Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 158 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
von 2,15 Milliarden Euro, mit dem Ersten Nachtragshaushalt zusammen also über eine zusätzliche Verschuldung von 2,85 Milliarden Euro. Das, in der Tat, ist ein bisher – hat die Ministerpräsidentin selber gesagt – nie da gewesener Griff in den Schuldentopf.
Und, Frau Ministerpräsidentin, wenn Sie gesagt haben, die Opposition war eingebunden und wir hätten Vorschläge machen können, dann muss ich das jedenfalls für die AfD-Fraktion zurückweisen. Wir waren nicht eingebunden,
Das war genauso wenig der Fall wie bei dem sogenannten Zukunftsrat, wo ich in der Zeitung lesen durfte, auch da sei die Opposition eingebunden. Wir von der AfD jedenfalls sind nicht eingebunden.
Mag ja sein, dass Ihr Verständnis von Opposition nur die LINKEN betrifft. Und dass Sie die einbinden, wissen wir,
dass Sie sie vielleicht sogar gern in die Regierung einbinden würden. Aber wir waren in diese Debatten nicht eingebunden.
(Thomas Krüger, SPD: Es gibt sogar eine Antwort darauf von Ihrer Fraktion. Das stelle ich gleich klar!)
Und ein Wort noch: Sie hatten mehrfach bei der Einbringung von einer soliden Finanzpolitik gesprochen. Die solide Finanzpolitik, die in der Tat hier mal festzustellen war, die ist spätestens dann aufgegeben worden, als alle Rücklagen aufgebraucht wurden. Vielleicht musste deshalb der alte Finanzminister Brodkorb die Regierungsbank verlassen und ist ausgetauscht worden durch jemanden, der diese Spielchen lieber mitmacht als Herr Brodkorb. Solide Finanzpolitik war es schon nicht, ohne Krise Rücklagen restlos aufzubrauchen, um Wahlge
schenke mit Blick auf die anstehenden Bundes- und Landtagswahlen finanzieren zu können, und solide Finanzpolitik ist es schon gar nicht, einen solchen Nachtragshaushalt hier zu präsentieren. Wenn selbst die Präsidentin des Landesrechnungshofes große Bedenken gegen diese geplante Neuverschuldung äußert, trotz ihrer Neutralitätspflicht, und wir jetzt bei knapp 3 Milliarden Neuverschuldung bei einem Gesamtetat von etwa 9 Milliarden Euro angelangt sind, dann ist das das Gegenteil von solider Finanzpolitik.
Liebe Kollegen, im Ersten Nachtragshaushalt, den wir im April dieses Jahres beschlossen hatten – einstimmig, worauf mehrfach hingewiesen wurde –, den wir mitgetragen hatten, weil in diesem Ersten Nachtragshaushalt vor allem Programme aufgelegt wurden, die den Ausgleich der Schäden zum Ziel hatten, die in allen gesellschaftlichen Bereichen des Landes durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise eingetreten sind, wir hatten damals schon Bedenken, haben sie auch geäußert, aber wir haben sie zurückgestellt, weil dieser Erste Nachtragshaushalt in der Tat einen Zurechnungszusammenhang, eine eindeutige Basis in der Corona-Pandemie hatte. Das konnten wir mittragen, obwohl schon damals Maßnahmen unverhältnismäßig waren, überzogen waren. Und das hat die Landesregierung jetzt ja in mehreren Gerichtsverfahren auch vom Gericht bestätigt bekommen: Ihre Maßnahmen sind zu einem guten Teil unverhältnismäßig und überzogen gewesen.
Von diesem Ersten Nachtragshaushalt von 700 Millionen Euro sind inzwischen, Stand von vor eineinhalb Wochen, etwa 350 Millionen Euro ausgegeben zur Kompensation von Schäden durch die Corona-Krise, von wirtschaftlichen Nachteilen. Das sind 50 Prozent. Nimmt man die konkreten eingegangenen Anträge und Beschaffungsaufträge bei der Landesverwaltung hinzu, dann sind wir bei knapp 400 Millionen Euro, also bei ungefähr 55 Prozent. Das heißt, obwohl wir seit fünf Monaten mit diesem Nachtragshaushalt leben, sind noch etwa die Hälfte der Mittel dieses Ersten Nachtragshaushaltes nicht abgefragt, und das mitten in der Krise. Es wäre also durchaus nachzudenken gewesen, ob man mit diesen Mitteln nicht weiterarbeiten und erst mal diese aufbrauchen könnte, bevor man eine so horrende Neuverschuldung in Angriff nimmt.
