Protocol of the Session on November 16, 2017

Beschlussempfehlung und Bericht des Petitionsausschusses (1. Ausschuss) – Drucksache 7/1241 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Petitionsausschusses Herr Dachner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Werte Gäste! Der Petitionsausschuss legt mit der Drucksache 7/1241 Ihnen die Beschlussempfehlung und auch den Bericht zum 22. Tätigkeitsbericht des Bürgerbeauftragten vor. So wie der Petitionsausschuss selbst hat auch der Bürgerbeauftragte jährlich einen schriftlichen Bericht dem Landtag vorzustellen. Mit Benehmen des Ältestenrates wurde am 24.06.2017 in der Amtlichen Mitteilung dieser Bericht federführend an den Petitionsausschuss übergeben und an die Fachausschüsse zur Mitberatung.

In der Sitzung des Petitionsausschusses am 12.10.2017 hat dann der Bürgerbeauftragte im Petitionsausschuss zu seinem Bericht Stellung bezogen. Er hat hier eindeutig noch mal hervorgehoben, dass er im Berichtszeitraum 2016 über 1.600 Petitionen entgegengenommen hat. Davon, von diesen 1.600 Petitionen, waren 1.100 mündlich vorgetragene Petitionen. Dazu nutzten die Bürgerinnen und Bürger so circa 50 Prozent seiner Bürgersprechtage, und ich denke, das ist doch ein Beweis dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger die Hilfe und gerade die Beratungstätigkeit des Bürgerbeauftragten gerne in Anspruch nehmen.

Er hat damals in der Beratung dargelegt, dass insbesondere – wie auch in den Vorjahren – die Hauptschwerpunkte im Bereich Soziales, aber auch im sozialrechtlichen Bereich liegen. Daran hat sich also in der Tendenz nichts geändert. Einige oder vielleicht auch viele dieser Petitionen betreffen gerade Hartz-IV-Empfänger, und das verwunderte uns schon ein bisschen, denn die Zahl der Hartz-IVEmpfänger geht zurück, die der Beschwerdeführenden nicht. Das, glaube ich, gilt es in der kommenden Berichtsperiode sich einmal genau anzuschauen, wo die Defizite in der Beratung der Arbeitsagentur, also des Bundes, liegen. Vielleicht wäre es auch nötig, da Gespräche zu führen.

Der Bürgerbeauftragte sagte, dass sein Bericht nicht die Aneinanderreihung von Einzelbeispielen ist, sondern

dass Schlussfolgerungen und Anregungen an die Landesregierung von diesen Eingaben und Beschwerden abgeleitet werden, und hier unterstützt und betont der Petitionsausschuss ausdrücklich die Arbeit des Bürgerbeauftragten hinsichtlich der kostenlosen Schülerbeförderung, wofür er sich über Jahre einsetzt.

Wir haben heute heftig diskutiert über die Ehrenamtskarte. Auch da hat der Bürgerbeauftragte einen entscheidenden Anteil. Wenn hier gesagt wurde von Herrn Kokert, das darf ich anfügen, dass dieses Thema in eine parteipolitische Ecke geschoben wird, dann sagt der Petitionsausschuss, das wollen wir natürlich als Ausschuss schon gar nicht, parteipolitisch für oder gegen die Bürger entscheiden, und die CDU hat diese parteipolitische Ecke ja aufgemacht heute, indem man sich hinstellt und sagt: Ich, ich und ich habe. Und letzten Endes sagt man, der Bürgerbeauftragte war der Entscheidende oder der, der die Ehrenamtskarte beschleunigt hat. Ja, er hat einen großen Anteil daran, das würdigt der Ausschuss ausdrücklich, aber es waren viele andere, die hier alle genannt wurden, alle diese Parteien, die diesen Beschluss eingefügt haben. Das wollen wir noch mal betonen. In vielen Gremien wurde diese Bürgeramtskarte lange, lange diskutiert,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ehrenamt, nicht Bürgeramt!)

und zwar mit Erfolg, und darüber freuen wir uns als Ausschuss auch. Auch wir haben dazu oftmals Themen gehabt.

