Protocol of the Session on January 26, 2018

sitzauflage von heute Vormittag in Erinnerung rufe, Herr Minister Caffier, dann muss ich schon sagen, dass ich doch umso verwunderter bin, was Sie dort so vom sprichwörtlichen Stapel gelassen haben. Denn Mitglieder eines Hochschulgremiums, die auf der Grundlage von Landesrecht ehrenamtlich in ihrer Freizeit Entscheidungen treffen, in dieser Art und Weise anzugehen und sich dann auch noch dahinter zu verstecken, dass man dies auf seinem offiziellen Facebook-Profil als Privatperson getan habe, das ist für ein Mitglied der Landesregierung – und dabei bleibe ich – einfach nicht angemessen.

(Marc Reinhardt, CDU: Da haben wir unterschiedliche Meinungen, Herr Kollege!)

Hier hätte ich mir im Nachgang wirklich eine Entschuldigung oder wenigstens einen Funken Einsicht gewünscht.

(Marc Reinhardt, CDU: Auch das nicht. – Zurufe von Beate Schlupp, CDU, und Jens-Holger Schneider, AfD)

Aber gut, auch in der Vergangenheit war der Innenminister ja nicht um markige Worte und Zuschreibungen verlegen. Ich erinnere da noch an die sexistische Diffamierung unserer heutigen Ministerpräsidentin als „Küstenbarbie“. So viel zu den rhetorischen Perlen des Innenministers!

(Beate Schlupp, CDU: Das ist aber nicht Gegenstand der Verhandlungen.)

Zwei Dinge sind mir abschließend wichtig, deshalb will ich sie hier auch noch einmal ganz deutlich betonen:

(Marc Reinhardt, CDU: Der geht zum Lachen bestimmt in den Keller. Der versteht die Pointe nicht.)

Zum Ersten. Es geht uns mit diesem Antrag ausdrücklich nicht darum, sich hier in der Sache zu positionieren. Auf beiden Seiten wurden zahlreiche Argumente ausgetauscht, und die Mitglieder des Senats in Greifswald haben es sich gewiss nicht leicht gemacht, auch in der hitzig geführten Debatte einen kühlen Kopf zu bewahren und abzuwägen. Für uns ist und bleibt das eine Frage der Hochschulautonomie, und die gilt es zu akzeptieren.

Zweitens. Anders, als es in Teilen behauptet wurde und auch in den sozialen Medien die Runde macht, geht es uns natürlich nicht darum, eine Prüfung des Bildungsministeriums zu beeinflussen oder gar zu verhindern. Das ist vollkommen aus der Luft gegriffen. Und wenn ich zu Frau Hesse gucke, ich glaube, das würde auch gar nichts bringen.

(Ministerin Birgit Hesse: Nein.)

Das ist auch richtig so. Nein, worum es uns hier heute geht, ist, über die Art und Weise der Debatte zu diskutieren, die unserer Meinung nach leider deutlich aus dem Ruder gelaufen ist. Natürlich, das wissen wir alle, gehört manchmal auch Emotionalität in eine Debatte. Aber bei allen Kontroversen sollte man sich am Ende des Tages immer seiner Sprache bewusst sein und deutlich machen,

(Jens-Holger Schneider, AfD: Das genau ist es.)

ob man damit auch etwas auslösen kann,

(Jens-Holger Schneider, AfD: So ist es.)

was man vielleicht gar nicht wollte. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Dr. Jess.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste! Der Senat der Universität Greifswald hat nach mehreren erfolglosen Anläufen in den Jahren 2010, 2016 und nunmehr möglicherweise erfolgreich am 17.01.2018 die Umbenennung der Ernst-Moritz-ArndtUniversität in das schlichte „Universität Greifswald“ beschlossen.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, Sie werden sich vielleicht erinnern, 2016 hatte Frau Ministerin Hesse als zuständige Aufsichtsbehörde die Genehmigung zur Umbenennung zurückweisen müssen, und zwar wegen fehlender Rechtskonformität des Senatsbeschlusses. Zwischenzeitlich meinen die zuständigen Universitätsgremien, die Rechtskonformität hergestellt zu haben.

