Protocol of the Session on November 13, 2014

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Gut an unserer Demokratie ist auch, dass wir eine pluralistische Medienlandschaft haben. Klar, wir würden es uns vielleicht vielfältiger wünschen,

(Udo Pastörs, NPD: Noch vielfältiger?!)

das ist richtig, aber es gilt, es gibt das freie Wort der Journalisten und das kritische Hinterfragen, auch das ist richtig. Dem einen oder anderen von uns stößt das, je nachdem, was gerade geschrieben wird, bitter auf, aber wir wissen doch, dass das freie Wort der Journalisten wichtig ist, ja geradezu überlebenswichtig in einer pluralistischen Gesellschaft.

Gut an unserer Demokratie ist, dass sie die Möglichkeit hat, auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren zu können. Reagieren wir nicht oder nicht in ausreichendem Maße, werden die Menschen bei den nächsten freien Wahlen reagieren, das wissen wir doch. Freie Wahlen, meine Damen und Herren, sind ein Hebel zu gesellschaftlichen Veränderungen. Auch die Demokratie und die demokratischen Spielregeln sind nichts Statisches. Sie unterliegen Veränderungen, Veränderungen, von denen wir wissen, wir müssen sie sehr vorsichtig machen, sehr umsichtig und möglichst in einem breiten Konsens.

Ich habe eingangs gesagt, dass das Erwachsenwerden unserer Demokratie auch Gefahren birgt. Wir sehen dies momentan beispielsweise am Agieren von Extremisten, zum Beispiel hier im Land von verfassungs- und demokratiefeindlichen Rechtsextremisten. Wir haben es aber auch in Köln gesehen, was dort los ist. Wir haben so unglaubliche Vorgänge, wie zum Beispiel, dass sich die Attentäter des 11. September zuvor auch hier in Mecklenburg-Vorpommern aufgehalten haben oder dass das NSU-Trio über Jahre mordend durch Deutschland ziehen konnte.

Meine Damen und Herren, Gefahren gibt es im Großen, Gefahren gibt es auch im Kleinen. Ich will für die Ge- fahren im vermeintlich Kleinen ein Beispiel nennen. Es ist die Wahlmüdigkeit der Menschen in unserem Land. Natürlich müssen wir uns selbst hinterfragen, ob die Art, wie wir Politik machen und uns öffentlich darstellen, etwas ist, das von den Bürgerinnen und Bürgern immer so, wie wir es tun, auch nachvollzogen werden kann. Das ist eine Aufgabe, die wir hier ständig haben.

Aber wir haben heute etwas zu feiern, nämlich den 25. Jahrestag des Beginns der Demokratie, oder vielleicht sage ich symbolisch, der Grundsteinlegung unseres Hauses der Demokratie in Ostdeutschland. Diese Demokratie wurde auf dem Schutt von zerfallener Mauer und Stacheldraht errichtet, die einst Deutschland teilten. An diesem Haus der Demokratie, und das sage ich ausdrücklich, an diesem Haus der Demokratie haben Sozialdemokraten, Christdemokraten, LINKE, die GRÜNEN und – ich erwähne sie auch extra – Liberale mitgebaut, alle haben mitgebaut. Und deshalb sage ich im Hinblick auf die aktuelle Diskussion über mögliche Bündnisse: Es gibt keine Demokraten erster und zweiter Klasse. Auch das war ein Ziel der 89er-Revolution.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Meine Damen und Herren, das heißt nicht, dass die Zeit vor 1989 vergessen ist, das heißt nicht, dass jedes Unrecht vergeben ist. Es hat schweres Unrecht gegeben, das ist ja auch von allen Rednern deutlich gesagt worden. Das heißt vor allem auch nicht, dass nach der kon

kreten Schuld des Einzelnen nicht mehr gefragt wird. Doch, es wird weitergefragt, die Fragen werden weitergestellt. Die Fragen, die wir stellen, sind Teil der politischen Auseinandersetzungen. Dennoch bleibt es dabei: Demokraten in den Parlamenten begegnen sich auf Augenhöhe, denn alle Demokraten sind von den Menschen in unserem Land in freien und fairen Wahlen gewählt worden und wollen Politik demokratisch gestalten.

