Protocol of the Session on July 13, 2017

Die ökonomische Realität ist so, wie sie ist, aber Kinderfreundlichkeit in unserer Gesellschaft erreichen wir nur, wenn die Prioritäten entsprechend gesetzt werden dürfen und Erziehungszeiten nicht als minderwertige Arbeit betrachtet werden, sofern sie nicht bezahlt wird. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang Teilzeitarbeitsplätze, die möglichst auch flexibel zwischen Vollzeit und Teilzeit variiert werden können, übrigens für Mütter und Väter. Hier sollte der öffentliche Dienst noch viel offensiver Vorreiter und Wegbereiter sein als bisher.

Dann sprechen Sie das Thema Familienerholungsmaßnahmen auch für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen an, das ist ein sehr guter Vorschlag, der ist überhaupt nicht zu beanstanden. Anschließend erfolgt noch ein Ausflug in das Bundesrecht, denn Sie fordern außerdem eine Erhöhung des Kindergeldes beziehungsweise im Folgeschritt die Grundsicherung für Kinder. Ein systematischer Ansatz begänne hier nach Auffassung der AfD mit der Einführung des Familiensplittings, da ja die selbstverantwortliche Familie, die für die eigenen Lebenshaltungskosten aufkommt, der Regelfall sein soll. Abgeleitet aus den ermittelten steuerlichen Freibeträgen wäre dann in der Tat auch eine deutliche Aufstockung des Kindergeldes konsequent und richtig.

Insgesamt muss ich Ihren Antrag leider so zusammenfassen, dass Sie unter der Überschrift „Kinderarmut“ alle möglichen Probleme im Land behandeln möchten – geringes Lohnniveau, Langzeitarbeitslosigkeit, Knappheit an preiswertem Wohnraum. Unbestritten sind die Rückkopplungseffekte auf Kinder, aber mir fehlen dagegen die wirklichen Sofortmaßnahmen, die geeignet sind, Kindern

in ihrem Alltag unmittelbar zu helfen und damit Familien zu stärken und zu entlasten, und über das hinausgehen, was die Regierung in den letzten Jahren schon veranlasst hat.

Lassen Sie mich hier zwei konkrete Maßnahmen nennen:

Erstens. Kostenloses zweites Frühstück, zum Beispiel Obst, für alle Kinder, und kostenloses, frisch zubereitetes Mittagessen für alle Kinder in den Schulen MecklenburgVorpommerns, und zwar auf einem qualitativ hohen Niveau, aus vorzugsweise heimischen Lebensmitteln. Natürlich übernähme das Land in diesem Moment einen beträchtlichen Teil der Daseinsvorsorge der Kinder und entlastet alle Eltern gleichermaßen. Dieser Betrag könnte daher bei dem künftig zu erhöhenden Kindergeld beziehungsweise Grundfreibetrag pro Kind einbehalten werden, da ja die Kosten schon nicht mehr bei den Familien anfielen. Übergangsweise müssten die Eltern, die dazu in der Lage sind, zum Beispiel ich, weiterhin einen Teilbetrag des Essens bezahlen. Es geht hierbei um regelmäßiges Essen, es geht um ausgewogene und gesunde Ernährung, es geht um körperliche und geistige Entwicklung, die ohne ausreichende Versorgung mit vielfältigen Nährstoffen nicht gewährleistet ist, und es geht um das Gemeinschaftsgefühl der Kinder und Jugendlichen, die zu Hause häufig als Einzelkind alleine sind.

Es geht um die Berücksichtigung unserer ländlichen Strukturen, die den Kindern sehr lange Schulwege aufbürden. Und hiermit bin ich beim zweiten konkreten Vorschlag: Die Schülerbeförderung ist in ganz MecklenburgVorpommern vollständig zu gewährleisten und die freie Schulwahl darf nicht dazu führen, dass die kostenlose Schülerbeförderung entfällt, sondern sie ist maximal in der Höhe zu erstatten, in der sie sowieso bei Besuch der örtlich zuständigen Schule angefallen wäre. Ansonsten können nur reiche Eltern das Recht auf freie Schulwahl nutzen, arme Eltern können bei der Schulwahl weder die günstigsten Schulwege noch besondere Förderungs- und Begabungsschwerpunkte berücksichtigen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Danke, Herr Abgeordneter.

