Protocol of the Session on April 22, 2015

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Suhr von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will zumindest mal anmerken, dass aus dem Vorurteil von Frau Berger tatsächlich gerade die Bestätigung geworden ist, Herr Müller.

(Heinz Müller, SPD: Das Interessante ist ja, dass sie das vorher schon wusste. – Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt muss ich auch abwägen, ob sie hellseherische Fähigkeiten hat. Ich glaube nicht, denn es gehört nicht viel dazu, das vorher zu prognostizieren, wie das ausgehen wird. Ich bin aber bei dem Thema Oberflächlichkeit und bei der Einschätzung dieses Antrages durchaus bei Ihnen. Und ich will eingestehen, ich habe mich ein bisschen in meine Jugend und junge Erwachsenenzeit zurückversetzt gefühlt.

(Heinz Müller, SPD: Ich auch.)

Ich will das mal erzählen. Ich erinnere mich ganz gut daran: Sie haben von Willy Brandt gesprochen, vom Friedensnobelpreis, von den Ostverträgen und der Friedenspolitik gegenüber dem Osten – dies alles fand damals in einer Zeit des Kalten Krieges statt. Da war ich noch zu jung, um mich politisch zu entscheiden. Vielleicht hätte ich mich für die SPD entschieden, die hat sich hinterher deutlich verändert.

(Heinz Müller, SPD: Ich bin ja ein paar Tage älter als Sie, Herr Suhr, vielleicht liegt es daran.)

Vielleicht liegt es daran.

Die hat sich in der Tat hinterher verändert.

(Vincent Kokert, CDU: Kann man heute alles noch regeln.)

Auch die Motivation, lieber Kollege Kokert, das zu regeln

(Jochen Schulte, SPD: Vincent, das muss nicht sein.)

sowohl in Richtung Ihrer Partei als auch in Richtung der SPD, die ist absolut...

(Vincent Kokert, CDU: Ich habe gar nicht geworben für meine. Ich meine ja die SPD.)

Ach, das war gar kein Angebot? Ich habe das fast so verstanden.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Auf jeden Fall waren wir knapp zehn Jahre später immer noch mitten im Kalten Krieg und die Partei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hatte eine ihrer Gründungswurzeln in der Friedensbewegung. Es gab auch andere Gründungswurzeln, aber eine der Gründungswurzeln lag in der Friedensbewegung. Das war übrigens auch der Zeitraum, wo ich mich durch Politik angesprochen fühlte. Ich kann mich gut daran erinnern, das war Ende der 70er, Anfang der 80er, dass es große Demonstrationen vor dem Hintergrund des NATO-Doppelbeschlusses gab, denn Mittelstreckenraketen sollten im Westen wie im Osten aufgestellt werden.

(Vincent Kokert, CDU: Herr Suhr, das wissen wir.)

Ich erzähle es aber deshalb noch mal, weil wir damals mit einer gewissen – ich sage das heute und nehme das für mich in Anspruch, das werden Sie gerne hören, Herr Kokert – Naivität auf die Straße gegangen sind, von der ich glaube, dass sie wichtig war. Die habe ich in diesem Antrag in den Punkten 2 und 3 wiedergefunden. Wir hatten auch so etwas im Kopf wie Frieden um jeden Preis. Ich halte diese Forderung bis heute nach wie vor für richtig, und ich finde – das begründet auch die Zustimmung meiner Fraktion zu diesem Antrag –, dass man nicht oft genug daran erinnern kann, wissend, dass wir heute in einer Welt leben, in der eine derartige Forderung bar jeder Realität ist.

Ich will an der Stelle sagen, dass ich es auch deshalb für richtig halte, weil wir in der Politik – allerdings eher auf Bundesebene – durchaus Stellschrauben haben und wir uns erinnern sollten, dass wir sie drehen. Wenn ich mir angucke – ich mache das mal an ein paar Beispielen –, dass Deutschland heute eines der größten Rüstungsexportländer ist, dass auf den Plätzen 2 und 4 der Rüstungsexportländer Länder wie Saudi-Arabien und Katar stehen und dass wir …

(Vincent Kokert, CDU: Ausgebaut unter Joschka Fischer.)

Ich sage ja nicht, dass ich die Politik unter Rot-Grün …

(Vincent Kokert, CDU: Das muss aber immer wieder gesagt werden, bevor Sie uns den Schwarzen Peter zuschieben.)

Ja, das nehme ich auch gern zur Kenntnis.

An dieser Stelle ist es gut, dass wir uns über so einen Antrag daran erinnern, dass die grundsätzlichen Zielsetzungen einer Friedens- und Außenpolitik andere sein sollten, als die, die derzeit praktiziert werden, und das wird, finde ich, an den Rüstungsexporten sehr deutlich.

