Protocol of the Session on September 28, 2017

Das ist ein spannendes Thema und gerade deshalb hätte ich mir einen vollen Saal gewünscht, Herr Ritter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vielleicht ist es doch kein spannendes Thema, Nebelkerzen zu zünden.)

Stellen Sie sich vor, Sie leben seit Jahren in einem Land, wo sie von den steuerzahlenden Bürgern jeden Monat 1.200 Euro bekommen, obwohl sie kein Recht haben, dauerhaft hier zu sein. Würden Sie vor diesem Hintergrund das Land einfach wieder verlassen? Nein, das würden Sie wahrscheinlich nicht. Es ist nachvollziehbar, dass rechtswidrig in unser Land gekommene Menschen beabsichtigen, hier zu bleiben. Ebenso verständlich ist es, dass Millionen Menschen nach Deutschland erst noch kommen wollen, um die Vorzüge einer de facto Sozialhilfe zu genießen. In keiner Weise ist es jedoch zu akzeptieren, dass unser Innenminister angesichts dieser desaströsen Entwicklung für den deutschen Sozialstaat keine Gegenmaßnahmen ergreift.

Die offiziellen Zahlen zu meiner Feststellung untermauern diesen Vorwurf. Bis Ende Juli mussten beim Landeskriminalamt 3.489 Ausschreibungen – ich wiederhole: 3.489 Ausschreibungen – zur Festnahme mit dem Ziel der Ausweisung, Abschiebung beziehungsweise Zurückführung registriert werden. Ungefähr ein Drittel dieser Ausschreibung fand seit 2016 statt. Über den Erfolg dieser Ausschreibung kann die Landesregierung jedoch nichts sagen. Schon damit ist überdeutlich, unser Land hat ein Vollzugsproblem. Abschiebungen scheitern viel zu häufig.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das zeigt sich auch daran, dass sich in MecklenburgVorpommern 3.300 ausreisepflichtige Personen aufhalten und wir zum Ende des Jahres eine deutlich erhöhte Zahl erwarten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und die wollen Sie alle ins Lager stecken.)

Stellen Sie sich vor, dass diese Menschen jeden Monat 3,9 Millionen Euro und auf das ganze Jahr gesehen 50 Millionen Euro kosten, Herr Ritter! Fragen Sie sich hierbei nicht, was wir mit diesem Geld machen könnten?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Auf alle Fälle keine Lager bauen.)

Wir wollen ja auch kein Lager bauen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was ist denn ein Abschiebezentrum anderes?)

Eine Möglichkeit wäre es, am Schweriner Marienplatz nicht länger auf die Videoüberwachung zu warten, während weiter von Übergriffen mit Messern zu lesen ist. Stattdessen könnte man angemessen in unsere Polizei investieren und der sich überschlagenden Gewalt durch Zuwanderer in der Landeshauptstadt mit der vollen Härte des Gesetzes entgegentreten.

Meine Damen und Herren, man kann unseren Ausländerbehörden bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht keine Vorwürfe machen. Ihnen fehlen schlichtweg härtere Sanktionen, um einen Vollzug sicherzustellen.

(Beifall Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Und auch wenn Abschiebehaft in anderen Bundesländern theoretisch möglich ist, zeigt die Zahl der Haftanträge, dass dies in Mecklenburg-Vorpommern nur auf einem niedrigen Level angewendet werden kann. In der ersten Jahreshälfte 2017 sind 405 Abschiebeversuche gescheitert. Davon waren in 165 Fällen die Personen abgetaucht und in 43 Fällen wurde sich erfolgreich der laufenden Maßnahme widersetzt. Mehr als die Hälfte aller gescheiterten Abschiebeversuche konnte also durch rechtswidriges Handeln von Einzelpersonen verhindert werden.

Die Schlussfolgerung hieraus ist klar: Unser demokratisch legitimiertes Ausländerrecht wird in vielen Fällen einfach nicht umgesetzt. Ich sage Ihnen, ein Rechtsstaat, der von seinen Bürgern ernst genommen werden soll, darf sich eine Beugung von Gesetzen nicht gefallen lassen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und die Politik hat die Behörden hierbei nicht alleinzulassen. Deshalb ist es an der Zeit, Kapazitäten zu schaffen und für das Land eine Abschiebehaft sowie ein Ausreisegewahrsam einzurichten.