Für die Fraktion der CDU hat die Abgeordnete Frau Friemann-Jennert das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heutige Antrag der Fraktion DIE LINKE präsentiert einmal mehr deren sozialpolitische Agenda, die uns in diesem Landtag natürlich nicht unbekannt ist. Zuletzt haben wir uns in der Landtagssitzung am 5. April mit Armuts- und Gerechtigkeitsthemen in diesem Plenum auseinandergesetzt.

Wissen Sie, Frau Bernhardt, was ich als politische Kindeswohlgefährdung ansehe? Die Rechnung ohne die Eltern zu machen. Die haben Sie in Ihrem Antrag tatsächlich fast gänzlich außer Acht gelassen. Heute wie damals suggeriert Ihr Antrag, dass Armut und insbesondere die Armut von Kindern und Jugendlichen begrifflich wegdiskutiert wird oder die Landes- oder Bundesregierung sie womöglich ignoriert. Das weise ich entschieden

zurück. Sie können gerne auch im CDU-Bundestagswahlprogramm nachlesen,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Hat das schon mal was gebracht, wenn das irgendwo auftaucht?)

dass wir uns keineswegs mit Kinderarmut abfinden, Seite 24, um ganz genau zu sein. Und Sie können auch noch mal unseren Koa-Vertrag angucken, was wir alles machen für Kinder, für Jugendliche und Familien. Das ist eine ganze Menge und das können Sie nicht einfach wegreden.

Armut kann verkürzt zusammengefasst überwiegend relativ oder absolut gemessen werden. Mit einer Diskussion über einen geeigneten Armutsbegriff kommen wir an dieser Stelle aber leider nicht weiter. Ich behaupte nicht, dass sozial- und familienpolitisch alles gut ist in Deutschland und wir keine globalen oder nationalen Armutsprobleme haben,

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

dennoch ist Ihre Sicht auf die Dinge überzogen und wird der Realität im Land nicht gerecht. Kontinuierliches Wirtschaftswachstum, die derzeit höchste Beschäftigungszahl und mit acht Prozent die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der deutschen Wiedervereinigung zeigen doch, dass es den Menschen in unserem Land zumindest materiell heute so gut geht wie nie zuvor. Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern haben sich in den letzten Jahren hervorragend wirtschaftlich entwickelt. Diese wirtschaftliche Entwicklung ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Sozialversicherungen und die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen profitieren. Erst dadurch können wir auch zukünftig maßvoll soziale Leistungsverbesserungen durchsetzen.

Auch der LINKEN-Fraktion dürfte nicht entgangen sein, dass die finanzpolitische Ausrichtung des Landes Mecklenburg-Vorpommern dem Grundsatz folgt, es kann nur das Geld ausgegeben werden, das erwirtschaftet wird. Ausgaben müssen wir mit Blick auf kommende Generationen also mit Augenmaß vornehmen. Ein Großteil Ihrer sozialpolitischen Wunschliste ist damit haushalterisch nicht umsetzbar, weshalb wir Ihren Antrag allein aus diesem Grund ablehnen müssen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nur aus diesem Grund?!)

(Andreas Butzki, SPD: Allein!)

(Peter Ritter, DIE LINKE: Allein! Allein!)

Was an Ihrer Haltung dann sozial sein soll, das bezweifle ich ganz erheblich. Verantwortungsvolle Sozialpolitik muss immer auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes im Blick haben. Ziel muss es daher sein, die gute wirtschaftliche Entwicklung Mecklenburg-Vorpommerns fortzusetzen. Bereits heute lässt sich feststellen, dass die Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche, nach dem Abschluss ihrer Ausbildung eine dauerhafte berufliche Perspektive in Mecklenburg-Vorpommern zu erhalten,

deutlich besser ist als noch vor wenigen Jahren. Mehr noch, in vielen Branchen – das haben wir bei der Novellierung des KiföG sehr deutlich gespürt – herrscht ein Fachkräftemangel.

Entscheidend in der Diskussion um Kinderarmut ist zudem die Frage des sozialen Aufstiegs. Haben die Kinder von Geringverdienern die Chance auf einen Hochschulabschluss? Eindeutig ja. Hier haben wir uns erheblich verbessert in den vergangenen Jahrzehnten. Wir verfügen über ein offenes Bildungssystem und keines, das sozial selektiv eine Deckelung vornimmt. Auch Kinder aus Arbeiterfamilien können heute mit Fleiß und Willen sowie staatlicher Unterstützung einen Hochschulabschluss erwerben.

