Protocol of the Session on December 9, 2020

Wie? –

Wir kommen

nächste Woche mal klopfen! –

Ja, dann klopft

doch! Euch stehen die Türen immer offen.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute!

Frau Kollegin Bernhardt, Sie haben es ja schon selbst erwähnt, das gibt es doch alles schon, was Sie hier fordern, und das hat auch der Wirtschaftsminister gerade ausführlich hier beschrieben und hat auch ausreichend Ablehnungsgründe genannt. Dennoch möchte ich es mir nicht nehmen lassen, auch zu Ihrem Antrag, zu Ihrem Gesetzentwurf zu sprechen. Ich muss Ihnen erwidern, wer vermeintlich etwas zugunsten von Kindern und Jugendlichen bewegt, will sich des Beifalls und der Zustimmung immer gewiss sein. Wer denn wollte je etwas gegen die Rechte von Kindern und Jugendlichen sagen

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sie!)

und gegen die Ausweitung dieser Rechte zugunsten dessen,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sie!)

was namentlich der LINKEN ja bekanntlich Herzensanliegen ist: die Gerechtigkeit, ein Herz für Kinder, „Kinder an die Macht“, wie Grönemeyer einst grölte, überhaupt Gerechtigkeit für alle, gleiche Rechte, möglichst sogar allumfassende Gleichheit per Teilhabe an allem, mehr Rechte, Gerechtigkeit, Gleichheit, alles positiv konnotiert, keine Einwände zulassen und nicht den Einwender im negativen Licht erscheinen ließen.

Aber wenn meine Fraktion hier, sehr geehrte Kollegen von der LINKEN, Ihrem Antrag auf eine verpflichtende Verankerung von unmittelbaren Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen in der Kommunalverfassung nicht zustimmen wird, so wollen wir damit nicht die Kinder und Jugendlichen diskriminieren, deren wachen und bewussten Teil wir uns nicht nur politisch mündig, sondern möglichst ebenso an die Seite wünschen wie Sie. Wir wollen jedoch ‒ ja, konservativ ‒ darauf hinweisen,

dass es im Einzelnen mit der Urteilsfähigkeit von den Jungen und Jüngsten nicht ganz so einfach ist, wie es andererseits auch mit der gerechten Gesellschaft mündiger Bürger komplizierter aussieht, als Sie sich das gemeinhin so wünschen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD ‒ Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Mit Älteren unter Umständen auch nicht! ‒ Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Zudem wird es zum Problem, wenn Sie die demokratischen Teilhaberechte überdehnen. Beziehen Sie mit Entscheidungs- und Rederecht die Kinder ein, so werden andere Gruppen gleiche Rechte einfordern – Senioren, Diverse, überhaupt alle Sachverwalter eigener Angelegenheiten ‒, die sich vermeintlicher Wichtigkeit wegen privilegierter wahrgenommen wünschen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Demokratie kann es aber so total und direkt nicht geben. Sie sollte stets repräsentativ bleiben. Es ist ihr nicht zuträglich, wenn alle und jeder sogleich gehört werden kann und somit entscheidungsberechtigt ist.

(Beifall Horst Förster, AfD)

Demokratie, auch die kommunale, steht nicht in der Pflicht, das absolut Gute zu verwirklichen, sondern das zwischen Menschen Mögliche auszuhandeln, wobei es mitunter nur beim Zweckmäßigen bleiben wird, manchmal lediglich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner, meine Damen und Herren.

Die Welt des Kindes ist zunächst nicht Politik, sondern die Kindheit, in der wiederum nicht die Politik eine entscheidende Rolle spielen sollte, sondern vielmehr das Spiel selbst, das große Ausprobieren, die Fantasie, und dies alles in einer Geborgenheit und Busenwärme des Elternhauses und nicht im Gemeinderat, meine Damen und Herren!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Interesse der Kinder müssen maßgeblich die Erwachsenen handeln, weil sie die Übersicht haben, weil ihnen Urteilskraft und Handlungskompetenz zukommt. Die Empathie, kindgerechte Bedingungen zu schaffen und die Bedürfnisse der Kinder im Blick zu haben, muss und darf ihnen zugetraut werden, während die Kinder auf dem Bolzplatz, beim Baden oder beim Angeln sind, sich die Ostseewinde um die Nase pusten lassen, und nicht die teilweise kühle Rhetorik in diesen Gemeinderäten, meine Damen und Herren!

