Protocol of the Session on December 11, 2014

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In der „Süddeutschen Zeitung“ wurde am 11. November dieses Jahres die Frage aufgeworfen, was denn der Unterschied zwischen der Berliner Mauer und den ältesten deutschen Kohlekraftwerken sei. Die Antwort in dem Artikel lautete wie folgt: „Die Mauer ist seit 25 Jahren weg. Aber eine Handvoll Braunkohlekraftwerke, die quasi mit der Mauer errichtet wurden, laufen und laufen und laufen.“

(Udo Pastörs, NPD: Damit haben Sie wohl nicht gerechnet? Sie dachten wohl, das steht noch in tausend Jahren.)

„Sie verdienen gutes Geld, schaden aber mehr als sie nutzen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dieser Antwort sind wir bereits mitten in der Diskussion zum vorlie

genden Antrag der GRÜNEN. Das Klimaziel der Bundesrepublik steht seit Langem: Bis 2020 soll der CO2Ausstoß um 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 gesenkt werden.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Offiziell wird von der Bundesregierung davon gesprochen, dass bereits 33 Prozent weniger CO2 ausgestoßen wird als noch 1990. Selbst wenn das stimmt, besteht eine Lücke von 7 Prozent. Die Bundesregierung rechnet natürlich, das verstehe ich auch, mit extrem spitzem Stift, vor allem, um nicht eingestehen zu müssen, dass das Ziel noch lange nicht erreicht ist.

Experten gehen von einer Lücke zwischen zehn und zwölf Prozent aus. Das zeigt, es war höchste Zeit, mit konkreten Maßnahmen mehr für die Minderung des CO2Ausstoßes zu tun. Theoretisch sollte das Aktionsprogramm Klimaschutz, welches am Mittwoch vergangener Woche vom Bundeskabinett beschlossen wurde, mit genau solchen konkreten Maßnahmen aufwarten, wie die CO2-Einsparung denn nun vorangetrieben werden soll. Wie gesagt, theoretisch. Das, was nun vorgelegt wurde, kann man freundlich ausgedrückt als „Wünsch-dir-wasKatalog“ bezeichnen.

Es wird hier im Saal hoffentlich niemand sein, der bezweifelt, dass die Kohleverstromung inzwischen seit Langem zum Sündenfall beim CO2-Ausstoß geworden ist. 22 Millionen Tonnen CO2 sollen durch die Stromwirtschaft eingespart werden. Mal abgesehen davon, dass nach unserer Ansicht diese Menge bei Weitem nicht ausreicht, um den Herausforderungen des Klimawandels entgegentreten zu können, ist die Frage, wie das geschehen soll, völlig offen. In der Pressekonferenz ließ der Minister dazu verlauten, dies sei eine unternehmerische Entscheidung.

Ich will fair sein: Es ist nicht Nichts, wenn eine konkrete Menge als Ziel ausgemacht wird. Das 40-Prozent-Ziel war bisher noch allgemeiner und unverbindlicher. Aber wenn es allein nach der unternehmerischen Entscheidung der Kraftwerksbetreiber geht, dann werden wir das Ziel nicht erreichen. Zum Beispiel werden wir dann nicht dazu kommen, dass hocheffiziente Gaskraftwerke ans Netz gehen. Warum sollte es auch? Die alten abgeschriebenen Kohlekraftwerke sind reine Gelddruckmaschinen. Aus rein unternehmerischer betriebswirtschaftlicher Sicht wäre es sträflich, sie abzuschalten.

Die Umweltministerin Hendricks sah das mal genauso. Sie hatte sich anfangs für konkrete Maßnahmen zur Abschaltung älterer Kraftwerke eingesetzt, doch durchsetzen konnte sie sich nicht. Ich bin gespannt, wann Minister Gabriel erkennen wird, dass er wieder Lobbyinteressen aufgesessen ist. Aber wir sind ja gerade in Brüssel gewesen und müssen leider feststellen, dass das ins Bild passt.

Der Handel mit Emissionszertifikaten ist aus unserer Sicht gescheitert, und das kurzzeitige Backloading wird ebenso wenig den gewünschten Effekt bringen. Schon gar nicht wird es Geld einspielen, das dringend für den Umbau der Energiesysteme benötigt wird. Eine Tonne CO2 müsste mindestens das Fünf- bis Sechsfache des aktuellen Marktpreises kosten, damit eine tatsächliche Steuerungswirkung eintreten kann. Meine Fraktion plädiert nach wie vor für die Einführung einer CO2-Steuer

oder eines ähnlichen Instrumentes, am liebsten europaweit. Da das aber nicht zu erwarten ist, sollte Deutschland in dieser Richtung eigenständig handeln. Der Ausstieg aus der Kohle kann nur gelingen, wenn es klare Regelungen zum Neu- und Ersatzbau sowie zu den Betriebszeiten von Kohlekraftwerken gibt. Schritt für Schritt – das betone ich noch mal –, Schritt für Schritt und nicht von heute auf morgen könnten so die ältesten und inneffizientesten Kraftwerke vom Netz gehen.