Was ist der konkrete Nutzen einer Abschiebehaft? Unsere Behörden besäßen mit dieser Maßnahme mehr Kapazität, den Vollzug der Ausreisepflicht zu sichern. So kann insbesondere die Sicherungshaft angewandt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Diese wären erstens bei einer unerlaubten Einreise, zweitens bei einer Abschiebung nach Paragraf 58a Aufenthaltsgesetz zur Terrorabwehr, drittens, wenn Aufenthaltsorte ohne Kenntnis der Behörden gewechselt wurden, oder viertens bei einem begründeten Verdacht auf Fluchtgefahr.

Meine Damen und Herren, besonders der letzte Punkt ist durch die von mir genannten Zahlen unbestreitbar. Wenn Sie unseren Antrag heute ablehnen sollten, wird zukünftig noch darüber zu debattieren sein, inwieweit scheiternde Abschiebungen durch eine Abschiebehaft hätten vermieden werden können, Herr Ritter. Leider ist es mittlerweile auch in Mecklenburg-Vorpommern so, dass sich die sicherheitspolitische Lage deutlich verschlechtert hat. Die kürzlich mit einer improvisierten Haft in Bützow

abgeschobenen bosnischen Gefährder haben dies gezeigt. Auch aus diesem Grund sollten wir echte Kapazitäten bereithalten, sodass unser Land in Krisenmomenten gegen ausländische Gefährder gerüstet ist.

Wir hatten die Landesregierung gefragt, ob aus ihrer Sicht ein Bedarf für eine Abschiebehaft in den letzten Jahren gegeben war. In der Antwort des Innenministeriums fiel Ihnen nichts anderes ein, als sich hinter einer nicht vorhandenen statistischen Erfassung zu verstecken. Schon diese Haltung belegt, dass Herr Caffier wohl nicht daran interessiert ist, eine Möglichkeit gewissenhaft zu prüfen und entsprechende Kapazitäten in der Koalition durchzusetzen. Das ist gelinde gesagt beschämend.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine Damen und Herren, wegen der Schaffung einer Abschiebehaft fordern wir auch einen Ausreisegewahrsam für Rostock-Laage. Unser Aufenthaltsgesetz zeigt in Paragraf 62b unmissverständlich auf, ich zitiere: So „kann ein Ausländer zur Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung auf richterliche Anordnung für die Dauer von längstens zehn Tagen in Gewahrsam genommen werden, wenn

1. die Ausreisefrist abgelaufen ist, …

2. der Ausländer ein Verhalten gezeigt hat, das erwarten

lässt, dass er die Abschiebung erschweren oder vereiteln wird“. Zitatende.

Ein Ausreisegewahrsam kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Abschiebungen nur in eng begrenzten Zeitfenstern möglich sind, etwa, wenn Reisedokumente abzulaufen drohen. Gerade bei besonders heiklen Fällen, wie bei den Terrorattacken in Hamburg und Berlin zu sehen war, müssen auch wir die gesetzliche Möglichkeit bereithalten.

Aus den von mir genannten Gründen frage ich Sie, Herr Caffier: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass ausreisepflichtige Personen ein Verhalten anzeigen, das erwarten lässt, dass sie die Abschiebung erschweren oder vereiteln werden? Wenn Sie dies für wahrscheinlich halten, unseren Antrag aber ablehnen, dann erläutern Sie uns doch bitte Ihr Landeskonzept, um die Ausreisepflicht endlich durchzusetzen!

