Auch der SPD ist nicht daran gelegen, die wichtigen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes aufzuweichen.
In der auch bei uns im Land insbesondere von DEHOGA und Nordmetall angeschobenen Diskussion zu mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der Arbeitszeit haben wir uns entsprechend zurückgehalten. Wir sehen uns als Politiker an dieser Stelle auch als die falschen Ansprechpartner. Wenn es darum geht, die Ausgestaltung von Arbeit mit denen zu besprechen, die von diesen Änderungen betroffen sind, sind die Gesprächspartner der Arbeitgeberverbände ganz klar die Gewerkschaften.
Es wäre unserer Ansicht nach auch falsch, aus speziellen Lagen heraus, wie im Hotel- und Gaststättengewerbe, generell das Arbeitszeitgesetz anzufassen, denn dann müssten wir an anderer Stelle wieder bestimmte Berufsgruppen ausschließen. Ich erinnere daran: LkwFahrer, Busfahrer, Krankenschwestern. Aber es läuft darauf hinaus, wenn man die nachvollziehbare Forderung des DEHOGA nach einer Arbeitszeitverdichtung am Wochenende umsetzen würde. Es gibt im Hinblick auf große Volksfeste – als Beispiel –, bei denen auch eine Arbeitszeitverdichtung auf wenige Tage stattfindet, Urteile, dass diese Volksfeste nicht dazu geeignet sind, Ausnahmen bei der täglichen Höchstarbeitszeit zuzulassen, im Gegenteil: Gerade Volksfeste oder Hochzeiten und Geburtstagsfeiern sind in einem gewissen Maße technisch planbar.
Natürlich kann immer etwas dazwischenkommen, natürlich kann eine überschreitende Arbeitszeit von acht Stunden erforderlich sein, aber genau das ist heute schon problemlos möglich. Problematisch wird es nur, wenn ich die regulär mögliche Arbeitszeit bereits bis zum Maximum ausreize und dann etwas dazwischenkommt.
Wir als SPD-Landtagsfraktion stehen für den Anspruch „gute Arbeit“. Wir Sozialdemokraten verbinden damit nicht nur die Forderung nach einer guten Entlohnung von Arbeit, sondern auch die Forderung nach guten Rahmenbedingungen von Arbeit.
Sie haben es richtig angesprochen, es ist inzwischen allgemein bekannt, dass bei der Frage der Realisierung von Kinderwunsch zum Beispiel neben den Punkten „befristete Beschäftigung“ und „geringer Lohn“ vor allem auch die Frage der Arbeitszeiten ein Faktor ist, der junge Paare daran hindert oder auch nicht, Kinder zu bekommen. Wir brauchen keine Diskussionen über noch flexiblere Arbeitszeiten, wir brauchen auch keine Gesetzesänderung, denn vieles ist – Sie sprachen es an – mit den Gewerkschaften gemeinsam heute schon möglich. Wir lehnen den Antrag ab. – Danke.
Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Wertes Präsidium! Werte Kollegen! Liebe Gäste! Herr Holter hat vorhin bei einem anderen Beitrag gesagt, Schaufensteranträge tragen wir nicht mit. Das mag so sein, aber Sie stellen immer wieder Schaufensteranträge. Hier haben wir ein Paradebeispiel für einen solchen. „Gute Arbeit und gute Löhne“ und so weiter sind andere solcher Anträge. Sie formulieren da eine wohlfeile von allen zu tragende Allgemeinforderung, die Sie in den Antrag gießen, ohne dass irgendwas dahinter ist. Wenn man auf den Inhalt schaut, bleibt nicht mal heiße Luft übrig.
So ist es heute auch mit dem Antrag „Hände weg vom Arbeitszeitgesetz“. Sie haben selber ausgeführt, dass die Rahmenbedingungen des Arbeitszeitgesetzes zwingend sind, das heißt, daran kann man nichts ändern. Dazwischen sind Gestaltungsmöglichkeiten auf tariflicher Ebene, unter Umständen durch Betriebsvereinbarungen und in noch engeren Grenzen durch die Arbeitspartner selbst, also zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, möglich. Das ist gut so, denn Flexibilität in diesem Rahmen, den das Arbeitszeitgesetz gewährt, ist notwendig, sonst verkehrt man Arbeitnehmerschutz in Arbeitnehmerbevormundung. Letztlich soll dieses Gesetz den einzelnen Arbeitnehmer davor schützen, dass er dem Druck des Arbeitgebers weichen und sich zu Regelungen hergeben muss, weil sie seine Arbeitszeit betreffen, die er nicht möchte. Genau das verwirklicht dieses Arbeitszeitgesetz mit der Flexibilität, die wir inzwischen haben.
KAPOVAZ – kapazitätsorientierte variable Wochenarbeitszeit, heute nennt man es flexible Arbeitszeitgestaltung. Das ist ein Thema, das seit 30 Jahren das Arbeitsrecht bewegt, und seit 30 Jahren haben wir im Arbeitszeitgesetz immer wieder stufenweise solche Flexibilisierungen umgesetzt. Der Einzelne soll geschützt, aber nicht bevormundet werden. Das ist das Günstigkeitsprinzip, wie es das Tarifvertragsrecht vorsieht. Das ist das Günstigkeitsprinzip, das sich bei Betriebsvereinbarungen widerspiegelt und das wir auch dem einzelnen Arbeitnehmer zugutehalten müssen.
Der Einzelne darf doch wohl noch entscheiden, ob es für ihn günstiger ist, in seiner individuellen Bewertung ausnahmsweise mal auf die 10-Stunden-Grenze an Höchstarbeitszeit, wenn der tarifliche oder betriebsvereinbarungsrechtliche Rahmen denn kollektiv geschaffen wurde, zu verzichten und beispielsweise bei einer Betriebsfeier, beim Fest und so weiter zwölf Stunden – das ist die absolute Obergrenze – zu arbeiten, wenn er denn den Mehrwert dieser Zeitinvestition durch entsprechende Entgeltzuschläge oder flexible Arbeitszeitausgleichsregelungen erhält. Alles andere, so verstehe ich Ihren Antrag, ist Bevormundung des Einzelnen unter dem Vorzeichen des Arbeitsschutzrechtes. Das ist nicht das, was wir unter Arbeitsschutz verstehen. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 31. März 2017 hörten wir im NDR Klassenkampftöne. Klassenkampftöne wurden dort bei den Gegnern der Novellierung des Arbeitszeitgesetzes attestiert. Dem ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen, außer vielleicht, dass man die Debatte ein bisschen versachlichen sollte.
Lassen Sie uns also weggehen von dieser Klassenkampfrhetorik! Lassen Sie uns das entschärfen! Ich bin der Auffassung, dass dem DEHOGA dies vor dem Wirtschaftsausschuss am 3. Mai in seiner unmittelbaren Betroffenheit ganz gut gelungen ist.
Herr Holter, ich dachte heute eigentlich, Sie ziehen den Antrag zurück, denn Sie hatten ja auch Fragen zum DEHOGA gestellt und zu dem Zeitpunkt, wo wir das im Wirtschaftsausschuss besprochen hatten, lag Ihr Antrag im Austausch vor. Er war schon im Raum, im parlamentarischen Raum. Sie fragten ganz gezielt, ob das jetzt die Regel ist oder ob es die Ausnahme ist, was DEHOGA macht, aufgrund dessen, wie er argumentiert hatte. Ich denke mal, dass er sehr überzeugend dargelegt hat, dass es sich hier nicht um eine Ausnahme handelt, sondern dass es um das allgemeine Geschäft, um die Erwartungshaltung von Gästen geht. Und weil ja in der Begründung drinsteht: „Hierfür gibt es jedoch keinen sichtbaren Bedarf“, hätte ich gedacht, das war überzeugend. Das beißt sich.
Sicherlich, Sie sagten, Veränderungen der modernen Arbeitswelt – da bin ich mit Ihnen eins –, das braucht Anpassungen. Die Frage ist nur: Welche? In welche Richtung? Flexibilisierung oder beharren wir auf starren Regelungen, die wir in der Vergangenheit hatten? Worüber reden wir also? Es geht nicht um Mehrarbeit. Es geht nicht um irgendwelche Aufhebungen der im Arbeitszeitschutzgesetz bestehenden Schutzstatus. Um das geht es überhaupt nicht. Wir reden hier über die Möglichkeit, die tägliche Höchstarbeitszeit auf wöchentliche Höchstarbeitszeit umzustellen – ausschließlich das, ausschließlich! Und das ist sinnvoll. Unter der Voraussetzung der Zustimmung der Arbeitnehmer ist es sinnvoll für alle Beteiligten. Ich will Ihnen dafür drei Gründe nennen:
Erstens. Zuallererst leuchtet es nicht ein, warum wir uns in Deutschland eigentlich einen künstlichen Wettbewerbsnachteil verschaffen. Schauen wir mal auf die europäische Arbeitszeitrichtlinie. Die Wochenarbeitszeit nach EU-Recht schafft dort längst Flexibilität, und zwar im Sinne einer Öffnung von einer täglichen hin zu einer wöchentlichen Arbeitszeit.
Zweitens. Im Wirtschaftsausschuss am 4. Mai ist von einigen Fraktionen vorgetragen worden, dass eine Öffnung des Arbeitszeitgesetzes die Arbeitgeberseite begünstige, und zwar einseitig. Im Wirtschaftsausschuss wurde kolportiert, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit zu einer Umstellung von der täglichen auf die wöchentliche Höchstarbeitszeit hätte, dann würde er den Arbeitnehmer schon dazu bringen, dass diese Umstellung auch erfolgt. Dieses Argument ist wirklich nicht plausibel. Es ist von vorgestern.
Wir haben nicht mehr die Zeiten, als wir um Arbeitsplätze gerungen haben, als nicht genügend Arbeitsplätze zur Verfügung standen und die Arbeitslosigkeit recht groß war. Diese Zeiten haben wir nicht mehr. Wir leben in Zeiten von Fachkräftemangel, von einem Arbeitsplatzüberangebot, das nicht ausgefüllt werden kann. In dieser Zeit befinden wir uns heute. Ich denke mal, die Arbeitgeber im Lande suchen händeringend diese Fachkräfte. Wir haben ja gestern einen Koalitionsantrag von SPD und CDU gehabt und wir widmeten uns selbst mit einem eigenen Antrag diesem Thema „Menschen Zukunftsperspektiven bieten – Fachkräftelücke schließen“. Das haben wir gestern mit einem Antrag getan. Diesem Antrag liegt eine vollkommen richtige Feststellung zugrunde: Fachkräfte sind mancherorts Goldstaub.
Welchen plausiblen Grund sollten Arbeitgeber eigentlich haben, diese Fachkräfte fremdzubestimmen und unter Druck zu setzen? Das ist doch überhaupt nicht mehr der Fall. Das sind gar nicht mehr die Zeiten. Das Gegenteil ist geboten. Und wenn der Arbeitnehmer unter diesen Rahmenbedingungen einer Veränderung seiner Arbeitszeit zustimmt, dann kann ich daran auch nichts Schlechtes finden, im Gegenteil – das haben wir auch gehört –, es wird von einigen Arbeitnehmern, das ist gesagt worden, selbst gewünscht, weil es für sie besser ist.
Und drittens ist die Novelle des Arbeitszeitgesetzes unter anderem eine Forderung des Gastgewerbes – ich betone: unter anderem. Ähnliche Forderungen finden Sie bei VMV und vielen anderen. Eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ist nämlich in Zeiten von Wirtschaft 4.0, Digitalisierung und Heimarbeit antiquiert. Deswegen darf auch nur eine Forderung maßgeblich sein. Eine Öffnung der Arbeitszeit nach wöchentlichem Modell darf einzig und allein an den freien Willen des Arbeitnehmers geknüpft werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben es der Berichterstattung entnehmen können und deswegen erlauben Sie mir, über die geäußerten Beiträge zum Teil meine Verwunderung auszudrücken. Ich kann nicht verstehen, warum wir hier im Land der SPDBundesministerin Nahles in den Rücken fallen. Ich glaube, wir drohen uns hier zu verrennen. Die Experimentierklausel, die Experimentierphase zum Arbeitszeitgesetz gibt es doch längst. Die wurde im November des letzten Jahres sogar von zwei auf drei Jahre ausgedehnt. Es gibt auch das Weißbuch „Arbeiten 4.0“ aus eben diesem Bundesministerium. Dem Modellprojekt wie auch dem Weißbuch sind die Debatten um das Arbeitszeitgesetz vorausgegangen. Hier wurden doch längst Realitäten geschaffen. Eine Öffnung des Arbeitszeitgesetzes wird kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hätten uns an dieser Stelle gerne darüber unterhalten können, welche Kriterien es für das Modellprojekt geben soll: ob nur tariflich gebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer daran teilnehmen sollen oder ob man einzig den Willen des Arbeitnehmers in den Mittelpunkt stellt. Ich habe mich im Wirtschaftsausschuss dazu positioniert. Ich denke, das Modellprojekt sollte für Mecklenburg-Vorpommern geöffnet werden, denn in unserer kleinteiligen Unternehmensstruktur darf es nur um den Arbeitnehmerwillen und nicht um Tarifbindungen gehen.
Über das Modellvorhaben und dessen Chancen für Mecklenburg-Vorpommern wäre eine Debatte sicherlich heute auch sinnvoll gewesen. Aber leider haben wir eine Phantomdiskussion, wir führen hier eine Phantomdiskussion. Sie kommt mindestens ein Dreivierteljahr zu spät. Es wurden längst durch Frau Nahles durch die Experimentierklausel Realitäten geschaffen, und das ist auch gut so.
Und jetzt lassen Sie uns das Arbeitszeitgesetz evaluieren, öffnen, am besten gleich ganz novellieren! Die Argumente dafür liegen auf der Hand. Der 1. Mai aber liegt, denke ich mal, hinter uns allen, und deswegen lassen Sie uns die Klassenkampftöne vermeiden. Gehen wir sachlich an das Thema ran und dann ist es gut so. – Vielen Dank.
Ums Wort gebeten hat der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit. Herr Glawe, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Arbeitszeitgesetz behandelt ein sehr komplexes Rechtsgebiet, in dem die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern so zusammengebracht werden müssen, dass sowohl die
notwendige Flexibilität für die Unternehmen als auch der Arbeitnehmerschutz, insbesondere in gesundheitlicher Hinsicht, gewährleistet werden.
Im Kontext der Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeit erhöhen sich einerseits der steigende Wettbewerbsdruck und die Flexibilitätsanforderungen von Unternehmen, andererseits haben gerade jüngere Beschäftigte andere Flexibilitätserwartungen an moderne Unternehmen als ältere Beschäftigte. Das gilt grundsätzlich auch für die Ausgestaltung der Arbeitszeit, weil soziale Innovationen, in denen die Grenzen von Privatem und Beruflichem zunehmend verschwimmen, an Bedeutung gewinnen. Das kann nur gelingen, wenn Arbeitszeit und flexible Lösungen den betrieblichen Anforderungen und den Wünschen der Beschäftigten entsprechen.
Die Arbeitszeit ist ein zentraler Bestandteil des Arbeitslebens mit direkten Auswirkungen auf unser Privatleben. Die Gestaltung der Arbeitszeit bestimmt zu großen Teilen, welche Zeit zur Erholung und für private Verpflichtungen zur Verfügung steht. Aufgrund der sich verändernden Anforderungen an die Arbeitswelt stehen die Regulation und die Gestaltung der Arbeitszeit im Mittelpunkt politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Diskussionen in Deutschland und, wie ich Herrn Waldmüller entnehmen kann, auch in Mecklenburg-Vorpommern.
Erfolgreiche Unternehmen brauchen vor allem gesunde Arbeitnehmer. Durch die Höchstarbeitszeiten im Arbeitszeitgesetz werden die Mitarbeiterleistungen und die Produktivität gesichert. Auch Fehlzeiten werden reduziert, denn diverse Studien von Arbeitsmedizinern haben ergeben, dass bereits nach acht Stunden die Fehlerquote oder die Verletzbarkeit deutlich steigen. Zudem belegen Arbeitsmediziner, dass dauerhaft längere Arbeitszeiten die Menschen häufiger krank machen.
Die Einhaltung der bestehenden Arbeitszeitregelungen stärken die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben und machen einen Arbeitsplatz vor allen Dingen für Fachkräfte attraktiv. Dies gilt insbesondere für Arbeitsplätze im Gastgewerbe. Die Arbeitszeitgesetze ermöglichen Beschäftigten und Unternehmen heute schon eine Vielzahl von flexiblen Lösungen:
Beschäftigung von Arbeitnehmern bis zu zehn Stunden an sechs Werktagen, wenn innerhalb von sechs Monaten durchschnittlich acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Also, Herr Waldmüller, vielleicht auch mal in diese Richtung mit dem DEHOGA diskutieren, um die Dinge flexibel zu gestalten!