Protocol of the Session on October 30, 2020

Abschließend möchte ich einen Schwenk, wie gesagt, zu unserem Nachbarn Frankreich machen, wo man ganz anders mit der Geschichte und den Symbolen umgeht. Lesen Sie mal – Herr Krüger, das wäre für Sie eine gute Lektüre – den blutrünstigen Text der Marseillaise, ursprünglich ein Kriegslied an die Armee am Rhein, mit einem bemerkenswerten Refrain, der da lautet: „… marschieren wir! Bis unreines Blut unserer Äcker Furchen tränkt!“. Gemeint ist das Blut der Deutschen.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Rassistischer, fremdenfeindlicher geht es kaum.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Macron singt diesen Text mit Inbrunst, wir stürzen Ernst Moritz Arndt wegen Franzosenhasses vor dem Hintergrund der Befreiungskriege vom Sockel. Wann, liebes Deutschland, wirst du wieder normal? – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Herr Abgeordneter, Ihre Äußerung „scheinheilige Demokratiewächter“, das weise ich als unparlamentarisch zurück.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD Herr Barlen.

(Unruhe bei Thomas de Jesus Fernandes, AfD – Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Förster, Sie haben hier eine wirklich tief blicken lassende Rede gehalten. Dass Schwarz-Weiß-Rot zu Ihrer Identität gehört, das glaube ich wirklich gerne. Es ist auch klar, dass Schwarz-Weiß-Rot zu Ihrer Identität gehört, weil es das Symbol ist für Antidemokraten.

(Zuruf aus dem Plenum: So ein Blödsinn! – Zuruf von Ralf Borschke, AfD)

Sie haben eine einseitige Sichtweise unterstellt. Sie haben uns ein Festhalten an politischer Korrektheit unterstellt. Sie haben uns in Ihrer, in meinen Augen, wirklich verklärenden Rede ein gebrochenes Verhältnis zur Geschichte unterstellt.

(Heiterkeit bei Horst Förster, AfD)

Ich glaube, dieses gebrochene Verhältnis zur Geschichte, das haben vor allen Dingen Sie. Sie haben vor allen Dingen ein ganz bewusst verantwortungsloses Verhältnis zur Geschichte.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Herr Förster, wer wie Sie ganz bewusst hier am Pult die Augen davor verschließen will, dass die Reichsflagge, die Reichskriegsflagge de facto zur Schau gestellt werden, um eine antidemokratische, um eine antiplurale Sichtweise zu dokumentieren, der legitimiert damit ganz bewusst antidemokratische und damit auch verfassungsfeindliche Bestrebungen in unserem Land, und dagegen wenden wir uns, meine Damen und Herren.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das ist schon wieder widerliche Brandstifterei von Ihnen.)

Wer mit den Farben des NS läuft, der steht für Hass und Hetze. Wer das verteidigt, der zeigt einfach, wes Geistes Kind er ist, und deshalb, lieber Kollege Ritter, ist es auch richtig gut, dass Sie diesen Antrag hier auf der Tagesordnung belassen haben. Das gibt uns nämlich die Möglichkeit, hier über ein Thema zu sprechen, was auch unserer Fraktion wirklich sehr am Herzen liegt. Ich plau

dere nicht zu viel aus dem Nähkästchen, wenn ich sage, dass wir auch als Regierungskoalition ganz kurz davorstanden, einen gemeinsamen Antrag zu diesem Thema auf den Weg zu bringen.

Und dann kam aber der Erlass um die Ecke, ganz unverhofft und auch für mich wirklich erfreulich, möchte ich sagen. Das finde ich gut, dass es diesen Erlass gibt, denn völlig klar ist, auch unsere Fraktion unterstützt das Ansinnen, die Verwendung von Reichskriegsflaggen und der Reichsflaggen durch die Gegner unserer Demokratie zu unterbinden. Darum geht es, denn die genannten Flaggen werden seit Jahren von Rechtsextremen, von Reichsbürgern, von Demokratiefeinden als Ersatz, eins zu eins als Ersatz der verbotenen Symbole des Nationalsozialismus und generell zur Dokumentation einer Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie wir sie heute in unserem Grundgesetz finden, bei öffentlichen Aufmärschen gezeigt.