Meine Damen und Herren, Stichwort „Schuldenbremse“: Die Ministerpräsidentin hat gesagt, trotz der Schuldenbremse seien diese Maßnahmen verfassungsgemäß. Artikel 65 Absatz 2 Satz 2, zweite Alternative unserer Landesverfassung, erlaubt in der Tat, bei Naturkatastrophen – und durch die Definition der WHO ist die CoronaPandemie einer solchen ja gleichgestellt – Ausnahmen von der Schuldenbremse. Es bleibt aber der Grundsatz, der alte juristische Grundsatz, dass Ausnahmen eng auszulegen sind. Das heißt, auch wenn ich die Schuldenbremse übersteigen kann, gibt das grundsätzlich keine Befugnis, alle die Maßnahmen zu finanzieren, die in der Tat sinnvoll sein mögen, die für unser Land wichtig wären, die aber gar keinen Zusammenhang haben mit dieser Corona-Pandemie.
Es gibt keine zahlenmäßige Obergrenze für die Neuverschuldung, wenn die Schuldenbremse einmal überwunden ist. Das bedeutet aber, dass es relative, aus der Verfassung selbst abzuleitende Obergrenzen gibt, und diese Obergrenzen verlangen einen Veranlassungszusammenhang zwischen den Ausgaben und der Pandemie. Das heißt, das, was mit dem Ersten Nachtragshaushalt bewirkt wurde, Ausgleich von Nachteilen, von Schäden, Leistungen für die betroffenen Arbeitnehmer und so weiter, das alles hat einen solchen Veranlassungszusammenhang gehabt. Und solche Maßnahmen, meine Damen und Herren, sind selbstverständlich weiter möglich.
Und wenn zur Finanzierung solcher Maßnahmen ein Zweiter Nachtragshaushalt notwendig ist und soweit er dafür notwendig ist, werden wir das auch mittragen. Auch wir von der AfD wollen sicherstellen, dass die Arbeitnehmer, dass die Wirtschaft in unserem Land, dass andere betroffene Zweige – da können Sie dann die Künstler dazunehmen, diejenigen, die Märkte betreiben, und so weiter –, dass all diejenigen, die von den, ich sage es noch mal, zu einem guten Teil überzogenen Maßnahmen der Landesregierung zur Bekämpfung der Pandemie betroffen sind, dass die wenigstens in den Genuss eines finanziellen Ausgleiches kommen, eingedenk der Tatsache, dass man lange nicht alles, was man anrichtet, mit finanziellen Entschädigungen ausgleichen kann.
Es bleibt sehr viel mehr an Einschneidungen übrig, wenn ich denke an aufgeschobene Operationen, wenn ich daran denke, wie die Besuche in Pflegeheimen wieder ablaufen könnten, und so weiter und so fort, was Sie mit Geld überhaupt nicht wieder in Ordnung bringen können.
Aber wie gesagt, wir strecken die Hand aus und sagen Ja, wenn der Zurechnungszusammenhang oder der Veranlassungszusammenhang mit der Corona-Pandemie vorhanden ist, dann tragen wir insoweit auch einen Nachtragshaushalt mit, auch einen Zweiten Nachtragshaushalt. Wenn ich jetzt aber – und das verlangt eine Einzelbetrachtung des vorgelegten Nachtragshaushaltes –, und wenn ich da draufschaue und sehe dann Breitbandausbau, öffentlicher Personennahverkehr, Digitalisierungsbemühungen, dann das Schulbauprogramm und die Förderung der Ganztagsschule, die Kofinanzierung des Krankenhauszukunftsgesetzes und so weiter und so fort, mindestens jeder zweite Punkt in dem hier vorgelegten Nachtragshaushalt betrifft Punkte, die in der Tat für unser Land nützlich sind, die wir gerne auch mit bezahlen würden, die aber eben diesen Veranlassungszusammenhang mit der Corona-Pandemie nicht aufweisen. Das sind Versäumnisse dieser rot-schwarzen Landesregierung aus den letzten zehn Jahren.
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)
Überall da hat man das Geld nicht ausgegeben, hat sich an die Schuldenbremse halten müssen und stellt jetzt im Zusammenhang mit der Pandemie fest, um Gottes willen, da sind ja auch noch eine ganze Menge Lücken, und dann nutzen wir jetzt die Möglichkeit, dass die Schuldenbremse im Moment so nicht greift, um all das mitzufinanzieren.
