Sicher wollen sie das, aber die Frage ist, ob die Regierung sie lässt. Ich habe es selbst erleben müssen: In der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 2016 kurz nach ein Uhr warfen unbekannte Täter mit Steinen ein Fenster meines Einfamilienhauses ein. Als ich das Klirren der Scheiben hörte, dachte ich, es wären Einbrecher. Wie sich bald herausstellte, waren die Täter jedoch mutmaßliche Linksextremisten. Ich erzähle das nicht wegen des Anschlags selbst, der ist schlimm genug und spricht für sich. Es geht nicht um mich selbst, auch andere Politiker von anderen Parteien können natürlich leider über solche oder ähnliche Vorfälle berichten.
(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es. – Jochen Schulte, SPD: Herr Kollege Manthei, Sie sprechen aus eigener Erfahrung, das wird sich nie vermeiden lassen.)
Interessant und weshalb ich das erzähle, sind aber die Geschehnisse nach der Tat. Die zeigen auf, wie es um unser Land bestellt ist. Nachdem ich das Klirren der Scheiben gehört hatte, wählte ich sofort den Notruf. Der Beamte teilte mir mit, er würde einen Streifenwagen schicken und ich solle das Haus nicht verlassen. Dann aber passierte eine ganze Weile nichts. Etwa eine halbe Stunde später erhielt ich einen Anruf vom Polizeihauptrevier Greifswald. Ein Polizist sagte mir, es täte ihm leid, aber sie hätten keinen Polizeiwagen frei, der kommen könnte, sie müssten einen aus Heringsdorf anfordern. Heringsdorf – das muss man dazusagen – ist 70 Kilometer vom Tatort entfernt, während das Polizeihauptrevier quasi in der unmittelbaren Nähe, ungefähr 5 Kilometer entfernt, ist. Um kurz nach zwei Uhr erschienen dann die Einsatzkräfte und nahmen die Untersuchungen auf.
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie in Mecklenburg-Vorpommern einen Notruf absetzen, müssen Sie damit rechnen, dass Sie eine Dreiviertelstunde auf die Polizei warten müssen. Man muss sich nicht wundern, dass das private Sicherheitsgewerbe boomt und die Zahl der Waffenscheine dramatisch zunimmt. Der Staat versagt in seinem wesentlichsten Element, für die Sicherheit der Bürger zu sorgen.
Abschließend muss ich wohl kaum erwähnen, dass die Täter bis auf den heutigen Tag natürlich nicht ermittelt wurden.
Aber auch ein zweiter Aspekt war nach der Tat bemerkenswert. Das NDR-Fernsehen hat den Anschlag zunächst einfach totgeschwiegen. Jeder, der sich das
„Nordmagazin“ am Tag danach angesehen hat, konnte sich zwar wieder einmal eine Geschichte über ein weinendes Flüchtlingskind ansehen,
aber kein Wort über die Gewalt gegen die Familie eines AfD-Politikers. Es ist offenbar nicht wert gewesen, darüber zu berichten.
Wir haben ja morgen noch auf der Tagesordnung den wichtigsten Antrag in dieser Woche, der übrigens, Herr Kollege, nicht abgeschrieben ist, sondern das ist ein gemeinsamer AfD-Antrag, der bundesweit in allen Landtagen eingebracht wird, nämlich der Antrag auf Kündigung der Rundfunkstaatsverträge. Wir werden später ausführlich darauf zurückkommen. Aber einer der Gründe hängt mit diesem Fall hier zusammen, das ist nämlich die politische Einseitigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wer den Begriff „Lügenpresse“ benutzt, trifft nicht den Punkt, das möchte ich ausdrücklich betonen. Aber das Problem ist die „Lückenpresse“, wenn man es so will, indem einfach über bestimmte politische Ereignisse, die nicht in das vorherrschende Meinungsbild passen, nicht berichtet wird. Als ich am Abend des 17. Juli 2016 vor dem Fernseher saß und mir das „Nordmagazin“ ansah, wurde ich einmal mehr an die Endzeit der DDR erinnert, in der die „Aktuelle Kamera“ zwar nicht direkt log, aber einfach nicht über politisch unpassende Ereignisse berichtete.
Doch zurück zu der Regierungserklärung, zu der Feststellung, dass die Bürger nicht mehr Sicherheit erwarten dürfen. Wichtig für die SPD/CDU ist ja, was die Polizei angeht, etwas ganz anderes. Sie wollen Polizisten im Einsatz kennzeichnen, um nachträglich ihre Identität festzustellen. Die SPD/CDU hat das Ziel, diese Identität Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung zu stellen. Das ist also das, was der SPD/CDU wichtig ist, Strafverfahren gegen Polizisten zu ermöglichen.