Und darum möchte ich sagen, meine Damen und Herren, ich bin Innenminister Caffier verbunden, dass er unserem gemeinsamen Wunsch nach einer entsprechenden Landesregelung, analog zu dem, was auch die Bremer Kolleginnen und Kollegen vorgelegt hatten, so zügig nachgekommen ist. Diese Klarheit, dieses Tempo auch bei der Positionierung gegen rechts, das wünsche ich mir, das wünschen wir uns als SPD-Fraktion, und das möchte ich an dieser Stelle auch wirklich ausdrücklich sagen, dass wir das anerkennen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Der Erlass sagt es selber, der am Dienstag vorgestellte Text kann dabei wahrscheinlich nur ein erster Schritt sein. Wir brauchen weiter gehende Regelungen, beispielsweise das generelle Verbot des Zeigens der unterschiedlichen Reichskriegsflagge, nicht nur, wenn das im Geleitzug mit aggressivem, mit provokativem Verhalten geschieht. Hierbei gilt es – und das ist ja auch entsprechend angekündigt im Kreise der Innenminister –, im Sinne einer bundesweit einheitlichen Regelung zu werben, und deren Ziel muss letztlich eine bundesweit klare, eine unmissverständliche und vor allen Dingen aber auch eine praxistaugliche Regelung sein,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

die keine Missverständnisse aufkommen lässt und die auch so gefasst ist, dass die Polizistinnen und Polizisten hier im Land damit ihre Arbeit machen können, dass sie das gut anwenden können in ihrem Arbeitsalltag. Das muss erreicht werden.

Wenn man jetzt beispielsweise schaut: Was ist mit der Reichsdienstflagge von 1933 bis 1935? Was ist mit der Flagge der Handelsmarine der Weimarer Republik, der Reichspostflagge, den Dienstflaggen der Reichsbehörden zur See in den unterschiedlichen Fassungen? Die sind jetzt von der Verordnung oder von dem Erlass – Entschuldigung – nicht erfasst. Wie ist mit solchen Flaggen und mit solchen Fahnen eigentlich umzugehen?

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Die sind ja für den Betrachter auf den ersten, aber auch auf den zweiten Blick eigentlich zu 95 Prozent gar nicht zu unterscheiden von den anderen Flaggen. Da wird es also sicherlich auch die eine oder andere findige Idee

von Demoteilnehmern geben und auch dementsprechend die eine oder andere Diskussion. Also hier, klar, muss es irgendwo eine größere Lösung geben.

Meine Damen und Herren, die jetzige Regelung mag noch nicht perfekt sein, aber sie ist zum jetzigen Zeitpunkt folgerichtig. Demokratiefeindliche, letzten Endes menschenfeindliche Aufmärsche wird es in MecklenburgVorpommern zukünftig nicht mehr mit wehenden Reichsflaggen, mit wehenden Reichskriegsflaggen geben. Das ist gut so! Aber, meine Damen und Herren, wir brauchen uns an dieser Stelle auch nichts vorzumachen – und deshalb, Herr Förster, können Sie sich Ihre verklärenden Äußerungen auch ein Stück weit gehackt legen –, am Ende diskutieren wir jetzt nicht über die eine Fahne oder über die andere Fahne, sondern wir diskutieren über Einstellungen, unsere Einstellungen, unsere Haltung zur Demokratie, zur Pluralität, zu einem friedlichen Miteinander.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Und auch wenn mit der Verordnung zur Reichskriegsflagge oder zur Reichsflagge und deren Verbannung aus dem öffentlichen Raum das bei Aufmärschen weitgehend sich dann erledigt hat, dann wird das Grundproblem immer noch da sein. Dann werden Menschen immer noch, insbesondere am rechten Rand der Gesellschaft, menschenfeindliche und auch demokratiefeindliche Ideen haben, werden diesen Ideen anhängen, die werden sich weiter auch ohne diese Flaggen im öffentlichen Raum, in den digitalen Medien ebenso wie im richtigen Leben treffen, organisieren, radikalisieren. Die genannten und durch den Erlass jetzt auch verbotenen Flaggen im öffentlichen Raum sind doch nur ein Symbol, ein Symptom für ein deutlich tiefer liegendes Problem in unserer Gesellschaft.

