Protocol of the Session on November 13, 2014

Die dortige CDU kann aber den drohenden Machtverlust nicht begreifen und schon gar nicht will sie in die Opposition. Ich frage mich schon, welche Schlussfolgerungen die CDU aus ihrer DDR-Geschichte gezogen hat. Die Regierung zu verlassen, ist kein leichter Schritt, das wissen die Kollegen der CDU, 1998, und das wissen wir LINKEN, 2006, das sind Veränderungen. Aber das Volk entscheidet, auch in Thüringen. Nicht nur aus diesem Grund weise ich alle Drohungen gegen Bodo Ramelow entschieden zurück.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Ich will Ihnen das erzählen: Bodo Ramelow wird terrorisiert. Bodo Ramelow erhält Drohanrufe, erhält Morddrohungen per SMS und des Nachts fahren Autokorsos mit brennenden Kerzen um sein Haus.

(Udo Pastörs, NPD: Boah! – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Das hat mit meinem Demokratieverständnis nichts zu tun.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE und Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt Ergebnisse von Wahlen, es gibt Ergebnisse im Landtag von Thüringen, wo sich Parteien entschieden haben, eine Koalition zu bilden.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Das muss auch von den Wahlverlierern und denen, die nicht mehr die Regierung stellen, akzeptiert werden.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Natürlich, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, Herr Kokert, darf man die alten Blockparteien nicht mit der SED gleichsetzen. Sie haben das betont und das teile ich.

(Vincent Kokert, CDU: Da sind wir Ihnen schon mal dankbar, das hörte sich auch schon mal anders an.)

Sie haben ja – und das will ich auch noch mal tun –, Sie haben ja ganz bewusst von dem Führungsanspruch der SED gesprochen. Und so, wie wir beide das aus der Verfassung der DDR vorgetragen haben, hat sie diesen Führungsanspruch auch rigoros durchgesetzt, auch gegenüber den sogenannten Blockparteien.

Jede und jeder hat seine Vergangenheit. Die deutsche Geschichte hat aber nicht erst am 3. Oktober 1990 begonnen.

(Vincent Kokert, CDU: Auch das stimmt, ja.)

Es ist doch bekannt, dass etwa CDU-Mitglieder in den Kampfgruppen gedient haben, dass Funktionäre der Bauernpartei an den Parteischulen der SED ausgebildet wurden, die Bauernpartei, die dann in der CDU aufgegangen ist,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

die Demokratische Bauernpartei Deutschlands, die sich gegen einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ausgesprochen hatte.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

1989 wurden auch in der CDU Forderungen nach einem neuen Sozialismusbegriff laut oder man machte sich Gedanken über eine bessere DDR. Das war ja damals die Losung: „Wir sind das Volk“. Wir redeten damals noch über eine veränderte, bessere DDR. Das mit dem „einen Volk“ und der Wiedervereinigung kam ja historisch gesehen ein Stück später. Deswegen kann niemand heute so tun, als sei die SED von damals DIE LINKE von heute, als seien die Altkader der Blockparteien oder der SED, die heute ein anderes Parteibuch in der Tasche haben, per se die Guten und diejenigen mit Parteibuch der LINKEN die Bösen.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Das sind nur die NPDler, beruhigen Sie sich! Da ist Konsens. Sie sind ja Rechtsnachfolger der SED, wir nicht. Aber wir sind die Bösen.)

Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! In der aktuellen emotionalen Debatte werden von unterschiedlichen Lagern unterschiedliche Bekenntnisse verlangt.

(Jochen Schulte, SPD: Das ist eine rechtliche Frage.)

Wahlweise wird man dann zum Demokraten oder zum Verräter.

(Stefan Köster, NPD: Was sind Sie denn?)

Ein Schwarz-Weiß in der historisch-politischen Betrachtung ist zwar einfach, aber meines Erachtens unzulässig. Lassen Sie es mich so zusammenfassen:

Erstens. Die DDR darf nicht auf einen Begriff reduziert werden.

Zweitens. Die DDR darf aber auch nicht nach dem Motto „Es war nicht alles schlecht“ verklärt und verherrlicht werden.

Drittens. Aus beiden Positionen ein „Leipziger Allerlei“ zu rühren und so die Gefühlslagen der Menschen zu bedienen, verbietet sich, weil das zu Relativierungen führt. Die Menschen haben in der DDR ihre unterschiedlichen Erfahrungen gemacht und sie können aus eigenem Erleben am besten beurteilen, was ihnen die DDR gegeben beziehungsweise genommen hat. Das hat am Sonntag der Landesbischof Gerhard Ulrich in seiner Predigt auf den Punkt gebracht, indem er sagte, dass er als Westdeutscher die Wende nicht beschreiben könne, und schon gar nicht das Leben in der DDR. Aber er ist dankbar für das große Geschenk, das ihm die Ostdeutschen, die DDR-Bürgerinnen und -Bürger, gegeben haben.

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, an 1998 erinnern. Ich bin der Meinung, wir waren in der politischen Auseinandersetzung und Diskussion in Mecklenburg-Vor- pommern schon weiter. In der Präambel des Koalitionsvertrages zwischen SPD und PDS von 1998 – und das möchte ich Ihnen jetzt vortragen – haben wir Folgendes vereinbart, und wir haben das als LINKE, damals als PDS, auf einem Parteitag beschlossen.

(Vincent Kokert, CDU: Dafür gab es auch nicht nur Beifall, ne?)

