Herr Schulte, als Replik auf gestern, Sie haben ja hier so schön gestanden und philosophiert, ich solle mal darüber nachdenken, es gebe quasi gute Formen von Tarifflucht,
Bei denjenigen, die im Niedriglohnbereich sind, wäre Tarifflucht natürlich schlecht. Also ich weiß nicht, das ist genau das, was mich an der SPD so oft verzweifeln lässt.
(Torsten Renz, CDU: Ach nee! – Jochen Schulte, SPD: Da kann ich Sie beruhigen, daran müssen Sie nicht verzweifeln.)
Also was denn nun? Dieses Rumgeeier von Tarifflucht ist zu ächten, Herr Kollege Schulte, und wir werden nachher sehen, was Sie zu dem Thema zu sagen haben.
Sie alle haben den Antrag gelesen und wissen daher auch genau, was ich meine. Anfang September haben die Mitarbeiter der zum Madsack-Konzern gehörenden „Ostsee-Zeitung“ gegen den angekündigten Rückzug des Verlages aus dem Tarif protestiert: „Auf Plakaten mit der Schlagzeile ,Tarifbruch mit Segen der SPD‘ wandten sie sich an den größten Einzelgesellschafter der Mediengruppe mit Sitz in Hannover, die SPD-Holding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft“. Hintergrund für den Protest war die Ankündigung der Geschäftsleitung, künftig nur noch Mitarbeiter in tariflosen Tochtergesellschaften einstellen zu wollen, und der Betriebsrat hat sehr klar benannt, was die Folgen des Ganzen sind. Neue Beschäftigte sind gegenüber der bisherigen Belegschaft schlechtergestellt. Sie bekommen nämlich bis zu 25 Prozent weniger Lohn. Sie sollen dafür auch noch länger arbeiten. Sie bekommen weniger Urlaub und keinerlei Sonderzahlungen mehr, und das alles im Übrigen, nachdem es in den letzten anderthalb Jahren bereits einen massiven Personalabbau gab, der obendrein nur durch massive Zugeständnisse der Belegschaft abgemildert werden konnte.
Das ist das Traurige daran, dass in dem konkreten Beispiel hier mit SPD-Segen eine Zweiklassengesellschaft auf den Weg gebracht wird, die letztlich zur Spaltung der Belegschaft führt,
und dass die Enttäuschung bei den Kolleginnen und Kollegen darüber natürlich groß ist, ebenso wie die Enttäuschung über die Reaktion der Ministerpräsidentin am Rande des OZ-Empfangs, die sinngemäß gesagt haben soll, es handele sich hier um notwendige Konsolidierungen im Verlag. Das kann man nachvollziehen, dass dafür keiner Applaus spendet, meine Damen und Herren.
Als Linksfraktion erwarten wir deshalb heute von Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, eine ganz klare Ansage in Richtung des Madsack-Konzerns. Erteilen Sie Tarifflucht eine Absage!
Ganz nebenbei würden Sie damit auch der Erwartungshaltung der Kolleginnen und Kollegen entsprechen, die sich in einem offenen Brief an Sie gewandt haben und ganz konkret auf die Vorbildwirkung eines Betriebes verweisen, dessen größter Einzelgesellschafter die SPDMedienholding ist.
Sie selbst haben ja auf besagtem OZ-Empfang zutreffenderweise gesagt, wie wichtig eine vielfältige Medienlandschaft ist. Dabei haben Sie leider vergessen, darauf
einzugehen, dass eben jene von Ihnen zu Recht angesprochene Qualität und Vielfalt seit Jahren, wie ich als ehemaliger Eisenbahner zu sagen pflege, immer mehr unter die Räder kommt. Corinna Pfaff vom Deutschen Journalisten-Verband Mecklenburg-Vorpommern hat ja in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass schon heute die Zahl qualifizierter Bewerber sinkt, weil die Medienbranche nicht zuletzt in der Konsequenz solcher Entscheidungen insgesamt an Anziehungskraft verliert.
Nach Auffassung meiner Fraktion darf es aber nicht bei dem Appell bleiben. Vielmehr sollte die Landesregierung schauen, ob und vor allen Dingen wie sie den Erhalt einer vielfältigen Medienlandschaft und darin eingebettet natürlich auch der regionalen Zeitungen im Land unterstützen kann. Diese Frage stellt sich nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern. Viele Landtage haben sich mit ähnlichen Fragen befasst.
Ich habe exemplarisch mal die Hessen hier, die ich dann auch zitieren beziehungsweise auf die ich eingehen möchte. Hier hat der Landtag als Reaktion auf die massenhafte Zusammenlegung oder Schließung von Redaktionen auch einen Prüfauftrag ausgelöst. Die entsprechenden Beschlüsse aus dem November 2015 gehen weit über eine Problembeschreibung hinaus. Sie äußern sich auch zu weiteren Themen, wie der Schulung von Medienkompetenz an Schulen und Hochschulen, zur Frage von gutem Journalismus als gesellschaftliche Aufgabe, die öffentlicher Förderung bedarf, und zum Thema „Projekte zur Heranführung junger Leute an das Thema Zeitungslesen“, übrigens unter Schirmherrschaft und Finanzierung wissenschaftlicher Begleitung seitens der Hessischen Landesregierung.
