Protocol of the Session on December 11, 2014

Der Kohleausstieg ist ein langfristiges Ziel. Genauso ist auch klar, solange wir die Kohle benötigen, werden wir einen Energiemix brauchen – sowohl aus Erneuerbaren als auch aus Kohle. Ich glaube, das sind alles Punkte, die inzwischen Gott sei Dank weitgehend Konsens sind.

Was sind aber die eigentlichen Streitpunkte? Das sind im Wesentlichen drei Fragen, nämlich erstens die Frage: In welchem Tempo erfolgt der Kohleausstieg? Denn zwischen mittel- und langfristig – wir merken es ja heute schon – liegen doch schon ein paar Jahre. Die zweite Frage ist, die ist noch mal ganz wichtig: Wie kann der Kohleausstieg beschleunigt werden? Wie kann er beschleunigt werden? Denn ich setze mal voraus, dass wir alle – das hoffe ich zumindest – ein Interesse daran haben. Es kann ja nicht unser Interesse sein, den notwendigen Kohleausstieg zu verlangsamen. Wir müssen ein Interesse daran haben, ihn zu beschleunigen. Also ist die Frage zu beantworten, wie. Die dritte Frage: Welche Rolle spielt die Politik dabei? Welche Rolle spielen die Europäische Union oder die Bundesregierung? Und welche Rolle kann dabei auch die Landesregierung spielen?

(Udo Pastörs, NPD: Die Wirtschaft. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Meine Damen und Herren, wie ist die Situation in Deutschland? 45,5 Prozent Kohlestrom werden erzeugt, also anteilig erzeugt, in über 500 Kraftwerken. Die Kraftwerke sind übrigens teilweise in einem Alter von 1969, auch die sind heute noch am Netz, die letzten sind relativ jung, von 2014 – in Hamburg. So ist die Bandbreite natürlich auch bei der Qualität dieser Kohlekraftwerke.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Aber insgesamt, und das ist das Entscheidende, verursachen alle über 340 Millionen Tonnen CO2-Emissionen – Gesamtemission in Deutschland: 950 Millionen Tonnen. Das heißt, circa ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland verursachen die Kohlekraftwerke. Da wird es also schon klar, um welche Dimensionen es hier letztendlich geht.

Insofern ist auch völlig klar, dass wir eine Verteuerung des Kohlestroms brauchen, um auf diese Art und Weise den Kohleausstieg zu beschleunigen, nicht nur aus klimapolitischen Gründen, sondern auch zur Marktbereinigung, denn wir brauchen als Übergangstechnologie von den konventionellen Kraftwerken eher keine Kohlekraftwerke, sondern wenn, dann Gaskraftwerke, die es momentan sehr schwer haben, im Wettbewerb zu bestehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit welchen Maßnahmen kann man, wenn man denn möchte, den Kohleausstieg beschleunigen? Das ist ein ganzes Portfolio. Ich möchte als Erstes mit dem Königsweg beginnen. Das ist die Grundvoraussetzung, nämlich schnellstmöglich auf hundert Prozent Erneuerbare zu kommen, das heißt, den Ausbau der Erneuerbaren weiter voranzutreiben, so, wie wir es in Mecklenburg-Vorpommern machen, aber nicht nur die erneuerbaren Strommengen zu erzeugen, sondern auch die Netze auszubauen und die ent

sprechenden Speichertechnologien zu entwickeln, um möglichst bald die Voraussetzungen für eine hundertprozentige Versorgung mit Strom durch Erneuerbare zu sichern.

(Egbert Liskow, CDU: Wenn ihr was fürs Klima machen wollt, müsst ihr die anderen Länder mitnehmen.)

Egbert, da bin ich schon mal bei dir.

