Und wenn es darum gehen sollte, was machen wir, das einfach als Fakt so in den Raum zu schmeißen, ohne zu sagen, was tun, dann hilft das auch noch nicht bei der Oppositionsarbeit. Ich könnte ja jetzt sagen, der Männerriege der AfD, anregen, wir bräuchten mehr Nachwuchs, aber untereinander wird das nicht funktionieren, also müssen wir das auch auf einem anderen Wege tun.
Also, meine Damen und Herren, was mich stört, ist, dass man verschiedene Fakten nimmt, dass man verschiedene Fakten nimmt, sie in den Raum stellt, aber die Vergleiche gar nicht zieht.
Also das Thema Einwohnerverlust: Natürlich haben wir in den 90er-Jahren zu beklagen gehabt, dass viele junge Menschen das Land Mecklenburg-Vorpommern verlassen haben. Das war auch vor 15/20 Jahren noch so. Und wir hatten eine Arbeitslosigkeit damals von 23/24 Prozent. Ich habe all diese Phasen mitgemacht, meine Damen und Herren. Heute haben wir eine Arbeitslosigkeit – ja, Arbeitslosigkeit ist schwierig – von 7,6 Prozent, letzte Quote, und, das hätte sich niemand vorstellen können vor 15 Jahren, wir liegen damit sogar vor dem Land Nordrhein-Westfalen.
Also bitte, wenn Sie solche Behauptungen machen, wenn Sie über die Themen ernsthaft reden wollen, dann muss man auch immer die Vergleiche ziehen, was geschafft worden ist und wo haben wir noch Probleme, die wir gemeinsam lösen müssen. Da kann man 23-mal über die Treuhand in der Vergangenheit reden. Alle wissen, dass die Sachen nicht so gelaufen sind, wie sie hätten laufen sollen. Aber wir müssen darüber diskutieren, wie wir heute Industriepolitik für Mecklenburg-Vorpommern machen können. Da habe ich nun gar nichts zu gehört. Das wäre eigentlich an der Stelle wichtig gewesen.
Und, meine Damen und Herren, wir haben natürlich keinen einfachen Prozess der deutschen Einheit gehabt, wir haben keinen einfachen Prozess zum Aufbau Ost gehabt, aber wir sind Zug um Zug weiter vorangekommen mit Mecklenburg-Vorpommern, auch was die Anpassung
an den Durchschnitt aller Bundesländer und auch der westlichen Länder angeht. Auch dazu immer nur eine Zahl, kein Vergleich zur Vergangenheit. Dass sehr viel erreicht worden ist bei der Ostrente, bei bestimmten ostdeutschen Biografien, das ist unzweifelhaft. Dass es an manchen Stellen nicht reicht, dass wir darüber reden müssen – Stichwort „Grundrente“ haben Sie ja genannt –, wie man das verbessern kann, ist auch unzweifelhaft.
Und, meine Damen und Herren, was mir viel zu wenig vorkommt – weil Sie gesagt haben, junge Leute verlassen das Land –, heute müssen wir allen jungen Leuten sagen, die hier im Lande sind: Ihr werdet alle gebraucht,
Und ich merke das, auch da haben wir natürlich immer nicht so reagiert, wie man das tun sollte. Wir haben ein strenges Personalkonzept gehabt. Sie haben ja auch auf die Haushaltssituation hingewiesen. Wir haben sehr viel gespart an Personal in den letzten Jahren. Aber jetzt sage ich Ihnen mal ein Beispiel als Finanzminister. Dann komme ich ins Finanzministerium – neu – und stelle fest, dass in den letzten Jahren in einigen Jahrgängen gar nicht mehr ausgebildet worden ist. Das, sage ich sehr deutlich und das habe ich auch intern gesagt, war falsch. Und wir sind jetzt dabei, die Ausbildungsklassen zu erhöhen, erst eine Klasse, dann zwei Klassen. Wir reden jetzt über das Thema dritte Klasse in Güstrow für die Finanzverwaltung, die Finanzanwärterinnen und -anwärter, weil das ist der richtige Weg, jungen Leuten zu zeigen, wir brauchen euch alle, wir sind attraktiv, wir bieten euch entsprechende Arbeitsplätze. Und das gilt genauso für die Unternehmen im Lande Mecklenburg-Vorpommern. Und das müssen wir auch gemeinsam an der Stelle voranbringen.