Wir meinen ja, dass zum Beispiel Gaskraftwerke, wenn sie denn die notwendige Brückenfunktion bis zur vollständigen Energieversorgung aus erneuerbaren Rohstoffen erfüllen sollen, Teil der notwendigen Infrastruktur sind. Dann müssten sie in staatliche Hand, ohne Unterordnung unter das über allem stehende Gewinninteresse, das ist natürlich nicht gewollt. Das Prinzip Hoffnung, nach dem die Bundesregierung agiert, wird auch in dieser Frage keinen Beitrag leisten können. Mit der Freiwilligkeit von Unternehmen haben wir in den verschiedenen Branchen einschlägige, aber eben nicht positive Erfahrungen machen müssen. Herr Gabriel ist unter dem Druck der Wirtschaft zusammengeklappt wie ein papierner Cocktailschirm, nachdem er Wasser abbekommen hat, meine Damen und Herren.

In eine notwendige Ausstiegsstrategie gehört schließlich auch die Frage – und das will ich hier besonders betonen –, welche Perspektiven es für die Beschäftigten in dieser Branche gibt.

(Egbert Liskow, CDU: Fangen Sie doch mal in Brandenburg an, da haben Sie doch eine Regierungsbeteiligung!)

Das sage ich Ihnen gleich.

Für uns gehört – ganz wichtig – die Frage dazu – das war ja das Hauptproblem für die Brandenburger, Herr Jaeger hat es schon gesagt –, welche Perspektiven es für die Beschäftigten in dieser Branche gibt. Dass die Kraftwerksbetreiber Horrorszenarien über den Verlust von Arbeitsplätzen beim Kohleausstieg aufmachen, ist offensichtlich. Aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Ängste, die wir sehr ernst nehmen. Deshalb wundern wir uns auch nicht darüber, dass Gewerkschaften und Unternehmen in das gleiche Horn pusten. Deshalb muss der Kohleausstieg sozial- und arbeitsmarktpolitisch flankiert werden.

(Egbert Liskow, CDU: Von wem?)

Wir brauchen, wie beim Rückzug des Militärs, Konversionsprogramme für die Kohlewirtschaft.

(Egbert Liskow, CDU: Dann lasst Hamburg doch machen!)

Mit all dem bisher Gesagten, meine Damen und Herren, erkennen Sie, dass meine Fraktion dem Punkt 1 des vorliegenden Antrages in jedem Fall zustimmen wird.

Bei den Punkten 2 und 3 haben wir Fragen und auch Zweifel. Wir waren uns zum Beispiel beim Punkt 2 nicht einig darüber, was damit eigentlich gemeint ist, zumal Sie dieses Mal im Unterschied zu sonst, Herr Kollege Jaeger, keine schriftliche Begründung mitgeliefert haben. Das müssen Sie nicht, das ist klar, aber das hätte vielleicht zur Erhellung beigetragen.

Einige bezogen den Punkt auf das einzige Kohlekraftwerk in Mecklenburg-Vorpommern. Aber für dessen Stilllegung ein Landeskonzept zu erwarten, würde ich für ein bisschen übertrieben halten. Ist es vielleicht, so hatte ich das verstanden, so gemeint, dass das Portfolio der Energieerzeuger in Mecklenburg-Vorpommern immer noch einen erheblichen Anteil Kohlestrom beinhaltet und dieser Anteil zurückgefahren werden muss? Dann macht aus meiner Sicht diese Forderung noch eher Sinn, liebe Kollegen von den GRÜNEN.

Allerdings muss ich sagen, dass ich diese Strategie des Landes als Bestandteil im Energie- und Klimaschutzkonzept erwarte. Dort muss das Land zwingend den Weg vorschreiben, der auch in den Kommunen und in den Unternehmen gegangen werden soll. Mir ist nicht klar, warum wir dann ein Extrakonzept im Land brauchen. Aber vielleicht können Sie noch mal etwas Genaueres dazu sagen.

Ähnlich problematisch ist für uns der Punkt 3, zumindest ein Stück weit. Ich selbst habe in der Landtagssitzung im Oktober bei Einbringung unseres Antrages zur Stärkung des Klimaschutzes im Land gefordert, dass dieser Aspekt der Energiewende stärker in die Diskussion des Landesraumentwicklungsprogramms und der Regionalen Raum- entwicklungsprogramme eingebracht werden muss. Deshalb unterstützen wir vorbehaltlos Ihr Anliegen in diesem Punkt.