Auch das.

Zitat: „SPD und PDS respektieren Unterschiedlichkeiten in ihren politischen Auffassungen und ihrer Programmatik sowie ihre unterschiedlichen Traditionen und ihre jeweilige Verantwortung für die Entwicklung in Deutschland. Sie treten gemeinsam dafür ein, daß sich Menschen in Deutschland versöhnen können. Dies kann nur durch eine wahrheitsgemäße Aufarbeitung der deutschen Geschichte seit 1945 geschehen und nicht durch Verdrängung. Die PDS bekennt sich dazu, daß die SED für politisches Unrecht in der DDR verantwortlich war. Ziel der Aufarbeitung muß es sein, Brücken zu bauen und alle Menschen, die die Zukunft demokratisch und gerecht gestalten möchten, zur Mitarbeit am Aufbau Mecklenburg-Vorpommerns zu gewinnen. SPD und PDS stimmen darin überein, daß die Opfer von SED-Unrecht einen Anspruch auf Rehabilitierung und auch auf Entschädigung haben. Sie stimmen außerdem darin überein, dass der Landesbeauftragte“ – damals war es noch ein Mann – „für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in dieser Wahlperiode seine Tätigkeit fortsetzt.“ Ende des Zitats.

Das war die Eröffnung einer zweiten Chance für alle, die aus der DDR gekommen sind, und auch für diejenigen, die Verantwortung getragen haben. Das war die Einladung zum Mitmachen. Es ging um die eigene Verantwortung, es ging um die notwendigen Schlussfolgerungen und es ging um die Mitarbeit am Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens.

(Michael Andrejewski, NPD: Um die Fortsetzung der Karriere.)

Ja, es ist richtig und wichtig, dass wir jetzt anlässlich des 25. Jahrestages der Öffnung der Mauer auch die 25 Jah- re würdigen und das Aufbauwerk der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, in Ostdeutschland insgesamt. Ich will Ihnen sagen, da war DIE LINKE aktiv dabei.

Meine Damen und Herren, 25 Jahre nach der friedlichen Revolution, nach der Öffnung der Mauer, sollten wir den Blick auch in die Zukunft richten

(Udo Pastörs, NPD: Jawohl!)

und versöhnen statt spalten, differenzieren statt Pauschalurteile fällen, gerade auch für nachfolgende Generationen weiter aufarbeiten, erinnern und mahnen statt relativieren und vergessen. Wir sollten einander besser zuhören und verstehen, statt einseitig anderen die Schuld zuzuweisen.

Die friedliche Revolution und die Herstellung der deutschen Einheit bieten weiterhin große Chancen. Ich hatte das auf einen Zwischenruf von Wolf-Dieter Ringguth in einer Debatte vor zwei oder drei Monaten noch mal betont, wie ich das damals in Neubrandenburg als Chance auch für eine neue linke Politik in Deutschland und in Europa, aber nicht nur für eine linke Politik, sondern wirklich für ein demokratisches, friedliches Deutschland begriffen habe.

Vieles hat sich bereits getan, viel mehr gibt es aber noch zu tun. Wir sollten auch über heutige Mauern sprechen – Mauern aus Beton und Stacheldraht in allen Teilen der Welt – ich habe sie vor Augen, Sie möglicherweise auch –, Mauern, die die Europäische Union abschotten, sodass Menschen den Weg über das Mittelmeer suchen, oftmals mit verheerenden Folgen für diese Menschen.

Deutschland, Mecklenburg-Vorpommern – wir sind ein Rechtsstaat, ein demokratischer Staat, es herrschen Meinungsfreiheit und Reisefreiheit.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist doch wohl ein Witz. Mit der Meinungsfreiheit, das ist doch wohl ein Witz.)

Aber von einer sozial gerechten Gesellschaft sind wir noch weit entfernt.

Sie haben sicherlich die „Ostsee-Zeitung“ von gestern gelesen. Ich erlaube mir den Leserbrief von Sylvia Schönert aus Wismar hier teilweise zu zitieren. Frau Schönert schreibt: „Fragen Sie mal einen Hartz-IV-Empfänger oder Rentner, wie viel Geld er hinzuverdienen darf, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Und dann schauen Sie nach den Zuverdiensten unserer Abgeordneten, deren monatliche Bezüge höher sind als die Jahresrente meines Mannes. Der hat dafür über 40 Jahre hart arbeiten müssen. Fragen Sie einen AOK-Versicherten, wie lange er auf einen Arzttermin warten muss oder ob er vielleicht sogar

bei gar keinem Facharzt angenommen wird. Er hat das gleiche … Recht auf einen Arzttermin, wie ein Privatversicherter. Aber das nützt ihm gar nichts. Fragen Sie einen Kleinkriminellen, wie seine Strafen ausgefallen sind. Und vergleichen Sie die Strafen mit denen von Steuersündern in Millionenhöhe, die sich mit ihrem Geld einen teuren Anwalt leisten und einen Deal aushandeln lassen können.“ Soweit aus diesem Leserbrief.

(Udo Pastörs, NPD: Recht hat sie.)

Der Kapitalismus, der heute beschönigend „soziale Marktwirtschaft“ genannt wird, kann hier nicht die letzte Antwort sein, er ist vielmehr die Ursache.

(Vincent Kokert, CDU: Ist das jetzt vom Leserbrief oder ist das von Ihnen?)

Das ist jetzt von mir.

(Vincent Kokert, CDU: Aha!)