Sehr geehrter Herr Innenminister, wir wollen hier kein sinnloses Geplänkel veranstalten. Wir müssen die Interessen unseres Landes wahren und eigene Kapazitäten zur Durchsetzung der Ausreisepflicht bereitstellen. Schauen Sie nach Nordrhein-Westfalen, wo der dortige Integrationsminister die Abschiebehaft aufbaut! Schauen Sie nach Sachsen, wo die CDU, also Ihre Parteikollegen ein Ausreisegewahrsamsgesetz auf den Weg gebracht haben! Dort wird gehandelt. Von Ihnen vernehmen wir bisher jedoch nur nach Aufmerksamkeit heischende Rhetorik, wie beim Güstrower Antiterroreinsatz zu sehen war.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wenn wirklich etwas besser werden soll, können Sie hier und heute neue Fakten schaffen. Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Danke, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat ums Wort gebeten der Innenminister. Herr Caffier, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Ich glaube, Herr Kramer, Sie können nicht erwarten, dass man einem solchen Antrag zustimmt, in dem schon mal die Begriffe „Ausreisegewahrsam“ und „Abschiebehaft“ miteinander vermischt werden, wo Sie die Realitäten der Zahlen, was die Entwicklung betrifft, offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen wollen, obwohl mir bekannt ist, dass Sie gerade auf diesem Gebiet fachlich auch wissen, worüber wir reden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sollten! Wissen sollten!)

Im Übrigen ist der Einsatz in Güstrow nicht irgendwie improvisiert gewesen, sondern wir sind eines der wenigen Länder der Bundesrepublik Deutschland, die es geschafft haben, nach Paragraf 58a – Stichwort „Gefährder“ – auszuweisen. Und das sollten Sie auch mal zur Kenntnis nehmen, dass hier die Behörden von Land und Bund dementsprechend so gehandelt haben, dass wir in der Lage waren, darauf zu reagieren. Das ist nicht überall der Fall. Zum anderen müssen wir uns auf die Zahlen und auf die Entwicklung einstellen.

Es wird Sie nicht überraschen, dass wir in der Statistik in diesem Jahr auch wieder die sind, die die höchste prozentuale Ausreise- und Ausweisungsquote haben. Das gilt für Mecklenburg-Vorpommern und das werden wir nach wie vor weiter versuchen, dementsprechend umzusetzen, denn wir haben in der Tat einen gesetzlichen Auftrag. Dort, wo das Bundesland die Ablehnung ausgesprochen hat, ist diese auch umzusetzen. Dafür gibt es aber Gesetzlichkeiten in der Bundesrepublik Deutschland – das hat man auch als Innenminister zu respektieren –, von denen die Betroffenen natürlich Gebrauch machen können. Und dass sie davon Gebrauch machen, ist bekannt. Dass wir das nicht unbedingt immer alles gut finden, ist auch vollkommen außer Zweifel, aber wir sind in der Lage, uns auf die Entwicklung einzustellen.

Ich gebe gern die eine oder andere Zahl zum Thema „Asyl- und Flüchtlingspolitik in Mecklenburg-Vorpommern“ hier zur Kenntnis. Das ist ja ein immer wiederkehrendes Thema. Sie haben diesmal zumindest zum Ausdruck gebracht, dass Sie Ihren Antrag inhaltlich aus der Zeitung aufgenommen haben. Auch das ist ja schon mal wenigstens ehrlich. Wir müssen allerdings ebenfalls zur Kenntnis nehmen, dass von Januar bis August 2017 149.880 Personen in Deutschland Asyl beantragt haben. Das ist ein Rückgang um 74 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, in dem wir schon wieder einen Rückgang gegenüber dem Vorjahreszeitraum hatten, und zeigt, dass die Maßnahmen, die Länder und Bundesregierung in den zurückliegenden Wochen und Monaten getroffen haben, offensichtlich dementsprechend wirken.

Gleichwohl haben wir nach wie vor – und das haben Sie angesprochen – eine vergleichsweise hohe Zahl an ausreisepflichtigen Personen auch hier in unserem Bundesland. Über die Anstrengungen von Landes- und Bundesregierung, höhere Rückführungsquoten zu erzielen, sowie über die damit verbundenen Probleme habe ich bereits im alten Plenarsaal bei der letzten Sitzung ausgeführt. Das alles kann man auch gern im Plenarprotokoll noch mal nachlesen.

Wichtig ist, Abschiebehaftplätze spielen bei der Rückführung eine wichtige Rolle – wenn auch in der Masse keine entscheidende, aber sie spielen eine Rolle. Wichtig ist auch, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern seit Langem mit Hamburg und Schleswig-Holstein im Gespräch über eine gesamtnorddeutsche Einrichtung sind. Schlussendlich müssen wir auch eine Einrichtung errichten, die dementsprechend vertretbar ist in der Frage des Mitteleinsatzes, inklusive Personaleinsätze. Es kann sich jeder hier im Raum denken, dass eine Entscheidung dazu nicht einfach ist und nicht jedes Bundesland in der Frage immer gleich „Hier!“ ruft. Das gehört auch dazu, aber irgendwo muss sie geschaffen werden.

