Und dann finde ich es bemerkenswert, dass Kosten wie für den Umzug der Polizei in Demmin überhaupt nicht auftauchen. Das sind Kosten in Höhe von 4,7 Millionen Euro, die der Steuerzahler aufbringen muss, die es ohne die Gerichtsstrukturreform nicht gegeben hätte, die aber trotzdem nicht bei den Kosten der Reform auftauchen. Den Menschen ist es doch egal, ob die Kosten vom Justiz- oder Innenministerium auferlegt werden. Zahlen muss es am Ende der Steuerzahler.
Wir wissen auch nicht, wo sich diese Investitionskosten insgesamt noch hinbewegen. Die Raumbedarfspläne für die neuen Gerichtsstandorte sind knapp, sogar sehr knapp kalkuliert. Es ist möglich, ja, sogar sehr wahrscheinlich, dass es durch die aktuellen PEBB§Y-Fortschreibungen zu erheblichen Mehrbedarfen im mittleren Dienst kommen wird. Die Unterbringung des zusätzlichen Personals wird wahrscheinlich weitere Investitionskosten einfordern. An den bisherigen Standorten ging das hingegen auch so.
Meine Damen und Herren, und da reden Sie von keinen neuen Erkenntnissen! Stimmt es Sie nicht nachdenklich, dass alle auch von Ihnen vorgeschlagenen Experten, die eine Gerichtsstrukturreform in ihren Ländern durchgeführt haben, von Beginn an eine andere Herangehensweise praktiziert haben, die Herangehensweise, die wir in den letzten zwei Jahren mehr als einmal eingefordert haben? Stimmt es Sie nicht nachdenklich, welche praktischen Erfahrungen die bereits reformierten Amtsgerichte und Zweigstellen sammeln konnten, wie die ungenügend vorhandenen Verhandlungsräume in Neustrelitz?
Noch ist es Zeit, diese Reform zu stoppen, noch ist ein Neubeginn möglich, gemeinsam mit den Justizverbänden. Noch ist es möglich, den weiteren Vollzug zu stoppen. In den nächsten Wochen soll Bad Doberan geschlossen werden, Parchim zur Zweigstelle degradiert werden. Ich bitte Sie: Stoppen Sie diesen Prozess! Stimmen Sie unserem gemeinsamen Gesetzentwurf zu! – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Während der Anhörung zum Gerichtsstrukturgesetz fiel auf, dass die befragten Richter von der Zweigstellenlösung wenig begeistert waren. Was der Direktor des Amtsgerichts Pasewalk über das Zusammenspiel zwischen dem Hauptstandort und der Zweigstelle Anklam zu berichten wusste, war durchweg negativ. Diese neue Konstruktion funktioniert offenkundig von Anfang an nicht. Es ist sehr zweifelhaft, ob diese Zweigstelle lange Bestand haben wird, allen Zusicherungen der Justizministerin zum Trotz. Und da man ja aus der Vergangenheit lernen soll, empfiehlt es sich, in dem Zusammenhang einmal zu recherchieren, was aus Zweigstellen so wird.
Man muss nicht lange suchen, um nicht sehr ermutigende Beispiele zu finden. Beispiel Netzseite des Amtsgerichts Fulda, Ankündigung: Gerichtstage einmal monatlich von 8.00 bis 12.00 Uhr in den ehemaligen Zweigstellengebäuden. Dazu der erklärende Text: „Bis zum 31. Mai 2004 unterhielt das Amtsgericht Fulda Gerichtszweigstellen in Hilders …, Gersfeld/Rhön … und Neuhof...“ Sie „waren bis zu ihrer Schließung zuständig für die Bearbeitung von Grundbuchsachen, Angelegenheiten des Handelsregisters, Vereinsregisters und Genossenschaftsregisters,
für Nachlasssachen, Angelegenheiten des Vormundschaftsgerichts, Kirchenaustritte und Beratungshilfesachen.“ Also ähnlich wie die hiesigen Zweigstellen wurde zum 1. Juni 2004 geschlossen.
