Protocol of the Session on November 13, 2014

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch von unserer Seite danke für diesen Antrag.

Ich lese mit Erlaubnis der Präsidentin zwei kurze Absätze vor aus einem Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz der GRÜNEN in Wismar am 11. Oktober, weil sie genau zu dem Thema sind. Der erste Satz: „Wir fordern

den Landesminister für Energie und Infrastruktur von Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel dazu auf, sich als stellvertretender und zukünftiger Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz im Rahmen der Revision der Regionalisierungsmittel für einen Verteilungsschlüssel ein- zusetzen, der Mecklenburg-Vorpommern einen bedarfsgerechten Anteil der Regionalisierungsmittel sichert.“

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Okay, das würde man nicht anders erwarten.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist aber mutig.)

Jetzt kommt aber der zweite Absatz, und das ist das für mich Entscheidende: „Wir fordern unsere Bundestagsfraktion, alle grünen Landesverbände und die Grünen in Bundesländern mit Regierungsbeteiligung dazu auf, sich im Rahmen der Revision der Regionalisierungsmittel für eine solidarische Finanzierung einzusetzen, die einer Benachteiligung der Bedarfe von dünn besiedelten Flächenländern entgegenwirkt.“ Das ist der für mich entscheidende Punkt.

(Vincent Kokert, CDU: Das wird Baden-Württemberg ja freuen.)

Genau, das geht natürlich auch in Richtung BadenWürttemberg.

(Vincent Kokert, CDU: Haben die sich schon gemeldet daraufhin? Haben Sie schon eine Resonanz?)

Herr Kokert, wenn Sie schon darauf eingehen: Das ist mein Wunsch umgekehrt auch in Richtung Eckhardt Rehberg, dass Sie vielleicht auch da das Gespräch suchen und gucken, ob Sie etwas Ähnliches hinbekommen.

(Vincent Kokert, CDU: Das würde ich äußerst ungern tun. Kann ich ihm nicht auch die Telefonnummer von Ihnen geben? Dann können Sie sich selber unterhalten.)

Können wir gerne machen. Wenn Sie sich das nicht trauen, mache ich das auch gerne für Sie, Herr Kokert.

(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD, und Vincent Kokert, CDU)

So, aber zurück zum Thema: Der Antrag ist natürlich völlig korrekt. Wir müssen erreichen, dass die Bahn in Mecklenburg-Vorpommern eine Zukunft hat und dass auch die Fernverkehrsstrecken weiter bedarfsgerecht bedient werden. Aber, und das ist, glaube ich, jetzt ein wichtiger Punkt, „bedarfsgerecht bedient“, das wird natürlich die Bahn etwas anders definieren, weil sie sagen: Sorry, guckt euch mal an, wie die Züge gefüllt sind in Baden-Württemberg, in NRW und in Niedersachsen! Wie sieht es denn bei euch aus mit der Zugbefüllung? Und das sind genau die gleichen Argumente, die wir uns hier gegenseitig um die Ohren hauen zum Thema Südbahn, wo wir sagen, die Südbahn ist wichtig für eine ganze Region.

Wir wissen, dass dort zurzeit nicht genügend Leute in der Bahn sitzen, aber wenn die Bahn einmal weg ist, fehlt

uns ein Entwicklungsrückgrat einer ganzen Region, deswegen brauchen wir die Bahn in dieser Region. Und die Argumente, die von Ihrer Seite kommen, sind ja nicht einfach falsch, zu sagen, wir haben begrenzte Mittel und die werden wir genau dort einsetzen, wo wir sozusagen eine Zukunft sehen, wo wir viel Verkehr sehen, wo es einen Bedarf gibt. Und genauso argumentieren natürlich der Bund und die Bahn AG am Ende auch. Sie kommen auch mit marktwirtschaftlichen Argumenten, aber die spielen natürlich dort eine Rolle bei diesem Thema.

