Protocol of the Session on March 12, 2015

Mobilität sollte immer auch von den Motiven her ge

dacht werden: handelt es sich um freiwillige oder erzwungene Mobilität und kann der erzwungenen Mobilität beispielsweise auch durch eine Wiederbelebung der Nahversorgung oder mit mobilen Diensten entgegengewirkt werden?

Stärker als bisher berücksichtigt erfordern neue Mobi

litätskonzepte Abstimmung, Kommunikation und Wissensvermittlung: dies im Hinblick auf die verschiedenen Akteure auf der Anbieterseite, aber auch mit Kommunen, Bürgern und potenziellen Nutzern.“

So weit die ersten Empfehlungen der Enquetekommission.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind der Auffassung, dass die Finanzierung die Handlungsfähigkeit des ÖPNV-Aufgabenträgers vergrößern und stärken sollte. Gleichzeitig sollte sie die Möglichkeit umfassen, maßgeschneiderte Lösungen auf der gemeindlichen Ebene umzusetzen. So gibt es im ÖPNV oftmals keine klare Linienstruktur, ein wenig überschaubares Gesamtangebot oder Parallelverkehre von Bahn und Bus. Dies muss künftig ausgeschlossen werden.

Gerade vor dem Hintergrund, dass der Entwurf zum Integrierten Landesverkehrsplan im Ministerium erarbeitet wird und die Deutsche Bundesbahn im März ihr neues Konzept vorlegen wird, läuft der vorliegende Antrag ins Leere. Gleichzeitig verdeutlicht der Antrag, dass die Fraktion DIE LINKE weder Wirtschaftlichkeit noch Finanzierbarkeit bei der Ausgestaltung des öffentlichen Personenverkehrs berücksichtigen will. Vor dem Hintergrund

der zurückgehenden Finanzmittel ist dies nicht der richtige Ansatz, um nachhaltigen ÖPNV im ländlichen Bereich unseres Landes sicherzustellen. Schauanträge wie diesen bedarf es nicht, meine Damen und Herren. Aus diesem Grund wird meine Fraktion den vorliegenden Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt so einen Filmbericht über Charlie Chaplin, wo dargestellt wird, was er für einen Humor hat. Da sieht man ihn, wie er als Regisseur mit einer Gruppe von anderen Schauspielern steht, und dann kommt eine Riesenlok angefahren. Kurz bevor die steht, greift er an eine Eisenstange und es entsteht der optische Eindruck, als würde dieser kleine Mann diese Riesenlok stoppen. Das passt jetzt irgendwie, wenn Sie sagen, dass es um die Lok geht. Aber mir geht es nicht um die Lok, sondern um den Vorgang.

(Jochen Schulte, SPD: Da muss ich jetzt aber lange überlegen, bis ich das verstanden habe.)

Das ist tatsächlich mein zentraler Punkt zu diesem Antrag.

Die Enquetekommission – Sie haben sie ausdrücklich erwähnt, Herr Holter – hat vor, in den nächsten Tagen einen Bericht vorzulegen zu genau diesem Thema „ÖPNV in Mecklenburg-Vorpommern“, wo umfassend beraten wurde, wo auch alle mit eingebunden waren. Und ich sage es mal so, ich habe ja auch mit meiner Koabgeordneten durchaus meine Konflikte, wenn es um das Thema geht: Wie wird das Verkehrsthema bearbeitet? Bin ich dafür zuständig als verkehrspolitischer Sprecher oder ist das jetzt eher in der Enquetekommission angesiedelt? Aber, und das ist der entscheidende Punkt, es gab in der Enquetekommission offensichtlich die Absprache zu sagen, lasst uns diesen Bericht gemeinsam machen und dann zeigt jeder, was er draufhat mit seinen Konzepten zum ÖPNV.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das können Sie doch machen.)

Wenn es diese Absprache gegeben hat – und das können Sie ja vielleicht nachher noch mal erläutern, ob Sie die sehen oder nicht sehen –, dann ist es nicht ganz fair, kurz vorher einen Antrag vorzulegen, der genau das Thema, und zwar ziemlich umfassend, behandelt. Wir haben heute auch einen ÖPNV-Antrag auf der Tagesordnung. Es geht um Bahnhöfe, das ist ein Aspekt sozusagen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Wem gegenüber unfair?)