„Gießener Allgemeine“ vom 16.06.2010: Das Blatt berichtet über die Schließung der Zweigstelle Lauterbach. Gefeiert wurde das vom damaligen Justizminister Hahn, FDP, der darauf hinwies, dass man auf diese Weise 225.000 Euro im Jahr sparen könne. Außerdem entfielen so erhebliche Sanierungskosten. So ähnlich stelle ich mir dann auch die Begründung vor, wenn die Zweigstellen hier mal geschlossen werden.
Aus der Opposition heraus sagte dazu der SPD-Abge- ordnete Manfred Görig, ich zitiere, Zitatanfang: „Unsere ländliche Region war in den vergangenen Jahren schon viel zu oft von der Schließung von Ämtern, Behörden und Einrichtungen des Landes betroffen. Diese Politik muss … endlich aufhören.“ Zitatende. Erstaunlich, wie die Bilder sich gleichen. Der Mann könnte auch in MecklenburgVorpommern wohnen. „Görig erinnerte daran“, so heißt es weiter, „dass bereits das einstmals selbstständige Amtsgericht Lauterbach zu einer Zweigstelle des Amtsgerichtes in Alsfeld ,zurechtgestutzt‘ worden sei.“
Es ist also genau wie hier: zuerst ein Amtsgericht, dann eine Zweigstelle, dann weg. Und ich schätze, dass es
den Zweigstellen in Anklam, Neustrelitz, Grevesmühlen, Parchim, Demmin und Bergen schon mittelfristig auch nicht anders gehen wird. So läuft so etwas nämlich.
Auch in Berlin-Lichtenberg auf den Netzseiten des dortigen Amtsgerichtes ist zu lesen: „Achtung, wichtige Hinweise!!! Seit dem 02.04.2012 ist die Zweigstelle des Amtsgerichts Lichtenberg in Hohenschönhausen … geschlossen. Dies betrifft auch die Rechtsantragsstelle. Alle Schriftstücke sind dann an das Amtsgericht Lichtenberg … zu richten.“ Auf der gleichen Netzseite befindet sich auch der Slogan „Durchstarten mit der Justiz“.
Am 08.11.2004 vermeldet die „Augsburger Allgemeine“: „Vier Amtsgericht-Zweigstellen schließen“. Insgesamt erwischte es in Bayern im Zuge der dortigen Justizreform 32 von 33 Zweigstellen. Eine hat man übrig gelassen, so wie den Anstandshappen auf dem Teller. Dazu die damalige Justizministerin Merk, Zitatanfang: „Die Qualität der juristischen Versorgung der Bürger bleibe jedoch erhalten. … Manche der kleinen Zweigstellen seien nur noch eingeschränkt funktionsfähig gewesen... Sie verstehe Proteste der betroffenen Gemeinden, eine Reform ohne Einschnitte gebe es aber nicht.“ Zitatende. Man meint, Frau Kuder zu hören. Also irgendwo scheint es Einheitstexte zu geben, die man abrufen kann, bundesweit.
„Leipziger Volkszeitung“, 21.12.2012: „Wurzener Zweigstelle … schließt zum 31. Dezember“. Wer einen Erbschein benötigt, muss nach Grimma.
„Merkur online“, 21.04.2009: „Die Zweigstelle des Amtsgerichts in Schongau wird geschlossen.“ Zitatanfang: „Maßlose Enttäuschung ruft die Nachricht, dass die Weichen bei der Amtsgerichts-Zweigstelle auf Schließung stehen, bei Geschäftsstellenleiter Max Martin hervor.“ Er sagt: „Wir wissen, dass wir wahrscheinlich keine Chance haben.“ Das wissen die Amtsgerichtsdirektoren in diesem Land hier auch. „15 Mitarbeiter … müssen“ nach „Weilheim“.