Noch in der vergangenen Wahlperiode hatte die CDU folgende Position, und, sehr geehrte Kollegen, ich kann es Ihnen nicht ersparen, dieses Zitat zu bringen. Ich zitiere hier die CDU-Landtagsfraktion der letzten Wahlperiode: „Wir lehnen eine Kennzeichnungspflicht … weiterhin ab. … Wer eine Zwangskennzeichnung fordert, unterstellt per se Gesetzesverstöße. … Für die CDU-Landtagsfraktion steht der Schutz der Polizeibeamten und ihrer Familien im Mittelpunkt. Erst im Mai mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass Polizeibeamten in Rostock nach ihrem Einsatz bei der NPD-Demo in Demmin die Autoreifen zerstochen und ihre Familien bedroht wurden. Es wäre deshalb unverantwortlich, die Polizistinnen und Polizisten, die in diesen Einsätzen ohnehin ihre Gesundheit riskieren, zusätzlichen Gefahren auszusetzen.“
„Außerdem liegen laut Aussage des Innenministeriums keine Anzeigen gegen Polizeibeamte vor, die nicht gekennzeichnet waren. Wir führen also zum Teil auch eine Phantomdebatte …“ Zitatende.
Die CDU hat auch diese Position über Bord geworfen, ein Schritt weiter hin in die Bedeutungslosigkeit. Man mag ja
auch die CDU gar nicht mehr kritisieren – auf jemanden, der am Boden liegt, tritt man nicht, sagt man –, aber das arrogante Auftreten im Landtag zeigt, dass Sie es immer noch nicht verinnerlicht haben, dass Sie hier nur noch die zweitkleinste Fraktion stellen.
Und das passt auch ins Bild: Im Wahlkampf forderte die CDU 555 neue Polizeistellen und nun sind 150 neue Stellen übriggeblieben. Dieses Einknicken ist auch nicht mehr mit dem katastrophalen Wahlergebnis der CDU zu erklären, denn nur noch ein Viertel von dem umzusetzen, was man den Wählern versprochen hat, ist schlichtweg nicht mehr nachvollziehbar. Offenbar waren erst 555 neue Stellen erforderlich und nun sollen es plötzlich aufgrund eines Gutachtens nur noch 150 sein. Merkwürdig, das ist nicht nachvollziehbar.
Das Gutachten war schon vorher da. Bei der Forderung der CDU – der Innenminister ist ja nun einmal CDUSpitzenkandidat gewesen und hat dies gefordert – frage ich mich: Als Innenminister muss ich doch wissen, was ich fordere, das muss doch Hand und Fuß haben, oder ist es ins Blaue hinein? Also entweder waren die 555 neuen Stellen unsinnig oder die jetzigen 150. Das passt jedenfalls nicht zusammen.
Und der letzte Punkt, ganz wichtig: Bemerkenswert ist, dass SPD und CDU im Koalitionsvertrag – und wir haben es heute auch in den Redebeiträgen wieder gehört – einen Zusammenhang zwischen der unkontrollierten Masseneinwanderung und einer größeren Belastung des Streifendienstes herstellen. Die Regierung nennt die unkontrollierte Masseneinwanderung einen, Zitat, „großen Zustrom von Flüchtlingen“, Zitatende. Sie erläutert dies damit, dass Asylbewerberunterkünfte geschützt werden müssten. Ja, was denn nun, Flüchtlinge oder Asylbewerber? Den Regierungsparteien ist der Unterschied offenbar nicht bekannt, denn dieses Begriffswirrwarr setzt sich im Abschnitt „Flüchtlings- und Asylpolitik“ fort. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Land und Kommunen nehmen sich der durch die Flüchtlingssituation ergebenden Aufgaben als Verantwortungsgemeinschaft an. Das Land wird den Kommunen die Kosten der Unterbringung von Asylbewerbern auch in Zukunft erstatten“.
Bei allem Respekt, Herr Ministerpräsident, auch in der Regierungserklärung ging ja einiges durcheinander. Mal ist von Flüchtlingen die Rede, mal von Zuwanderern, mal von, Zitat, „Menschen in Not“, Zitatende. Die Zuwanderung sei zurückgegangen, weil Regelungen im Asylrecht korrigiert worden seien.