Ein weiterer Schwerpunkt im Berichtszeitraum des Bürgerbeauftragten war der Lärmschutz der Anwohner, insbesondere bei Freizeitveranstaltungen wie Musikfestivals oder Abendveranstaltungen, insbesondere die Veranstaltungen, die über viele Wochen gehen. Wir als Ausschuss unterstützen auch diese Forderung des Lärmschutzes der Anwohner, allerdings bitten wir, das mit Augenmaß zu betrachten, denn aufgrund des Beispiels einer Kurgemeinde, die aus ihrer Musikmuschel in einem Kulturpark keine Veranstaltungen mehr durchführen darf, weil ein Anwohner klagt, glaube ich, dieses geht nicht immer im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger. Was die einen als zu laut oder unschön empfinden, empfinden andere eben als zu leise und vielleicht doch noch förderlich. Also auch hier sind mit Augenmaß die Interessen aller zu wahren.

Ausdrücklich unterstützt der Petitionsausschuss die Forderung des Bürgerbeauftragten hinsichtlich der Erweiterung der Windenergieanlagen und betont, dass diese doch fast ausschließlich in ausgewiesenen Windeignungsgebieten stattfinden soll und dass die Ausnahmen reduziert werden. Dies hat er auch der Landesregierung mitgeteilt, so, wie wir es, wie Sie sich erinnern können, vor vier Wochen als Petitionsausschuss ebenfalls getan haben.

Sie werden der Beschlussempfehlung entnehmen können, dass der Petitionsausschuss insbesondere die Arbeit des Bürgerbeauftragten bei der Wahrung der Interessen der Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen unterstützt, und hier ganz besonders bei der Barrierefreiheit im gesamten öffentlichen Bereich und insbesondere auch im Personennahverkehr, sodass diese Menschen auch ihre Elektro-Scooter mitführen können.

Weiter empfiehlt Ihnen der Petitionsausschuss, die Tätigkeit des Bürgerbeauftragten dahin gehend zu würdigen,

dass er sich für eine bürgerfreundliche Verwaltung stark engagiert. Ich glaube, meine Damen und Herren, das ist unser aller Anliegen – des Petitionsausschusses, des Bürgerbeauftragten und des Landtages –, dass unsere Verwaltung bürgerfreundlicher wird, und da wollen wir gerne dem Bürgerbeauftragten danken, dass er sich dafür einsetzt.

Ich empfehle Ihnen, meine Damen und Herren, diese Berichterstattung und den Tätigkeitsbericht des Bürgerbeauftragten verfahrensmäßig für erledigt zu erklären, und bitte um die Zustimmung zu dem Beschlussvorschlag des Petitionsausschusses.

Abschließend danke ich recht herzlich dem Bürgerbeauftragten, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre kameradschaftliche, freundschaftliche Zusammenarbeit – und konstruktive vor allen Dingen – mit dem Petitionsausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BMV)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen.

Die Fraktion der CDU hat gemäß Paragraf 86 unserer Geschäftsordnung beantragt, dem Bürgerbeauftragten im Rahmen der Aussprache das Wort zu erteilen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Bürgerbeauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Matthias Crone.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, vor allem sehr geehrter Herr Vorsitzender des Petitionsausschusses! Meine Damen und Herren! Für die Möglichkeit, nach den Beratungen in den Ausschüssen heute zum Jahresbericht für 2016 hier im Plenum sprechen zu dürfen, danke ich Ihnen sehr. Das erlaubt mir, einige Themen und Problemkreise hervorzuheben und den einen oder anderen Punkt aus 2016 noch einmal zu aktualisieren.

Mit über 1.600 Eingaben – der Vorsitzende Herr Dachner sagte es ja gerade – und Anliegen lag die Inanspruchnahme der Dienststelle im Vergleich zu den Vorjahren im obersten Bereich. Der Inhalt der Eingaben weist keine großen Pendelschläge auf, aber die Stimmung war im Gefolge der Flüchtlingsfrage oft kritischer als früher: kritische Einstellungen zum demokratischen Verfassungsstaat, seiner Verwaltung und zur Politik werden, das spüre ich deutlich, stärker ausgedrückt als früher und verschärfen sich auch. Für manche hängt in den Eingaben sehr schnell alles mit allem zusammen. Wenn eine Entscheidung der Politik nicht gefällt, wenn eine Entscheidung der Verwaltung negativ ausfällt, ist für manchen gleich der ganze Staat schlecht.