Auch hierzulande ist die Debatte ja nicht wirklich neu. Sie ist nicht die erste, die sich mit der Zukunft der Medienlandschaft beschäftigt. Schon im Frühjahr 2016 stand das Thema auf der Tagesordnung des Landtages. Seinerzeit gab es durchaus auch Denkanstöße von Kolleginnen und Kollegen, zum Beispiel von Vincent Kokert, der auf das dänische Modell verwies, wo mit öffentlichen Mitteln Medienvielfalt gesichert und dann durch die konkrete Besetzung von Bewilligungsgremien politische Einflussnahme ausgeschlossen wird. Das Problem ist nur wie bei so vielem Folgendes: Darüber wurde geredet, es ist über ein Jahr vergangen, aber getan hat sich – jedenfalls nach meiner Wahrnehmung – nichts. Den Ankündigungen sind keine Taten gefolgt und vielleicht können die Redner von SPD und CDU ja in ihren Beiträgen darauf noch einmal Bezug nehmen.
Die aktuellen Vorgänge bei der „Ostsee-Zeitung“ machen jedenfalls deutlich, dass die von vielen mit Sorge wahrgenommenen Entwicklungen unvermindert weitergehen. Deshalb wäre es auch gut, wenn der Landtag sich heute zur Abwechslung mal dazu durchringen könnte, einem Oppositionsantrag zuzustimmen, denn dieser nimmt die Debatte notwendigerweise neu auf und beauftragt letztlich die Landesregierung faktisch, nur das nachzuholen, was bislang offenkundig versäumt wurde.
Zum letzten Punkt: Im vergangenen Jahr haben unter anderem Exministerpräsident Erwin Sellering, dem ich von hier aus gute Genesung wünschen möchte, und ich am Rande der traditionellen Maikundgebung in Schwerin von den Initiatoren der Aktion „Unser Land braucht seine Zeitungen“ ein überdimensionales Hausaufgabenheft übergeben bekommen.
Darin sind bestimmte Punkte, bestimmte Forderungen formuliert zur Überarbeitung des Landespressegesetzes, übrigens ebenfalls ein Vorhaben aus Ihrem Koalitionsvertrag 2011 bis 2016, und wie schon gestern bei anderen Themen festgestellt, haben Sie auch hier nicht geliefert.
Die zentralen Botschaften dazu: Die Journalisten wollen frei von wirtschaftlichen Zwängen und Vorgaben ihrer Arbeit nachgehen können. Dafür ist nach Auffassung von DGB, ver.di und Deutschem Journalistenverband eine verbindliche Stärkung der inneren Pressefreiheit ebenso nötig wie die Schaffung von Transparenz über die Eigner und Beteiligungsverhältnisse in den Verlagen. Und was auch gefordert wird, ist ein regelmäßiger Medienbericht. Das war bereits im vergangenen Jahr hier schon Thema. Getan hat sich da bekanntermaßen nichts. Auf die Details geht meine Kollegin Eva-Maria Kröger später in der Debatte noch ein.
Zusammengefasst könnte man also sagen, wieder ein Jahr verschenkt. Es bleibt auch zu diesem Thema viel zu tun und ich bin mir sicher, dass es heute nicht das letzte Mal gewesen ist, wo wir uns zu diesen Fragen auseinandersetzen müssen. Eins ist jedoch für meine Fraktion klar: Der bei der OZ gewählte Weg wird in die Sackgasse führen. Tarifflucht ist der falsche Weg. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich will nur darauf hinweisen, dass das Zeigen von Schriftstücken nach unserer Geschäftsordnung nicht gestattet ist. Ich war jetzt großzügig, aber ich will trotzdem darauf hinweisen, dass wir dies möglichst hier im Plenarsaal vermeiden wollen.
(Thomas Krüger, SPD: Jetzt gibt es ein paar Klarstellungen. – Andreas Butzki, SPD: Foersters Reden haben mir gefehlt.)
Bei meinem Rügen dieser Demonstration habe ich ganz vergessen zu sagen, dass wir nach Geschäftsordnung hier weitergehen müssen.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrter Herr Kollege Foerster! Der Kollege Ehlers hat ja vielleicht recht, vielleicht hat man das wirklich vermisst, dass Sie hier Redebeiträge halten. Sie tragen immer wieder zu einem gewissen Unterhaltungswert bei.
Aber, Herr Kollege Foerster, bevor ich jetzt auf den Inhalt Ihres Redebeitrages eingehe und vielleicht das eine oder andere noch mal klarstelle,
damit auch Sie in Zukunft wissen, worüber Sie reden, lassen Sie mich doch einfach mal fragen: Wenn Sie hier über die Bundes-SPD – wir sind die Landtagsfraktion, das ist die Landesregierung M-V – diskutieren wollen,