Das Gleiche gilt für die Wirtschaftskraft. Natürlich haben wir noch nicht den Durchschnitt der westlichen Länder erreicht. Aber auch hier haben wir in den letzten Jahren Fortschritte erzielt. Und insofern bitte ich doch darum, dass man klar sagt, ja, das Glas ist halb voll, aber nicht dauernd immer diese Glas-halb-leer-Formeln, die bringen uns überhaupt nicht weiter. Und insofern, wenn Sie den Anspruch haben, als Opposition richtige Konzepte vorzuzeigen, dann habe ich heute gar nichts gehört.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Torsten Koplin, DIE LINKE – Wolfgang Waldmüller, CDU: Wohl wahr!)
Das Schönste war natürlich, Sie beklagen, dass die Einkommen in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht so weit sind. Ja, das ist so. Ja, deswegen möchte die Landesregierung in verschiedenen Runden, auch mit der Wirtschaft, mit den Gewerkschaften, dass wir zu vermehrter Tarifbindung kommen, weil die Tarifbindung dazu führt, dass auch die Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steigen.
Aber dass Sie dann ausgerechnet die größte Nettoerhöhung, Nettoerhöhung für die Einkommen von Familien, nämlich die beitragsfreie Kita, als Beispiel dafür nennen,
dass das Ausgaben sind, die man nicht finanzieren kann, das schlägt dem Fass nun wirklich den Boden aus, meine Damen und Herren, denn damit haben wir ganz speziell was für die Familien getan, damit sie sich entsprechend weiterentwickeln können.
Zum Abschluss will ich sagen, die Überschrift ist irreführend, weil Sie sprechen hier vom „Armenhaus Mecklenburg-Vorpommern“. Man muss Ihnen zugutehalten, Herr Dr. Jess, Sie haben es während der Rede dann auch nicht wieder aufgegriffen. Aber ich hätte mir gewünscht, dass wir auch mal Antworten bekommen von der AfD, was Sie eigentlich wirklich wollen in den verschiedenen Bereichen, die Sie genannt haben, stattdessen immer nur Zustandsbeschreibungen, ohne Vergleich nach hinten, als wäre alles ganz schlecht. Ich glaube, damit werden Sie niemanden motivieren, positiv auf das Land Mecklenburg-Vorpommern zu schauen. Aber vielleicht ist das ja auch Ihre Absicht, nach dem Motto, solls den Leuten doch dreckig gehen,
vielleicht wählen sie dann AfD. Und da werden wir alle, das sage ich Ihnen deutlich, dagegenhalten. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will in die gleiche Kerbe schlagen wie der Finanzminister. Also es ist in der Tat äußerst irritierend. Sie sind ja als Sozialpolitiker hier nach vorne getreten, weil wir haben uns das angeschaut und haben gesagt, ja, das ist ein vorzügliches sozialpolitisches Thema, zumal wir in der vergangenen Sitzungswoche ja darüber gesprochen haben und Sie aufbegehrten bei dem Vorwurf, Sie würden also Ihr soziales Herz nicht so recht zeigen, sage ich mal mit meinen Worten. Und Sie sagten, Sie würden ganz vornan sein bei sozialen Themen. An dieser Stelle war das jetzt nicht zu erkennen.
Und ich sehe es genauso wie mein Vorredner. Hier ist eine Aneinanderreihung von Fakten, die stehen erst einmal. Die Interpretation kann man so oder so auslegen. Wir sind der Auffassung, Mecklenburg-Vorpommern ist kein armes Land. Und wenn man sich die Berichte des Landesrechnungshofs über die Jahre anschaut, wird immer wieder darauf verwiesen, Mecklenburg-Vorpommern hat Schwächen in der Wirtschaftsstruktur, unbestritten, aber die Finanzsituation ist robust.
Dass alle Länder, auf Bundesebene wie die einzelnen Bundesländer selbst, jetzt besondere Kraftanstrengungen unternehmen müssen, um der Situation Herr zu werden, liegt völlig auf der Hand. Dazu ist gestern, denke ich mal, ausgiebig etwas gesagt worden. Aber hier wird die Sache an den Pranger gestellt und gesagt, naja, also das führt zu einer Situation, wo nichts in die Balance kommt.
