Protocol of the Session on December 9, 2020

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sie haben überhaupt keine Ergebnisse in der Hand.)

Sie müssen schon zuhören. Ich habe nicht so leise gesprochen, dass Ihnen das entgangen sein dürfte.

Aber, Herr Ritter noch mal, es geht darum, dass wir das Wahlalter bei 18 Jahren behalten werden. Das wird für die Landtagswahlen gelten, genauso für die Bundestagswahlen, davon können Sie ausgehen. Und wenn Sie dann mal wieder die Chance haben, im Deutschen Bundestag für Ordnung zu sorgen, indem Sie da die Regierung übernehmen, dann können Sie ja einen neuen Anlauf wagen. Aber den gönne ich Ihnen eigentlich nicht.

(Beifall und Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der CDU, AfD und Christel Weißig, fraktionslos)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD Herr Grimm.

(Unruhe bei Minister Harry Glawe und Peter Ritter, DIE LINKE)

Und ich würde die Herren Ritter und Glawe bitten,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist einfach flapsig, so was.)

das, was Sie immer austauschen möchten, vielleicht dann außerhalb dieses Plenums zu machen.

Herr Grimm, Sie haben das Wort!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie verkaufen das Parlament für blöd und die Jugendlichen auch. Das macht man einfach nicht.)

Ja, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die Fraktion DIE LINKE hat wieder einmal ihren politischen Experimentierkasten hervorgeholt. Zum wiederholten Mal aufgebaut ist das Experiment „Wahlalter auch für die Landtagswahlen auf 16 senken“. Im fünften Jahr der 7. Legislatur kennen wir den angestaubten Versuchsaufbau leider nur zur Genüge. Bereits in den Jahren 2017 und 2018 ist die Linksfraktion damit hervorgetreten. Neu ist allerdings nun, dass die LINKEN sich auf zwei Gewährsleute berufen, nämlich die Rechtsprofessoren Hermann Heußner und Arne Pautsch, die das derzeit in MecklenburgVorpommern geltende Wahlrecht tatsächlich für verfassungswidrig halten. Das Risiko, dass die Gültigkeit der Wahlen angefochten wird und die Wahlen gegebenenfalls wiederholt werden müssen, sei somit beträchtlich.

So drohen die Rechtsprofessoren in einem Aufsatz der Zeitschrift NordÖR des Jahres 2020, auf den sich die LINKEN in der Begründung zum vorliegenden Antrag explizit berufen, in der Landesverfassung von MecklenburgVorpommern sei kein Mindestalter festgelegt.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das vom Landeswahlgesetz festgelegte Mindestalter von 18 Jahren verstoße aber, so die Experten, gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, der in der Würde des Menschen verankert sei. Es sei erwiesen, dass die große Mehrheit der 16- und 17-Jährigen eine ausreichende Bildung, Reife und Verantwortungsfähigkeit besitzt, weshalb ihr Ausschluss nicht zu rechtfertigen sei.

Sehen wir uns das mal genauer an: Das allgemeine Wahlrecht ist eines der wichtigsten Merkmale moderner Demokratien. Darunter versteht man, dass alle Bürger grundsätzlich das gleiche Wahlrecht besitzen. Dennoch gelten in allen Demokratien Ausschlussgründe für bestimmte Personengruppen. Beispielsweise muss der Wähler oder Gewählte Staatsbürger des betreffenden Landes sein und ein festgesetztes Mindestalter haben. So verhält es sich auch in Mecklenburg-Vorpommern.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Zwar ist ein Mindestalter in der Verfassung nicht geregelt, dies wird jedoch vom Landeswahlgesetz gefordert. Eine solche Regelung entspricht der in vielen Bundesländern und wurde verfassungsrechtlich bislang von niemandem ernsthaft angegriffen. Das im Antrag als aktuelles Rechtsgutachten bezeichnete Elaborat entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Aufsatz in einer eher wenig renommierten Fachzeitschrift. Wer unter den

Juristen beschäftigt sich schon mit NordÖR? Professor Hermann Heußner ist übrigens auch dafür bekannt, dass er an anderer Stelle schon mal das Wahlrecht ab der Geburt fordert. Exoten schreiben also an exotischer Stelle, es fragt sich nur, ob auch für Exoten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Die Fakten:

Erstens. Das Wahlalter in aller Welt liegt fast überall bei 18 Jahren, vereinzelt sogar bei 21 Jahren. Lediglich einige Länder in Südamerika haben ein Wahlalter ab 16, etwa Brasilien, Kuba, Nicaragua.

Zweitens. Außer in Österreich und Malta besteht in allen europäischen Ländern das aktive Wahlrecht zur Europawahl und den Landesparlamenten erst ab 18 Jahren.

Drittens. Bei den Bundestagswahlen dürfen alle Bundesbürger ab dem 18. Lebensjahr wählen. Sie haben dann das aktive und das passive Wahlrecht gleichermaßen.

Viertens. Bei den Kommunalwahlen unterscheidet sich das Wahlrecht von Bundesland zu Bundesland. In 11 von 16 Bundesländern dürfen Jugendliche aktiv ab 16 Jahren bei den Kommunalwahlen mitwählen. Das hat seine guten Gründe, denn ohne Lebenserfahrung ist der Mensch nicht in der Lage, die Folgen seines Handelns hinreichend zu beurteilen und abzuschätzen. Ohne ausreichende Lebenserfahrungen ist die Wahrscheinlichkeit, im Leben eigene Interessen ungewollt preiszugeben, falschen Idealen nachzueifern oder gar Demagogen zum Opfer zu fallen, eher groß.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Erst, wenn mit zunehmender Lebenserfahrung persönliche Reife und Sachverstand gewonnen werden, ändert sich das. Daran hat die heutige moderne Lebensweise nichts geändert. Das Internet und die digitalisierte Gesellschaft haben den alten Lehrsatz, wonach Lebenserfahrung sich nur mit den Lebensjahren einstellt, ebenso wenig entwertet wie neuere, gesellschaftliche Strömungen, etwa „Fridays for Future“ oder Querdenker.

