Gleichberechtigung als Spielerei? Dazu passen dann auch die Interviewaussagen von AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer Ende des letzten Jahres. Kramer spricht darin sinngemäß den Frauen das Interesse an politischen Fragen und einem Gestaltungswillen ab und kommt dann zu dem Schluss, Männer seien mehr für die Politik gemacht. Mitzubestimmen und mitzugestalten, sei
für Otto Normalfrau eher uninteressant, aber befähigte Frauen seien in seiner Partei herzlich willkommen.
Tja, wissen Sie, woran mich das erinnert? Ähnlich wurde vor mehr als 100 Jahren argumentiert, um Frauen den Zugang zum Studium zu versperren.
Ich zitiere aus „90 Jahre Frauenstudium in Greifswald. Katalog zur Ausstellung … im Stadtmuseum Greifswald“, Zitat: „Es fehlt dem weiblichen Geschlechte nach göttlicher und natürlicher Anordnung“
„die Befähigung zur Pflege und Ausübung der Wissenschaften. … Ihre Theilnahme am … Unterricht stört und hindert denselben in unerträglicher Weise und gefährdet das sittliche Wohl der männliche Theilnehmer...“ Zitatende.
Sehr geehrte Damen und Herren, ihre politischen Mitwirkungsrechte haben die Frauen hart erkämpft. In diesem Jahr feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht und wir werden es uns nicht nehmen lassen,
Wir werden es uns nicht nehmen lassen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um unabhängig und eigenständig von einem Versorger über unser Leben zu bestimmen. – Vielen Dank.
(Thomas Krüger, SPD: Sehr gut! – Heiterkeit bei Patrick Dahlemann, SPD: Professor Weber wird sich freuen.)
Frau, nein, Herr Professorin Weber, müssten Sie sich an diese Anrede gewöhnen, denn seit dem Juni 2013 gilt in der Grundordnung der Universität Leipzig – ich darf es leider nicht zeigen –
auch die FU Berlin führte daraufhin diese Anrede ein. Aber da wir hier nicht an der Uni in Leipzig sind, sondern im Landtag Mecklenburg-Vorpommern,
will ich Ihnen ein anderes Argument am Anfang sagen, um Ihre Antragstellung doch etwas in das Fragwürdige zu ziehen: Sie fordern von uns, dass wir die Sprache auch in Mecklenburg-Vorpommern nach französischem Vorbild ausstreichen sollen. Wir sollen uns also Frankreich zum Vorbild nehmen. Als im Deutschen Bundestag vor wenigen Tagen an den 55. Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages mit Frankreich erinnert wurde, wurde das von allen Fraktionen mit Beifall bedacht,
(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Weil es um ganz andere Sachen geht. Es geht um ganz andere Sachen!)
Also, sehr verehrte Präsidentin, sehr geehrte Politikerinnen der AfD, sehr geehrte Herr Professorin Dr. Weber, nein, ich habe mich nicht geirrt und es war auch keine falsche Anrede. Ich habe das generische Femininum angewandt und meine damit die Herren der AfD-Fraktion mit. Aber Sie fühlen sich natürlich nicht angesprochen.
Wie Sie sich denken können, war genau diese Anrede Absicht, sehr geehrter Herr Professorin Dr. Weber, denn, meine Herren von der AfD-Fraktion, so geht es den Frauen, wenn im Schriftlichen wie im Mündlichen nur die männliche Bezeichnung fällt, sie aber mitgemeint werden sollen.
Sie fühlen sich eben nicht angesprochen, sondern übergangen und ausgeschlossen. Das ist eine Herangehensweise, die meine Fraktion nicht teilt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sprache schafft Wahrnehmung, bestimmt das Denken und beeinflusst das Handeln. Das sieht man hier in dieser AfD-Fraktion ganz deutlich. Je mehr ich mich mit dieser Thematik befasst habe, desto bewusster wurde mir, welche Auswirkungen die ungenaue beziehungsweise falsche Sprachverwendung hat. Wird jetzt eine Gruppe von Menschen mit dem generischen Maskulinum angesprochen, dann denke ich: Nanu, sind gar keine Frauen dabei? Die Botschaft ist eins zu eins, es sind nur Männer. Im Falle der AfDFraktion trifft das ja zu, aber Sie können uns nicht dafür verantwortlich machen, dass in Ihrer Fraktion keine Frauen sind beziehungsweise Sie die einzige Frau nicht halten konnten.