Protocol of the Session on November 12, 2014

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der NPD.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Oh nee!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die LINKEN wollen das „Hilfe- und Schutzsystem für Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt kontinuierlich ausbauen“. Das jedenfalls will man uns mit der Überschrift vermitteln. Geht man allerdings ins Detail und vergleicht die Maßnahmen im bestehenden Landesaktionsplan, wird schnell klar, dass die LINKEN nur sehr wenig Substanzielles zu bieten haben. Von den geforderten Spezialisierungen auf die Zielgruppe Ausländer und der damit verbundenen Förderung von interkulturellen Kompetenzen einmal abgesehen, die sich wie ein roter Faden durch den gesamten Antrag ziehen, ist nichts dabei, was für Opfer als gewinnbringend bezeichnet werden kann.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Selbst Ihr krankhafter Fremdenwahn ist diesmal so überflüssig wie der gesamte Antrag,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Fremdenwahn haben Sie ja wohl, oder?)

denn wie schon in dem Antrag erwähnt, fand diese Zielgruppe bereits in der Fortschreibung ausreichend Beachtung, Herr Ritter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, na, na!)

Zwei wesentliche Dinge möchte ich dennoch kurz erwähnen, weil diese in der Debatte meiner Meinung nach zu kurz gekommen sind beziehungsweise gar nicht erwähnt wurden. Erstens stellt sich die Frage nach der Finanzierung. Sie schreiben zum Beispiel, dass die Kinder- und Jugendarbeiterin im Frauenhaus Rostock ein Vorbild für andere Kommunen im Bereich der Jugendhilfe sein kann.

Das mag sicher sein, dennoch dürfte auch Ihnen nicht entgangen sein, dass der Personalmangel und die damit verbundenen Betreuungslücken nicht aus Desinteresse für das Thema entstanden sind. Nein, es fehlt ganz einfach an der nötigen finanziellen Ausstattung der Leistungsträger, die auch Sie von der Linkspartei ohne Regierungsbeteiligung mit zu verantworten haben, Stichwort: Überfremdungskosten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ihr Lieblingsthema.)

Daneben gibt es noch einen weiteren Grund, der für die Widersinnigkeit des vorgelegten Antrags spricht, denn bevor man ein Schutzsystem ausbaut und optimiert, sollte man nach den Ursachen forschen und präventiv tätig werden.

Unbestritten leben wir in einer staatlich pervertierten Gesellschaft, in einer Gesellschaft, in der der Besuch von Tierbordellen toleriert wird,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Der was?)

in der man im Nachmittagsfernsehen zeigt, wie Familienväter von fremden Frauen in Leder ausgepeitscht und gedemütigt werden, Herr Nieszery.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was gucken Sie denn für Sendungen? Also die habe ich noch nicht gesehen, Herr Müller. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Was gucken Sie denn?! – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Häusliche und sexualisierte Gewalt sind dabei im Grunde genommen nur Begleiterscheinungen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Aber wer das eine will, Herr Ritter, muss das andere mögen. Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was gucken die denn für Fernsehen bei den Nationalen da?)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Bernhardt von der Fraktion DIE LINKE.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Witz komm raus, du bist umzingelt! – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Ihren Reden haben Sie versucht zu erklären, dass Sie alles schon alleine können und alles schon gemacht wird und dass es eines Antrages von uns nicht bedarf, insbesondere Frau Friemann-Jennert.

(Peter Ritter, DIE LINKE: War nicht überzeugend. War nicht überzeugend.)

Ich möchte doch einmal auf Ihre Argumente eingehen, die Sie hier vorgebracht haben, zum einen, dass der

Bund nicht zuständig ist. Ich denke, wenn der Bund will, dann kann er sehr wohl auch handeln und hier für eine bundeseinheitliche Regelung und Finanzierung der Frauenhäuser sorgen. Wir haben es auch immer wieder im Petitionsausschuss, dass das gefordert wurde. Da habe ich noch nie gehört, dass der Bund sich nicht zuständig sieht, sondern dass es allein finanzielle Bedenken sind.

