Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ministerpräsidentin befindet sich, wie heute früh bereits mitgeteilt, ja in einer Videokonferenz, daher vertrete ich sie zu diesem Tagesordnungspunkt. Und in gewisser Hinsicht geht es ja auch um eine CoronaMaßnahme. Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie wichtig die staatlichen Stellen für die Bewältigung von Krisen sind. Die Gesundheitsämter hatten schon immer wichtige Aufgaben, standen aber quasi nie im Rampenlicht. Jetzt sind sie an vorderster Front im Kampf gegen den Corona-Virus im Einsatz und rücken in den Fokus der Öffentlichkeit.
Gleichzeitig haben wir gerade in den Gesundheitsämtern immer wieder mit Fachkräftemangel zu tun. Ein vergleichbares Problem habe ich beispielsweise im polizeiärztlichen Dienst, und auch in anderen Berufen fehlt es an spezialisiertem und qualifiziertem Personal. Selbst der Kampf um gute Juristen wird immer intensiver.
In den nächsten Jahren sollen laut Berechnungen circa 17.000 Beschäftigte der Landesverwaltung in den Ruhestand gehen. Das ist rund die Hälfte aller Mitarbeiter. Es wird eine extrem große Herausforderung, diese Stellen auch wieder zu besetzen. Als Innenminister kann ich schon heute ein Lied davon singen, wie problematisch das in manchen Fällen ist. Wir haben in der Polizeiaus
bildung viele neue Anwärterstellen ausgebracht, um den Ersatzbedarf decken zu können, um den Personalnachwuchs zu ermöglichen. Das Problem ist nur, dass sich immer weniger geeignete Frauen und Männer bewerben. Ähnlich sieht es in der Justiz aus, und viele leere Stellen bleiben ebenfalls unbesetzt.
Und wenn wir den Unternehmern sagen, zahlt angemessene Löhne, kümmert euch um den Nachwuchs, dann gilt das am Ende selbstredend, glaube ich, auch für uns oder vielleicht sogar gerade für uns. Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Wir wollen uns als Arbeitgeber öffentlicher Verwaltung gegen die freie Wirtschaft, gegen die anderen Bundesländer und natürlich auch gegen den Bund behaupten. Vor diesem Hintergrund sieht sich die Landesregierung in der Pflicht, das Land noch attraktiver und interessanter zu machen, um im Wettbewerb um kluge Köpfe mithalten zu können.
Die Landesregierung hat Ihnen heute einen wichtigen Baustein in dieser Strategie vorgelegt: den Gesetzentwurf zur Neuregelung des Beamtenbesoldungsrechts und zur Änderung weiter dienstrechtlicher Vorschriften. Der Gesetzentwurf hat mehrere zentrale Bestandteile.
Erstens: Personal gewinnen wir nur, wenn die Bezahlung stimmt. Deshalb soll in den Besoldungsgruppen A13, A14 und R1 die Anfangsbesoldung angehoben werden. Das ist zum Beispiel für Lehrer und Richter interessant. Mit der Anhebung ziehen wir auch mit anderen nord- und ostdeutschen Ländern gleich. Für dringend benötigte Fachkräfte wie Fachärzte im öffentlichen Gesundheitswesen oder IT-Fachkräfte soll es einen flexiblen Personalgewinnungszuschlag geben. Und wir verbessern zudem die finanzielle Situation der Beamten in der Landespolizei, den Justizvollzugsanstalten und den Berufsfeuerwehren durch die Anhebung der Stellenzulagen auf das, was sie im Schnitt auch in anderen Bundesländern bekommen. Es ist letztendlich auch die Anerkennung für all jene, die mit vollem Einsatz rund um die Uhr für Sicherheit sorgen.
Zweitens: Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter fördern. Ein Baustein ist dabei, die Regelung des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes auf den Beamten- und Richterbereich zu übertragen. Tritt also der Fall ein, dass ein naher Angehöriger gepflegt werden muss, so gibt es dann mehr Möglichkeiten, sich dafür in Zusammenarbeit mit dem Dienstherrn Zeit zu nehmen.