Nach Landeshochschulgesetz Paragraf 1 Absatz 3 und Universitätssatzung hat die Universität das Recht, den Namen der Universität in ihrer Grundordnung zu benennen. Das ist Teil der universitären Autonomierechte und daran sollte man tunlichst auch festhalten. Trotzdem reibt man sich verwundert die Augen, wenn man sich den Senatsbeschluss anschaut, denn der Beschluss ist ein ziemlich fauler Kompromiss.

Warum? Der Name Ernst Moritz Arndt soll zwar offiziell abgelegt werden, doch dann auch wieder nicht uneingeschränkt. Ich zitiere aus dem Senatsbeschluss, das heißt, ich spare mir jetzt das Zitat, weil das der Herr Kolbe schon gebracht hat, aber worauf ich Werte lege, ist, dass dort gesagt wird, nach Anhörung des erweiterten Senats wird also der innere Senat die zu beschließende Ordnung für den Namenzusatz Ernst Moritz Arndt noch mal festlegen. Was als große Kompromissbereitschaft verkauft werden soll, ist eigentlich eine große Feigheit der 27 Senatsmitglieder, ist eine Feigheit vor der Verantwortung. Diese Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht unvernünftig:

Erstens. Welcher auf einem Markt agierende Betrieb wird seinen Namen oder sein Logo ändern und dann dauerhaft beide Namen oder Logos je nach Vorliebe seiner Angestellten im öffentlichen Verkehr verwenden? Oder stellen Sie sich vor, die ehemaligen DDR-Bürger hätten nach Belieben ihren Pass behalten und sich weiterhin als Staatsbürger der DDR benennen dürfen, je nach Vorliebe! Ich bin sicher, da hätten wir hier im Parlament noch etliche davon sitzen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Was soll man sagen? Eine solche Situation ist eine marketingtechnische Katastrophe.

Zweitens. Die Entscheidung, unter welchen Bedingungen der Name Ernst Moritz Arndt vorangestellt werden darf, ist weiterhin auf die Zukunft verschoben und wird weiteren Streit darüber erzeugen, wer diese Entscheidung fällen darf. Der jeweilige Professor oder gar der einzelne Student oder die Studentin? Jede potenzielle Variante wäre ein Bürokratiemonster.

Drittens. Mit dem potenziell möglichen Angebot einer aktiven individuellen Entscheidung für den Namen Ernst Moritz Arndt auf Papieren und Urkunden der Universität machen die Senatoren aus einer Verbundenheit zwischen Region und Universität, die sich im Namen manifestiert, eine persönliche Gesinnungsentscheidung der Universitätsangehörigen und Absolventen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Christoph Grimm, AfD: Genau.)

Das ist eine Perfidie, die kaum zu überbieten ist, denn, meine Damen und Herren Abgeordnete, bedenken Sie die Argumente, die zur Ablehnung des Namens herangezogen wurden! Das waren Arndts franzosenfeindlichen Aussagen in den Befreiungskriegen und seine antisemitischen Äußerungen. Läuft da nicht jeder, der sich bewusst und individuell für den Namen Ernst Moritz Arndt entscheidet, Gefahr, von den politischen Moralaposteln, die man auch als Extremisten bezeichnen könnte, als Rassist gebrandmarkt zu werden?

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Viertens. Man fragt sich, welche Studenten bewegt eigentlich der Name ihrer Universität, die sie in der Regel nach wenigen Jahren wieder verlassen? Sind es nicht eher jene Politikstudenten, die sich an einem solchen Thema politisch profilieren wollen? Die Teilnehmerzahlen der studentischen Umfragen zum Namen der Universität lagen zuletzt bei 15 Prozent und bestätigen die Fragwürdigkeit der demokratischen Legitimation dieser Umfrageergebnisse unter den Studenten.