Und deswegen ist grundsätzlich die Frage zu stellen, da bin ich der LINKEN ausdrücklich dankbar für diesen Beitrag, ob wir mit der Form der Privatisierung, wie wir sie gewählt haben, wirklich weiterkommen. Auch die GRÜNEN haben damals gegen die Teilprivatisierung gestimmt, gemeinsam mit der LINKEN – nicht aus den gleichen Argumenten heraus, da gab es durchaus Unterschiede.

(Vincent Kokert, CDU: Was? Ich denke, die LINKEN waren das alleine?)

Ein Punkt, den möchte ich deutlich nennen, ist,

(Vincent Kokert, CDU: Irgendeiner sagt die Unwahrheit. – Peter Ritter, DIE LINKE: Ihr.)

dass die Bahn die Strecken, das gesamte Streckennetz mit behalten hat. Die Bahn hat darauf bestanden und gesagt, das ist ein elementarer Bestandteil unserer ganzen Verkehrsinfrastruktur. Jetzt stelle man sich mal vor, wir würden unsere deutschen Autobahnen privatisieren und der Meistbietende, nämlich VW, kriegt das Ganze dann.

(Vincent Kokert, CDU: Die Leute stehen Schlange.)

VW hat dann die Autobahn mit unter Kontrolle. Natürlich müssen auch VW-Autobesitzer dort Streckenentgelte zahlen, aber das müssten auch andere Fabrikate entsprechend,

(Vincent Kokert, CDU: Sie fahren doch auch VW. – Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

und das ist genau das Problem. Richtig wäre gewesen, ein Modell zu wählen, bei dem man, wenn man in die Privatisierung reingeht, Chancengleichheit schafft. Das heißt, alle Strecken sollten, so wie die Autobahn, mindestens der Daseinsvorsorge gelten und hätten definitiv in öffentlicher Hand bleiben müssen. Dann hätten wir viele der Probleme, die wir jetzt haben, nämlich nicht.

Gucken wir uns an, was zurzeit auf Bundesebene alles passiert. Dort ist im Moment das Hohelied des Marktes gesungen worden, und der Markt hat viele Vorteile, ohne jede Frage. Aber das Ergebnis ist, die Fernbusse wurden freigegeben. Viele haben jahrelang darum gekämpft, damit man sich auch ökologisch mit dem Bus bewegen kann. Da gibt es gute Argumente, das will ich nicht bestreiten. Aber das Ergebnis ist, auf den Strecken, die hart auf Kante genäht sind, nämlich Rostock–Berlin, führen die Fernbusse dazu, dass entscheidende Anteile wechseln und weg von der Bahn, hin in Richtung Straße gehen – auch wenn das weit besser ist als der Autoverkehr,

ohne jede Frage. Aber sie gehen halt weg von der Bahn und damit gibt es überall den gleichen Druck auf die Fernbahnlinien: Es fehlt an Passagieren, weil die Leute jetzt mit dem Bus unterwegs sind.

Über diese Fragen müssen wir anfangen zu reden, und wenn das Argument, was ich für richtig halte, gilt, dass es nach unserem Grundgesetz eine Aufgabe der Daseinsvorsorge ist, bestimmte wichtige Regionen anzubinden an das Bahnfernnetz, dann gilt dieses Argument umgekehrt selbstverständlich auch für die Menschen, die an der Südbahn leben. Und deswegen glaube ich, der Antrag ist richtig, er wird unsere volle Unterstützung finden, aber ich bitte darum, genau diese Punkte noch mal zu überlegen: Wie wollen wir mit der Bahnprivatisierung umgehen? Wie gehen wir mit der Frage um: Wem soll das Streckennetz gehören?

In Frankreich ist es zum Beispiel so, da sind sowohl das Streckennetz als auch die Bahn privatisiert worden, sind zu 100 Prozent in der Hand des französischen Staates.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Richtig, aber es ist getrennt worden.

Das ist ein ganz entscheidender Punkt, der bei uns im Land, in der Bundesrepublik nicht gelaufen ist. Also die erste Frage ist: Wie können wir die Bahnprivatisierung unter Umständen anders gestalten? Und, wenn wir schon an den Markt glauben, wie können wir einen Markt entwickeln, der uns weiterhilft?