Und weil Sie uns vorwerfen, wir wollen uns mit diesem Thema profilieren: Ich denke, wenn man sich die kontinuierliche Arbeit der Linksfraktion in den letzten Jahren anschaut, was wir zu diesem Thema gemacht haben, sei es durch Landtagsanträge, sei es durch Fachtagungen – es ist wirklich schwer, das nachzuvollziehen, was Sie sagen, dass es eine Profilierung ist. Ich denke, mit diesem Thema kann man sich nicht profilieren, es ist politisch wenig geeignet.

(Unruhe bei Torsten Renz, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE – Glocke der Vizepräsidentin)

Es ist uns einfach wichtig, immer wieder auf dieses Thema hinzuweisen.

Meine Herren, bitte keine Bankgespräche. Herr Ritter! Herr Renz!

Insgesamt fand ich es ganz schön überheblich, was hier vorgebracht wurde, sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen. Was ich aber positiv entgegengenommen habe, das waren die Worte der Ministerin und auch von Frau Tegtmeier, dass einige Änderungen beim Landesaktionsplan gerade mit Blick auf die Männer vorgesehen sind und dort vorgenommen werden. Das begrüßen wir außerordentlich.

Jedoch war es für uns schon höchst interessant, dass kurz nach der Bekanntgabe unserer öffentlichen Fraktionssitzung im letzten Jahr im November zum Schutz- und Hilfesystem, in deren Mittelpunkt der Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder und die Forderung nach einer Fortschreibung stand, ein neuer Gesetzgebungsplan aus dem Sozialministerium auftauchte. Darin war endlich auch die Fortschreibung des Landesaktionsplans für diese Legislaturperiode enthalten. Ich möchte nur daran erinnern, das war vorher in dem Gesetzgebungsplan Anfang der Legislaturperiode nicht der Fall. Insofern verdeutlicht dies die Notwendigkeit und Richtigkeit unserer Initiativen und die Wirksamkeit von Opposition insgesamt einmal mehr. Sonst würde der Landesaktionsplan immer noch weiter Staub ansetzen.

(Torsten Renz, CDU: Na, dann ist es ja gut. Da könnt ihr ja in der Opposition bleiben.)

Häufig herrscht zudem eine erschreckende Unkenntnis über die Wirksamkeit von Maßnahmen, Herr Renz.

Der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Peter Ritter vom 15. Juli 2014 ist zu entnehmen, dass der Landesregierung zum Beispiel vom Angebot des bundesweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ nicht einmal bekannt ist, ob und wie viele Betroffene aus Mecklenburg-Vorpommern das Angebot

bislang genutzt haben und ob ihnen damit weitergeholfen werden konnte.

(allgemeine Unruhe)

Frau Bernhardt, mal einen kleinen Moment.

Meine Herren, ich bitte... Frau Borchardt! Herr Gundlack! Ich bitte jetzt um die notwendige Aufmerksamkeit und, Herr Renz, falls Sie noch Redebedarf haben, wir haben gerade nachgeguckt, die CDU hat noch sechs Minuten. Ich bitte jetzt wieder ums Wort, Frau Bernhardt. Bitte.

Danke schön.

Ich wünsche mir bei Ihrem gleichstellungspolitischen Handeln deutlich mehr Interesse daran, was einzelne Maßnahmen bewirken, und mehr Reflexionen. Eine regelmäßige Fort- und Weiterbildung, aber auch Supervision des Personals im Hilfesystem ist unerlässlich. Dafür müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber auch tatsächlich freigestellt werden können. Eine Grundvoraussetzung ist, dass ausreichend Personal in den Einrichtungen vorhanden ist. Es kann nicht sein, dass Ausfallzeiten durch Krankheit, Urlaub, Fort- und Weiterbildung die Sicherstellung von Hilfeangeboten gefährden. Eine Vertretung muss jederzeit einsetzbar sein. Uns wurde berichtet, dass Frauen im Frauenhaus durch andere betroffene Frauen Einlass und Aufnahme fanden, weil einfach keine Mitarbeiterin im Dienst war. Das ist für uns unhaltbar.