Meine Damen und Herren, das ist in unseren Augen verfassungswidrig. Wir möchten gerne mit der Überweisung des Nachtragshaushaltes in die Ausschüsse dazu beitragen, dass wir diese verfassungswidrigen Teile des Nachtragshaushaltes beseitigen und uns auf das konzentrieren, was wirklich Ausgleich der Pandemiemaßnahmen darstellt, Ausgleich für Wirtschaft, für Arbeitnehmer und alle Betroffenen. Da gehen wir mit, das müssen wir in den Ausschüssen besprechen. Diese Ausgleichung von Versäumnissen der letzten 10 oder 15 Jahre, all das nachzuholen, weil man jetzt ja mal ordentlich Schulden machen kann, das tragen wir nicht mit. Das ist eine Politik, die verantwortungslos ist, die auf den Schultern der nächsten Generation die Versäumnisse dieser Regierung ausbügelt und die Wahlgeschenke für die Bundes- und Landtagswahl verteilen möchte. Das alles halten wir für unanständig,
Sie hören aus diesen Worten schon, diesmal wird es vonseiten der AfD keine uneingeschränkte Zustimmung zum Nachtragshaushalt geben. Ich betone noch mal, in den Punkten, in denen der erforderliche Veranlassungszusammenhang vorliegt, werden wir den Nachtragshaushalt mittragen. Da, wo der nicht gegeben ist, tragen wir ihn nicht mit.
Es ist eine verfassungsrechtliche Pflicht, diesen Nachtragshaushalt so zu gestalten und durch entsprechende erklärende Maßnahmen und Aufklärungsgespräche so zu gestalten, dass dieser Zusammenhang eindeutig klargelegt wird. Überall da, wo dieser Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nicht dargelegt werden kann – und dafür haben wir eine ganze Reihe von Punkten in dem vorgelegten Haushalt –, wo also die Dokumentations- und Aufklärungspflicht der Regierung nicht erfüllt wäre, bleibt es bei der Verfassungswidrigkeit dieser Dinge.
Es gibt eine ganze Reihe von Punkten im Haushalt, die sind meiner Meinung nach – und ich spreche jetzt als Jurist, auch als Verfassungsjurist – eklatant verfassungswidrig. Es gibt eine Reihe anderer Punkte – öffentliche Daseinsvorsorge, Stärkung der Landesverwaltung haben wir gehört und gelesen –, da bleibt es unklar, inwiefern da Pandemiefolgen ausgeglichen werden oder inwiefern auch hier nur Löcher gestopft und Lücken geschlossen werden, die die Regierung in den letzten 10 oder 15 Jahren hat ansammeln lassen. In diesen Punkten muss nachgelegt werden, muss erklärt werden, wo genau liegt der Zusammenhang mit der CoronaPandemie vor. Wenn das gelingt, dann tragen wir das selbstverständlich mit. Wenn es nicht gelingt, wovon ich in weiten Teilen ausgehe, ist auch dieser Teil verfassungswidrig und außerdem, wie gesagt, ein Verstoß gegen die aus der Verfassung abzuleitenden Dokumentations- und Aufklärungspflichten der Regierung. Das wurde schon von unserem eigenen Landesverfassungsgericht im Jahr 2006 – nachzulesen in LKV 2006, Seite 23 folgende – festgestellt im Zusammenhang mit einer Schuldenneuaufnahme aus den Jahren 2004 und 2005. Diese verfassungsrechtlichen Pflichten sind nicht gewahrt mit dem hier vorgelegten Haushalt.
Es kommt noch ein bisschen mehr dazu – leider – an Kritik. Es bleibt zum einen die Pflicht der Jährlichkeit des Haushaltes. Die kreditfinanzierten Aufstockungen der Landesausgaben sind für die Jahre 2020 bis 2024 ausdrücklich vorgesehen, um coronabedingte Finanzierungsbedarfe abzudecken. Meine Damen und Herren, auch was die Schuldenpolitik angeht, gilt aber das Prinzip der Jährlichkeit des Haushaltes, hier bei uns, da wir Zweijahreshaushalte haben, der Haushaltsetappe. Das heißt, alle diese Ausgaben, die im Nachtragshaushalt beschrieben werden, müssen auch spätestens bis zum Jahr 2021 ausgabewirksam werden. Was das bedeutet, ist, dass die darüber hinaus vorgesehenen Mittel, die Sie für die Jahre 2022 bis 2024 vorsehen, diesem verfassungsrechtlichen Haushaltsprinzip widersprechen und auch deswegen nicht getragen werden können. Dieser Nachtragshaushalt kann und darf nur Ausgaben in dieser Haushaltsperiode abdecken. Und was Sie für die Jahre 2022 bis 2024 brauchen, das müssen Sie dann eben in den entsprechenden ordentlichen und vielleicht wieder mit einer Schuldenbremse belegten Haushalten für diese Jahre festhalten.