Protocol of the Session on March 16, 2018

(Peter Ritter, DIE LINKE: Angeblich?! – Henning Foerster, DIE LINKE: Was ist denn jetzt Ihr Plädoyer?)

„‚Aber es herrscht eine starke Can-do-Mentalität‘, sagt der Personalchef Kohl-Boas. ‚Wir wollen, dass die Menschen hier selbstbewusst auftreten können. Weil das einfach ein guter Platz ist, um sich für freie Entscheidungen zu treffen. Um eine Meinung zu äußern. Wir wollen ein Arbeitsumfeld, in dem die Leute morgens um acht schon sagen: Hab ich Lust drauf. Und nicht: Wie viel Schmerzensgeld gibt es heute für den Tag?“ Zitatende.

Auch in meinem persönlichen Geschäftsumfeld kenne ich viele innovative, agile Unternehmen, die ähnlich aufgestellt sind. Ich will noch mal ganz kurz erläutern, warum ich diesen Zeitungsartikel so sehr interessant fand. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die Arbeitswelt heute sehr stark verändert hat. Das heißt, auch die Zielgruppe der Gewerkschaften, nämlich die Arbeitenden, haben sich sehr stark verändert in den letzten Jahren.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist unbestritten.)

Und die Spannbreite der Arbeitnehmer ist sehr viel größer geworden. Wir haben sehr viele …

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das hat nur alles überhaupt nichts mit dem Antrag zu tun.)

Doch, das hat was mit dem Antrag zu tun, aber ganz genau.

Wir haben sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor, die müssen geschützt werden, sehr gut, von Gewerkschaften. Wir haben aber auf der anderen Seite auch eine andere Lebenswirklichkeit. Wir haben Unternehmen, in denen die Mitarbeitenden bis zu 150.000 Euro verdienen. Das sind auch Arbeitnehmer und das sind teilweise sehr innovative Unternehmen. Da sind Menschen beschäftigt, die sehr wohl in der Lage sind, ihre Wünsche und Bedürfnisse frei zu äußern, und das auch arbeitsrechtlich. So, und jetzt gilt es daran zu arbeiten, die Gewerkschaften attraktiv zu machen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch in diesen innovativen Unternehmen. Also ich meine das nicht böse, das ist nur ein gut gemeinter Vorschlag, wie Gewerkschaften sich in Zukunft aufstellen können, die Mitbestimmung attraktiver zu machen.

Kommen wir gleich noch mal zu Punkt 3. Es ist doch Kernaufgabe von Gewerkschaftsarbeit, für die Bildung von Betriebsräten zu werben, um deren Aufgaben und Wirken bekannter zu machen. Das ist bestimmt nicht die Aufgabe der Landesregierung.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Die kann aber dabei unterstützen.)

Aber nur, um das klarzustellen: Ich und meine Fraktionskollegen begrüßen die Stimme der Beschäftigten immer und unterstützen das, was wir auch unterstützen können. Aber das, was Sie fordern, ist nun mal Aufgabe der Gewerkschaften, die selbstbestimmt agieren können, Herr Foerster.

Und dann kommen wir noch zum letzten Punkt in Ihrem Antrag. Da sprechen Sie von „Union Busting“. Ich gebe

zu, ich musste es erst mal googeln. Das war mir vorher nicht so geläufig. So beschreibt dieser Begriff das systematische und professionell geplante Vorgehen gegen gewerkschaftliche Interessenvertretungen. So, wie ich bei Recherchen herausgelesen habe, hatte dieses Union Busting seine Blütezeit in den 70er-Jahren in den USA,

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

also in einer Zeit, in der es der amerikanischen Wirtschaft überhaupt nicht gut ging

(Henning Foerster, DIE LINKE: Jetzt liest er aus Wikipedia vor.)

und teilweise von mafiösen Strukturen die Rede war. Nun, das Ganze ist jetzt 40 Jahre her,

(Heiterkeit bei Henning Foerster, DIE LINKE: Ach, das gibt es nicht! Es gibt keine Behinderung!)

und die Arbeitswelt hat sich gewaltig verändert. Wie schon am Anfang erwähnt, sind die Herausforderungen heute und in der Zukunft ganz andere.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Erzählen Sie keinem, dass Sie für die SPD reden hier! Das ist eine Lachnummer hier!)