Hoffnungsfroh hätte die Überschrift der „Volksstimme“ vom 29.10.2011 stimmen können, die lautet: „Amtsgericht Oschersleben hat Zukunft“. Aber weiter unten heißt es: „Mit der Inbetriebnahme des neuen Verwaltungsgebäudes in Oschersleben vor zwei Wochen wurde die Zweigstelle Wanzleben endgültig geschlossen.“
Die Zweigstellen sind eine Vorstufe zur Schließung und weiter nix. Sie erzeugen keine Synergie, sie erzeugen Antisynergie. Man müsste mal nachgucken, ob es für Antisynergie noch einen bestimmten Begriff gibt, aber jedenfalls das Gegenteil davon, dass sich aufgrund einer Konstruktion Vorteile ergeben. Schon nach wenigen Monaten schließen die Zweigstelle und der Hauptsitz, und das erzeugt so viel Schaden, so viel Durcheinander und so viel Reibungsverluste, dass es sich allein deswegen schon lohnen würde, die Schließung der Amtsgerich
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute befassen wir uns hier in Zweiter Lesung mit dem Gesetzentwurf der Oppositionsfraktionen zur Änderung des Gerichtsstrukturgesetzes, also erneut mit der Aussetzung der Gerichtsstrukturreform um etwa zwei Jahre.
Bereits in der Ersten Lesung ist auf die verschiedenen Schwächen des vorliegenden Gesetzentwurfes hingewiesen worden. Deshalb möchte ich das an dieser Stelle nicht noch mal ausführlich wiederholen. Auch der Hinweis auf einige Zeitpunkte der Umsetzung erledigt sich, da wir einen Änderungsantrag der Oppositionsfraktionen hierzu vorliegen haben. Das macht die Sache aber deshalb nicht besser.
Darüber hinaus wurde schon ausführlich dargestellt, dass sich, entgegen der Annahme der Oppositionsfraktionen, ein lange vorbereiteter Prozess der Umsetzung der Strukturreform nicht ohne Weiteres einfach mal zwei Jahre aussetzen lässt. Frau Drese ist in ihren Ausführungen ausführlich darauf eingegangen, deshalb von mir nur noch mal schlaglichtartig die Maßnahmen, die zurückgedreht werden müssten: Dazu gehören Personalmaßnahmen, Investitionen, Mietverhältnisse müssten verlängert oder verändert werden und auch im IT-Bereich vorgenommene Veränderungen müssten umgekehrt werden beziehungsweise deutlichen Veränderungen unterzogen werden. Also die behauptete Kostenneutralität der Aussetzung der Gerichtsstrukturreform besteht damit keineswegs.
Meine Damen und Herren, seit der Ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes haben sich zum Thema Gerichtsstrukturreform für uns alle auch einige neue Erkenntnisse ergeben.
Es ist also bereits angesprochen worden, dass ja die Landeswahlleiterin seit der Ersten Lesung früher als erwartet mitgeteilt hat, dass die notwendige Anzahl von 120.000 gültigen Unterschriften für ein erfolgreiches Volksbegehren zusammengekommen ist. Auf diesen bisher einmaligen Vorgang in der Geschichte unserer Landesverfassung habe ich bereits in der März-Land- tagssitzung bei der Ersten Lesung des Gesetzentwurfes zum Volksbegehren hingewiesen und möchte das an dieser Stelle nur noch einmal kurz anmerken. Zum anderen konnte sich der Europa- und Rechtsausschuss des Landtages bereits mit dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens beschäftigen und eine öffentliche Anhörung dazu durchführen.
Sehr geehrte Frau Borchardt, Sie haben in Ihren Ausführungen Frau Drese gerügt, dass sie heute schon die Rede zum Volksbegehren gehalten hätte, aber ich finde, genau das haben Sie auch getan,
indem Sie ausführlich nicht zu Ihrem Gesetzentwurf gesprochen haben. Das ist jedenfalls so meine Empfindung. Das mal zu dem Thema.