Wir haben auch heute, ich nenne das Beispiel Afghanistan, eine Situation, in der es Zeiten gibt, wo wir bestimmte Gruppierungen unterstützen, die sich dann anschließend mit den gleichen Waffen, die ihnen von deutschen Unternehmen geliefert worden sind, gegen deutsche Soldaten wenden. All das sind Zustände, die ich absolut unerträglich finde. Deshalb, glaube ich, ist es richtig, daran zu erinnern und auch mit einem solchen Antrag solche oberflächlichen, ich sage das jetzt, Grundsätze anzusprechen und sich dazu zu bekennen.

Ich sage aber auch gleichzeitig, der Antrag der LINKEN bleibt danach jede Antwort schuldig und so habe ich Sie auch verstanden, Herr Müller.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Denn sie ducken sich weg vor der Frage, was wir mit einer global-politischen Situation machen, die heute von Krieg, von Gewalt, von Auseinandersetzungen geprägt ist. Was sind die Lösungen der LINKEN, wenn es darum geht, sich mit Menschenrechtsverletzungen massiver Art auseinanderzusetzen? Was sind ihre Lösungen, wenn es darum geht, mit dem barbarischen Vorgehen des IS umzugehen? Was sind ihre Lösungen, wenn Boko Haram Massenmorde begeht? Was sind ihre Lösungen, wenn auf dieser Welt ethnische Säuberungen stattfinden und wenn öffentliche Hinrichtungen zelebriert werden? Reicht da eine solche globale, oberflächliche Aussage oder muss es nicht Lösungen geben, wo man sich – möglicherweise untergeordnet unter dieser grundsätzlichen Zielsetzung – nicht auch zu einer europäischen, ja, zu einer UN-Friedenspolitik bekennt, die aus meiner Sicht – und die Erfahrung haben wir leider in den letzten Jahren allzu oft machen müssen – auch ohne militärische Mittel nicht auskommt?

Als wir damals in meinem zarten Alter von 20 Jahren gefragt worden sind, was ist denn Ihre Alternative zur militärischen Auseinandersetzung, da gab es eine wesentliche Antwort. Diese wesentliche Antwort hieß: Wirtschaftliche Sanktionen sind ein Mittel, sind eine Möglichkeit.

Ich bin – das sage ich hier noch mal, weil wir auch über die Russlandpolitik anlässlich des Russlandtages häufig diskutiert haben – in der Tat inzwischen froh, dass die europäische Friedenspolitik nicht sofort mit dem Reflex einer militärischen Drohung reagiert, sondern dass wir in einer Auseinandersetzung, wie wir sie derzeit in der Ukraine erleben, in einer Auseinandersetzung, in der die Krim annektiert worden ist, zu dem Mittel wirtschaftlicher Sanktionen greifen, um deutlich zu machen, dass wir das nicht akzeptieren, aber auch um deutlich zu machen, die militärische Intervention ist nicht sofort der erste Reflex. Es ist noch gar nicht so lange her, dass das wahrscheinlich gewesen wäre.

Da verwundert mich dann schon, dass der Antragsteller, die LINKEN-Fraktion – da kommen wir auch nicht zueinander – an der Stelle eine für meine Begriffe völlig indiskutable Position einnimmt, indem zwei Abgeordnete aus diesem Haus – und da haben wir den Zusammenhang mit Mecklenburg-Vorpommern – ein völkerrechtswidriges Referendum als Beobachter begleiten. Dafür – das sage ich ganz klar – habe ich an dieser Stelle überhaupt kein Verständnis.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Heinz Müller, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Pauschal sind diese Forderungen alle richtig, ich kann Sie unterstreichen, auch wenn ich sie für oberflächlich halte. En détail bleiben Sie jegliche Antwort schuldig und in bestimmten Fragen, wie beispielsweise dem Ukraine-Konflikt, verhalten Sie sich für meine Begriffe nicht danach, was Sie hier als Leitlinien deklarieren. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Silkeit von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Jahr jähren sich einige der „dunkelsten Kapitel der jüngsten Menschheitsgeschichte“, wie die Fraktion DIE LINKE sie in ihrem Antrag bezeichnet. Eben diese Ereignisse werden uns unter Ziffer 1 des vorliegenden Antrages eindringlich in Erinnerung gerufen.

So erinnert uns der Antrag beispielsweise an den ersten groß angelegten Chemiewaffenangriff der Geschichte. In den Abendstunden des 22. April 1915 setzte Deutschland im Rahmen der Zweiten Flandernschlacht in der Nähe der belgischen Ortschaft Ypern zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte 180 Tonnen Chlorgas als moderne Massenvernichtungswaffe ein. 3.000 Menschen starben sofort, 7.000 überlebten, schwer verätzt. In der Folge wurden während des Ersten Weltkrieges weitere 100.000 Soldaten durch den Einsatz von Giftgas getötet und 1,2 Millionen Soldaten verwundet.