Zugegeben gibt es heute immer noch Arbeitgeber, die den Schuss nicht gehört haben und betriebliche Mitbestimmung verhindern. Doch dort hat Harry Glawe schon angeboten, dafür steht auch die Landesregierung ein, sich mit diesen Unternehmen auseinanderzusetzen. Nur dürfen wir nicht den Eindruck vermitteln, dass diese Einzelfälle das grundsätzliche Verhalten aller Unternehmer in diesem Land darstellen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das tut doch gar keiner!)

Das ist unfair gegenüber allen anderen anständigen Unternehmern in diesem Land.

(Rainer Albrecht, SPD: Jawoll!)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, betriebliche Mitbestimmung in Form eines Betriebsrats muss auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewollt sein. Wir leben und arbeiten in einer Zeit, in der „Fachkräftemangel und Industrie 4.0“ das vorherrschende Thema sind. Da ist jeder Unternehmer gut beraten, fair und anständig mit seinen Beschäftigten umzugehen, um mit den Herausforderungen der wirtschaftlichen Entwicklung und den Herausforderungen der Digitalisierung auch in den nächsten Jahren Schritt zu halten. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und AfD)

Für die Fraktion der BMV hat jetzt das Wort der Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Herr Wildt.

Oh, zu hoch!

(Der Abgeordnete Bernhard Wildt stellt das Rednerpult ein.)

Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zuallererst möchte ich sagen, dass die Mitbestimmung oder das Mitbestimmungsmodell, was wir in Deutschland haben, ein echtes Erfolgsrezept ist. Überwiegend läuft es sehr gut, unterscheidet uns auch positiv von vielen anderen Volkswirtschaften in der Welt. Wir sollten an diesem Prinzip grundsätzlich festhalten, so, wie es ist, was natürlich nicht heißt, dass man es nicht weiterentwickeln kann, und was natürlich nicht heißt, dass es nicht auch zu Problemen kommen kann, denn wo Menschen aufeinandertreffen – das erleben wir ja auch hier –, kann zuweilen die beste Institution es nicht verhindern, dass auch Dinge zusammenkommen, die vielleicht nicht so schön sind.

Aber wir müssen doch das Ganze mal richtig einordnen. Wie ist die Situation in Mecklenburg-Vorpommern denn tatsächlich? Sie sprachen von den nur neun Prozent der Unternehmen, die einen Betriebsrat haben. Wir berufen uns ja hier alle auf Ihre eigene Kleine Anfrage, die haben wir alle ausgewertet. Das war eine sehr gute Kleine Anfrage. Aber dann müssen Sie natürlich die Informationen auch komplett verwerten: 2013 waren es erst sieben Prozent, 2016 schon neun Prozent. Also immerhin geht die Zahl in die richtige Richtung.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Herr Ritter, Sie müssen natürlich auch in diese Kleine Anfrage reinschauen, nach welchen Kriterien denn die Betriebsräte oder in welchen Unternehmen die Betriebsräte besonders stark sind. Ab 250 Beschäftigte sind es nämlich schon 81 Prozent,

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

zwischen 50 und 249 47 Prozent und bei den ganz kleinen Unternehmen bis zu 9 Beschäftigten sind es eben nur 2 Prozent. Und so kommt dieser ganz niedrige Wert zustande, weil eben tatsächlich der große Anteil der Unternehmen so klein ist. Das kann man sich dann auch vorstellen, dass ein Minibetrieb von zwei Leuten oder auch drei oder vier Leuten keinen Betriebsrat braucht. Das wäre …

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist Quatsch, die können gar keinen wählen.)

Na ja gut, dann nehmen wir eben die sieben oder die acht. Trotzdem sind das die meisten. Also wenn Sie den Durchschnitt nehmen von neun Prozent, dann steckt da eben die große Anzahl der vielen kleinen Betriebe drin, und die brauchen keinen Betriebsrat. Das wäre schlimm, wenn die einen brauchen.