Ich persönlich plädiere sehr dafür, dass wir eine gemeinsame Einrichtung schaffen, weil es aus unterschiedlichen Gründen wesentlich mehr Synergieeffekte gibt. Es ist auch kein Geheimnis, dass der offensichtliche Rückführungspunkt in den nächsten Jahren bei der Bundespolizei von Hamburg aus sein wird, was den Flughafen betrifft. Insofern macht es Sinn, eine gewisse Nähe zur Örtlichkeit zu finden. Funktionieren kann das Ganze allerdings nur, wenn alle Beteiligten konstruktiv an dieser Lösung arbeiten und keiner sich vorzeitig zurückzieht. Der Ausreisegewahrsam am Flughafen Fuhlsbüttel mit derzeit insgesamt 20 Plätzen, die wir mit nutzen, ist dafür ein gutes Vorbild, aber natürlich in Richtung gesamtnorddeutschem Verbund zu klein, außer Zweifel.

Ich bitte Sie daher, nun abzuwarten, was die Gespräche mit den jeweiligen Ländern betrifft, und auch die Entscheidungen, die dann dementsprechend in der Landesregierung über solche möglichen Abschlüsse gefällt werden müssen, abzuwarten. Einen festen Zeitplan gibt es derzeit nicht. Klar ist aber, wir wollen so schnell wie möglich eine Entscheidung, damit auf dieser nachher auch aufgebaut werden kann und Tatsachen geschaffen werden. Da herrscht Einigkeit zwischen den Nordländern, auch wenn die ständig stattfindenden Wahlen und die damit zum Teil veränderten politischen Konstellationen solche Verhandlungen zumindest nicht vereinfachen, so will ich es mal formulieren.

Auf dem Holzweg sind Sie zumindest, was das Thema Gefährder betrifft. Ihre Antragsbegründung kann man so verstehen, dass Sie ausreisepflichtige Gefährder – obwohl Sie das in der Rede etwas anders ausgeführt haben, aber zumindest drückt es der Antrag aus – in der Abschiebehafteinrichtung unterbringen wollen. Das allerdings wird es mit mir auf gar keinen Fall geben. Das sind brandgefährliche Leute, die in eine solche Einrichtung sollen, und ich bin froh, dass wir die Möglichkeit haben, diese Gefährder seit Sommer oder Frühjahr dieses Jahres auch in normalen Justizvollzugsanstalten unterzubringen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da gehören sie auch hin.)

Genau das werden wir auch zukünftig tun, wenn wir den Paragrafen 62a des Aufenthaltsgesetzes benutzen, wie Sie ja verfolgt haben, bei dem Fall mit richterlicher Anordnung, sonst hätten wir das gar nicht gekonnt. Diese neue Gesetzlichkeit hat auch dazu geführt, dass wir die Maßnahme so umsetzen konnten, wie wir es getan haben, denn eine Abschiebehafteinrichtung hat ganz andere Anforderungen beziehungsweise der dort untergebrachte Flüchtling hat ganz andere Ansprüche, als das in einer Einrichtung ist, in der Gefährder untergebracht werden. Das ist auch richtig so nach deutschem geltenden Gesetz und deswegen lege ich großen Wert darauf, dass wir diese beiden Fälle sehr stark trennen.

Unstrittig ist, dass ich mir wünsche, möglichst zügig eine gesamtnorddeutsche Einrichtung zu erhalten, aber das ist nicht ausschließlich ein Fall, der in Mecklenburg-Vorpommern zu klären ist. Wenn die anderen Länder nicht bereit sind, dann werden wir auch eine Landeseinrichtung in dieser Form zum Tragen bringen, aber das ist die schlechtere Lösung, weil sich langfristig die Zahlen wahrscheinlich in dem Pegel einpegeln, wie wir derzeit – Entschuldigung, er ist nicht da – …

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Ja, wenn der Pegel sich einpegelt. – Heiterkeit auf der Regierungsbank)