Wir sehen natürlich hier ganz große Probleme auf uns zukommen, auch für die Zukunft und sehr langfristig. Aber die Frage ist: Welche Alternative hätten wir denn
jetzt? Sollen wir sagen, nee, wir halten das Portemonnaie des Landes zu und gefährden die Gesundheit der Bevölkerung oder setzen die Existenz von Unternehmungen, vor allen Dingen auch von Arbeitsplätzen und somit auch die Existenz von zahllosen Familien aufs Spiel? Das ist in der Tat das, was man gemeinhin als „Verelendungstheorie“ bezeichnet, zu sagen, also sollen die mal machen, das prangern wir an und dann werden wir diejenigen, die irritiert, voller Angst sind, unzufrieden, verärgert, wütend, zu uns ziehen können und stehen dicke da. Also das halte ich unter den gegebenen Umständen – und wir sind wirklich in einer ganz brisanten Situation – für völlig verantwortungslos.
Ich bin davon ausgegangen, dass Sie zur Kenntnis nehmen, wie die Finanzlage des Landes ist, und dass Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir zwar kein armes Land sind, aber es in diesem Land Armut gibt. Und es ist unbestritten, wir haben das im Sozialausschuss behandelt und wir haben das hier auch in Debatten diskutiert. Ich verweise nur auf Redebeiträge meiner Kollegin Jacqueline Bernhardt, die mehrfach darauf verwiesen hat, dass nahezu jedes dritte Kind in Armut oder in Armutsnähe lebt, dass wir viele Menschen haben, die tagtäglich sechs oder acht Stunden auf Arbeit gehen und trotzdem mit dem Geld nicht existenzsichernd klarkommen können. Henning Foerster hat gestern darüber gesprochen, dass notwendig ist eine armutssichere Entlohnung von 11,63 Euro, wenn man mit Renteneintritt nach...
Und wenn man die Situation von Seniorinnen und Senioren sich anschaut, ist es so, dass wir – Sie können das nachschauen – in Sachen Grundsicherung, also Sozialhilfe für Seniorinnen und Senioren, im Moment über 21.100 Bezugsfälle haben. Das heißt, 5,2 Prozent der Seniorinnen und Senioren – das sind etwa jede 20. Rentnerin und jeder 20. Rentner – brauchen Grundsicherung, weil sie mit dem Geld nicht klarkommen.
Und da ist die Frage, wie geht man mit einer solchen Situation um. Ich denke, da sind wir uns einig, dass man einer solchen Situation den Kampf ansagen muss, weil, Armutssituation widerspricht zum einen ethischen Ansprüchen, denn wir haben, wenn wir in die Landesverfassung schauen, in Artikel 4 und 5 die Bezugnahme a) aufs Grundgesetz und b) auf die Menschenrechtskonvention. Wenn man sich die UN-Menschenrechtskonvention anguckt, Artikel 3, steht drin, dass jeder ein Recht auf Leben, auf Freiheit hat. Und Freiheit und Armut sind zwei Dinge, die sich ausschließen. Wer in Armut lebt, ist nicht frei, ist Zwängen unterworfen, zumindest einigen und auch deutlichen, denn Armut hat auch Auswirkungen auf die gesundheitliche Situation, Armut in einem reichen Land grenzt aus, stigmatisiert.
Und letztendlich, da gibt es eine interessante Studie zum Beispiel, von Professor Rosenstock, liegt schon ein paar Jahre zurück, dass Menschen, die arm sind, deutlich weniger Lebenserwartung haben. Den Unterschied zwischen der durchschnittlichen Lebenserwartung eines Professors und eines Menschen, der hinten auf diesen Müllfahrzeugen, die diese wirklich schwere Arbeit leisten,
bei Wind und Wetter die Tonnen bewegen und hinten raufstellen, hat er untersucht. Der Unterschied der Lebenserwartung beträgt sieben Jahre.