Bildung, Reife und Verantwortungsfähigkeit stellen sich auch heute nun mal nicht schneller ein, als dies früher der Fall war. Die Herabsetzung des Volljährigkeits- und Wahlalters Mitte der 70er-Jahre von 21 auf 18 begründet da nicht etwa eine Regel, wonach ein allgemeiner Trend zu immer niedrigeren Altershürden anzuerkennen sei. Mit der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 verschwand 1975 eine fast 100 Jahre alte Regelung. Mit 18 sollte man von nun an voll geschäftsfähig werden, über ein eigenes Vermögen verfügen dürfen, Verträge schließen, den Wohnort frei bestimmen und nach eigener Wahl eine Ausbildung beginnen können.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auch 45 Jahre später beabsichtigen wir als Alternative für Deutschland nicht, die Altersgrenze abzusenken, weder für das Wahlrecht noch für andere rechtliche Beschränkungen, die für Jugendliche unter 18 Jahren derzeit gelten. An einer Bundestags- oder Europawahl teilzunehmen, bedeutet nämlich auch, Verantwortung für die Wahlentscheidungen zu übernehmen. Sollten Jugendliche nach Ihrem Verständnis also schon ab 16 Jahre als voll ge

schäftsfähig angesehen werden? Welche Maßstäbe legen Sie dann an, das Wahlalter auf 16 Jahre festzulegen? Wieso fordern Sie denn eigentlich nicht gleich eine Absenkung auf 14 Jahre? Immerhin dürfen Menschen ab diesem Alter frei über ihre Religionszugehörigkeit entscheiden.

Fakt ist, Wahlen sind kein Spiel. Ihr Ergebnis muss auf einen öffentlichen, nach Möglichkeit mit rationalen Argumenten zu führenden Diskurs zwischen Wählern und zu Wählenden zurückführbar sein. Das Wahlrecht setzt die Fähigkeit voraus, an einem solchen Kommunikationsprozess mit eigenem Verständnis teilzunehmen. Ein solcher Grad an Verstandesreife kann typischerweise bei den über 18-Jährigen leichter vorausgesetzt werden, bei den 16- bis 17-Jährigen jedenfalls noch nicht in demselben Umfang.

Meistens begründen die LINKEN ihre Anträge auf Absenkung des Wahlalters damit, das Interesse der Jugend an der Politik dadurch zu wecken. Davon abgesehen, dass ein zentraler Aspekt der freiheitlichen Demokratie nicht als pädagogisches Hilfsmittel zum schulischen Politikunterricht degradiert werden sollte, sprechen Wissenschaft und empirische Erfahrungen dagegen eindeutig eine andere Sprache. Laut einer Studie der Universität Hohenheim besitzen Jugendliche unter 18 Jahren ein signifikant geringeres politisches Interesse als junge Menschen über dieser Altersgrenze. Gleiches gilt für das Verständnis von politischer Kommunikation.

Die Erfahrungen aus verschiedenen Bundesländern mit dem Wahlrecht ab 16 sprechen ebenfalls für sich. In Sachsen-Anhalt, das 1999 das Wahlalter absenkte, lässt sich sogar in einem Zeitraum von über zehn Jahren keine Zunahme der Stimmabgabe von Jugendlichen unter 18 Jahren feststellen. Die Partizipation der unter 18-Jährigen lag zudem durchweg unter der durchschnittlichen Wahlbeteiligung. In Hessen wurde das Wahlalter nach einer Experimentierphase sogar wieder auf 18 Jahre erhöht.

Zurück zu den Gewährsleuten der LINKEN, den Rechtsprofessoren und ihrem Aufsatz. Laut Heußner und Pautsch geht es in Mecklenburg-Vorpommern um die Stimmen von knapp 25.000 16- bis 17-Jährigen. Die unter 18-Jährigen würden 1,85 Prozent der Wahlberechtigten stellen, schreiben sie. Politisch wären SPD und CDU eher die Verlierer einer Wahlalterabsenkung, denn kleinere Parteien und insbesondere die GRÜNEN erhalten in den jüngeren Wählerkohorten deutlich höhere Stimmenanteile, heißt es in dem Aufsatz der Experten.

Man könnte nun über die wahre Motivation der LINKEN für diesen Antrag trefflich spekulieren. Wir als AfD jedenfalls haben gute Gründe gegen ein Wahlrecht mit 16 dargelegt. Wir werden Ihren Antrag ebenso wie die Überweisung in etwaige Ausschüsse daher ablehnen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD, Holger Arppe, fraktionslos, und Christel Weißig, fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau …

Ach, nee, Moment mal!

(Die Abgeordnete Martina Tegtmeier stellt das Rednerpult ein.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen!

Herr Grimm, dass die AfD das Wahlalter 16 ablehnt, Jugendbeteiligung ablehnt,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Stimmt nicht!)

politische Bildung von Kindern ablehnt,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

haben Sie uns hier ja immer wieder gesagt.

(Zuruf von Stephan J. Reuken, AfD)

Das ist nichts Neues, da bleiben Sie ja Ihrer Linie treu.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das ist ein Antrag der LINKEN übrigens, Frau Tegtmeier!)

Und langsam wird es auch ein bisschen langweilig, immer wieder dieselben Argumente zu hören,