Fünftens. Ganz anders ist das Engagement bei den Mitarbeitern, ehemaligen Mitarbeitern und Universitätsangehörigen. Sie stehen mit deutlicher Mehrheit zum Namen Ernst Moritz Arndt und treten engagiert für die Beibehaltung des Namens ein. Noch am 13. Januar 2018 dokumentierten sie dies mit einer Menschenkette und Demonstration durch die Altstadt von Greifswald.

Mein Fazit: Der Senat der Universität hat sich über die regionale Verbundenheit der Ernst-Moritz-Arndt-Universität hinweggesetzt und damit dokumentiert, dass er eine solche nicht wertschätzt. Ernst Moritz Arndt gehört zweifellos zu den mit Abstand bedeutendsten Persönlichkeiten, die Vorpommern hervorgebracht hat. Da er Professor an der Greifswalder Universität war, lässt sich kaum ein passenderer Namenspatron für diese Universität finden. Darüber war man sich selbst zu DDR-Zeiten einig, und noch heute steht die Mehrheit der Greifswalder Bevölkerung zu diesem Namen und wünscht, ihn beizubehalten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Die Bevölkerung in Vorpommern hat sich interessanterweise ein pommersches Identitätsbewusstsein bewahrt,

vielleicht gerade, weil dieser Landstrich im und nach dem Dreißigjährigen Krieg Spielball der damaligen Großmächte Schweden, Dänemark und Brandenburg geworden war und nach dem Zweiten Weltkrieg von der DDRRegierung aus der politischen Landkarte entfernt wurde. Nach dem Untergang der DDR war die Wiederbelebung von Vorpommern als Teil eines gemeinsamen Landes Mecklenburg-Vorpommern für alle, die sich der Region verbunden fühlten, ein politischer Erfolg.

Die Ablegung des Namens der Ernst-Moritz-ArndtUniversität auf wiederholte Initiative regional nicht verwurzelter Studenten und Senatsangehöriger wird – da bin ich sicher – von der Mehrheit der Bevölkerung in Vorpommern als Affront verstanden. Damit ist diese Entscheidung auch eine politische Dummheit. Es ist ein Tiefpunkt für die akademische Kultur in Universität und Stadt, es ist auch ein Symptom für die Entfremdung von der Region, wenn kulturelle Bande zerrissen werden, wenn die Universität ihren identitätsstiftenden pommerschen Patron verliert.

Natürlich ist nicht zu leugnen, dass von Ernst Moritz Arndt Aussagen stammen, die heute kein Demokrat mehr in den Mund nehmen würde, Aussagen, von denen sich auch Ernst Moritz Arndt distanzieren würde, wenn er im heutigen Zeitkontext leben würde. Das ergibt sich aus der Grundtendenz seiner Werke und seines Wirkens, ja, ich würde sagen, seines humanistischen Verständnisses vom einzelnen Menschen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Christel Weißig, BMV)

Ernst Moritz Arndt ist wie kaum ein anderer aus der Region Vorpommern geeignet, jungen Menschen Vorbild zu sein. So trug er mit seinen Schriften über die Leibeigenschaft von 1803 und 1813 maßgeblich zu deren Abschaffung in Schwedisch-Vorpommern bei. Als Napoleon Europa mit Krieg überzog, wurde Arndt zum Dichter der Befreiungskriege. Von ihm stammt der Satz: „Denn der Krieg ist ein Übel und die Gewalt ist das größte Übel.“ Seine Kirchenlieder und die Märchensammlungen sind Meisterwerke der Poesie und Prosa und belegen seine tiefe Religiosität und Moralität. Es ist unmöglich, sein vielgestaltiges Gesamtwerk mit wenigen Worten zu würdigen. Erwähnt seien nur noch sein Einsatz für Meinungs- und Pressefreiheit und seine Forderung, das Volk muss wieder mitraten und mitregieren.