Ich sage das alles, weil aus meiner Sicht sind das alles Daten, die sind nicht unbekannt, die müssen aufrütteln, mit denen dürfen wir uns nicht abfinden. Und wenn wir wissen, wir sind jetzt in einer besonderen Situation – über die Verschuldungssituation ist gesprochen worden –, steht doch die Frage, und die wird aus meiner Sicht viel zu wenig reflektiert und seitens der AfD ist das überhaupt nicht benannt worden, steht doch die Frage: Wer zahlt es nachher? Also der Zahlungsplan ist das eine. Und dass die Ministerpräsidentin gesagt hat, in den Jahren, also bis 2044, möchte sie in politischer Verantwortung sein, das ist ja eine ehrenwerte Ankündigung, nach dem Motto, ich habe jetzt zu verantworten, dass dieses Land in derartige Schulden geht, und ich will in politischer Verantwortung dieses Land wieder aus der Schuldensituation herausführen – das ist also die wohlmeinende Interpretation der Botschaft –, dann steht das zwar für sich, aber die Frage ist: Wer zahlt das alles? Wer zahlt das?
Und ich habe erwartet, dass Sie darauf nicht eingehen und schon gar nicht darauf eingehen, dass Sie sagen, ja, wir müssen diejenigen, die in diesem Land vor der Corona-Krise auch sehr davon profitiert haben, dass gespart wurde, bis die Schwarten knacken, und auch ihren Reibach machen konnten, dass die Reichen und Superreichen dieser Gesellschaft endlich zur Solidarität in dieser Gesellschaft mit herangezogen werden müssen.
Es gibt ein sehr interessantes Buch, ist schon ein paar Jahre her, dass es verlegt wurde, 2015/2016, Thomas Piketty: „Das Kapital im 21. Jahrhundert“. Also das ist nicht eine Abschrift linker Politik. Das ist ein französischer Ökonom, der ganz klar seziert, wie verhalten sich, wie sind die sozioökonomischen Daten sowohl in Zentral- und Westeuropa als auch in Asien und Amerika. Und er stellt fest, dass 0,1 Prozent der Bevölkerung, auf diese 0,1 Prozent der Bevölkerung weltweit konzentrieren sich über 90 Prozent aller Vermögenswerte. Und auf 0,1 Prozent der Einkommensbezieherinnen und Einkommensbezieher fallen Einkommen höher als 1,5 Millionen Dollar – die Eurowerte hat er in Dollar umgerechnet – pro Jahr.
So, was bedeutet das? Man kann ja sagen, die leisten viel und die sind eben erfolgreich am Markt und so weiter. Er kommt zu dem Schluss – und das halte ich für frappierend und für sehr interessant –, er kommt zu dem Schluss, dass sie es sind, die Reichen und Superreichen, die die ökonomischen Grundlagen unseres Gemeinwesens, und er meint damit also sozusagen das Modell des Kapitalismus, so, wie wir ihn erleben in einer fortgeschrittenen technisch-technologischen Version, also auch Deutschland wird ja reflektiert, und er begründet das damit, dass er sagt, diejenigen, die über derartige Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftswerte verfügen, höhlen das Gemeinwesen aus, weil sie sich drei Punkte zunutze machen:
Erstens. Sie haben in der Regel eine Monopolstellung in der Wirtschaftswelt. Gestern gerade ist hier die Rolle von Bill Gates problematisiert worden. Das haben Sie aus politisch-ideologischen Gründen gemacht, aber das ist ja auch ein Fakt, erst mal nur.
Zum Zweiten sagt er, wer über so große Vermögen verfügt, kann auf Skalenwerte hoffen. Das heißt, über die Masse erreichen sie, dass sich ihre Kapitalrendite auf fünf, sechs und mehr Prozent beläuft pro Jahr, während die Kapitalrenditen des Mittelstandes und kleiner Vermögen maximal zwei Prozent ausmachen. Das hat zur Folge, dass sich diese Vermögenswerte, die ja jetzt schon riesig sind, innerhalb von 30 Jahren verdreifachen. Das sind gigantische Summen.
Und der ökonomische Hintergrund dieses Effekts besteht darin, dass es ein ökonomisches Gesetz gibt, das in diesen Verhältnissen wirkt, dass die Rendite größer ist als die Wertschöpfung. Also die können immer darauf rechnen, dass sie mit ihren hohen finanziellen Vermögensmassen mehr Reibach machen als andere.
Damit höhlen sie, damit höhlen sie das Gemeinwesen aus, weil sie sich gleichzeitig der Solidarität entziehen. Darauf will ich hinaus, Herr Förster.