Protocol of the Session on November 13, 2014

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Professor Dr. Tack von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Agrarausschuss hat sich vor einer Woche unmittelbar nach Bekanntwerden des Ausbruchs der Vogelgrippe ausführlich durch den Minister berichten lassen, was unternommen worden ist. Und ich bin sehr froh, dass er heute hier berichten konnte, dass die Tötung, die notwendig war, erfolgt ist, dass alle Betroffenen sich daran beteiligt haben. Und ich danke allen dafür, dass so schnell gehandelt wurde. Weiter haben wir im Agrarausschuss festgelegt, dieses Thema natürlich weiterzuverfolgen. Das ist einvernehmlich so beschlossen worden.

(Beifall Thomas Krüger, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der gesellschaftlichen Debatte um die Haltung von Nutztieren hat sich meine Fraktion stets um eine allseitige Betrachtung dieser Fragen bemüht und so werden wir es auch heute mit dem hier vorliegenden Antrag halten.

Die Putenhaltung, insbesondere die Ökoputenhaltung, hat 2013 eine sehr negative Presse gehabt und wir hatten uns daraufhin im Agrarausschuss mit dieser Frage im Lande beschäftigt. Zuvor hatten wir uns in einem Betrieb die konventionelle Putenhaltung angesehen und mit den

Haltern über die Haltungsprobleme, die hier angesprochen wurden, und insbesondere den Antibiotikaeinsatz gesprochen.

Die Putenhaltung – und das trifft sowohl für die ökologische als auch für die konventionelle Haltung zu – ist sehr kompliziert, sehr anspruchsvoll und verlangt von Tierhaltern, aber auch von den Tieren einiges ab. Gleichzeitig wissen wir, dass die Nutztierhaltung immer ein Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der Tiere, den Anforderungen der Landwirte und den Vorstellungen der Verbraucher ist und das auch in Zukunft sein wird. Es ist aber für uns keine Frage, dass es Verbesserungen des Tierwohls geben muss. Unsere Unzufriedenheit mit den Rahmenbedingungen der Putenhaltung besteht vor allem darin, es muss die Prozessqualität ins Auge gefasst werden. Wir müssen eine gute Produktqualität haben, aber wir brauchen auch eine vernünftige Prozessqualität, also wie der gesamte Prozess abläuft.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Auch die Züchtung?)

Das gehört in der gesamten Kette dazu.

Dass es hier wie auch in anderen Bereichen keine adäquate Honorierung von mehr Tierwohl durch den Markt und den Verbraucher gibt, das ist ein sehr großes Problem. Der Landwirt ist in der Kette des Marktgeschehens das kleinste und das schwächste Glied, das hemmungslos ausgebeutet wird. Und das geht auch zulasten des Tierwohls. Das geht auch zulasten des Tierwohls. Das wiederhole ich hier ausdrücklich.

Weiterhin sind wir unzufrieden, dass es in der Züchtung keine wirklichen Alternativen zu den beiden Weltkonzernen gibt, die 95 Prozent – ich wiederhole das gern auch noch einmal –, die 95 Prozent der Putenküken bereitstellen. Diese Hybriden sind für die Nachzucht nicht ge- eignet,

(Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

auch das muss man einmal sagen. Sie sind zwar robust genug, aber sie sind in den meisten Fällen die Grundlage für die Bioputenhaltung.

Ich kenne natürlich auch das Projekt der Waldputenhaltung, außerordentlich begrüßenswert. Aber ich stelle mir auf der anderen Seite vor, wenn dort der Virus jetzt eingedrungen wäre, was dann passiert wäre. Auch das müssen wir dabei sehen.

Wir sind unzufrieden mit dem relativ hohen Antibiotikaeinsatz. Wir sind unzufrieden mit den sehr geringen Fortschritten in der Forschung. So gibt es bis heute noch keine wirklich sicheren Erkenntnisse darüber, wie man das seit 1873, ich wiederhole die Zahl auch gern noch einmal, seit 1873 untersuchte Federpicken und den Kannibalismus von Geflügel vermeiden kann.