(Udo Pastörs, NPD: Nur die NPD ist nicht frei gewählt. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee, ihr seid ja auch keine Demokraten. Das ist das Problem. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Zu uns allen hier im Haus sage ich, dass wir im persönlichen Umgang miteinander immer aufpassen müssen, dass wir die Brücken zueinander nicht einreißen. Tun wir das nämlich, berauben wir uns selbst der Möglichkeit, Zukunft zu organisieren. Wir organisieren nicht für uns die Zukunft, sondern für die Menschen da draußen. Brechen wir die Brücken ab, laufen wir Gefahr, irgendwann mit viel, viel Mühe Brücken mühsam wiederaufbauen zu müssen. Das sollten wir möglichst vermeiden.

Meine Damen und Herren, ich habe mir die Frage gestellt: Was ist Demokratie? Demokratie ist für mich der zivilisierte Weg, gesellschaftliche Bedürfnisse aufzunehmen, gesellschaftliche Diskussionen zu kanalisieren, gesellschaftliche Widersprüche zu lösen und friedlich in konkretes Handeln zu übernehmen. Dieser Frieden ist es, der die größte Errungenschaft unserer Gesellschaft ist, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von Stefan Köster, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Und wenn wir heute hier über 25 Jahre Mauerfall, Freiheit und Demokratie für unser Land reden, dann wissen wir, dass weder unsere Demokratie perfekt ist, noch, dass wir einen gesellschaftlichen Zustand erreicht haben, der uns zufrieden macht. An beidem werden wir weiterarbeiten müssen, bei beidem ist eine Veränderung notwendig, aber wir haben die Chance zu gestalten, und zwar in einem demokratischen Umfeld oder ich würde besser sagen, in einem demokratischen Wettbewerb. Dafür sind Regierung und Opposition notwendiger und wichtiger Bestandteil. Dafür ist Realpolitik genauso wichtig wie visionäre Vorstellungen. In diesem Sinne: Lassen Sie uns weiterarbeiten an unserem Haus der Demokratie! – Besten Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte beinahe auch gesagt: Liebe Wendehälse! Aber das lasse ich lieber sein. Erstens habe ich Sie nicht lieb und zweitens sollten Sie dann ja nicht genannt werden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Einer muss ja Blödsinn erzählen heute. – Zuruf von Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)

„Wir sind das Volk“, Herr Dr. Nieszery – unter diesem Motto forderten vor 25 Jahren immer mehr Deutsche in der Deutschen Demokratischen Republik das Recht auf Meinungs-, Presse- und Reisefreiheit. Zentrale Forderungen Hunderttausender Demonstranten waren weiterhin der Zugang zu den Massenmedien für alle gesellschaftlich bedeutenden Gruppen sowie freie, gleiche und geheime Wahlen.

Am 9. November 1989 fiel in Berlin dann endlich die Mauer, die über 28 Jahre Sinnbild für das geteilte Deutschland war. Dem Mauerfall vorausgegangen waren unzählige Massenkundgebungen, Republikfluchten über das Ausland und Auseinandersetzungen mit dem Staatsapparat der DDR. Innerhalb kürzester Zeit formierte sich eine Oppositionsbewegung und aus dem Ruf „Wir sind das Volk“ entwickelte sich der Sehnsuchtsschrei „Wir sind ein Volk“.

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Der Ruf nach Einigkeit und Recht und Freiheit wurde, wie schon am 17. Juni 1953, wieder lebendig. Der 9. November 1989 war vor allem der Tag, an dem die Deutschen Geschichte schrieben, Zigtausend Deutsche im Freudentaumel, weil ein Unrechtsstaat – um nichts anderes handelte es sich, Herr Sellering – sein Ende fand, und die Mauer, die die alte Bundesrepublik von der DDR trennte, plötzlich Geschichte war. Dies sehen zum Glück auch innerhalb der SPD noch einige Genossen so.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Welche Ursachen gab es denn für die Trennung? – Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Heute wird gerne darüber gestritten, wer denn die größten Anteile an der Vereinigung von West- und Mitteldeutschland hatte – ob Altkanzler Helmut Kohl, der sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow oder aber die westlichen Besatzer, die der Vereinigung letztlich unter Bedingungen zustimmten. Gorbatschow selbst sagte vor wenigen Tagen, dass die Sowjetunion zumindest keine Bedingungen stellte und, wie zu vernehmen war, die Sowjetunion sogar eine wirkliche Vereinigung Deutschlands vorschlug.