„Kinder an die Macht“, das ist zu einfach, nicht nur illusionär und naiv, sondern sogar gefährlich, insofern so mehr versprochen wird, als gehalten werden kann. Man sollte überhaupt nicht beständig allen alles versprechen wollen, gerade Kindern nicht, schon gar nicht das Falsche. Demokratie heißt gerade nicht, es allen recht machen zu können, sondern eher auszuhalten, dass man es eben nicht allen recht machen kann. Eine Ausgangslage, die dann in vernünftige Kompromisse mündet – so läuft Demokratie und so läuft das politische Geschäft.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Geschäft! Betonung auf „Geschäft“!)

Eine Art Urdemokratie plebiszitären Zuschnitts stellt eher ein Problem als eine Chance dar. Sie, geehrte Kollegen von der LINKEN, folgen damit einer typisch futuristischen Illusion.

Unsere Gesellschaft bietet genügend interessante Möglichkeiten der Mitwirkung. Diese beginnt nicht mit der unmittelbaren Teilnahme am legislativen Prozess und an den exekutiven Entscheidungen. Das gilt für Gemeinden ebenso wie für die Landesverfassung. Was gut klingt und gut aussieht, das muss substanziell noch nicht gut sein, noch nicht mal im Sinne des Adressaten, den Sie da im Auge haben, meine Damen und Herren, die Heranwachsenden nämlich. Indem Sie ihnen ein Kompliment machen,

(Heiterkeit bei Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

vorzugsweise vermutlich der linken Jugend, dürften sie wohl bei ihr Punkte sammeln, aber vielleicht sollten Sie selbst erwachsener überlegen und weniger infantil an das Problem herangehen.

(Beifall Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Reife, Urteilskraft, qualifizierte Mitwirkung und dergleichen sollte eher erworben werden, als dass es ihr flott diktiert wird. Wir haben schon innerhalb der von Ihnen maßgeblich verantworteten Bildungspolitik damit zu ringen, dass Qualifikationen, Kompetenzen und Abschlüsse eher dekretiert werden, als angestrengt errungen werden, mit der fatalen Folge, dass den Schülern zwar ein Kompliment gemacht wurde, sie aber zu wenig können und sich deswegen trotz des stets überbordenden Lobes und so guter Zeugnisse wie nie im Stich gelassen fühlen. Der Lehrling, der Student, der junge Facharbeiter und Wissenschaftler, sie alle bedürfen einer guten Ausbildung und gründlicher Prüfungen. Einer solchen bedarf es für die Ausübung der Mitwirkung in Gemeindeangelegenheiten zwar nicht, was wir mitunter still bedauern mögen, aber eben deswegen gilt umso mehr nach wie vor das Alter als einziger Indikator dafür, die erforderliche Reife für die Entscheidungsfähigkeit über unsere politischen Geschicke erwarten zu dürfen.

Sie, sehr geehrte Damen und Herren zur Linken, legen einfach billigerweise fest, Kinder sind längst reif genug, überall mitreden und mitwirken zu können, so, wie Sie von der LINKEN ja gleichzeitig die Absenkung des Wahlalters fordern, was im nächsten Tagesordnungspunkt besprochen wird.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Richtig! Das machen wir, aus vollster Überzeugung.)

Sie rüsten das mit einem Autoritätsbeweis auf der UNKinderrechtskonvention, so, wie Sie die von Ihnen befeuerte unsinnige Inklusionskampagne immerfort mit der UN-Behindertenkonvention aufrüsten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nur noch mal fürs Protokoll: „unsinnige Inklusionskampagne“!)

Kinder und Jugendliche partizipieren schon jetzt an politischen Entscheidungen und üben sich darin sehr aktiv, Herr Ritter.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Sie tun dies innerhalb der Familie und dort nicht zuletzt im Gespräch über politische Themen mit den Eltern. Sie praktizieren es in der Schule, wo politische Reife mehr denn je gefordert ist, wenn man sich als Schüler gegenüber politischer Vorvereinnahmung couragiert abzugrenzen versucht,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

zumal im geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht wieder mal eher das angepasste Bekenntnis als die kritische Urteilskraft positiv benotet wird. Sie wissen ja, welche über die Bundes- beziehungsweise Landeszentrale an der Schule akkreditierten einschlägigen Vereine für Indoktrination in Ihrem Sinne sorgen und uns, die AfD, als mindestens potenzielle Nazis diskreditieren. Längst wird Heranwachsenden wieder Staatsbürgerkunde vermittelt, sodass Schüler beispielsweise den Bildersturm auf Straßennamen und Denkmale im vermeintlich antiimperialistischen oder antikolonialistischen Sinne doch gefälligst gutzuheißen, jedenfalls nicht aber zu kritisieren haben.