Drittens: Wir wollen Expertenwissen und Wissenstransfer sichern. Wenn 17.000 Mitarbeiter ausscheiden, droht der Landesverwaltung, viel wertvolles Know-how zu verlieren. Das dürfen wir nicht zulassen. Deshalb wollen wir mit attraktiven Teilzeitmodellen erreichen, dass besonders leistungsstarke Beamte bis zur Regelaltersgrenze im Dienst bleiben. Darüber hinaus wollen wir auf die Kollegen auch nach der Pensionierung noch zurückgreifen können. Dafür brauchen wir finanzielle Anreize. Aus diesem Grund wollen wir Zuverdienste aus dem öffentlichen Dienst zukünftig weniger auf die Beamten- und Richterversorgung anrechnen. Die Höchstgrenze soll befristet angehoben werden können.
Viertens – hierfür habe auch ich mich starkgemacht –: Der Gesetzentwurf sieht eine verschärfte Zulassungsprü
fung für Bewerber für den Polizeivollzugsdienst, für den Justizdienst, vor allem in Justizvollzugsanstalten, und für die Einstellung im Richterverhältnis auf Probe, vor. Bei jedem Bewerber wird eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz durchgeführt, um zu ermitteln, ob und, wenn ja, welche Erkenntnisse vorliegen, die Zweifel an der Verfassungstreue begründen könnten.
Wir dulden im Staatsdienst keine extremistischen Tendenzen und wollen zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Riegel vorschieben. Ist ein Extremist erst mal im Landesdienst, ist es unglaublich schwer – die Kollegen aus dem Innenausschuss wissen das hinreichend –, ihn dann auch wieder loszuwerden. Die rechtlichen Hürden sind sehr hoch. Leider steht zu befürchten, dass die Oppositionspartei aus identischen Beweggründen die Regelanfrage geschlossen ablehnen wird. Ich freue mich schon auf die argumentative Auseinandersetzung.
Das spricht dann für sich. Ich würde mir hier ein starkes Signal des Landtages wünschen, weil gerade zu dieser Frage die Diskussion in den zurückliegenden Monaten ja immer geführt wurde.
Tatsächlich soll die Regelabfrage für Polizei und Justiz eine Art Probelauf sein. Sie soll gegebenenfalls auf alle Landesdiener ausgeweitet werden. Ich gehe davon aus, dass sich der Landtag insbesondere mit diesem Aspekt intensiv in der Anhörung beschäftigen wird. Änderungen sind natürlich daher auch im parlamentarischen Verfahren nicht auszuschließen, und das ist auch gut so.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben dem vorliegenden Gesetzentwurf hat die Landesregierung weitere Maßnahmen für die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst beschlossen. Wir haben angesichts der aktuellen Herausforderungen das Personalkonzept ausgesetzt und gleichzeitig mit einem 50-Millionen-Paket ermöglicht, Stellen vorübergehend doppelt zu besetzen. Das erschafft Erleichterung dort, wo schon heute der Personalmangel besonders schmerzt. Es hilft dabei, Nachwuchskräfte für die Verwaltung zu gewinnen und den Wissenstransfer zu organisieren.
Darüber hinaus stecken wir 400 Millionen Euro aus dem Nachtragshaushalt in die Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung, um in Krisenzeiten schlagkräftiger zu sein. Die zahlreichen Maßnahmen sollen Abläufe verbessern, Fortbildungen erleichtern und mobiles Arbeiten ermöglichen. Hinzu kommt ein Traineeprogramm für Nachwuchskräfte zur Vorbereitung auf den Landesdienst. Solche Programme bieten andere Länder bereits sehr erfolgreich an. Wir ziehen hier nun nach.
Wie Sie sehen, ist uns ein attraktiver öffentlicher Dienst viel wert. Wir investieren mit Augenmaß, damit der Staat seine Aufgaben zum Wohle aller bestmöglich wahrnehmen kann.
Und letztlich haben es sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch verdient. Was die Kolleginnen und Kollegen in der Landesverwaltung, auch in den Kommunalverwaltungen, in der Corona-Pandemie geleistet haben beziehungsweise leisten, ist beeindruckend. Bis in die Nacht und am Wochenende wird geschuftet. Das Wirt
schaftsministerium läuft seit Monaten auf Hochtouren. Alle Ressorts in den unterschiedlichen Ministerien sind im Krisenmodus. Es wurden Taskforce- und Stabsstellen eingerichtet, die Regelarbeitszeit wird zum Fremdwort, in den Kommunen sind die Gesundheitsämter am Anschlag, und auch die Ordnungsämter haben alle Hände voll zu tun.