Es zeugt von Kleingeisterei, wenn nun wegen einiger Arndt-Zitate, die aus dem damaligen Zeitgeist heraus zu verstehen sind, dieser geniale Denker unserer Heimatregion von einem seiner Sockel gestürzt werden soll.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich würde mich freuen, wenn die Ministerin all diese verschiedenen Punkte hinreichend gründlich bewerten und beurteilen lässt, denn eines dürfte sicher sein, dass das letzte Wort der Arndt-Befürworter noch nicht gesprochen sein dürfte. Es bleibt also die Frage offen, ob die Genehmigungsfähigkeit des erneuten Beschlusses nicht wieder infrage zu stellen ist.

Ich möchte mich jetzt vom eigentlichen konkreten Fall der Universität in Greifswald lösen und einige grundsätzliche Überlegungen vortragen. Ich frage mich, welches Geschichtsbild und welches Menschenbild verbirgt sich

hinter einer derartig ideologisierten Namensdiskussion, die wir dort erlebt haben. Wollen wir die Geschichte unserer europäischen Völker gänzlich aus dem Bewusstsein unserer Kinder streichen? Wollen wir eine geschichtslose Zeit anstreben? Ich denke, es geht eigentlich gar nicht um und gegen Arndt, es geht eigentlich gegen das, wofür Arndt gestritten und gekämpft hat, für den einheitlichen deutschen Nationalstaat und für positiven Patriotismus.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wenn Ernst Moritz Arndt als Patron der Universität nicht tragbar ist, was ist dann mit Martin Luther, dem Namenspatron der Universität Halle-Wittenberg? Was machen wir mit Richard Wagner, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Nietzsche, selbst Thomas Mann und vielen anderen großen Namen der deutschen Kulturgeschichte? Auch die Universität Frankfurt am Main müsste um ihren Namenspatron Johann Wolfgang von Goethe bangen. Shakespeare wäre erst recht zur Persona ingrata zu erklären, ja selbst die Schrift des Johannesevangeliums müsste aus dem Neuen Testament der Bibel entfernt werden, weil der Text politisch inkorrekt ist. Überhaupt wäre zu fragen, ob nicht die Bibel insgesamt auf den Index zu setzen wäre, weil sie in den Augen extremistischer Ideologen puren Rassismus verbreitet.

Geht uns nicht langsam ein Licht auf, wohin eine solche Bilderstürmerei führen wird?! Zugrunde liegt ein geschichtsvergessenes Denken. Natürlich, wer wollte in seiner Jugend nicht das Paradies auf Erden haben? Wer wollte nicht eine konfliktlose Gesellschaft? Dieser Traum ist so alt wie die Menschheit, aber man sollte irgendwann auch einmal einen persönlichen Reifegrad erreichen, der akzeptiert, dass das gesellschaftliche Leben nicht auf Wunschdenken, sondern klugem und menschlichem Miteinander basiert. Dazu gehören auch Konflikte und Auseinandersetzungen. Und, wie könnte es anders sein, natürlich spiegeln diese sich auch in unseren Denkmalen und Ehrenmalen wider, zum Beispiel im Namen Arndt als Universitätspatron. Das hilft unserem gesellschaftlichen historischen Verantwortungsbewusstsein auf die Sprünge. Geschichtslosigkeit und historische Verengung behindern genau das.

Mich stört auch die Doppelmoral, die wir in dieser Frage erleben. Gerade hat mir ein Bürger zwei Fotos gemailt. In dem ersten ist auf einer Wand in Greifswald, auf einer Häuserwand großartig gesprüht: „Deutsche Polizisten Mörder und Rassisten“, beim zweiten ein Transparent an einem Jugendhaus in der Bleichstraße in Greifswald, worauf steht oder mehrere Monate 2017 zu lesen war „Geflüchtete aller Länder, lasst uns nicht allein mit diesen Deutschen“. Die Frage ist: Wer sind diese Deutschen? Sind wir das nicht alle, und was will man uns damit sagen?

Ein weiteres Beispiel: Der „Wut“-Song der Band aus M-V „Feine Sahne Fischfilet“, in dem vom Hass auf Polizisten gesungen wird. Ich zitiere: