Protocol of the Session on December 9, 2020

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD:

Herr Ritter, Sie waren doch immer

derjenige, der hier eigentlich 22.00 Uhr

immer Schluss machen wollte. ‒

Was? Was wollte ich?

Was wollte ich?)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Fliehkräfte, die das Land ökonomisch und politisch spalten, sind unverkennbar ungleiche Löhne, Einkommen und Vermögen, ungleiche Chancen für Männer und Frauen, ungleiche Bildungszugänge, zunehmende Polarisierung.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Das Panorama sozialer Ungleichheit erhält Risse des gesellschaftlichen Zusammenlebens, ohne dieses verblassen Zukunftsaussichten. Anders gesagt: keine Zukunftsfähigkeit ohne gesellschaftliche Solidarität, ohne gesellschaftlichen Zusammenhalt und keinen gesellschaftlichen Zusammenhalt ohne eine unabhängige, transparente und gemeinnützig handelnde Wohlfahrt. Das ist die erste der drei zentralen Positionen der Linksfraktion im Ergebnis der Arbeit des PUA.

Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ging es um weit mehr als um verurteilungswürdiges Agieren von Verbandsfunktionären, um dubiose Verträge, um suspekte Verquickungen von Partei- und Verbandskarrieren, um bedenkliches Behördenhandeln, um ein zweifelhaftes Verständnis von Gemeinnützigkeit. Worum es im Grunde genommen ging und geht, ist Verantwortung oder das Wahrnehmen von Verantwortung. Welche Verantwortung zum Beispiel tragen wir, die Abgeordneten des Landtags Mecklenburg-Vorpommern, für die Einhaltung des Verfassungsgebotes nach Artikel 19 Absatz 2, der da lautet: „Die soziale Tätigkeit der Kirchen, der Träger der freien Wohlfahrtspflege und der freien Jugendhilfe wird geschützt und gefördert.“

Hat nicht die Politik durch unauskömmliche Finanzierung Helfer in Not selbst in Nöte gebracht? Hat nicht der Paradigmenwechsel von Fürsorge hin zu Marktlogik, Wettbewerb und Leistungsmythen dazu geführt, dass den Wohlfahrtsverbänden sowohl eine soziale Rendite – und das niemandem anderen, nur der Wohlfahrt –, sowohl eine soziale Rendite als auch eine wirtschaftliche Rendite abverlangt wird?

Unter dem Stichwort „Verantwortung“ müssen wir, das ist unsere Auffassung, zunächst selbst Schlüsse ziehen für unser Handeln:

Erstens. Wir brauchen präzise Analysen, um die Bedarfe zu ermitteln. Es gibt Analysen, es gibt Sozialberichterstattung, aber es gibt sie nicht in der Präzision, wie wir sie brauchen, und auch nicht für unser Land insgesamt. Wir brauchen eine bedarfsgerechte Finanzierung und wir brauchen eine wirksame Kontrolle. Das Wohlfahrtsfinanzierungs- und -transparenzgesetz ist ein Instrument, das im Verlauf des Wirkens dieses Parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf den Weg gebracht wurde. Es ist ein Fortschritt gegenüber all dem, was vorher war, aber es ist noch nicht von der Güte, wie wir es benötigen. Und das hat vorhin ja auch eine Rolle gespielt.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das alles, sehr geehrte Damen und Herren, entlässt nicht diejenigen aus der Verantwortung, die an herausgehobener Stelle in der Wohlfahrt tätig sind. Einige, sie sind namentlich bekannt, haben ihre Verantwortung nicht wahrgenommen, mehr noch, sie haben Ihren Zugriff zu Schalthebeln missbraucht und so die ehrenwerte, aufopferungsvolle Arbeit von mehr als 60.000 engagiert arbeitenden Haupt- und Ehrenamtlichen in Misskredit gebracht und mit Füßen getreten. Sie haben die Wohlfahrt als Selbstbedienungsladen und als Akquisefeld behandelt, mit Immobilien, mit Versicherungen, mit Medizinprodukten, mit Beratungsleistungen. Auch wenn noch untersucht wird und es nicht in jedem Falle rechtlich, sozusagen strafrechtlich belangt werden kann, es ist auf alle Fälle ein Handeln, das mit dem moralischen Anspruch der Wohnfahrt unvereinbar war und ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Rainer Albrecht, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, die zweite zentrale Position der Linksfraktion im Ergebnis des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses lautet: Die Ergebnisse des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses müssen in zweifacher Hinsicht als Zäsur begriffen werden. Einerseits geht es um Rückbesinnung auf die Werte der Wohlfahrt. Freie Wohlfahrt beziehungsweise die Unabhängigkeit der Wohlfahrt heißt auch Parteienunabhängigkeit. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ich mich aus sozialen Motiven in einer Partei und zugleich in einem Verband engagiere oder ob ich das Engagement im Verband zur Parteikarriere benutze. Erstgenanntes ist begrüßenswert, das andere nicht. Freie Wohlfahrt heißt Gemeinnützigkeit. Sie ist dann gefährdet, wenn überhohe Vergütungen und Gefälligkeitszahlungen über den Tisch gehen.

Wir erwarten von der Wohlfahrt, dafür zu sorgen, die eigenen Werte zu wahren. Die Ergebnisse des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses müssen auch genutzt werden, um Wohlfahrt neu zu denken. Das ist grundsätzlich im Zeitalter der Digitalisierung geboten. Es ist hier in Rede stehend vor allem geboten, um die gemeinnützigen Vereine und ihre nicht marktfähigen Hilfeangebote von den mittlerweile aufgebauten Konzernstrukturen zu entflechten. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss hat offengelegt, dass die verwickelten Strukturen mit all den jeweiligen Tochterunternehmen nicht mehr transparent sind.

Wir schlagen vor, dass unter Federführung der gerade erst eingerichteten Strategieabteilung der Staatskanzlei eine Arbeitsgruppe „Zukunft der Wohlfahrt in MecklenburgVorpommern“ unter Einbeziehung von Verbänden, Ver

waltung und Politik gebildet wird, womit ich bei der dritten zentralen Position zu den Ergebnissen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses bin.

Die Landesregierung, die Ministerien müssen sich, wie es der Name „Ministre“ sagt, als Dienende verstehen. Das haben sie nicht immer. Es geht nicht an, dass Fördermittel regelmäßig erst Mitte des Jahres ausgezahlt werden können. Und es geht nicht an, dass die Erstellung notwendiger Richtlinien Monate und Jahre dauern. Und es geht nicht an, dass Verwendungsnachweisprüfungen sich über die Dauer von bis zu fünf Jahren hinziehen. All das haben wir in diesen 60 Sitzungen, von denen der Vorsitzende gesprochen hat, erhoben, vieles andere mehr auch. Davon zeugt der Bericht in Gänze, aber auch das umfängliche Sondervotum unserer Fraktion, in dem wir zum einen zum Verfahren Stellung bezogen haben und zum anderen deutlich gemacht haben, wie wir die einzelnen Ergebnisse bewerten.

Ich möchte Sie also noch mal neugierig machen, falls es noch nicht gelungen ist, sich damit auseinanderzusetzen, das zu lesen beziehungsweise auszugsweise darin zu blättern. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss endet, das Thema nicht. Wir haben ein großes Interesse daran, eine zukunftsfähige Wohlfahrt in diesem Land zu haben, die gut aufgestellt ist, so gut aufgestellt ist, dass sie ihren Zielen gerecht werden kann und den Notwendigkeiten entspricht für Menschen, die Hilfe benötigen, für Menschen in Not da zu sein.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und möchte es nicht verabsäumen, mich ebenfalls wie zwei der Vorredner, wie der Vorsitzende und Herr Ehlers, recht herzlich beim Ausschusssekretariat zu bedanken für eine professionelle Arbeit, für eine engagierte Arbeit und für eine korrekte Arbeit. Herzlichen Dank auch dafür!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Nadine Julitz, SPD)

Vielen Dank, Herr Koplin!

Ums Wort gebeten hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schwarz.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Ich kann mich den Reden von Herrn Ehlers und auch von Herrn Koplin vollumfänglich anschließen, mit all den Kritiken, die da drin sind. Gestatten Sie mir trotzdem noch ein paar Worte.

In seinen 60 Sitzungen hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss insgesamt 56 ZeugInnen vernommen und drei von ihnen mehrfach. Dabei wurden Zeugen vollständig aus allen für die Untersuchung relevanten Bereiche vernommen, namentlich aus den Bereichen des Landesrechnungshofes, der Wohlfahrtsverbände, des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, des Sozialministeriums und nicht zuletzt die Ministerinnen.

Thema „Steuerfunktion des Landes“

Entgegen der Auffassung des Landesrechnungshofes im Landesfinanzbericht 2015 ist das Sozialministerium seiner Steuerungsfunktion in hinreichendem Maße nachgekommen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Sagen Sie!)

Als Steuerungsinstrument beziehungsweise als Ausgangspunkt dieser Steuerung dienten insbesondere die sogenannten bereits erwähnten Freitagsgespräche. Dort hat das Ministerium zu anstehenden Aufgaben, zu auftretenden Problemen beziehungsweise geplanten Änderungen in der Förderung offen mit den LIGA-Vertretern kommuniziert. In den Zeugenvernehmungen wurde durch die Landesregierung die Erstellung von Richtlinien als ein weiteres Steuerungsinstrument benannt. Durch das Sozialministerium wurden dem Gesetzgeber verschiedene strukturelle Änderungsvorschläge für die Haushalte 2010/11 und 2012/13 unterbreitet. Mit den entsprechenden Haushaltsbeschlüssen hat der Gesetzgeber die finanziellen Steuerungsmöglichkeiten der Landesregierung in der Förderung der freien Wohlfahrt gestärkt.

„Verwendung von Landesmitteln“

Es ist klar, und es betrifft ja nicht nur die Wohlfahrt, wenn irgendwo Gelder nicht richtig eingesetzt werden oder falsch eingesetzt werden, werden diese Gelder selbstverständlich zurückgefordert.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Ein Schullandheim sitzt auf 200.000 Euro Landesgeld! Nicht zurückgefordert, bis heute!)

Und eins noch mal, Herr de Jesus Fernandes: Der AWOKreisverband Müritz

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Genau von denen!)

hat während des gesamten Untersuchungszeitraums keinerlei Fördermittel vom Land erhalten.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Hören Sie nicht zu? Ich habe es doch eben noch mal gesagt!)

„Transparenzinitiative Wohlfahrtsgesetz“

Der Transparenzinitiative des Sozialministeriums sind alle Landesverbände beigetreten. Und damit wurde sichtbar dokumentiert, dass auch die LIGA selbst für mehr Transparenz und Vertrauen der Wohlfahrtspflege eintreten möchte. Schließlich verabschiedete der Landtag Mecklenburg-Vorpommern auf Vorschlag der Landesregierung Ende des Jahres 2019 das Wohlfahrtsfinanzierungs- und -transparenzgesetz und stellt damit die Förderung auf eine neue Grundlage.

Ich bitte um Zustimmung zur Beschlussempfehlung und möchte mich auch noch mal namens meiner Fraktion natürlich bei dem Ausschussvorsitzenden recht herzlich bedanken ‒ und beim Ausschusssekretariat ‒

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

für seine kompetente, souveräne Ausschussführung. Und das war bestimmt nicht einfach, denn Herr de Jesus Fernandes hat immer wieder versucht, diesen Einsetzungsbeschluss zu unterlaufen, und dem musste natürlich dann auch Herr Schulte rigoros entgegentreten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Herr Abgeordneter Schwarz, zu Ihrem Wortbeitrag liegt mir ein Antrag auf Kurzintervention seitens der Fraktion der AfD vor.

Bitte schön, Herr de Jesus Fernandes!

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Herr Schwarz, Schullandheim Zislow, mehrfach angesprochen, mehrfach im „Medienspiegel“, heute im „Medienspiegel“ auch noch mal drin erwähnt. Das können Sie doch nicht einfach vergessen und unterschlagen! Das sind 200.000 Euro, die die AWO-Einrichtung dort bekommen hat, um ein Schullandheim auch zu betreiben. Und das haben sie bis dato nicht getan. Und sie haben sich ja auch aus der Verantwortung gestohlen, was wie gesagt die Rückforderungen angeht. Man hat jetzt quasi seitens des Ministeriums das auf den Landkreis abgewälzt, eine Stellungnahme sich geben lassen, und dann schiebt man das wieder zurück. Also, wie gesagt, da macht sich das Sozialministerium einen richtig schlanken Fuß mit, das sind Landesgelder. Und nicht nur dort.

Also wenn es darum geht, die ganzen Verknüpfungen und alles und die Verstrickungen hier offenzulegen, dann können Sie gar nicht ausschließen, dass da Landesgeld geflossen ist, weil alle irgendwie, die Gelder, zusammenlaufen in der Geschäftsstelle. Der Betrieb muss ja auch losgehen und die kriegen nun mal alle ihre Finanzierung, ob sie sie vom Land oder übers Land, über die Kommune kriegen, es sind Steuergelder.

(Jochen Schulte, SPD: Wir sind nicht der Rechnungshof des Kreises!)