Ja, die Kollegen haben sicherlich alle einen sicheren Job, und das ist in Krisenzeiten besonders viel wert, aber die Arbeitsbelastung ist gerade extrem. Deshalb danke ich auch im Namen meiner Kabinettskolleginnen und -kollegen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Behörden, Dienststellen und im Einsatz vor Ort für die außergewöhnliche Leistungsbereitschaft und Leidensfähigkeit. Das ist erstklassige Arbeit unter widrigsten Bedingungen. Danke, dass Sie für uns alle da sind!
Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Landsleute! Ja, dem Gesetzentwurf ist viel Gutes abzugewinnen. Wir haben ja auch deshalb unseren Antrag „Flexibilisierung der Altersgrenze auch im richterlichen Bereich“ zurückgezogen, weil unter Artikel 8 eine im Wesentlichen gleichlautende Regelung vorgesehen ist. Die Besoldungsanpassung, insbesondere die Erhöhung der Einstiegsgehälter, ist natürlich auch zu begrüßen. Aber an der Stelle will ich doch mal sagen, Geld ist nicht alles. Wir müssen auch darüber nachdenken, das Ansehen des öffentlichen Dienstes zu verbessern. Insbesondere im Polizeibereich ist ja durch die unsägliche Rassismusdebatte, denke ich, viel Unheil angerichtet worden.
Ich kann mich also sehr gut erinnern an die Situation nach der Wende, wenn ich jetzt nur auf die Situation im richterlichen Bereich, die ich ja ein bisschen überschaue, zurückblicke. Und ich weiß auch, wie die Kollegen heute darüber reden, welche Aufbruchsstimmung damals war, dass wir freiwillig sogar am Wochenende gearbeitet haben, dass ein unheimliches Zusammengehörigkeitsgefühl da war, und ich will sagen, aus heutiger Sicht sicherlich ein positives Erbe der DDR-Zeit, wo eben das Kollektiv oder der Gemeinsinn stärker ausgeprägt waren als heute.
Und wir hatten ja damals auch, die jungen Ostkollegen, Kontakt mit den Westkollegen, und die waren eigentlich entsetzt, wie das so im Westen lief bei den Gerichten, dass die Richter insbesondere im richterlichen Bereich – da gilt es ja ganz besonders –, die Richter eben dann mal gelegentlich kommen, wenn sie Lust haben. Das heißt nicht, dass sie faul sind, aber dass sie dann zu Hause viel arbeiten, dass also gemeinschaftlich wenig
passierte, Betriebsausflüge meist gar nicht stattfinden oder nur sehr selten besucht werden. Das war damals alles anders. Wir haben auch dann Richterausflüge gemacht, also jenseits der Betriebsausflüge Richterausflüge gemacht, die jetzt so allmählich auslaufen. Inzwischen in den Diskussionen hören Sie manchmal so mit verklärender Wehmut, wie war das doch damals nach der Wende, wo wir unheimlich schuften mussten, aber wo ein anderer Gemeinschaftsgeist da war.
Also ich will darauf hinaus – das kann man natürlich nicht kommandieren –, dass das Klima in einer Behörde, das soziale Klima in einer Behörde unglaublich wichtig ist, nicht nur für das Wohlbefinden, sondern auch für die Leistungen, die erbracht werden. Wenn man sich dort gut versteht, gut zusammenarbeitet, sich nicht Knüppel zwischen die Beine wirft, dann ist auch die Arbeit, die rausgeht, besser. Man kann es steuern hier und da, vielleicht auch, wie man es regelt, wer in leitende Funktionen kommt. Da ist ja so ein bisschen was vorgesehen, halte ich für sehr nützlich. Da will ich gleich drauf kommen.