Man muss dies mit ordnungspolitischen Maßnahmen so flankieren, dass der Kohleausstieg beschleunigt wird. Da gibt es ja einige Vorschläge. Wir waren mit dem Energieausschuss in Brüssel und haben uns die aktuelle Arbeit am Reformwerk des EU-Emissionshandels erklären lassen, mit allen Schwierigkeiten und relativ geringen Erfolgsaussichten in einem absehbaren Zeitraum wirklich zu einer Verteuerung des Kohlestroms und damit zu einer Beschleunigung des Kohleausstiegs zu kommen.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Aber immerhin, der Emissionshandel ist ein wichtiges ordnungspolitisches Instrument, zumal der Vorteil einfach darin besteht, dass der Emissionshandel international zur Anwendung kommt.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Zweitens. Man könnte, am besten international, eine CO2-Steuer einführen, um damit den CO2-Ausstoß praktisch finanziell zu belasten, sprich zu verteuern – international wünschenswert, kaum durchsetzbar, dann national im Alleingang in Deutschland – sicherlich wünschenswert, aber politische Mehrheiten kann ich da momentan auch nicht erkennen. Man könnte, so wie in den USA, CO2-Grenzwerte festlegen, insbesondere für alte Kraftwerke, um somit praktisch die notwendige Nachrüstung entsprechend finanziell zu forcieren, und damit insgesamt Kohlestrom teurer machen. Man könnte auch ein Kohleausstiegsgesetz machen, vor allen Dingen, um den schrittweisen Kohleausstieg politisch zu flankieren und den Beschäftigten in der Kohleindustrie Perspektiven aufzuzeigen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Darauf hat meine Kollegin Mignon Schwenke schon verwiesen. Schrittweiser Kohleausstieg bedeutet vor allen Dingen auch, den Beschäftigten, den vielen Zehntausend Beschäftigten in der Kohleindustrie entsprechende Perspektiven aufzubauen und zu einem sozialverträglichen Umbau zu kommen, so, wie man es bei der Steinkohle, weitgehend zumindest, gemacht hat und wie es weitgehend auch gelungen ist.

Man könnte in einem ersten Schritt – jetzt komme ich zum „Aktionsplan Klimaschutz“ – versuchen, die CO2Emission zu verringern, indem die Bundesregierung im Rahmen „Aktionsplan Klimaschutz“ tätig wird. Da möchte ich eine kleine Korrektur anbringen bezüglich der Aus- sage von Kollegin Schwenke zu Bundeswirtschaftsmi- nister Gabriel, wenn es um die Frage geht, wie kann man 22 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich praktisch reduzieren. In dem Fall ist noch offen, ob es freiwillig über die Unternehmen geregelt werden soll oder anders. Sie können es gerne nachlesen im „Aktionsplan Klimaschutz“. Da steht

ausdrücklich, der Bundeswirtschaftsminister wird in 2015 einen Regelungsvorschlag unterbreiten, um diese 22 Mil- lionen Tonnen zu realisieren. Da kann man jetzt hineininterpretieren, er setzt auf Freiwilligkeit, aber ich würde hier eigentlich um Sachlichkeit dahin gehend bitten, dass es eine Frage ist, die noch offen ist, denn wir wissen natürlich auch, dass die Freiwilligkeit praktisch sicherlich kaum zum Erfolg führen wird.

Insofern hoffe ich zumindest, dass dieser angekündigte Regelungsvorschlag eben nicht nur auf Freiwilligkeit setzt, denn wir brauchen diese 22 Millionen Tonnen CO2Reduzierung bis 2020, auch wenn sie nicht ausreichend sein werden. Darauf komme ich gleich noch. Ich hätte mir gewünscht, die Forderung von Barbara Hendricks, der Bundesumweltministerin, auf mindestens 40 Millionen Tonnen zu reduzieren, hätte sich durchgesetzt. Leider war das nicht der Fall. Im Übrigen reden wir von insgesamt über 80 bis 90 Millionen Tonnen, von denen dann die 22 Millionen Tonnen ein wesentlicher Beitrag wären.

