Protocol of the Session on July 1, 2015

stehen Ihre Änderungswünsche den Änderungsanträgen des Bundesgesetzes entgegen.

Und warum, Frau Gajek, soll der Fuchsbandwurm doppelt erfasst werden, einmal im Bundesgesetz und einmal im Landesgesetz? Das hatte Ihnen auch der Kollege Barlen dort schon erläutert.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich habe aber extra darum gebeten in der Anhörung, wenn Sie sich daran erinnern. Das war eine ganz konkrete Empfehlung.)

Ich denke, auf diesen Punkt wird er nachher in seiner Rede noch mal eingehen.

Auch die Meldefrist, wie sie jetzt im Gesetz verankert ist, sehe ich als ausreichend an. Infektionsschutz ist ein sehr wichtiges Thema. Daher finde ich es unverständlich, dass Sie, die GRÜNEN, dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben ja konkrete Vorschläge gemacht.)

und Sie, die LINKEN, sich enthalten haben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Weil Sie die Vorschläge abgelehnt haben zur Verbesserung, das liegt doch auf der Hand.)

Es ist doch ein wirklich gutes und an dem Bundesgesetz orientiertes Infektionsschutzausführungsgesetz.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was wir machen, können wir immer noch selbst entscheiden.)

Zum Stichwort „Multiresistente Keime“: Ja, die Ärzte sollten sich überlegen, dass sie Antibiotika nicht zu häufig verabreichen und auch die Dosierung anpassen.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und, was auch ganz wichtig ist, es sollte eine Vernetzung von stationärem und ambulantem Bereich stattfinden, um dann mit den Daten arbeiten zu können,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, wir haben uns gute Beispiele angeguckt.)

aber das braucht nicht im Gesetz geregelt zu werden, das ist die praktische Ausführung, die man machen muss.

Ich möchte die LINKEN noch mal daran erinnern: Wer war denn im Juli 2006 Sozialministerin?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, wer? – Torsten Koplin, DIE LINKE: Wer war denn das?)

Na, Frau Linke.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Doktor, so viel Zeit muss sein.)

Sie hat das Gesetz eingebracht, und ich habe hier auch gesagt, grundsätzlich waren wir mit dem Gesetz einverstanden. Wir hätten dieses Gesetz ja auch nicht geändert.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und wie haben Sie damals gestimmt?)

Ich weiß nicht, ob man heute so viel Kritik ausgeübt hätte, wenn Frau Linke noch Sozialministerin gewesen wäre.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das sind fast zehn Jahre! Da muss es doch erlaubt sein, mal darüber nachzudenken, was zu ändern ist.)

Vielen Dank. Wir werden wie im Ausschuss auch die Änderungsanträge ablehnen. Wir geben dem Gesetz unsere volle Zustimmung.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Gajek.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist eine Tatsache, unsere Waffe gegen Bakterien und Keime ist stumpf geworden. In der Vergangenheit haben uns Antibiotika geholfen, Infektionskrankheiten zu behandeln. Jetzt werden sie zunehmend wirkungslos. Grund dafür ist der unreflektierte und massenhafte Einsatz von Antibiotika bei Mensch und auch Tier.

(Minister Dr. Till Backhaus: Na, na, na, na, na!)

Über Jahre führte dies dazu, dass immer mehr Bakterienstämme unempfindlich gegen bestimmte Wirkstoffe werden, sie bilden Resistenzen. Diese Resistenzbildung bei Bakterien führt dazu, dass Antibiotika bei der Therapie bestimmter Infektionen versagen. Für Patientinnen und Patienten steigt somit bei Operationen, Chemotherapien, Dialysen, Transplantationen und anderen Eingriffen die Gefahr einer Infektion mit Keimen, die nur noch schwer oder gar nicht mehr mit Antibiotika zu behandeln ist. Viel zu lange wurde diese riskante Entwicklung verdrängt. Jetzt ist die Zeit knapp und konsequentes Handeln erforderlich.

Eine brandaktuelle Studie „Antibiotikaeinsatz und Resistenzentwicklung in Deutschland“, übrigens in Auftrag gegeben von der Bündnisgrünen-Bundestagsfraktion, zeigt auf,

(Heinz Müller, SPD: Fleißig, fleißig!)

wie sich die Resistenzlage entwickelt, wo die Ursachen des Problems liegen, wie wir die Wirksamkeit bestehender und neu erforschter Antibiotika erhalten und die Aus

breitung resistenter Bakterien eindämmen können. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich klare Handlungsempfehlungen ableiten. Es geht dabei auch um eine konsequente Vernetzung und interdisziplinäres Handeln der Human- und der Tiermedizin.

Was sind notwendige Maßnahmen im Bereich der Humanmedizin? Wir müssen den Umgang mit Antibiotika ändern und dadurch den Einsatz reduzieren. Ich glaube, da gibt es auch keinen Widerspruch. Hilfreich kann dafür eine Aufklärungsoffensive sein, die den bewussten Umgang mit Antibiotika fördert und über die Risiken der multiresistenten Erreger informiert.