Die Erprobungszeit für Ämter mit leitender Funktion halte ich für außerordentlich gut. Also ich kann aus eigener Erfahrung Situationen aus NRW, Schleswig-Holstein und dann letztlich auch hier in Mecklenburg-Vorpommern übersehen und kann nur sagen, es spielt für das Klima und auch für die Leistung der Behörde schon eine große Rolle, wer die Behörde anführt. Und ich will hier keine Namen nennen, es hat aber hier im Lande auch gelegentlich katastrophale Fehlbesetzungen gegeben. Und wenn eben jemand in eine leitende Funktion kommt bis zum Ende, bis zur Pensionierung, dann sitzt der da unter Umständen Jahrzehnte, und niemand weiß, wie man ihn loswird. Das gibt es.
Deshalb – ich hatte das eben schon mal im Gespräch erwähnt –, als wir damals Partnerschaften mit polnischen Kollegen hier angerührt hatten, war es für mich ganz neu, dass man dort befristet und mehr so unter Ehrenamt Präsident oder Direktor eines Gerichts wird. Ich fand das eigentlich ganz toll, denn so eine Befristung auf fünf Jahre kennen wir nicht. Ich fände das hervorragend, wenn das so wäre, ist es aber nicht. Dann hat nämlich einer, der es auch nicht macht, hat kein Risiko, es weiterzumachen. Und wer eine gewisse Fehlbesetzung ist, der wird dann rechtzeitig wieder …, räumt seinen Sessel. Bei uns sind die Strukturen offensichtlich sehr verkrustet. Es ist immer ein Riesenrisiko, haben sie einen guten Mann, ist es gut, oder eine gute Frau, haben sie einen Fehlgriff getan, belastet es über Jahrzehnte eventuell die Behörde – deshalb die Erprobungszeit für Ämter, wenn man das denn ernsthaft auch betreibt.
Ich könnte mir auch vorstellen – gar nichts Revolutionäres –, Mitgliederbefragungen zu machen. Das haben wir auch damals mal gemacht, anonym, da kriegen Sie erstaunliche Rückmeldungen, die oft was ganz anderes widerspiegeln als irgendwelche in der Routine dienstlichen Beurteilungen, die oft ja ihre eigene Gesetzlichkeit haben. Keiner will – man kann ja alles anfechten –, also keiner will wem wehtun, fast alle haben gute Beurteilungen. Das sind alles solche Probleme, wo man ohne große Gesetzesänderungen eine andere Praxis einführen könnte.
Und was ich auch hervorragend finde, ist, die Möglichkeit zu eröffnen, dass gegen Ende der Arbeitszeit man dann teilzeitbeschäftigt wird, um Wissenstransfers zu erhalten. Das halte ich für eine außerordentlich wichtige und gute
Angelegenheit, dass eben Beamte oder Richter, die dann an sich pensionsreif sind, dann noch ein bisschen weitermachen und in erster Linie ihre Aufgabe darin sehen, bewährte Praxis, ihren Erfahrungsschatz an jüngere Kollegen weiterzugeben. Ich denke, dass ist ein Prinzip, das überall gilt, und das hier bei uns einzuführen in der öffentlichen Verwaltung, ist hervorragend.
Wo ich ein Problem sehe – das hat ja auch unser Innenminister schon angeführt –, ist nun das Problem der Verfassungstreue. Das hört sich zunächst gut an. Auf den ersten Blick würde ich einmal sagen, was spricht dagegen, wer nichts zu verbergen hat, wer fürchtet schon eine Anfrage bei den Verfassungsschutzbehörden.
Aber, Herr Minister Caffier, in welcher Zeit und in welchem Klima kommen Sie auf diese Idee? Ist der öffentliche Dienst voll mit Verfassungsfeinden? Nein. Ist nicht das, was stattfindet, doch so ein bisschen auch in Richtung Gesinnungsüberprüfung?
Wissen Sie, ich bin staatstreu bis in die Knochen. Ich kann mir vorstellen – ich habe ja auch solche Kollegen gehabt, das habe ich schon oft erwähnt –, früher war ein anderes Klima, da hatten wir jemanden, der war stramm links, und da war einer, der war sehr rechts, und trotzdem hat keiner dem anderen misstraut, dass er seine dienstlichen Pflichten nicht neutral und ordentlich erfüllt.