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Wenn ich in der Enquetekommission eine Absprache mit anderen Abgeordneten habe und sage, Leute, wir machen im Moment erst mal nichts einzeln im Parlament,

wir warten das ab, was in der Enquetekommission ist, und dann gehen wir gemeinsam raus und zeigen, was wir draufhaben, ist das völlig okay. Und wenn man davon Abstand nimmt und sagt, das wollen wir diesmal nicht machen – es gibt ja vielleicht auch gute Gründe, es steht ja drin, im März legt die Bahn etwas vor und so weiter –,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Genau.)

wäre es ein faires Signal an die anderen, zu sagen, Leute, wir haben uns bisher daran gehalten, aber wir möchten euch darauf aufmerksam machen, es gibt jetzt Zeitdruck, da können wir nicht auf die Enquetekommission warten. Dann haben alle die Möglichkeit, ähnlich zu verfahren. Also man bindet nicht die anderen, um dann an ihnen vorbeizufahren. Das ist in diesem Fall tatsächlich ziemlich spielentscheidend für mich, für den Umgang mit diesem Antrag.

Ich würde mich gerne inhaltlich mit diesem Antrag befassen

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das können Sie doch machen.)

und sehe das auch richtig im Energie- und Verkehrsausschuss. Ich beantrage deswegen noch mal ausdrücklich die Überweisung in diesen Ausschuss. Dort wollen wir dann darüber diskutieren.

Wir werden uns heute zu dem Antrag einfach enthalten, nicht, weil wir inhaltlich damit nichts anfangen können, der ist in vielen Teilen ziemlich gut. Das ist ja auch genau das, was die Enquetekommission vor hat zu beschließen. Aber wir möchten den Antrag ordentlich im Ausschuss beraten und dann können wir weitersehen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Kollege Holter, vielleicht eins vorab: Sind Sie so nett, wenn sich die Gelegenheit ergibt, richten Sie bitte der Kollegin Schwenke meine Genesungswünsche aus. Ich hoffe, es geht ihr recht bald wieder besser.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Wir werden nach Greifswald fahren und ihr das übermitteln. – allgemeine Unruhe – Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, ich mach das.)

Offensichtlich gibt es hier Leute, die müssen immer alles kommentieren, aber egal.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie guckt jetzt Livestream und hofft auf Zustimmung zum Antrag, hat sie gerade geschrieben.)

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zu dem Antrag kommen. Ich hätte das, was der

Kollege Jaeger eben gesagt hat, auch noch angesprochen. Ich bin nicht selber Mitglied der Enquetekommission, aber von meinen Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Landtagsfraktion, die dort mitarbeiten, ist mir im Endeffekt genau dasselbe verdeutlicht worden, was Kollege Jaeger eben vorgetragen hat: dass wesentliche Teile dessen, was dort in der Enquetekommission diskutiert worden ist, was offensichtlich dann auch Gegenstand der Überlegungen der Enquetekommission sein soll, hier im Endeffekt im Vorfeld von einer einzelnen Fraktion aufgegriffen wurde, obwohl man sich in der Enquetekommission anders verständigt hat. Gut, das muss jeder selber beurteilen, ob er das machen möchte, das ändert aber letztendlich auch an der Qualität des Antrages nichts.

Was ich mir eigentlich bei dem Antrag gewünscht hätte, ist, wenn man schon eine Überschrift wählt „Öffentlichen Personenverkehr in Mecklenburg-Vorpommern neu denken“, dann wäre es zumindest ansatzweise ein neuer Denkansatz gewesen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das vermisse ich natürlich vollständig in diesem Antrag.

Herr Kollege Holter, wenn Sie sich hier hinstellen, und das begrüße ich sehr, und Sie sagen, wesentliche Punkte dessen, was Sie hier in den Antrag aufgenommen haben, was da möglicherweise auch von der Enquetekommission gedacht wird, findet sich im Landesverkehrsentwicklungsplan wieder, soweit wir das inzwischen kennen, dann sind das ja offensichtlich keine neuen Gedanken der Opposition, sondern das sind die Gedanken der Landesregierung und, das kann ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen, es sind auch die Gedanken, die zumindest von meiner Fraktion, aber ich gehe davon aus, dass die CDU-Fraktion das ähnlich sieht, da mitgetragen werden. Da stellt sich natürlich die Frage: Was sind Ihre neuen Gedanken?

Dann erlauben Sie mir mal, an dieser Stelle zu Ihrem Antrag zu kommen. Ich will nicht alle Punkte aufgreifen, das würde, glaube ich, hier den Rahmen sprengen, weil Sie haben sich ja, zumindest was die Quantität angeht, Mühe gemacht. Ich will nur einige Punkte aufgreifen und fange gleich mit dem ersten Punkt an, wo der Landtag feststellen soll, dass die Angebote des straßen- und schienengebundenen ÖPNV unzureichend sind und keine vollwertige Alternative in diesem Land darstellen.

Sehr geehrter Herr Kollege Holter, so sicher, wie das in Teilen dieses Landes richtig ist, so sicher ist das in anderen Teilen dieses Landes falsch. Eine solche Behauptung in dieser pauschalen Art hier aufzustellen, wird einfach nicht dem Problem des öffentlichen Nahverkehrs in Mecklenburg-Vorpommern gerecht, weil wenn Sie einen Großraum wie die Region Rostock nehmen – und ich meine nicht mal die Stadt alleine, sondern die Region Rostock insgesamt mit dem dortigen Landkreis –, dann ist sicherlich nicht das Problem, dass dort das Angebot des ÖPNV unzureichend ist.