Natürlich müssen wir weiter darüber diskutieren, wie wir Langzeitarbeitslosigkeit reduzieren, wie wir die Schulabbrecherquote minimieren, wie wir geflüchtete Menschen langfristig in unser Wertesystem und in den Arbeitsmarkt integrieren oder wie es uns gelingen kann, Personen, die schon seit Generationen von Transferleistungen leben, zu motivieren, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir als Landeskoalition setzen uns selbstverständlich seit langer Zeit gegenüber den Unternehmen und Tarifpartnern für gute Löhne und eine faire Entschädigung der Arbeit ein, und dazu benötigen wir Ihre Aufforderung im Antrag nicht. Ein solider Arbeitsmarkt mit einer Vielzahl von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen – auch hier entwickelt Mecklenburg-Vorpommern sich weiter positiv – ist immer noch der wirkungsvollste Garant dafür, Armut von Haushalten mit Kindern zu verhindern.

Das Armutsrisiko von Kindern beträgt 64 Prozent, wenn in der Familie kein Elternteil erwerbstätig ist. Insofern hat die verbesserte wirtschaftliche Situation auch bei uns maßgeblich dazu beigetragen, Armutsrisiken bei Kindern und Jugendlichen zu minimieren. Auch zukünftig werden wir größte Anstrengungen unternehmen, die Erwerbsintegration der Eltern zu verbessern, weil hierdurch effektiv das Armutsrisiko gesenkt werden kann.

Ich möchte zudem daran erinnern, dass die Einführung des Mindestlohns vor zweieinhalb Jahren bereits ein großer Schritt gegen die Kinderarmut war, da er die Einkommen finanzschwacher Familien unmittelbar gestärkt hat. Des Weiteren hat zur Reduzierung der Armutsquote in Mecklenburg-Vorpommern beigetragen, dass die Anzahl derjenigen, die Leistungen nach SGB II in sogenannten Bedarfsgemeinschaften erhalten haben, gesunken ist. Das ist ein gutes und richtiges Signal.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, den Sie von den LINKEN immer wieder gerne zu Unrecht diskreditieren, zeigt sehr dezidiert auf, dass das Wohlergehen von Kindern von vielen Faktoren abhängt. Dazu zählt demnach die Geborgenheit, die Kinder in ihren Familien erfahren, ihre Gesundheit, ihr Wohnumfeld oder ihre Möglichkeiten zur Bildungsteilnahme. Sozialtransfers und Familienleistungen tragen erheblich dazu bei, dass die Nettoäquivalenzeinkommen von Haushalten mit Kindern und Jugendlichen in fast der Hälfte der Fälle, in denen ihr Einkommen unterhalb der Armutsrisikogrenze liegen würde, über die Armutsgrenze von 60 Prozent des medianen Einkommens gehoben wird. Dadurch wird die

Armutsrisikoquote der unter 18-Jährigen von vorher rund 36 auf rund 21 Prozent reduziert. Hier wird also nichts wegdiskutiert, wie Sie in der vergangenen Woche im Sozialausschuss noch behauptet haben, sondern auf Basis einer soliden Datengrundlage eine präzise sozialökonomische Analyse vorgenommen. Setzen Sie sich doch bitte einmal unvoreingenommen mit dem Bericht auseinander!

Nur wenige Kinder, so der Bericht weiter, leiden unter einer erheblichen materiellen Entbehrung. Gemessen an einem durchschnittlichen Lebensstandard und den damit verbundenen Gütern sind – ich sage das auch in Anführungsstrichen – „nur“ rund fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Deutschland davon betroffen. Nebenbei bemerkt sagt die Menge an Geld, die einem Kind für Freizeitaktivitäten zur Verfügung steht, nur bedingt etwas über die Qualität der Zeit aus, die Eltern oder Familien mit ihren Kindern verbringen.