Mein Kollege Texter hat hier Professor Windhorst angeführt in dieser Veröffentlichung, die Sie empfohlen haben. Ich kann sie auch nur empfehlen, hier ist das im Einzelnen tatsächlich beschrieben. Es muss sich noch einiges ändern in der Tierhaltung im Allgemeinen und insbesondere in der Putenhaltung. Alles, was ich bisher dazu gesagt habe, gilt sowohl für die konventionelle als auch für die ökologische Putenhaltung.

Unsere Unzufriedenheit wird von den Tierhaltern geteilt, die von der Tierhaltung leben müssen und auch leben wollen. Das geht nur mit gesunden Tieren, die wenig Medikamente brauchen, mit geringen Tierverlusten, einer guten Fleischqualität und guten Erlösen, mit denen man auch qualifizierte und engagierte Mitarbeiter ordentlich bezahlen kann. Auch das gehört mit zu der Gestaltung der Tierhaltung. Wie kommt man am besten dorthin? Das ist doch hier heute die Frage.

DIE LINKE steht auf dem Standpunkt, dass wir nicht nur in dieser Frage unbedingt die Betroffenen mitnehmen müssen, Freiwilligkeit ist dafür immer aus meiner Sicht der bessere Ansatz. So haben es sicher auch die Vertreter der wichtigsten deutschen Tierschutzverbände gesehen, als sie im April 2013 ihre Unterschrift unter die freiwillige Vereinbarung zu den bundesweit einheitlichen Richtwerten für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen gesetzt haben. Dazu gehören der Verein PROVIEH, der Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e. V., der Bund gegen Missbrauch der Tiere e. V., der Bundesverband Tierschutz e. V. und die tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e. V.

Neben den Ländervertretern und Vertretern der Halterverbände haben auch namhafte Wissenschaftseinrichtungen wie zum Beispiel das Leibniz-Institut und das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems unterschrieben, das gerade kürzlich erklärt hat, dass man damit auf einem wirklich guten Weg sei, nämlich mit der Durchsetzung dieser Eckpunkte. Die Vertragspartner haben hier vor gut einem Jahr Festlegungen getroffen, die alle relevanten Fragen, ich betone noch mal, alle relevanten Fragen der Putenhaltung regeln. Nach spätestens fünf Jahren soll die Umsetzung evaluiert und die Rahmenbedingungen für die Haltung sollen, wenn nötig, dann weiterentwickelt werden.

Muss man deshalb gegen die Putenhalter vorgehen, wie dieser Antrag es vorsieht, indem man generell einer freiwilligen Vereinbarung die mögliche Wirksamkeit abspricht? Ich meine, nein.

(Beifall Beate Schlupp, CDU)

Außerdem nennen Sie in diesem Zusammenhang in Punkt 2 nur die Überschriften der Maßnahmen und Pakete der freiwilligen Vereinbarung der Putenhalter, die von der Naturschutz-Nutztierhaltungsverordnung erfasst werden sollen. Es fehlt aus meiner Sicht die klare Zielrichtung. Es stellt sich für mich die Frage, meine Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wollen Sie weiter gehen als die freiwillige Vereinbarung? Wenn ja, warum und in welchen Fragen?

Ich unterstütze im Namen meiner Fraktion grundsätzlich die Aufnahme der Pute in die Naturschutz-Nutztier- haltungsverordnung. Dafür hat sich auch die Fraktion im Bundestag bereits 2012 eingesetzt. Aber Ihr Heran- gehen, meine Damen und Herren von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist von einem tiefen Misstrauen gegenüber den Partnern der freiwilligen Vereinbarung getragen.

Ganz anders als Sie tritt Ihre Parteikollegin Dr. Cornelie Jäger, Tierschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Tierärztin mit Praxis- und Verwaltungserfahrung an die Putenhalter heran. Deshalb kann ich den Beitrag von Frau Jäger vor der Mitgliederversammlung des Verban-

des deutscher Putenzüchter am 4. Juni dieses Jahres nicht nur den GRÜNEN zur Lektüre empfehlen. Hier wird sach- und fachgerecht die gesamte Palette der Probleme in der Putenmast angesprochen. Aber – und das ist der ganz entscheidende Unterschied – die Putenhalter werden mitgenommen. Sie werden für die Mitwirkung gewonnen.

(Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das schließt sich ja nicht aus.)

Ihnen, den Haltern wird zugetraut, die Probleme mit Unterstützung der Wissenschaft und der Politik zu lösen. Das sprechen Sie vor allem in der Begründung zu Ihrem Antrag den Putenhaltern ab und setzen einzig und allein auf Restriktionen

(Beifall Thomas Krüger, SPD: Bravo!)

und staatliche Kontrollen und da machen wir nicht mit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Thomas Krüger, SPD)

So geht Ihre GRÜNEN-Kollegin bei ihrem Vortrag, so der Titel, „Tierschutzrelevante Fragestellungen bei der Putenhaltung aus Sicht einer Landestierschutzbeauftragten“ davon aus, dass es für sie keinen Automatismus zwischen der Größe eines Tierbestandes und deren Tiergesundheit gibt. Ausschlaggebend, so sagt sie, sind vielmehr Betreuungsintensität und Sachkunde. Lebenslaufbedingt kenne sie vorbildliche große Tierhaltung und erschütternd schlechte kleinere, ebenso wie abschreckend große und überzeugend kleinere Betriebe.

(Thomas Krüger, SPD: Genauso ist es.)

Das haben wir an verschiedener Stelle hier in diesem Hause auch schon festgestellt.

Übrigens haben die Antragsautoren die Frage der Sachkunde und der Fertigkeiten des Personals, die ein wesentlicher Punkt der genannten Vereinbarung ist, nicht mit in ihre Forderungen aufgenommen.

Die Landesbeauftragte sagt auch, und das ist unterstützenswert, dass Tierschutz und Tierwohl an vielen Stellen, wenn auch nicht an allen, Geld kostet und deshalb wirkungsvolle Veränderungen bei der Tierhaltung hin zu mehr Tiergerechtheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellen. Das kann ich nur voll unterstreichen. Sympathisch finde ich auch, dass sie klarstellt, nicht zu den Menschen zu gehören, die die Nutzung von Tieren in jeder Form infrage stellen. Sie hat diesen Vortrag nicht gehalten, um Sympathien bei den Putenhaltern zu gewinnen, sondern um gemeinsam mit ihnen nach Wegen zu mehr Tierwohl, zu mehr Akzeptanz und Verbrauchervertrauen zu suchen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, völlig unverständlich ist für mich auch Ihre Forderung, das Verbot des Schnabelkürzens bis spätestens Anfang 2017 einzuführen. Nicht den Verzicht des Schnabelkürzens kritisiere ich dabei, sondern den, wie mir scheint, aus der Luft gegriffenen Termin. Selbst der Tierschutzplan für Niedersachsen sieht dafür das Jahr 2018 vor, obwohl auch hierfür noch keine praktische Grundlage zu erkennen ist. In diesem Punkt erwähnen Sie allerdings eine Zusam

menarbeit mit Putenmästern. Ich hoffe, das ist auch wirklich ernst gemeint. Wir werden zu Ihrem Erarbeitungstermin bis Ende 2015 leider auch noch keine praktikable und damit funktionierende Lösung des Problems haben. Selbst Ihre bereits zitierte Kollegin sagt in ihrem Vortrag, dass ihr sehr wohl bewusst sei, dass Federpicken und Kannibalismus multifaktorielle Geschehen sind. Ein sofortiges Ende des Kupierens verlangt sie nicht, weil sie weiß, dass dies im Moment noch zu schweren Schäden bei den Tieren und hohen Verlusten führen würde. Dann haben wir ein richtiges Tierschutzproblem, stelle ich dazu fest.

(Beate Schlupp, CDU: Genau.)

Damit komme ich zugleich auf einen anderen Mangel Ihres Herangehens, das Fehlen der Forderung nach den für Sie zur Verbesserung der Haltungsbedingungen notwendigen und noch fehlenden wissenschaftlichen Vorleistungen. Gut hingehen – das werte ich als einen Lernerfolg – ist der letzte Anstrich, der sich für die Gleichheit der Bedingungen in der Europäischen Union einsetzt. Dafür sind auch wir eindeutig. Die Folgen des in Deutschland vorgezogenen Schrittes seinerzeit von Frau Ministerin Künast zur Abschaffung der Käfighaltung bei Legehennen hat am Ende mit dazu geführt, dass die Eigenversorgung mit Eiern in Deutschland laut Situationsbericht für 2013 nur noch 68 Prozent beträgt. Wir möchten für das begehrte Putenfleisch eine Perspektive für die heimischen Landwirte schaffen und deshalb sind wir für die Verbesserung der Haltungsbedingungen der Puten, aber nicht für diesen Antrag, den ich noch einmal kurz zusammenfassen darf:

Wir brauchen eine Putenhaltung im Lande, die gesunde Tiere unter guten Bedingungen sichert und dem Verbraucher ein gutes Produkt anbietet.

(Zuruf von Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wiederhole noch einmal meine These: Wir brauchen die Prozessqualität. Putenzucht muss ein Bestandteil für eine nachhaltige und eine zukunftsfähige Landwirtschaft im Lande werden. Tierschutzprobleme in der Putenhaltung erfordern übergreifende Maßnahmen, vor allem in der Züchtung und in der begleitenden Wissenschaft. Putenhalter müssen mit der Umsetzung der freiwilligen Vereinbarung beweisen, dass sie willens und auch in der Lage sind, ihren Anteil an der Erhöhung des Tierschutzes und des Tierwohls zu leisten. Das Vertrauen wollen wir den Putenhaltern unbedingt aussprechen, dass sie dieses schaffen können. Die Antragsteller wollen das offensichtlich nicht, daher lehnen wir Ihren Antrag ab.

Ich habe eingangs schon gesagt, wir sollten uns aber unabhängig von diesem Antrag im nächsten Frühjahr im Agrarausschuss über die Fortschritte in der Gesamtproblematik der Putenhaltung weiter verständigen und darüber beraten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Jürgen Seidel, CDU)

Danke, Herr Tack.

Und jetzt kann Herr Krüger von der SPD-Fraktion ans Rednerpult.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, es drängte mich ans Rednerpult, weil das eine oder andere zu dem Thema wirklich zu sagen ist. Eingangs lassen Sie mich aber auch im Namen meiner Fraktion einfach Danke sagen an all diejenigen, die bei dem Ausbruch der Seuche in der Uecker-Randow-Region da aktiv mitgewirkt und dafür gesorgt haben, dass wir noch mal mit einem blauen Auge davongekommen sind, denn wir sind mit einem blauen Auge davongekommen.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Jetzt ist das Auge schon langsam wieder grün.)

Ich mag mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn die Seuche sich weiter verbreitet hätte.

Meine Damen und Herren, eingangs lassen Sie mich mal ganz klar sagen: Ein Ziel muss es sein, auf Veränderungen, beispielsweise auf das Kürzen des Schnabels oder das Kürzen von Schwänzen, zu verzichten. Es ist eine ganz klare Aussage. Ziel muss es auch sein, die Haltungen weiter zu verbessern. Ich glaube, an dieser Stelle sind wir uns alle miteinander einig. So klar diese Aussage ist, so kompliziert ist aber auch die Umsetzung, umso schwieriger ist die Umsetzung.