Ich bin dieser Tage im Landkreis Vorpommern-Greifswald gewesen und habe mich mit dem dortigen Geschäftsführer der VVG, also dem kommunalen Verkehrsunternehmen unterhalten. Die Probleme dort sind natürlich ganz andere. Dort gibt es Regionen – aber auch selbst da gibt es Unterschiede –, dort gibt es sicherlich Regionen, genauso wie in der Region Teterow im Landkreis Rostock, wo es ernsthafte Probleme bei der Aufrechterhaltung eines umfassen

den – ich rede nicht von einem ausreichenden, sondern von einem umfassenden – ÖPNV-Angebotes gibt. Und deswegen ist diese Aussage, so, wie sie hier getroffen wird, schlichtweg falsch, weil auch Halbwahrheiten Unwahrheiten sind.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, natürlich ist es richtig – Sie haben es angesprochen und damit komme ich zu einem weiteren Punkt unter Ihrem Punkt I –, dass der Öffentliche Personennahverkehr in seiner Gänze teilweise in einzelnen Bereichen unterfinanziert ist, und es gibt eine klare Position aller 16 Verkehrsminister der Bundesländer – übrigens, wenn ich richtig informiert bin, Herr Minister Pegel, auch im Beisein des Bundesverkehrsministers so getroffen –, wo gesagt wird, wir brauchen 8,5 Milliarden Euro – ist das die richtige Zahl? – zuzüglich eines 2,7-prozentigen Zuwachses pro Jahr, um den bisherigen SPNV in der Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen. Und wenn man dann das Angebot des Bundes – ich will das mal so nennen, das ist der Gesetzentwurf, auf den Sie abgestellt haben –, wenn man das Angebot des Bundes nimmt mit 7,4 Milliarden Euro, dann ist das – ich habe mich auch öffentlich dazu positioniert – eine Unverschämtheit. Das muss man in dieser Deutlichkeit einfach mal so sagen, weil wenn der Bund selber sagt, wir gehen nach unserem eigenen Gutachten von 7,7 oder 7,8 Milliarden aus, ich habe die Zahlen jetzt nicht genau im Kopf, die nach dem dortigen Gutachter als erforderlich angesehen werden, und man legt einen Gesetzentwurf vor, wo 7,4 Milliarden drinstehen, dann passt da irgendetwas nicht zusammen.

(Heinz Müller, SPD: So ist das. – Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist so.)

Da hat man natürlich das Gefühl, man ist irgendwo auf dem türkischen Basar und da versucht einer, und das ist in dem Fall nicht ein schwacher Bundesverkehrsminister, sondern ein starker Bundesfinanzminister, der versucht offensichtlich auf diese Art und Weise, einen Kuhhandel abzuschließen.

Dazu stehe ich auf dem Standpunkt, und da gibt es auch eine ganz klare und geschlossene Position zwischen meiner Fraktion, zwischen dem Vorsitzenden der Bundesverkehrsministerkonferenz in dem Fall, nämlich in Vertretung aller 16 Bundesländer, und meiner Fraktion in Vertretung für alle 16 SPD-Landtagsfraktionen der Bundesrepublik Deutschland, dass wir nicht bereit sind, das so zu akzeptieren. Wir haben uns ja auch an unsere Bundestagsfraktion gewandt und alle 16 verkehrspolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktionen haben den Kollegen Oppermann und die dort für den Verkehr zuständigen Kollegen ausdrücklich aufgefordert, dass wir jetzt zeitnah zu den Beratungen im Bundestag einen entsprechenden Gesprächstermin mit der Fraktionsspitze zu diesem Thema haben wollen.

Was den Bereich angeht, Herr Kollege Holter, da haben Sie mit Ihrer Aussage völlig recht, dass er unterfinanziert ist, aber es stellt sich auf der anderen Seite mit allen Bereichen des ÖPNV in diesem Lande doch wieder ganz anders dar. Dort ist von Aufgabenträger zu Aufgabenträger die Situation einzeln zu bewerten. Wenn Sie sich heute hinstellen und pauschal sagen, der Nahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern ist unterfinanziert, dann ist das in erster Linie keine Kritik am Land, das ist eine Kritik an den regionalen Aufgabenträgern, an den Landkreisen, die dort vor Ort für den ÖPNV zuständig sind,

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

und ich kann mir gut vorstellen, dass die Landräte und die Kreistage sich dieses Pauschalurteil so verbitten werden.

(Beifall Heinz Müller, SPD)