Sofern es jetzt also nicht zur erwarteten Verzögerung kommt, kann die zweite Befassung des Landtages mit dem Volksbegehren, wie schon angekündigt, noch vor der Sommerpause erfolgen. Das ist durchaus ein realistisches Ziel und es wird sicherlich auch so passieren.
Aber um auf die Anhörung im Europa- und Rechtsausschuss zurückzukommen, nicht wirklich überrascht hat mich, dass die Antragsteller erneut eine bessere Reform gefordert haben. Dies wurde von Ihnen in den zurückliegenden Jahren, in denen wir uns schon mit der Gerichtsstrukturreform beschäftigen, bei verschiedenen Gelegenheiten immer mal wieder angegeben, zuletzt bei der Pressekonferenz zur öffentlichen Übergabe der Unterschriftenlisten. Da war es ja auf dem Kartonstapel zu lesen im Dezember letzten Jahres.
Allerdings überraschend im Rahmen der Anhörung war, zumindest für mich, die deutliche Aussage der Vertreter des Volksbegehrens, dass sie den Reformbedarf bei den Gerichtsstrukturen nicht erst irgendwann sehen, sondern schon in der kommenden Legislatur. Ja, meine Damen und Herren, in der kommenden Legislatur.
Wenn ich mich recht erinnere, hat Herr Dr. Schöwe als Vorsitzender des Vereins „Pro Justiz“ das sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Und wir wissen ja alle, wann die nächste Legislatur beginnt, also im Herbst nächsten Jahres.
In diesem Gesetzentwurf aber sollen die geplanten und für die Umsetzung der Gerichtsstrukturreform notwendigen Maßnahmen zwei Jahre ausgesetzt werden. Warum vor diesem Hintergrund und dem voraussichtlich noch im Herbst dieses Jahres durchgeführten Volksentscheid von den Antragstellern gerade die zweijährige Aussetzung der Umsetzungsmaßnahmen für erforderlich gehalten wird, wurde nicht nachvollziehbar begründet. Es wurde lediglich wieder darauf hingewiesen, dass der Bürgerwillen in den eingereichten fast 150.000 Unterschriften deutlich wurde und diese Bürger von ihrem verfassungsmäßig vorgesehenen Mitbestimmungsrecht Gebrauch gemacht haben.
Dies, meine Damen und Herren, soll auch überhaupt nicht in Abrede gestellt werden und auch nicht kleingeredet werden. Hier muss sich die Landesregierung aber die Frage stellen, ob sich aufgrund dieses deutlich gewordenen Bürgerwillens von etwa 150.000 Einwohnern eine grundsätzliche Veränderung der Situation ergeben hat. Und auch nach den Ergebnissen der Anhörung im Europa- und Rechtsausschuss des Landtages zu dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens sehe ich das nicht.
An dieser Stelle ist ja mehrmals auch angesprochen worden die Auffassung des Amtsgerichtsdirektors aus Pasewalk. Meine Wahrnehmung hier war aber zum Beispiel nicht so wie Ihre, Frau Borchardt. Einiges ist in der Tat nicht einleuchtend, was er dort gesagt hat. Die Entfernung zwischen Pasewalk und Anklam, glauben Sie
Und was natürlich auch immer wieder vergessen wird, er hat gesagt, dass er ja seit fast drei Jahren bereits das Amtsgericht in Ueckermünde geleitet hat und dort auch regelmäßig vor Ort war. Die Entfernung zwischen Pasewalk und Ueckermünde unterscheidet sich nicht so wesentlich zwischen der Entfernung zwischen Pasewalk und Anklam. Das ist nur mal so ein Beispiel, wo ich also denke: Warum hat er diese jetzige Situation so schwarzgemalt? Ist es in der Tat wirklich so, wie er es dargestellt hat, oder ist es möglicherweise auch eine gewisse Führungsschwäche und eine fehlende Motivation der Mitarbeiter?