Dann ging es um, Zitat, „Flüchtlinge, die bei uns bleiben dürfen“, ein Widerspruch in sich: Entweder ich bin Flüchtling oder ich bin kein Flüchtling. Wenn ich ein Flüchtling
bin, darf ich auch hierbleiben. Ein Flüchtling ist ein Status, der einem ausländischen Staatsbürger zuerkannt werden muss. Dann darf er auch – vorübergehend – bleiben. Für die Regierung ist offenbar jeder ausländische Staatsbürger, der illegal die Grenze nach Deutschland übertritt, per se ein Flüchtling. Es wird nicht zwischen Asylbewerbern, Asylberechtigten oder tatsächlichen Flüchtlingen unterschieden. Das ist auch mehr als eine juristische Feinheit, die man vielleicht einwenden kann, denn wer jemanden als Flüchtling bezeichnet, suggeriert eine Schutzbedürftigkeit, die es aber in mehr als der Hälfte der Fälle gar nicht gibt. 2015 zuerkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht einmal der Hälfte der Fälle den Status eines Flüchtlings, nur das sind Flüchtlinge.
In diesem Zusammenhang ist auch zu befürchten, dass die Regierung es mit den abgelehnten Asylbewerbern rechtsstaatlich nicht ganz so genau nimmt. Ein Asylbewerber, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, ist verpflichtet, das Land zu verlassen. Und was schreiben CDU und SPD im Vertrag? „Die Koalitionspartner setzen sich auch weiterhin für humane Rückführungsbedingungen ein.“ Das lässt befürchten, dass die Regierung ihrer gesetzlichen Pflicht der Rückführung rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber, die nicht ihrer Pflicht der freiwilligen Ausreise nachkommen, nicht nachkommt, denn offensichtlich meint die Regierung, es gibt zweierlei Arten von Abschiebungen, eine humane und eine inhumane. Man fragt sich: Ist denn unsere Rechtsordnung inhuman? Gehört nicht der Rechtsstaat zu den wesentlichen Bestandteilen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ist nicht wiederum wesentlicher Inhalt des Rechtsstaats, dass sich insbesondere eine Regierung an das Gesetz hält? Und nach diesem ist es die Pflicht des Staates, rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber, die nicht freiwillig ausreisen, abzuschieben.
Es ist ja nun auch nicht so, dass überfallmäßig die Polizei vor der Tür steht, um abgelehnte Asylbewerber zum Flughafen zu fahren. Die Wahrheit ist – Herr Kollege, da sind Sie schlecht informiert –, bevor es wirklich zu einer Abschiebung kommt,
bevor es zu einer Abschiebung kommt, vergehen viele Monate. Die Betroffenen wissen seit Monaten, dass sie verpflichtet sind, das Land zu verlassen, und es gibt finanzielle Hilfe für eine Ausreise. Von daher ist dieses Überfallmäßige völlig lebensfremd und falsch, wer das auch immer behaupten mag.
Im Grunde sind die Auseinandersetzungen um die Abschiebungen auch nur eine Folge der unkontrollierten Grenzen. Wenn die Bundesregierung von Grenzkontrollen redet, ist dies auch nur eine halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist, dass die Grenzkontrollen zeitweise und nur an einzelnen Kontrollpunkten in Bayern durchgeführt werden. Wir als AfD fordern die vollständige, lückenlose Kontrolle aller deutschen Grenzen und da muss ich auch Herrn Kokert jetzt mal erwidern: Es tut mir leid, Sie sagen hier, ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland ist nicht in der Lage,
nicht so schnell zu schützen. Merkwürdig, es gibt kein Land der Welt, in das Einwanderungsströme laufen, das nicht in der Lage ist, seine Grenze zu schützen. Selbstverständlich ist,
(Vincent Kokert, CDU: Zitieren Sie mich richtig! Dann erkenne ich das an, aber das habe ich nicht gesagt.)
(Vincent Kokert, CDU: Ich habe gesagt, es existierte keine Grenze. Das habe ich gesagt. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)
Nur so können, wie es Paragraf 18 Asylgesetz verlangt, illegal Einreisende aus sicheren Drittstaaten zurückgewiesen werden. Das ist eben auch nur die halbe Wahrheit, die Sie, Herr Kokert, hier präsentiert haben mit Schengen. Die Wahrheit ist, dass das deutsche Recht verlangt, dass alle, die aus sicheren Drittstaaten einreisen und Asyl beantragen, an den deutschen Grenzen zurückzuweisen sind. Einfach mal nachlesen, Paragraf 18 Asylgesetz.
Die Koalition schreibt dazu: „Zur Bewältigung der aktuellen zusätzlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der großen Zahl an Flüchtlingen betont die Landesregierung, dass zur Abwehr aller der Bundesrepublik Deutschland insgesamt drohenden Gefahren vordringlich die Bundesregierung in der Pflicht ist …“ Es bleibt unklar, was damit gemeint ist. Klar ist hingegen die Forderung der AfD an die Bundesregierung in diesem Zusammenhang: Kontrollieren Sie die deutschen Grenzen und halten Sie die deutsche und internationale Rechtsordnung ein! – Vielen Dank.