Frauen mit Migrationshintergrund, wir haben es schon gehört, haben besondere Belange, denen im Hilfesystem entsprochen werden muss. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hilfesystem, bei der Polizei sowie in den Behörden müssen in ihren interkulturellen Kompetenzen gestärkt werden. Es genügt leider nicht, wenn ein paar Brocken Englisch oder Russisch gesprochen werden. Es müssen vielmehr auch Zusammenhänge zwischen Herkunftskultur, unterschiedlichen Rollenbildern und den Gegebenheiten im Aufnahmeland hergestellt werden können, um die Situation besser zu erfassen, egal ob die Betroffenen aus Syrien, Ghana oder Vietnam kommen. Was die Sprache und Verständigung betrifft, ist ein niederschwelliger Zugang zu einer qualifizierten Sprachmittlung unerlässlich.

Die meisten von Gewalt betroffenen Frauen haben minderjährige Kinder. Die Kinder werden von ihren Müttern meistens mit in die Frauenhäuser oder in die Beratungseinrichtungen genommen. Für Kinder ist es häufig traumatisch, wenn sie Gewalt in ihrer Familie erlebt haben. Es ist daher außerordentlich wichtig, dass auch die Kinder in den Frauenhäusern und Beratungsstellen pädagogisch und psychologisch umfassend und vor allem auch separat betreut werden.

In den möglichen Altersstufen von 0 bis 17 Jahren treten ganz unterschiedliche Bedarfe und Problematiken auf. Ein Kleinkind beispielsweise von 3 Jahren hat eben andere Bedarfe als ein 14-jähriger Heranwachsender. Darauf muss gezielt eingegangen werden. Das Frauenhaus Rostock, und das wurde mehrfach angeführt, ist hier vorbildlich und beschäftigt extra eine Kinder- und Jugendberaterin mit Hochschulausbildung in der Schutzeinrichtung, speziell für die Betreuung und die Beratung der Minderjährigen.

Andere Frauenhäuser helfen sich, indem sie eng mit den Kinder- und Jugendberaterinnen in den Interventionsstellen kooperieren. Und hier ist es ausdrücklich zu begrüßen, Frau Hesse, dass Sie diesbezüglich die Gespräche mit anderen Kommunen aufgenommen haben. Angesichts der finanziellen Ausstattung der Kommunen haben wir Bedenken, ob das dann tatsächlich von Erfolg ge- tragen sein wird, und auch hier würden wir uns wünschen, dass das Sozialministerium dies weiter unterstützen könnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Szenen der Mangelversorgung, wie sie auch in Mecklenburg-Vor- pommern vorkommen, können von vornherein vermieden werden. Ein Beispiel: Ende September 2014 war der SPD-Abgeordnete Tilo Gundlack mit einer Lebensmittelspende für das Frauenhaus in Wismar, so in der Presse zu lesen.

(Beifall Thomas Krüger, SPD – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Für Frauen in Not, die mittellos zum Wochenende in das Frauenhaus kommen, Zitat: „müssen“ nämlich „erst Anträge beim Jobcenter oder Sozialamt eingereicht und Leistungen bewilligt werden. Bis dahin kommt es für die betreffenden Frauen, oft mit Kindern, zu einer echten Notsituation.“ Das haben Sie richtig erkannt, Herr Gundlack.

Ihre Politik hat also doch noch einige Lücken und es ist eben nicht, so, wie Sie hier darstellen, alles in Ordnung. Denn wenn sie funktionieren würde, sehr geehrte Damen und Herren von der SPD, dann bräuchten Sie nicht Ihre spontanen Hilfeaktionen zu starten, um Lücken im System zu stopfen. Dann könnten die Frauenhäuser und Beratungsstellen vollumfänglich selbstständig wirtschaften und jede Frau unabhängig von ihrem Einkommen, von der Herkunft, einer Behinderung, einer Suchterkrankung oder der sozialen Situation Hilfe, Schutz und Unterstützung in einem gut organisierten und auskömmlich finanzierten Hilfesystem finden.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)