(Jochen Schulte, SPD: Ich glaube, Sie haben in Ihrem ganzen Leben noch nicht selbstständig Geld verdient. – Dr. Ralph Weber, AfD: Doch, mein ganzes Studium über. – Jochen Schulte, SPD: Ja, als Professor. – Dr. Ralph Weber, AfD: Mein Studium über!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Landtagsabgeordnete! Die Fraktion Bürger für Mecklenburg-Vorpommern wird dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen.
Aber, Herr Koplin, ich gebe Ihnen recht, er ist es wert, darüber im Wirtschaftsausschuss zu sprechen. Dem würden wir uns auch sehr gerne stellen und wir hätten also nichts dagegen, wenn das Thema im Wirtschaftsausschuss aufgerufen wird. Wir reden hier ja nur über ein relativ kleines Instrument. Herr Glawe hat den gesamten Instrumentenkoffer sozusagen im Schnelldurchgang mal wieder vorgestellt, aber es geht eigentlich hier konkret nur um die Mikrodarlehen.
In dem Antrag ist gefordert, dass die Laufzeit verlängert wird von fünf auf sieben Jahre, die Zinssätze sollen gesenkt werden von fünf auf drei Prozent und es sollen höhere Beträge möglich sein, statt 10.000 beziehungsweise 20.000 eben 15.000 oder 25.000 Euro. Und da frage ich mich: Wo kommen diese Zahlen her? Werden die einfach so aus dem Ärmel geschüttelt oder sind die irgendwie ermittelt worden? Genau diese Analyse, die Sie angesprochen haben, die fehlt mir halt auch. Das habe ich nicht verstanden, warum jetzt genau drei Prozent zum Beispiel. Es wurden Beispiele aus anderen Bundesländern genannt, die aber noch mal wieder andere Zahlen brachten, beispielsweise Laufzeiten von zehn Jahren. Warum dann nicht zehn Jahre? Warum jetzt genau sieben Jahre? Also es ergeben sich einfach noch zu viele Fragen, die wir erst klären müssen, die wir im Ausschuss auch klären können.
Da sind wir allerdings tatsächlich auf die Hilfe des Ministeriums angewiesen. Auch uns ist es nicht gelungen, aktuelle Werte zu bekommen aus dem Wirtschaftsministerium. Deswegen kann man das auch nicht richtig analysieren, wie hat sich dieses Programm weiterentwickelt, besteht da überhaupt noch dieser Bedarf. Viele verschiedene Fragen wurden schon angesprochen. Eventuell ist tatsächlich der Bedarf auch nicht mehr so groß. Uns erscheint es nach wie vor sinnvoll, dieses Programm zu haben.
Ich muss allerdings sagen, die Richtlinie, auch das ist richtig, ist schon vom 27. Januar 2009. Wir haben mittlerweile 2018. Es erscheint sinnvoll, sich diese Richtlinie mal anzuschauen, ob die noch zeitgerecht ist oder ob man da etwas aktualisieren müsste. Unter Ziffer 4.4 in der Richtlinie sind die ausgeschlossenen Branchen benannt. Es kann nicht schaden, sich das noch mal anzuschauen. Aber ich kann nicht einfach so aus der Lamäng heraus sagen, genau diese oder jene Branche muss da jetzt herausgenommen werden. Man hat sich ja damals was dabei gedacht, warum man genau diese Branchen ausgeschlossen hat, und das müssen wir dann erst mal herausfinden, warum haben wir die ausgeschlossen, ist das noch zeitgemäß.
Auf den ersten Blick, gebe ich zu, hört sich das charmant an, den mobilen Einzelhandel herauszunehmen, also zuzulassen für diese Darlehen, damit im ländlichen Raum der mobile Einzelhandel belebt wird. Das ist für viele ältere Leute eine ganz existenzielle Frage, dass da diese Einkaufswagen herumfahren können. Warum kann man das nicht fördern? Das wäre im ersten Moment vernünftig, mag auch vernünftig sein, aber bitte, wir müssen es im Ausschuss klären. Wir müssen erst mal wissen, warum sind sie seinerzeit ausgenommen worden, was spricht dagegen.