Ich möchte Ihnen nicht unterstellen, dass Sie selbst Kinder in einem ideologisch indoktrinierten Sinne instrumentalisieren wollten. Ich würde es jedoch nicht ausschließen, indem Sie vermutlich nach wie vor meinen, dass das, was in Ihrem Sinne sei, unbedingt der guten Sache entspricht, so, wie die Lehre, der Sie einst folgten, der Marxismus-Leninismus, ja angeblich allmächtig gewesen sei, weil sie wahr wäre.

Aus der UN-Kinderrechtskonvention zitieren Sie Artikel 12, ich zitiere: „Berücksichtigung des Kindeswillens … Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“ Zitatende. Wenn man das liest, erkennt man, dies alles ist wortwörtlich in der bestehenden Kommunalverfassung längst berücksichtigt und gesichert. Am Unterschied der Modalverben „können“ und „sollen“ hängt in dem Fall nichts Entscheidendes, wenn die Gemeinden den Kindern nur die ihnen gebührende Aufmerksamkeit widmen, was man ja wohl erwarten darf in der Weise, wie man es auch von Eltern erwartet. Sie hätten für die von Ihnen erstrebten Veränderungen im Verfassungstext letztlich ja sogar das Verb „müssen“ vorschlagen können, um das Problem noch weiter zu mystifizieren.

Das alles ist bloße Rhetorik und Scheindramatik. Es verbessert sich so weder etwas für die Gemeinden noch für Kinder, was nicht ohne die von Ihnen beabsichtigten Veränderungen verbessert werden könnte oder sollte oder müsste. Die Fraktion DIE LINKE will in der Begründung Ihres Antrages dem Parlament die Zustimmung zu Mitwirkungsrechten von Kindern geradezu suggerieren. Es könne nur gut sein, je jünger, desto besser.

In Ihrem parallel laufenden Antrag zum Wahlalter stellen Sie uns das Pro und Kontra zu dessen Absenkung sogar verbraucherfreundlich tabellarisch gegenüber, praktischerweise so, dass das, was unter Kontra verneint, unter Pro einfach enthusiastisch bejaht wird. Und dem, so die Erwartung, wird sich doch dann niemand verschließen wollen oder können.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Mehr noch, hier wird sich doch niemand vernünftigerweise, zumal als Demokrat, verschließen dürfen, legt uns DIE LINKE ans Herz.

Wer in der Frage des herabgesetzten Wahl- und Mitwirkungsalters noch relativierend argumentieren und einfach bedachtsam und kindgerecht sein möchte, der ist nach linker Lesart nicht nur kein Freund der Jugend, sondern ein Ewiggestriger, der noch nicht registriert hat, wie sehr wir uns frühreife Kinder und einer politisch nicht nur interessierten, sondern gebildeten und daher urteilskräftigen Jugend erfreuen dürfen. Vermutlich denken Sie dabei wieder an die Gefahr von rechts, die der Jugend ja angeblich droht. Wer nicht links ist, dem, so Ihre Logik, fehlt es natürlich an Reife, die der linken Jugend und den linken jungen Wählern zukommt.

Das ist übrigens Ihr Kalkül: Bereits die Jüngsten, von der Schule durch einschlägige Demokratie- und Gegenrechts-Projekte politisch richtig eingestellt, entscheiden ‒ hoffen Sie ‒ eher links. Und in den Gremien und Vertretungen werden sie linke Entscheidungen mittragen, und wenn nicht linke, dann mindestens sehr grüne, wie es die Schulstreicher von „Fridays for Future“ zu Ihrer Freude zeigen.

Es braucht kein herabgesetztes Alter zur Mitwirkung, schon gar nicht mit der Begründung, die Interessen der Kinder und Jugendlichen fänden bei Entscheidungen von Erwachsenen keine Berücksichtigung, meine Damen und Herren. Kinder bedürfen der Bildung und Reifung, mehr noch aber der Muße und gerade nicht politischer Vereinnahmung. Entscheiden soll, wer erwachsen ist, weil erst dann eine gewisse Gewähr dafür besteht, dass er langfristig sowohl im Sinne eigener Interessen als auch möglichst zum Wohle aller zu wirken versteht.

(Beifall Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, werden wir auch der Überweisung nicht zustimmen können. – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)