Gleichzeitig, meine sehr verehrten Damen und Herren, finden wir uns mit Armut oder Armutsrisiken – die Begriffe sind ja nicht gleichzusetzen –, die natürlich auch bei uns noch bestehen, nicht ab. Familienbezogene staatliche Leistungen nehmen eine bedeutsame Funktion in der wirtschaftlichen Absicherung der Familien ein. Daher wollen wir bundespolitisch Familien und Kinder noch stärker unterstützen als bisher. Damit werden auch Teilhabechancen für Kinder materiell sichergestellt. Dazu zählt zum Beispiel die Erhöhung des Kindergeldes um 25 Euro im Monat und eine Anhebung des Kinderfreibetrages auf das Niveau des Erwachsenenfreibetrages.

Auch haben wir uns in der Koalition hier im Land darauf verständigt, für verbesserte Rahmenbedingungen einzutreten und so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen. Nur wenn die Arbeitswelt familienfreundlicher wird, erhöht sich auch weiterhin die Erwerbsquote, insbesondere bei Frauen, wodurch das Armutsrisiko der gesamten Familie gesenkt wird. Und mit der Elternentlastung bei den Kitabeiträgen um 50 Euro im Monat in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege entlasten wir Familien ab dem 1. Januar 2018 zusätzlich. Daher bin ich fest davon überzeugt, dass wir Kinderarmut in Mecklenburg-Vorpommern auch ohne Auflage von Aktionsplänen entschieden weiter reduzieren. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Danke, Frau Abgeordnete.

Es hat noch einmal das Wort für die Fraktion DIE LINKE Frau Bernhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es erschreckt mich immer wieder, wenn ich höre, was ich hier höre, aber verwundern tut es mich auf der anderen Seite nicht mehr, weil es ständige Realität ist. Gewisse Schoten bin ich von Ihnen schon gewohnt, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete von der SPD, und ich würde vielleicht auf einige, die auch heute hier in der Diskussion vorgebracht wurden, eingehen.

Zunächst sagt Frau Drese, es braucht keinen Aktionsplan, es ist schon gelebte Praxis, dass wir vom Bund über das Land bis zur Kommune gegen Kinder- und

Jugendarmut kämpfen. Wenn das so ist, dann frage ich Sie, Frau Drese: Wieso haben wir immer noch keinen Ganztagsplatz, der gerade auch im Bericht des Bürgerbeauftragten wieder gefordert wurde, wo Sie zugesagt haben, bei der nächsten KiföG-Novelle das zu ändern? Nichts ist geschehen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Wenn Sie meinen, es ist gelebte Praxis, wieso haben wir dann noch nicht die so lange versprochene kostenfreie Bildung in der Kita, die Sie seit mehr als elf Jahren fordern? Wenn es so ist, dass es gelebte Praxis ist, gegen Kinder- und Jugendarmut vorzugehen, frage ich mich, warum Mecklenburg-Vorpommern noch immer die höchste Schulabbrecherquote hat und die auch in dem letzten Jahr weiter gestiegen ist.

Bei den Maßnahmen haben Sie gesagt, da werden wir für Alleinerziehende ebenfalls welche einführen. Ich habe von Ihnen nicht gehört, welche Maßnahmen Sie für Alleinerziehende ergreifen wollen, um sie zu unterstützen, dass deren Kinder und Jugendliche eben nicht in finanzieller Armut aufwachsen müssen.

Sie haben groß gelobt die Familienerholungsmaßnahmen. Nachdem ich an das jahrelange Verfahren zurückdenke, wo es über drei Jahre gebraucht hat, dass das Sozialministerium diese Richtlinie überhaupt erlässt, sodass irgendeine Grundlage zur Ausreichung der Mittel da ist, und sich dann hier hinzustellen und zu sagen, es ist uns eine große Wichtigkeit, das ist aus meiner Sicht einfach falsch und arrogant. Und wenn ich dann im Weiteren bedenke, dass der Begünstigtenkreis dieser Richtlinie zur Familienerholungsmaßnahme noch weiter eingeschränkt wurde auf nur noch Hartz-IV-Empfänger und gerade nicht mehr auf Aufstocker oder die gerade drüber liegen über dem Existenzminimum, dann ist das für mich eine nächste große Ungeheuerlichkeit.

(Der Abgeordnete Thomas de Jesus Fernandes bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Und eine Frage, Frau Drese, …

Frau Abgeordnete, …

… müssen Sie mir mal dringend beantworten.