Damit habe ich, denke ich, die wichtigsten Dinge gesagt. Wir versperren uns keiner nachdenklichen und anspruchsvollen Debatte, aber das ist ein Thema, was ganz klassisch erst in den Ausschuss gehört, bevor es hier zur Beschlussreife vorliegt. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Antrag „Mikrodarlehen anpassen – Arbeitslosigkeit senken“. Gehen wir mal davon aus, dass das in die Kategorie „Arbeitsmarkt“ gehört, der Antrag.
Herr Wildt, Sie haben gerade wenigstens – als Einziger bislang – zum Punkt II Stellung genommen. In der Antragseröffnung ist in keinster Weise darauf eingegangen worden und auch nicht auf mögliche Bonität oder tragfähige Geschäftskonzepte, die natürlich da auch mit hätten erwähnt werden müssen.
Gucken wir uns im Vergleich mal an, wo wir denn stehen. Wenn das ein Arbeitsmarktantrag ist, dann gucken wir uns mal an, wo stehen wir heute. Wenn ich jetzt die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse vergleiche, sind im Vergleich zum Vorjahr über 9.000 zusätzlich entstanden, allein zum Vorjahr. Wir haben heute einen Stand in Mecklenburg-Vorpommern von 76.700 Arbeitslosen. Das ist ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr von beinahe 10 Prozent.
Gegenüber dem Februar 2005, wo wir die höchste Arbeitslosigkeit hatten in Mecklenburg-Vorpommern, ist es ein Rückgang von 63,7 Prozent. Dieser Rückgang gegenüber den 2000ern lässt sich leicht ersehen. Damals war eben die Arbeitslosigkeit die Hauptherausforderung, die es gab. Und da gab es auch bundespolitisch Reaktionen. Es gab damals die Hartz-IV-Reformen. Mit dem Gesetzpaket Hartz II trat zum Beispiel das Konzept der Ich-AG in Kraft.
Die Ich-AGs waren allerdings ein wenig umstritten. Es wurde gutachterlich bewertet – es wurde ja sogar zum Unwort des Jahres benannt damals –,
es wurde gutachterlich bewertet, dass es da Mitnahmeeffekte gebe, dass es keine tragfähigen Geschäftspläne
gebe, dass es ineffizient wäre beziehungsweise dass die Wertschöpfung unzureichend ist. Unter anderem aus diesen kritischen Stimmen wurden Konsequenzen gezogen und 2006 wurde dieser Zuschuss dann nicht mehr bezahlt. Auch der Gründungszuschuss, der auf die IchAG folgte, ist seit dem Dezember 2011 nur noch eine sogenannte Ermessensleistung.
Diese Entwicklung – das ist ja auch die Frage, die Herr Koplin gestellt hat, woher kommt diese Entwicklung, dass es heute weniger Inanspruchnahme gibt –, diese Entwicklung hängt natürlich auch mit den immer besser werdenden Arbeitsmarktdaten zusammen. Die Arbeitsmarktsituation hat sich bei der hervorgehobenen Förderung der Selbstständigen enorm gewandelt. Heute suchen bestehende und florierende Unternehmen, also Betriebe, die Wertschöpfung generieren, nach Fachkräften und es gibt attraktive Angebote für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Das drückt sich auch in den rückläufigen Zahlen bei Existenzgründern aus. Je attraktiver Angebote für sichere Angestelltenverhältnisse werden, als umso risikoreicher wird der Gang in die Selbstständigkeit bewertet.