Am 6. und am 9. Mai 1945 wurden die Menschen in Hiro- shima und Nagasaki Zeugen des verheerendsten Kampfmitteleinsatzes in der Kriegsgeschichte. Zum ersten und bislang einzigen Mal warfen Menschen Atombomben auf andere Menschen. Mehr als 200.000 Menschen kamen dabei ums Leben. Wer noch an den Spätfolgen litt und daran zugrunde ging, das wird sich wahrscheinlich niemals umfassend ermitteln lassen. Weltweit wurden Hiroshima und Nagasaki zu Symbolen für die Schrecken des Krieges und vor allem für die Folgen eines möglichen Atomkrieges zu Zeiten des Kalten Krieges. Am 8. Mai 1945 endete mit dem Zweiten Weltkrieg nicht nur der bislang größte mili- tärische Konflikt, sondern auch das bislang größte Massensterben in der Menschheitsgeschichte. Über 65 Millionen Menschen verloren ihr Leben.

Insofern ist es im Gegensatz zur Auffassung meiner Vorredner gut und richtig und wichtig, wenn wir uns heute und immer wieder diese Ereignisse in Erinnerung rufen und eben nicht nur am Totensonntag der Opfer der Kriege als Mahnung für die Lebenden gedenken.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Am 28. Oktober 2014 erinnerte unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer nationalen Gedenkfeier des Königreichs Belgien an das große Leid, das Belgien im Ersten Weltkrieg erdulden musste. Die Kanzlerin bezeugte den Belgiern Respekt und dankte für die seither aufgebaute Freundschaft. Angela Merkel wertete die Gründung der Europäischen Union und die Entscheidung für deren Sitz in Brüssel als Beleg für aus der Geschichte gezogene Lehren und forderte, ich zitiere: „Diese zivilisatorischen Errungenschaften zu würdigen, zu bewahren und für sie auch weltweit einzutreten – dazu mahnen uns die Opfer der schrecklichen Kriege. Nur so erweisen wir ihnen gebührend Ehre.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der Fraktion DIE LINKE sehr verbunden, dass sie uns mit ihrem vorliegenden Antrag die Gelegenheit gibt, innezuhalten und der Opfer zu gedenken.

Auch an der Ziffer 3 des vorliegenden Antrages habe ich nichts herumzudeuteln. Schließlich – das hat der Kollege Müller dargestellt – handelt es sich dabei in etwas modifizierter Form um den Artikel 18a unserer Landesverfassung. Sicherlich und zu Recht wird sich der eine oder andere fragen, was das soll. Aber angesichts immer wiederkehrender aktueller Ereignisse, die vom militärischen Konflikt in der Ukraine bis zur Hetze gegen Flüchtlinge oder gar Verfolgung von Flüchtlingen reichen, denke ich, ist es gut und richtig, regelmäßig auch an unsere verfassungsrechtlichen Grundlagen zu erinnern, an die Friedensverpflichtung und an die Gewaltfreiheit als Grundlage allen staatlichen Handelns ebenso wie an das friedliche Zusammenleben der Völker. Und ich denke, jeglicher Umgang mit rassistischem oder extremistischem Gedankengut verlangt von uns täglich ein klares Bekenntnis zur Verfassung, zur Verfassung unseres Landes und zum Grundgesetz.

Aus meiner Sicht wäre das Thema des Antrages ideal gewesen für eine Aktuelle Stunde,

(Zurufe von Peter Ritter, DIE LINKE, und Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

aber die Fraktion DIE LINKE war heute nicht antragsberechtigt. Es wäre auch ein guter – und da bin ich bei dem Kollegen Müller –, es wäre ein guter gemeinsamer Antrag geworden und es wäre mit Sicherheit auch ein sehr interessanter Antrag und auch eine sehr interessante Debatte zu diesem gemeinsamen Antrag geworden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, daran, dass ich bisher die Ziffer 2 umschifft habe, können Sie bereits erkennen, dass ich damit das eine oder andere Problem habe. Um es kurz zu machen, meine sehr verehrten Damen und Herren der LINKEN, Sie erwarten doch nicht wirklich, dass der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hier in der Plenarsitzung Ihr Parteiprogramm abnickt, denn um nichts anderes handelt es sich bei der Ziffer 2. Es ist zugegebenermaßen eine sehr knappe Zusammenfassung der Ziffer 4.6 Ihres Parteiprogramms, aber es ist Ihr Programm,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig erkannt, Kollege Silkeit.)

allerdings, Kollege Ritter – es geht weiter –, allerdings mit einer Ausnahme, das ist Ihr Zitat „Vernunft ist das Einzi