Nun könnte man sich im Reformationsjahr mit dem Luther-Wort trösten: „Ein Herz, das voller Freude ist, sieht alles licht; ein trauriges Herz sieht alles trübe.“ So weit das Zitat. Wenn aber zu viel trübe Sicht von traurigen Herzen herrscht, dann müssen Politik und Verwaltung das im Blick haben, und erst recht der Bürgerbeauftragte.

Um trübe Sicht aufzuklaren, sind Ausschussberatungen wichtig. Bei zwei Themen haben wir das dieses Mal besonders vertieft getan. Im Ausschuss für Rechtspolitik und Justizangelegenheiten haben wir eingehend die sehr schwierige Situation in der Verwaltungs- und in der Sozialgerichtsbarkeit gemeinsam mit der Justizministerin erörtert. Ich habe schon mehrfach in den Berichten dargelegt, dass die fast schon dramatisch überlangen Verfahrensdauern dem Vertrauen in den Rechtsstaat schaden. Wirksamer Rechtsschutz ist ja eine wesentliche Voraussetzung, damit gerade ablehnende oder belastende Verwaltungsentscheidungen besser akzeptiert werden können. Die Justizministerin legte dar, dass eine Reihe von Maßnahmen schon zur Verbesserung der Situation geführt haben. Für mich wurde aber auch deutlich, dass es ohne weitere, vor allem strukturelle Schritte nicht die Verbesserung geben wird, die wir für das Herstellen vertretbarer Verfahrenslaufzeiten brauchen.

Auch im Ausschuss für Landwirtschaft und Umwelt haben wir einen Problemkreis besonders intensiv beraten: die Belästigung durch Lärm – Herr Dachner hat es gerade schon angesprochen –, sei sie nun gefühlt oder objektiv. Der Lärm, vor allem durch Freizeit- und Freiluftveranstaltungen, hatte 2016 vermehrt zu Protesten geführt. Gerade, weil bei wirtschaftlich interessanten Großveranstaltungen naturgemäß die Neigung bei den örtlichen Behörden wächst, den Lärmschutz nicht so streng zu handhaben, ist es wichtig, dass überörtliche Aufsicht funktioniert. Und ich bin daher dem Umweltminister dankbar, dass er bei der Anwendung der Freizeitlärmrichtlinie immerhin wichtige Klarstellungen gegenüber den unteren Immissionsschutzbehörden vornimmt.

Meine Damen und Herren, es ist natürlich immer ein Interessenausgleich zwischen Freizeit und Wohnen, zwischen Ruhebedürfnis und Erlebnisgesellschaft erforderlich, das sehe ich auch so, aber die gesetzlichen Grenzwerte sind verbindlich und durchzusetzen. Dafür muss dann auch die technische Ausrüstung landesweit vorhanden sein. Das war ein Problem in der Vergangenheit.

Aber es geht bei den Beratungen des Jahresberichts, meine Damen und Herren, ja nicht nur darum, die Behandlung und Erledigung der Eingaben, der Einzelfälle darzulegen, und es geht auch nicht nur darum, Stimmungen und Strömungen bei den Menschen dieses Landes aus dem Petitionsgeschehen heraus deutlich zu machen. Es geht auch darum, welche Konsequenzen aus den Rückmeldungen politisch gezogen werden. Es stimmt ja, die Arbeit mit Petitionen ist immer erst Arbeit am Einzelfall. Aber Fälle, hinter denen ein allgemeines Problem steht, sind selbstverständlich auch Anlass zu allgemeineren Anregungen, und der Bericht enthält acht solcher Anregungen, die Rechtsetzung und Gesetzesvollzug im Land betreffen. Das betrifft Bürgerbegehren zur Bauleitplanung, das betrifft ein gesetzliches Nachbarrecht, die Novellierung der Pflanzenabfalllandesverordnung, die Schülerbeförderung, den Anspruch auf Hortbetreuung oder die Windenergie. Ich hoffe, dass diese Anregungen ihren Weg in die eine oder andere Beratung finden. Der Petitionsausschuss hat ja auch schon ähnliche Themen angesprochen und einiges aufgenommen. Auf eine dieser Empfehlungen oder Anregungen werde ich am Ende noch kurz zurückkommen.