Und das ist ein Grund, Herr Koplin, warum es heute weniger Gründungsinitiativen gibt, weil ja Existenzgründungen immer auch als ein Risiko bewertet werden, aber wenn der sozialversicherungspflichtige Arbeitsmarkt attraktiv ist, aufnimmt, dann gibt es eben zwangsläufig auch einen Rückgang. Das hängt also mit der Konjunktur und mit der Arbeitsmarktlage direkt zusammen. In dieser arbeitsmarktpolitischen Großwetterlage halte ich es für viel dringender geboten, Stellschrauben in den Blick zu nehmen, die Unternehmen in unserem Land ertüchtigen, Fachkräftebedarfe nachhaltig zu sichern. Die Stärkung der beruflichen Bildung nenne ich als ein Beispiel.
Meine Damen und Herren, insofern kommt das Ansinnen nach Stärken von Alternativen zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, kommt dieser Antrag, kann man sagen, auch nicht zur richtigen Zeit. Sicherlich, da würde ich Ihnen sogar recht geben, muss man bestehende Richtlinien von Zeit zu Zeit natürlich überdenken, sie müssen angepasst werden. Ich glaube aber nicht, dass ein Mikrodarlehen derart signifikante Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, wie Sie es in der Antragsüberschrift glauben machen möchten. Schon deswegen sind die genannten Stellschrauben in diesem Antrag meines Erachtens falsch justiert, oder anders gesagt, die im Antrag genannten Anpassungen, die scheinbar – und das ist von allen Rednern hier gesagt worden – ohne bestehende Datengrundlage irgendwie willkürlich getroffen worden sind, führen aus meiner Sicht nicht zur signifikanten Senkung der Arbeitslosigkeit.
Für die heutigen Richtlinien und Förderprogramme – wir haben ja auch den Minister gehört – gilt, das wird gut angenommen und ist auch ausreichend. Zudem handelt es sich hier um Darlehen und nicht um verlorene Zuschüsse wie damals bei den Ich-AGs. Diese Mikrodarlehen, das ist gesagt worden, sollen die fehlende Bonität ersetzen, aber trotzdem muss immer noch die Frage danach sein, ob es ein tragfähiges Geschäftsmodell ist. Also es ist ja nicht so, dass man jetzt sagen kann, macht euch mal alle selbstständig und dann wird es schon gut werden, deswegen müssen wir die Attraktivität der Mikrodarlehen erhöhen, weil die Bonität in den Banken nicht gegeben ist. Das funktioniert eben nicht. Es gehört immer ein tragfähiges Geschäftsmodell dazu.
Damit ergibt der Antrag auch fiskalisch streng genommen wenig Sinn. Machen wir uns klar, dass Kredite in den aktuellen Niedrigzinsphasen zu sehr günstigen Konditionen zu beschaffen sind. Darauf gehen Sie ja in dem Antrag ein und wollen die Zinsen analog zum Kreditmarkt senken. Ich glaube, es wird Ihr Geheimnis bleiben, wieso Sie jetzt genau auf drei Prozent senken wollen. Ich nehme an, dass die Bonität im Mikrozinsbereich von dem vorliegenden AfD-Antrag, ich habe das gerade erwähnt, auch unberücksichtigt bleibt. Mikrozinsnehmer sind häufig mit der Bonität D bewertet. Hintergrund sind hohe Ausfallrisiken. Weil sie wegen dieser Ausfallrisiken ohne Weiteres keine Kredite am freien Markt bekommen, greift unter anderem das vorliegende Programm.
Das ist Sinn und Zweck des Ganzen. Es reagiert in gewisser Weise auf eine Sonderform von Marktversagen. Aber Sie vermitteln mit diesem Antrag ja fast den Eindruck, als handele es sich um ein attraktives Geschäft, als müsse die Landesregierung regelrecht in Konkurrenz zur Hausbank treten. Und ich sage Ihnen, mit Steuergeldern muss man sensibel umgehen.
