, dass sie ein entsprechendes Wohlstandsniveau haben.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Ein entsprechendes Wohlstandsniveau haben sie erreicht, auch weil man ihnen geholfen hat. Das ist eine Hilfe zur Selbsthilfe gewesen, etwas, was am Ende trägt. Oder gucken Sie weiter im Bereich des Maschinenbaus oder der Windkraftanlagen, die wir exportieren, oder die landwirtschaftlichen Produkte beziehungsweise das, was die Lebensmittelindustrie allein in Mecklenburg-Vorpommern verarbeitet! Wenn Sie da unterwegs sind, werden Sie feststellen, wie wertvoll das ist. Erst, wenn Sie das machen, haben Sie eine gesamtgesellschaftliche Rech

nung. Erst, wenn Sie das machen, können Sie den Wert der EU – zumindest, wenn Sie den Wert der EU auf einen finanziellen Wert reduzieren wollen –, zumindest dann können Sie den Wert der EU an dieser Stelle ablesen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Dr. Ralph Weber, AfD: Märchenstunde!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Ganze wird hier drüben kommentiert mit „Märchenstunde“. Ich habe Ihnen dargestellt, wie wichtig die EU für den Frieden ist. Ich habe Ihnen dargestellt, wie wichtig die EU ist im Zusammenhang, im internationalen Zusammenspiel beispielsweise mit unserem Partner, den USA. Ich habe Ihnen dargestellt, wie wichtig die EU ist im Bereich der Wirtschaftspolitik, auch nach innen. Ich höre hier von der anderen Seite „Märchenstunde“. Ich sage Ihnen, diese EU ist wertvoll.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Ministerpräsidentin für ihre Mühe und wünsche uns weiterhin alles Gute. – Besten Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Um das Wort gebeten hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Die Aussprache ist aus meiner Sicht wesentlich geprägt davon, dass wir hier, wie so häufig, eine erhebliche Begriffsverwirrung erlebt haben.