Auch die Aussagen hinter den Anstrichen finden wir sehr wichtig. Die Frage, die wir uns stellen, ist nur, ob das Landesraumentwicklungsprogramm das richtige Instrument dafür ist. Ich bin sehr dafür, dass im LEP Programmsätze zur Verantwortung des Landes für den Klimaschutz, zur klimaverträglichen Energieversorgung als Ziele beziehungsweise Grundsätze der Raumordnung festgeschrieben werden. Aber für meine Begriffe steht da schon einiges drin, unter 6.

(Rudolf Borchert, SPD: Ja, so ist es.)

Ich darf zitieren: „Der weiteren Reduzierung von Treibhausgasemissionen ist, soweit es wirtschaftlich vertretbar ist, durch eine komplexe Berücksichtigung von Maßnahmen“ – den Zwischenraum habe ich rausgelassen – „Rechnung zu tragen.“ Die Punkte, die da aufgeführt sind, sind entweder tatsächlich raumbedeutsam oder generell als Ziel definiert, wie Energieeinsparung und Erhöhung der Energieeffizienz.

Zur Erschließung vorhandener Wärmepotenziale wird die Geothermie genannt. Die ist an raumbedeutsame Standortfaktoren gebunden. Gilt das auch für KWK-Anlagen und die Nutzung der Industrieabwärme? Sind die raumbedeutsam aus Landessicht? Ich habe da meine Zweifel. Die Nutzung der Potenziale der Kraft-Wärme-Kopplung und der industriellen Abwärme festzuschreiben, kann aus unserer Sicht vom LEP nicht geleistet werden. Dafür hält meine Fraktion das LEP für das falsche Instrument.

Bei der Frage nach der Sicherung und Vermehrung von Wäldern bestehen bereits Regelungen. Ich zitiere einmal aus dem Landeswaldgesetz Paragraf 1 Absatz 2: „Wald ist wegen seines wirtschaftlichen Nutzens … und wegen seiner Bedeutung für die Umwelt, insbesondere für die dauernde Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes, das Klima, den Wasserhaushalt, die Reinhaltung der Luft,“ die Biodiversität, „die Bodenfruchtbarkeit, das Land

schaftsbild, die Agrar- und Infrastruktur sowie die Erholung der Bevölkerung … zu erhalten und zu mehren.“

Auch der sparsame Umgang mit Grund und Boden ist sowohl im Baugesetzbuch als auch im Entwurf des LEP verankert, nämlich dadurch, dass festgeschrieben ist – der Minister hat es vorhin schon gesagt –, Innenentwicklung der Siedlungen geht vor Außenerweiterung. Außenerweiterung, also weitere Zersiedelung, ist sogar ausgeschlossen.

Nun kann man viele Regelungen, die das Land zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen getroffen hat, kritisieren, weil sie nicht ausreichend sind. Das tun wir auch, wenn wir der Meinung sind. Aber das Landesraumentwicklungsprogramm wäre nach unserer Auffassung mit Ihren Forderungen überfrachtet. Für all diese Fragen scheint mir das Energie- und Klimaschutzkonzept das richtige Instrument zu sein.

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

Wir kennen es ja leider immer noch nicht. Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als zu warten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vorfreude, schönste Freude.)

Und wenn es dann daliegt, dann werden wir es uns gründlich angucken.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Im Warten sind wir geübt.)

Im Warten sind wir geübt, da haben Sie völlig recht, Frau Gajek.

Summa summarum: Dem Punkt 1 Ihres Antrages stimmen wir zu. Bei den Punkten 2 und 3 werden wir uns der Stimme enthalten. Daraus können Sie schließen, dass wir um Einzelabstimmung der Punkte 1 bis 3 bitten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Borchert von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Du sollst nicht so lange reden, sagt der Koalitionspartner.)

Ja, das kann ich Ihnen leider nicht versprechen.

(Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Überschrift des Antrages lautet: „Keine Energiewende ohne Kohleausstieg“. Ich glaube, dieser Aussage können wir alle hier im Hohen Hause zustimmen. Herr Seidel hat auf die Endlichkeit der fossilen Energieträger und damit der Kohle hingewiesen. Herr Jaeger hat darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, das 2-Grad-Ziel zu erreichen, das heißt zu sichern, dass der Klimakollaps nicht weiter voranschreitet, denn die Kohle und der Kohlestrom sind bekannterweise der CO2-Ausstoß-Treiber. Das heißt also, die Kohle ist der größte Klimakiller. Und

ich glaube, die Debatte, ob mittel- oder langfristig, lässt sich schwer lösen. Ich würde eher von einem langfristigen Ziel sprechen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Der Kohleausstieg ist ein langfristiges Ziel. Genauso ist auch klar, solange wir die Kohle benötigen, werden wir einen Energiemix brauchen – sowohl aus Erneuerbaren als auch aus Kohle. Ich glaube, das sind alles Punkte, die inzwischen Gott sei Dank weitgehend Konsens sind.