Um Ausfälle abzufedern, kann eben im Mikrodarlehensbereich nicht ohne Weiteres auf die Zinsen am Markt reagiert werden, nicht ohne Weiteres, aber Sie fordern genau das Gegenteil einer verantwortungsbewussten Abwägung von Risiken. Sie fordern eine Verlängerung der Darlehenszeit, eine Erhöhung des Darlehensbetrages, eine Absenkung des Zinssatzes, und dabei operieren Sie, ich hatte es schon gesagt, im besten Fall auf willkürlicher Datenbasis. Zumindest haben Sie es nicht dargelegt. Mich persönlich beschleicht da eher der Verdacht, dass diesem Antrag gar keine Datenbasis zugrunde liegt.
Meine Damen und Herren, einige betriebswirtschaftliche Anmerkungen jetzt zum Punkt II in Ihrem Antrag, den Sie bei der Einbringung gar nicht erwähnt haben. Hier wird der mobile Einzelhandel herausgehoben. In der Tat, in ländlichen Räumen ist dieser Aspekt, jedenfalls aus karitativer Sicht, wichtig. Deswegen sollte bei Branchenausschlüssen genau durchdacht werden, warum es eben diese gibt.
Herr Wildt, Sie haben es angesprochen. Neben immobilen Strukturen, die in ländlichen Regionen in Größenordnungen bestehen, eröffnet oder ertüchtigt werden, gibt es ja bereits mobile Angebote. Diese mobilen Angebote können zumeist auch auf immobile Kapazitäten zurückgreifen. Das ist natürlich ein betriebswirtschaftlicher Vorteil, etwa für einen Bäcker oder für einen Fleischer, die Filialen in Supermärkten und Discountern haben und zugleich mobile Angebote parat halten. Und die Marktlage wird in diesem Bereich nicht einfacher. Vielleicht sind Ihnen die Vorhaben von REWE oder AmazonFresh bekannt, die den mobilen Markt mit entsprechenden Kühlketten erschließen werden, auch in MecklenburgVorpommern.
Für Gründerinitiativen im mobilen Einzelhandel sehe ich hier ein erhebliches Risiko, denn das sind Kleinstvorhaben, die der Konkurrenzsituation versus Amazon oder Co mit Sicherheit nicht gewachsen sein werden.
Das hat damit nichts zu tun. Das hat etwas mit Realität zu tun, Herr de Jesus Fernandes, und mit der aktuellen Zeit
(Dr. Ralph Weber, AfD: Wir haben doch gehört, die Erfolge sind genug. Man muss sich nicht mehr anstrengen.)
Existenzgründungen mit Mikrodarlehen für den mobilen Einzelhandel sind in der Regel betriebswirtschaftlich hoch riskant und deswegen muss man immer gucken und muss auch sehr genau schauen, ob diese Branchenausschlüsse begründet oder unbegründet sind. Wenn sie unbegründet sind, kann man sie selbstverständlich aufheben.
Aber das muss man eben auch bewerten, von Zeit zu Zeit, mit der Entwicklung des Marktes muss man das bewerten.
Ich begrüße selbstverständlich – aber das haben wir auch immer klargemacht –, ich begrüße selbstverständlich jeglichen unternehmerischen Ehrgeiz und jegliche unternehmerische Idee, und die muss unterstützt werden. Natürlich obliegt es und ist es auch Aufgabe des Landtages, der Landesregierung und des Bundes, da sind wir in der Pflicht, dies so gut wie irgend möglich zu begleiten. Hier gibt es Instrumente. Wir stehen zum Thema Mikrodarlehen nicht nur im Kontakt mit dem Wirtschaftsministerium, sondern auch mit der Bürgschaftsbank, mit der Industrie- und Handelskammer und mit der GSA. Von diesen Akteuren hören wir angesichts der durchschnittlichen Darlehenshöhe Positives zur bestehenden Richtlinie. Die Entscheidung fällt aber immer im Zusammenhang mit dem Vorhaben, und im Bereich mobiler Handel gibt es zahlreiche Vorhaben. Wir haben hier Mikromezzaningelder zum Umbau der Wagen für mobilen Einzelhandel nebst Einrichtungen oder ErLaFonds bei der MBMV, gespeist aus dem ELER.