Der 9. November 1989 ist ein Beleg dafür, dass keiner der Politiker, sondern es die Deutschen selbst waren, die das marode DDR-System herausforderten und schließlich zu Fall brachten. Keine der etablierten Parteien hatte die Wiedervereinigung als politisches Ziel, als die DDRBürger ihre Zukunft in die eigene Hand nahmen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Unzählige Montagsdemonstrationen fanden in nahezu allen größeren Städten der DDR statt, und dies, obwohl Stasi und russische Besatzer stets wie ein Damoklesschwert über der erwachenden Befreiungsbewegung schwebten. Die Bürger in der DDR glaubten immer weniger den Lügen, die ihnen das politische Establishment auftischte.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Die DDR war nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch total gescheitert und auch die Bundesrepublik Deutschland ist wirtschaftlich und auch politisch auf Abwegen.

Doch leider wurde die historische Chance, die sich durch den Mut der DDR-Bürger 1989 und 1990 bot, nur unzureichend genutzt. Es gab keinen echten Neuanfang für das geeinte Deutschland, sondern die Überbleibsel dessen, was sich einmal DDR nannte, wurden einfach der Altbundesrepublik einverleibt. Wirtschaftliche Strukturen wurden zerschlagen, Hunderttausende Deutsche in die Perspektivlosigkeit geschickt. Die von Altkanzler Helmut Kohl versprochenen „Blühenden Landschaften“ sucht man bis heute vergebens.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Ein vielversprechendes Bildungssystem, Herr Dr. Nieszery, wurde ohne mit der Wimper zu zucken einfach entsorgt, wobei aber nicht außer Acht gelassen werden darf: Wer in der DDR eine eigene Meinung behielt, dem waren häufig die Wege versperrt. Beruflich gab es kein Vorwärtskommen und die Familie wurde sogleich in Sippenhaft genommen.

(Tino Müller, NPD: So wie heute.)

Viele Kinder von sogenannten Dissidenten können hiervon ein Lied singen, sie durften zum Beispiel noch nicht einmal studieren. Das Einzige, was von der DDR blieb, sind die Seilschaften des roten Klüngelwesens, die sich bis heute an den Schaltstellen der Macht gehalten haben und in Verwaltungen und Parlamenten ihr Unwesen treiben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Der Liedermacher Wolf Biermann bezeichnete anlässlich der Feiern zum 25. Jubiläum des 9. November 1989 die heute im Bundestag sitzenden LINKEN als, Zitat, „elenden Rest dessen, was zum Glück überwunden wurde“, Zitatende.

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Heute kann man sagen, dass der 9. November 1989 für die Hoffnung unzähliger Deutscher steht, endlich in einem freien, geeinten und selbstbestimmten Deutschland zu leben. Der 3. Oktober 1990 steht letztlich nur dafür, was die politischen Entscheidungsträger daraus gemacht haben.

Wir von der NPD sprechen uns daher dafür aus, dass der 9. November zum Nationalfeiertag erhoben wird, weil er Symbol für die Sehnsucht der Deutschen nach Einheit und Freiheit ist.

(Thomas Krüger, SPD: Und was ist mit 1938?)

Große Veränderungen haben ihren Anfang nicht am Schreibtisch gemacht, Herr Krüger, sondern auf der Straße.

(Michael Andrejewski, NPD: Den können Sie feiern, wenn Sie wollen.)

Als Sohn eines anerkannten Verfolgten des SEDUnrechtsregimes stelle ich hier an dieser Stelle die Frage, wie es sein kann, dass die Unterdrücker und Denunzianten von damals, wie zum Beispiel IM Martin, heute wieder in führender Stelle sind und sich als Saubermänner präsentieren können,

(Zuruf von Tino Müller, NPD)

jene skrupellosen Typen also, die für Folter, Haft und/oder Kindesentzug verantwortlich sind und heutzutage das gleiche Spiel nur unter pseudodemokratischem Deckmäntelchen betreiben. Warum werden jene äußerst fragwürdigen Personen, die Ende 1989 und Anfang 1990 noch die Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten ablehnten und sich für den Fortbestand der Teilung aussprachen, in den Medien als Einheitspolitiker und Rettungsengel der sozialen Gerechtigkeit dargestellt?

Beispiele gefällig? Zitat: „Es wird uns gelingen, die Mehrheit der Bevölkerung zu überzeugen, wie wichtig die Eigenständigkeit der DDR ist“, so Gregor Gysi am 5. Januar 1990.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Ein weiteres Zitat: „Vorsicht also mit unbedachten Wiedervereinigungsparolen. Das Gespenst eines starken Vierten Deutschen Reiches erschreckt unsere westlichen nicht weniger als unsere östlichen Nachbarn“, so Oskar Lafontaine im „Spiegel“ 1989.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD – Michael Andrejewski, NPD: Großer Einheitsheld.)