Die Verschreibungspraxis, vor allem im ambulanten Bereich, muss sich ändern.

(Bernd Schubert, CDU: Was hat das mit dem Gesetz zu tun?)

Das war auch ein klares Ergebnis der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf. Antibiotika werden viel zu oft, viel zu viel und häufig falsch verordnet. Diagnostik muss der erste Schritt sein, um gezielt wirkende Antibiotika einsetzen zu können. Leider ist die Diagnostik heute teurer als die Therapie und entfällt daher häufig.

Nötig sind eindeutige Leitlinien für den ambulanten Bereich. Niedergelassene Ärzte brauchen, wie in anderen Ländern wirksam erprobt, ein Feedback zu ihrem Verschreibungsverhalten.

(Bernd Schubert, CDU: Das hat doch mit dem Gesetz nichts zu tun!)

Mit solchen geballten Anstrengungen könnten hier bis zu 50 Prozent der Antibiotikaverordnungen eingespart werden.

Auch im stationären Bereich gibt es viel zu tun. Gute Hygiene kann nur dann umgesetzt werden, wenn ausreichend Personal zur Verfügung steht. In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen stellt die Überlastung des Personals und die dadurch mangelhafte Hygiene die größte Übertragungsgefahr dar. Das betrifft vor allem die Pflegekräfte. In stationären Einrichtungen müssen dringend Personalbemessungsinstrumente eingeführt werden. Wir brauchen Personalmindeststandards für die Pflege im Allgemeinen und besonders für Stationen mit sehr schwachen, sehr jungen und sehr alten Patientinnen und Patienten.

Was sind notwendige Maßnahmen im Bereich der industriellen Massentierhaltung? Deutschland gehört zu den traurigen Spitzenreitern des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung. Immer noch werden an ganze Tierbestände prophylaktisch Antibiotika gegeben.

(Minister Dr. Till Backhaus: Das stimmt nicht. Das ist verboten.)

Die Einzelerkrankung eines Tieres würde anderenfalls in der Massentierhaltung in Windeseile zum Todesausfall des Gesamtbestandes führen. Deshalb fordern wir, der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung muss reduziert werden! Dazu muss endlich eine artgerechte Tierhaltung mit Bestandsobergrenzen, angemessenem Leistungsniveau, mit mehr Auslauf, Platz, Licht, Beschäftigung und intensiver Bestandsbetreuung realisiert werden.

(Julian Barlen, SPD: Als Präsidentin wissen Sie doch, Sie müssen zum Thema reden.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, mit diesem Grundsatzstatement habe ich den Umfang der Aufgaben deutlich gemacht. Ich bin überzeugt davon, dass wir nur dann zu guten und tragfähigen Lösungen dieser komplexen Thematik kommen, wenn die Landesregierungen sich zu diesem Thema weiter bundesweit vernetzen. Bei einem Thema von globaler Wichtigkeit, wie dem Infektionsschutz, müssen wir zudem ressortübergreifend handeln.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an unseren Antrag vom Februar 2014. Mit diesem Antrag forderten wir, die Zurückdrängung von multiresistenten Keimen aus der Tierhaltung als gemeinsame Aufgabe für Tier-, Human- und Umweltmedizin, Hygiene, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Emissionsschutz zu sehen. Damals wie auch im Rahmen der öffentlichen Anhörung zum Infektionsschutzausführungsgesetz ist uns dieser vernetzte Denkansatz seitens der Koalitionäre vorgehalten worden. Das ginge am Thema vorbei. Die anzuhörenden Expertinnen und Experten sahen das anders. Sie hatten ein hohes Interesses daran, über Hintergründe der aktuellen Entwicklung zu diskutieren, und haben das auch konsequent getan.

Ich bin der Meinung, ein Grund, weshalb es überhaupt erst zu der aktuellen fatalen Entwicklung kommen konnte, ist doch genau das bisherige Schubladendenken. Dessen Überwindung stellt einen ersten Schritt in Richtung Problemlösung dar.

Was nun den heute zur Abstimmung stehenden Entwurf des Infektionsschutzausführungsgesetzes angeht, so möchte ich mich auf die Einbringung unseres Änderungsantrages beschränken, der Ihnen vorliegt. Wir fordern dort eine konsequente Erweiterung der Liste der meldepflichtigen Erreger.

Weshalb tun wir das? Wir tun das, weil wir das wachsende Problem von Krankenhausinfektionen mit multiresistenten Erregern sehr ernst nehmen. Das European Centre for Disease Prevention and Control, kurz ECDC, sieht in der Verbreitung von multiresistenten Erregern eine der größten Bedrohungen der Gesundheit der Gegenwart. Die wichtigsten Erreger in diesem Zusammenhang sind: MRSA, VRE sowie Bakterien, die in der Lage sind, Extended-Spektrum Beta-Laktamasen zu bilden, kurz ESBL. Auch Infektionen mit multiresistenten Pseudomonas und Acinetobacterstämmen nehmen zu. Ich hoffe, das ist korrekt ausgesprochen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wer hat denn das Zeug geschrieben?)