Und jetzt bin ich beim Herrn Brade. Sie haben ja viele kluge Dinge gesagt, auf die ich auch noch eingehe, aber es ist natürlich was ganz anderes, ob Sie sich freitagmittags mal treffen in der Kantine und eine Mitgliederversammlung oder Belegschaftsversammlung haben und da wird ein bisschen diskutiert oder ob wir über Mitbestimmung sprechen. Mitbestimmung ist schon ganz was anderes, das muss ich also tatsächlich,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Es ist ja traurig, dass man das einem Sozialdemokraten erklären muss.)

das muss ich doch tatsächlich mal einem Sozialdemokraten erklären. Ich habe jahrzehntelang wirklich mit Be

triebsräten zu tun gehabt, sehr gute Erfahrungen, aber das kann man nicht ersetzen durch eine Belegschaftsversammlung in der Kantine.

(Christian Brade, SPD: Das habe ich auch nie gesagt.)

Na ja, schon. Aber ich stelle es auch dann noch mal gerade, Herr Brade, nehmen wir es mal so.

Aber das Wichtigste, was Sie aus meiner Sicht gesagt haben, ist tatsächlich, dass sich die Unternehmenswirklichkeit deutlich verändert, und das wird auch in der Zukunft noch viel massiver passieren. Von daher finde ich Ihren Antrag gut, wir müssen den auch im Auge behalten, denn ich glaube, dass sich das Mitbestimmungsrecht verändern muss, aber nicht so, wie Sie sich das jetzt vorstellen, sondern dass wir tatsächlich beachten müssen, wie entwickelt sich die betriebliche Wirklichkeit. Wir werden viel mehr Arbeitsplätze haben, die nicht mehr, so wie früher, an einer Produktionsstätte oder an einem Standort zusammensitzen, wo sie automatisch ein Zusammengehörigkeitsgefühl haben und eine Gewerkschaftsentwicklung im Betriebsrat und so weiter sich auch schon fast automatisch entwickelt, sondern die Menschen sitzen zu Hause, sie haben Homeoffice-Arbeitsplätze, arbeiten rund um die Uhr. Das ist ein Problem in vielerlei Hinsicht. Das ist eine riesige Chance, gerade für uns in Mecklenburg-Vorpommern. Und da sehe ich dann auch mal, dass wir eine Vorreiterrolle haben müssten, wir hier als dünn besiedeltes Flächenland, was von der Digitalisierung in ganz erheblichem Umfang profitieren kann.

Wo ich unsere Vorreiterrolle nicht sehen kann, ist, wenn es darum geht, Straftatbestände zu verschärfen. Also das kann sein, dass da vielleicht in anderen Bundesländern die Initiative ergriffen werden muss, bei uns sicherlich nicht. Die Antwort der Landesregierung war da auch ganz eindeutig,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Die weiß nichts. Die weiß nichts.)

dass sie darüber nichts weiß und darüber keinerlei Erkenntnisse hat, aber über die Rechtslage haben wir ja schon gesprochen. Natürlich kann Strafanzeige erstattet werden, das Gesetz gibt da auch genug Möglichkeiten.

Ansonsten bitte ich sehr darum, dass die Landesregierung die geforderte Neutralität einhält. Unternehmer sind natürlich ganz besonders wichtig für unser Bundesland. Sie sind diejenigen, die mit ihrer Initiative und mit ihrem Risiko und Wagemut überhaupt erst die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern nach vorne gebracht haben und weiter nach vorne bringen werden. Da sollte man nicht den Eindruck erwecken, dass wir nun ganz besonders schnell nach vorne preschen wollen und die Unternehmen unter Generalverdacht stellen, dass sie etwas gegen die Mitbestimmung oder die Betriebsräte hätten.

Ich glaube Ihnen, Herr Foerster, dass Sie diesen Eindruck gar nicht erwecken wollten,

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Doch! Doch!)