Warum muss man skeptisch sein, ob das denn schon der Einstieg in den Ausstieg ist? Einmal ist es diese vergleichsweise geringe Summe – 22 Millionen Tonnen, gemessen an 341, das ist nicht so riesig viel, das sind 7 Prozent. Aber vor allen Dingen muss einem das zu denken geben, ob das wirklich realistisch ist, dass es bis 2020 – das sind nur noch fünf Jahre – wirklich gelingen kann, die CO2-Emission um 16 Prozent gegenüber 1990 zurückzufahren. Ich möchte daran erinnern, von 1990 bis 2014, also innerhalb von 24 Jahren, haben wir lediglich um 24 Prozent reduziert. Wenn wir dann in den nächsten fünf Jahren um 16 Prozent reduzieren wollen, könnte man sagen, das ist sehr ehrgeizig, oder man könnte auch sagen, das ist unrealistisch.

(Heiterkeit bei Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Ich überlasse Ihnen mal die Interpretation.

Ich möchte aber auch deutlich machen, dass es an der Stelle sicherlich nicht das Versäumnis von Bundeswirtschaftsminister Gabriel und der SPD in der Großen Koalition ist, sondern Klimaschutzmaßnahmen haben immer Langzeitwirkung. Darauf lege ich schon großen Wert, dass die fünf Jahre unter Schwarz-Gelb fünf verlorene Jahre für den Klimaschutz in Deutschland waren. In den fünf Jahren wurden nämlich alle Maßnahmen blockiert, vornehmlich von der FDP, die nur irgendwie die CO2Emission nach unten gebracht hätten. Das muss man an der Stelle auch noch mal ganz deutlich sagen.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Richtig.)

Ich möchte zum zweiten Punkt des Antrages von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kommen. Zum Steinkohlekraftwerk Rostock – darum geht es ja letztendlich – einige Daten: 1994 gebaut, 553 MW, circa 3,2 Milliarden Kilowattstunden und 125 Mitarbeiter. Der Wirkungsgrad – er wurde erwähnt – ist bei der Wärmeauskopplung immerhin 62 Prozent, denn 20 Prozent des Fernwärmebedarfs in Rostock werden durch das Steinkohlekraftwerk realisiert. Betreiber ist die KNG, aber was noch viel wichtiger ist, die Anteilseigner sind EnBW mit 50,4 und Rheinenergie mit 49,6. Das sind letztendlich die Entscheider. Ich komme darauf noch

mal zurück, denn ich glaube, es ist wichtig zu wissen, wer entscheidet hier wann und was. Soweit zu den Wirtschaftsdaten.

Spannend finde ich die Umweltdaten vom Steinkohlekraftwerk Rostock: 2,86 Millionen Tonnen CO2 werden jedes Jahr – das sind Angaben des Umweltbundesamtes, ganz offizielle Angaben –, 2,86 Millionen Tonnen CO2 werden durch das Steinkohlekraftwerk Rostock jedes Jahr in die Luft gepustet. Das sind 84 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes der über 140 meldepflichtigen Industrieanlagen des Landes – 84 Prozent und über ein Drittel Anteil einer Gesamt-CO2-Emission des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Hinzu kommen 2,25 Millio- nen Tonnen Stickoxide, 61,2 Kilogramm Arsen, 17,9 Kilo- gramm Quecksilber. Insofern, meine Damen und Herren, gäbe es sicherlich viele, viele Gründe, dass man Interesse daran haben müsste, dass das Steinkohlekraftwerk Rostock möglichst bald vom Netz geht.