Ich wollte nur noch das Problem InterConnex anmelden, das war ja durchaus ein Markt und eine Alternative zur Bahn. Aber das Problem war, dass die Bahn Parallelverkehr gefahren hat zum InterConnex und damit ihrem Konkurrenten, was marktwirtschaftlich völlig korrekt ist, am Ende die entscheidenden Fahrgastzahlen genommen hat. Damit wird InterConnex – das bedaure ich sehr – demnächst von dieser Strecke verschwinden und das Angebot wird weiter ausgedünnt, obwohl die Bahn ja gar nicht weniger gefahren ist, sie hat nur den Konkurrenten beseitigt.

Ich glaube, wir müssen da mehr Arbeit reinstecken, darüber nachzudenken, und, ich glaube, am Ende müssten wir zu der Erkenntnis kommen, dass auch die Südbahn eine Zukunft haben sollte, nicht wegen der genialen Fahrgastzahlen – das gebe ich zu, die sind da nicht –, sondern wegen der Daseinsvorsorge, auf die wir uns auch berufen, wenn wir für den Fernverkehr kämpfen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erst mal herzlichen Dank an meine Vorredner, insbesondere an die Kollegen Jaeger und Holter für ihre Ausführungen.

Herr Kollege Holter, es sind ja die einzelnen Punkte des Antrages – er ist jetzt nicht mehr im Plenarsaal, aber die Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei werden ihm das sicherlich ausrichten – …

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Natürlich. – Peter Ritter, DIE LINKE: Mit Sicherheit.)

Eben, ich kenne Sie doch, Herr Kollege Ritter.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Er hat mir ja im Grunde jetzt die Arbeit abgenommen, noch mal etwas zu den einzelnen Punkten zu sagen.

(Vincent Kokert, CDU: Jetzt kommt er! Jetzt kommt er!)

Da kommt er. Dann an dieser Stelle noch mal herzlichen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Kollege Holter.

Allerdings in einem Punkt, und das möchte ich gerne verbinden, sind die Ausführungen von Herrn Kollegen Jaeger und Herrn Kollegen Holter aus meiner Sicht partiell in die falsche Richtung gegangen. Das „partiell“ deswegen, weil man nicht einfach nur die Auswirkungen darlegen sollte, sondern sich auch mal die Ursachen dafür angucken muss. Und zwar geht es im Grunde um einen Punkt, das ist die Frage: Verknüpfung dieser Geschichte mit der Südbahn. Ich denke mal, das lässt sich dann auch, wie gesagt, verknüpfen mit der Frage der Erstellung eines integrierten Landesverkehrsplanes hier in Mecklenburg-Vorpommern.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich mit der Südbahn anfangen. Man kann zu der Südbahn stehen, wie man will – ich habe meine eigene Meinung dazu, und die wird sich vielleicht von dem einen oder anderen Kollegen, der aus der Region kommt, unterscheiden, aber das lasse ich mal völlig außen vor. Der qualitative Unterschied zu dem, wie das Land mit der Südbahn umgeht und wie der Bund mit seiner Verantwortung im Bereich des Schienenpersonenfernverkehrs umgeht, ist ein ganz einfacher: Das Land stellt sich nicht hin und sagt, wir bestellen die Südbahn nicht weiter und damit gibt es dort kein Verkehrsangebot, sondern das Land sagt, wir können es uns im Rahmen der uns zur Verfügung gestellten Regionalisierungsmittel nicht mehr leisten, diese Strecke mit der Bahn zu befahren, aber bieten den Menschen vor Ort ein … Da kann man jetzt drüber streiten, ob das qualitativ gleichwertig ist. Ich habe in den letzten Tagen sogar Presseberichte gehört, wo dann gesagt wurde, aus der Region gesagt wurde, das neue Verkehrsangebot mit Bussen ist sogar besser. Aber das lassen wir mal völlig außen vor.

(Unruhe vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Punkt ist der, Frau Kollegin Gajek: Das Land finanziert weiterhin ein Verkehrsangebot in dieser Region,