Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gefährdungsanalyse, das Gefährdungspotenzial sind also bekannt. Auch die Gefährdungsanalyse für den G20 war bekannt, auch wenn jetzt viele überrascht tun von dem Ausmaß der Ereignisse. Mindestens fünf von uns hier im Saal erhielten Einblick in die Vorbereitung der Gipfelproteste, näm
lich die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission. Aus bekannten Gründen kann und werde ich nicht näher darauf eingehen.
Ein Problem wird hier aber klar: Wir haben ausreichend Informationen und Instrumente, aber wir können mit den Informationen nicht öffentlich und schon gar nicht präventiv umgehen, fordern stattdessen immer wieder neue Instrumente. So verwundert auch die Forderung nach einer zentralen Datei für gewaltbereite Linksextremisten, denn bereits 2011 wurde das erste als „VS-Vertraulich“ eingestufte „Lagebild gewaltorientierter Linksextremisten“ von den Verfassungsschutzämtern des Bundes und der Länder vorgestellt und seitdem fortgeführt. Dieses soll nun europaweit ausgedehnt werden. Von mir aus! Doch welchen Nutzen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat dies, wenn eine Szene laufend beobachtet wird, Gewaltpotenzial sich aber dennoch nahezu ungehindert austoben kann – was nicht nur für den Phänomenbereich Links gilt. Sollen also so die Bilder erzeugt werden, die man braucht, um nach schärferen Instrumenten zu suchen? Hat wieder einmal der Quellenschutz Vorrang? Wenn ja, schadet das der Suche nach gemeinsamen Strategien, um Gewalt als Mittel der Politik einzudämmen und auszuschließen.
Auch die Tatsache, dass die Hamburger CDU den Rücktritt von Olaf Scholz fordert, die Kanzlerin aber ihm den Rücken stärkt, klingt mehr nach parteitaktischem Kalkül als nach der Suche nach einer gemeinsamen Strategie. Nicht als parteipolitisches Kalkül abzuhaken sind dagegen die Beeinträchtigungen von Demonstrations- und Meinungsfreiheit, so, wie wir das am vergangenen Wochenende erlebt haben.
Der Umgang mit den Camps in Hamburg im Vorfeld der Demonstrationen erinnert mich sehr an den Umgang mit den Demonstrantinnen und Demonstranten zum G8-Gipfel in Heiligendamm. Auch die ausufernde Vorfeldkriminalisierung aller Proteste, wie wir sie in Heiligendamm erlebt haben, mussten wir in Hamburg wieder erleben.
Herr Reinhardt, abzuhaken ist dagegen auch der Umgang mit Journalistinnen und Journalisten. Journalisten und Datenschützer beklagen dies zu Recht. Die Pressefreiheit wurde in Hamburg massiv eingeschränkt, und das kann nicht unser Ziel sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der Polizeieinsatz muss kritisch hinterfragt und begleitet werden dürfen.
Und da Kritik an der Einsatzführung und Strategie der Polizei durch Politiker, vor allem durch linke Politiker,
oftmals als Angriff auf den Rechtsstaat angesehen und als Unterstützung für die Randalierer angesehen wird, Herr Renz, bemühe ich an dieser Stelle nur Polizeibeamte selbst.
Der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft Oliver Malchow findet, dass man über die Auswahl des Veranstaltungsortes nur den Kopf schütteln kann.
Auch Innenminister Caffier ließ noch am 1. Juni dieses Jahres wissen, dass der hohe finanzielle Aufwand für politische Spitzentreffen der Öffentlichkeit kaum vermittelbar ist. Laut „Zeit Online“ wiederholte er seinen Vorschlag aus Zeiten des G8-Gipfels: „Am besten auf einem Flugzeugträger und als Rahmenprogramm für die Partner U-Boot-Fahren.“
Nun, nach Hamburg, nach den Randalen, hört sich das freilich ganz anders an: Konsequent gegen linke Krawallmacher, dann klappt es auch in einer Großstadt. Mich würde schon interessieren, woher dieser Sinneswandel kommt, Herr Innenminister.
Im „Tagesspiegel“ vom 10.07. beklagen Berliner Polizisten, also die, die im Einsatz waren, die schlechte Organisation in Hamburg, nicht nur, was Unterbringung und Verpflegung angeht. Ich zitiere aus dem Artikel: „Jeder Beamte hat sich gefragt: ‚Wie kann man so was anordnen?‘, berichtete ein Berliner Vorgesetzter. Bekanntlich hatte die Einsatzleitung die Autonomendemo an einer denkbar ungeeigneten Stelle gestoppt – nur, weil Vermummung angelegt wurde.“
„Sinnvoller wäre gewesen, den schwarzen Block laufen zu lassen. Wäre es dann zu Gewalt gekommen, hätte man ihn an geeigneter Stelle aus der Demo heraus in eine Seitenstraße ‚schieben‘ können.“
Berliner Polizisten, die im Einsatz waren. Jetzt ist der „Tagesspiegel“ wahrscheinlich auch noch ein linkes Schmierblatt, Herr Reinhardt, oder?
Auch der Kriminologe Joachim Kersten von der Deutschen Hochschule der Polizei erklärt in einem bemerkenswerten Interview auf „Spiegel Online“, was an der Hamburger Polizeistrategie falsch war. Aus Zeitgründen kann ich hier nicht näher darauf eingehen, empfehle aber einen Blick in das Video.