Leider, sage ich bedauerlicherweise, haben wir als Land, meine Damen und Herren, keine – ich habe zumindest keine Kenntnis davon – rechtlichen Instrumente für einen mittelfristigen Ausstieg des Steinkohlekraftwerks Rostock, geschweige denn für eine Schließung. Üblicherweise sind es 40 Jahre Laufzeit. 1994 – jeder kann rechnen: Bis 2034 werden wir zumindest dieses Steinkohlekraftwerk Rostock behalten, wenn EnBW als Mehrheitsanteilseigner in den nächsten Jahrzehnten nicht die Erkenntnis hat, dass es vielleicht nicht wirtschaftlich ist, oder die Bundespolitik entsprechende Rahmenbedingungen so verändert, dass es sich für EnBW gegebenenfalls nicht mehr lohnt.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich kann momentan realistisch kaum eine Möglichkeit sehen, mit einem Konzept sowieso nicht, dass wir als Land oder als Landesregierung auf diese unternehmerische Entscheidung in irgendeiner Weise Einfluss nehmen könnten. Ich persönlich bedauere es sehr, aber ich setze eher auf die zukünftige Bundespolitik und veränderte Wirtschaftsrahmenbedingungen. EnBW muss sich ja selbst auch die Frage stellen, wie lange für sie das Steinkohlekraftwerk Rostock noch profitabel zu betreiben ist.

(Minister Dr. Till Backhaus: Wer ist da eigentlich Gesellschafter?)

Letzter Punkt – Punkt 3 des Antrages. Hier sehe ich es so wie meine Kollegin Mignon Schwenke von den LINKEN. Erstens halte ich das LEP für die vorgesehene...

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ich habe nichts gesagt.)

… für nicht geeignet. Hinzu kommt – jetzt muss ich Sie darum bitten, Herr Kollege, die Punkte im LEP noch mal nachzulesen, ich möchte darauf verzichten, die jetzt hier zu zitieren, sehen Sie sich bitte noch mal die Punkte 2.4, 2.7, 4.5, 8.1 und vor allen Dingen den Punkt 6.1.4 an, Boden, Klima und Luft –, dass es in diesen Punkten ganz konkrete Aussagen gibt zur Bedeutung des Klimaschutzes und auch zu den Vorkehrungen, die wir im Landes

raumentwicklungsprogramm erfüllen müssen, raumplanerische Vorsorge zu treffen, damit wir die Klimaschutzziele erreichen können.

(Egbert Liskow, CDU: Hast du mit Frau Kraft schon mal gesprochen?)

Ich gehe davon aus, dass das LEP diese Punkte im Rahmen seiner Möglichkeiten bisher berücksichtigt hat, und ich sehe am LEP zumindest keinen weiteren Handlungsbedarf.

Übrigens finde ich es gut, dass im LEP im Punkt 6.1.4 auch die besondere Bedeutung und Notwendigkeit der zusätzlichen Vernässung von Flächen, sprich die Ausdehnung von Moorflächen zur Erreichung unserer Klimaschutzziele, ausdrücklich festgeschrieben sind. Ich gehe mal davon aus, dass der Koalitionspartner das inzwischen auch schon registriert hat. Und ich hoffe auch, dass das in Zukunft so umgesetzt wird.

(Egbert Liskow, CDU: Das ist aber nicht so einfach. – Minister Dr. Till Backhaus: Das habt ihr doch alles eingeleitet.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Abstimmungsverhalten.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Aus meiner Rede, glaube ich, ergibt sich das von selbst, aber ich möchte es sicherheitshalber noch mal deutlich sagen: Die SPD-Fraktion wird den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnen, zum einen, weil die Punkte 1 und 3 aus unserer Sicht schon erfüllt sind und der Punkt 2 aus unserer Sicht landespolitisch leider nicht zu realisieren ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende der NPD-Fraktion Herr Pastörs.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Eine grundsätzliche Feststellung kann man sich nicht ersparen, wenn man ernsthaft mit dem Thema umgehen will, und das ist die, dass der überstürzte Ausstieg aus der Atomenergie das größte Hindernis bedeutet, um überhaupt zu einer termingerechten Absenkung der CO2-Emissionen zu kommen. Das ist ein Faktum. Man hat in einer Art Panik etwas beschlossen und begonnen, was jetzt nicht nur der Politik, sondern vor allen Dingen auch der Wirtschaft auf die Füße fällt.