Und deshalb, meine Damen und Herren, müssen und werden wir den Feinden unserer Demokratie nicht nur ihre Flaggen nehmen, sondern wir müssen ihnen jeden Fußbreit nehmen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Wir müssen, meine Damen und Herren, weiterhin und mit noch mehr Elan die Arbeit gegen Menschenfeinde, gegen Demokratiefeinde, gegen Staatsfeinde fortsetzen, müssen Bildungs- und Aufklärungsarbeit für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung stärken. Unsere Aufgabe hier im Parlament, aber auch außerhalb der Parlamente ist es daher, uns nicht nur mit Symptomen zu beschäftigen, sondern vor allen Dingen auch mit den Ursachen des Problems. Woher kommt Menschenhass? Woher kommt Rassismus? Woher kommt die Ablehnung unserer demokratischen Staatsform, die den Menschen in diesem Land den größten Wohlstand in ihrer gesamten Geschichte ermöglicht hat?

Ich persönlich sehe eine der wesentlichen Ursachen auch im ganz bewusst geschürten, im ganz bewusst befeuerten, im ganz bewusst auch gewünschten Auseinanderdriften von Gesellschaft in radikaler werdenden Diskursen. Nehmen wir zum Beispiel eine ganz aktuelle Diskussion über das Tragen von Masken, die wir hier auch im Landtag schon das eine oder andere Mal geführt haben – ich glaube, gleich ist noch ein Antrag auf der

Tagesordnung –: Da wird einer Landesregierung eine diktatorische Herangehensweise vorgeworfen, obwohl selten Entscheidungen in diesem Land auf eine derart breite gesellschaftliche Zustimmung stoßen. Da wird von, Zitat, „Sportpalast“, Zitatende, oder von, Zitat, „Endsieg“, Zitatende, gesprochen.

(Thomas Krüger, SPD: Genau so!)

Da wird die jahrzehntealte, man würde sagen, glaube ich, jahrhundertealte medizinische Erkenntnis, wenn wir an die Schwarze Pest denken,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das können Sie doch nachher bringen, Mensch, zum Thema!)

die medizinische Erkenntnis, dass Masken die Verbreitung von sich über Tröpfchen verbreitenden Viren sehr deutlich reduzieren und Menschen schützen, wird diese wirklich total eingängige Feststellung und auch Festlegung, die wird mit allen möglichen Grausamkeiten der Menschheitsgeschichte verglichen. Da werden greise weiße Männer als Kronzeugen

(Zuruf von Ralf Borschke, AfD)

einer maskenfreien Gesellschaft herangezogen, da wird der Maskenverzicht zum zivilen Ungehorsam gegenüber einer vermeintlich unterdrückenden Staatsmacht stilisiert,

(Zuruf von Ralf Borschke, AfD)

da werden Politikerinnen und Politiker auf entsprechenden Demonstrationen in Sträflingskleidung mit in Frakturschrift gehaltenem „schuldig“ darüber gezeigt. Ja, und das ist im Grunde ein Diskurs, der dazu führt, dass unsere Gesellschaft zusammenhält, dass wir gemeinsam demokratisch versuchen, die besten Lösungen zu finden? Mitnichten!

Meine Damen und Herren, Menschen laufen nicht von sich selber aus mit Reichsflaggen oder mit Reichskriegsflaggen los. Menschen werden von Menschenfängern erst gegen unser Gesellschaftssystem, gegen eine demokratische Staatsform ganz bewusst radikalisiert, bevor sie dann aktiv werden, bevor sie auf die Straße gehen, bevor sie auf Demonstrationen zur Ablehnung der Demokratie die Symbole der Vergangenheit schwenken. Wenn wir Reichskriegsflaggen in unserem Land den Kampf ansagen, dann ist das der erste Schritt.

Meine Fraktion, und ich hoffe, wir demokratischen Kräfte dieses Landtages alle gemeinsam, wir sagen denen den Kampf an, die unsere Gesellschaft zu spalten versuchen mit Lügen, mit Manipulation, mit bewusster Zuspitzung. Und wir kämpfen hier in diesem Land seit 30 Jahren gemeinsam für ein demokratisches, für ein friedliches und weltoffenes Mecklenburg-Vorpommern, und wir werden das auch in den kommenden 30 Jahren mit Herzblut tun, und zwar bei den Symptomen und auch bei den Ursachen. – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Herr Abgeordneter Barlen, zu Ihrem Wortbeitrag gibt es einen Antrag auf Kurzintervention seitens der Fraktion der AfD.

Professor Dr. Weber!