Meine Damen und Herren, die Landesverfassung sieht vor, dass der Bürgerbeauftragte nicht nur zur Wahrung

der Rechte der Bürger gegenüber den Behörden tätig wird, sondern auch zur Beratung und zur Unterstützung in sozialen Angelegenheiten. Hier geht also der Auftrag über die klassische Ombudstätigkeit hinaus. Rund die Hälfte der behandelten Fälle, wir hörten es, betreffen aufgrund dieses gesetzlichen Schwerpunktes soziale und sozialrechtliche Angelegenheiten, und unter diesen betreffen eben die meisten Eingaben und Anfragen den Rechtskreis des SGB II, also die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Es waren über 300 Fälle 2016, und das ist trotz zurückgehender Arbeitslosigkeit immer noch hoch.

Das erklärt sich natürlich auch. Der Kreis der Bezieher geht ja weit über die Arbeitssuchenden hinaus und umfasst genauso Kinder und Alleinerziehende, Auszubildende und Studenten, Erwerbstätige oder Erwerbsgeminderte, die nicht aus eigener Kraft die Existenz sichern können. Und trotz eines Anlaufs zur Rechtsvereinfachung bleibt es bei komplexen Verwaltungsabläufen, gibt es Auslegungs- und Anwendungsprobleme. Die Arbeit bleibt also für uns. Es ist vor diesem Hintergrund gut, dass die bei mir bestehende spezialisierte Projektstelle Aussicht hat, auf Dauer verstetigt zu werden. Die Problemlagen beim Arbeitslosengeld II sind bei allem guten Willen der Rechtsanwender doch so grundlegend, dass eine professionelle Begleitung der Menschen wichtig ist.

Politische Schlussfolgerungen aus dieser Arbeit habe ich, wie im Bericht enthalten, gemeinsam mit den anderen parlamentarisch gewählten Bürgerbeauftragten Deutschlands zum verpflichtenden vorzeitigen Renteneintritt gezogen. Seither haben wir aber weitere Erfahrungen aus der Bearbeitung der Fälle gewonnen. Wir wissen heute – Ende 2017 – besser, wie das Gesetz wirkt, und wir müssen uns zum Beispiel sicher Gedanken darüber machen, ob das Sanktionssystem immer die richtigen Effekte erzielt.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das sage ich ergänzend und aktualisierend zum Jahresbericht 2016.

Sorgen bereitet mir vor allem die härtere Sanktionierung der unter 25-Jährigen. Mit Ausnahme der Meldeversäumnisse gelten bei allen anderen Pflichtverletzungen für unter 25-Jährige weitaus härtere Sanktionsregelungen bis zum Wegfall der Leistung. Junge Bezieher werden in der Folge dreimal so oft sanktioniert wie die älteren Leistungsberechtigten. Jede fünfte Sanktion ist mit einem völligen Wegfall ihres Arbeitslosengeldes II verbunden,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das muss man sich mal vorstellen!)

und das trifft ja in der Regel nicht die Unverschämten, die Nachlässigen, sondern die Überforderten.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Jetzt kommt es, genau.)

Das sind unsere Erfahrungen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Koplin, DIE LINKE: So viel zu gestern.)

Folgen sind gefühlte Erniedrigung, familiäre Konflikte und gesellschaftliche Ausgrenzung, Wohnungsverlust und Verschuldung, auch eingeschränkte Ernährung und die Abkehr vom SGB-II-System insgesamt, im schlimmsten Fall hin zur illegalen Beschäftigung oder zur Kriminalität. Die parlamentarisch gewählten Bürgerbeauftragten sprechen sich deshalb dafür aus, wenigstens die härteren Sanktionsregelungen für die unter 25-Jährigen abzuschaffen oder doch auszusetzen!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Koplin, DIE LINKE: Hört, hört!)

Das ist eine Einsicht aus Erfahrungen, nicht aus Gesinnung. Das möchte ich ausdrücklich betonen.

Meine Damen und Herren, die Beschlussvorlage hebt die Aufgaben des Bürgerbeauftragten für die Menschen …

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE:

Haben Sie das gehört, Herr Kokert,

was der Mann gesagt hat, den Sie vorhin

noch gelobt haben? Gut, sehr gut! –

Haben wir

doch gestern schon abgelehnt. –

Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)