Protocol of the Session on November 12, 2014

(Manfred Dachner, SPD: Das ist richtig.)

Und, ich finde, es ist wieder die Arroganz der Macht zu sagen,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oooh!)

haben wir nicht, brauchen wir nicht, hat sich erledigt. Ich denke, gerade der Opferschutz ist etwas, was uns alle angeht. Da nehmen wir Sie beim Wort und es werden Anträge folgen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Ritter, Sie haben recht, die Fortschreibung lässt etwas lange auf sich warten.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Sie haben auch recht, was den Problemaufriss bei den Flüchtlingsfrauen angeht, und Sie haben recht, was die Barrierefreiheit und andere Dinge angeht, die in den Blick genommen werden müssen. Gleichwohl die Ministerin uns hier bereits gesagt hat, dass sie diese selbstverständlich in den Blick nimmt, und zwar ist ja auch schon die Evaluation in 2011 auf diese Problemfelder aufmerksam geworden.

Ich denke mal, wenn wir realisieren, dass sich die Zuständigkeiten verändert haben in den letzten Jahren, dass wir Ministerwechsel hatten, ist das vielleicht keine Entschuldigung,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das denke ich aber auch.)

aber man kann nachvollziehen, warum sich das jetzt hier ein bisschen hinzieht.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Na ja.)

Wenn die jetzige amtierende Ministerin ihre eigene Meinungsbildung in diesem Zusammenhang durchführen wollte, dann soll ihr das auch zugestanden sein. Das ist für ein gründliches Arbeiten, denke ich mal, auch erforderlich.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Die SPD ist aber nett zu ihrer Ministerin.)

Wir lieben unsere Ministerin, Herr Ringguth.

(Heiterkeit und Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das stimmt.)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Thema ist ernst. „Jeder“ Mensch „hat das Recht auf Leben und körper- liche Unversehrtheit“, ist bereits im Grundgesetz in Arti- kel 2 Absatz 2 festgeschrieben, und ich denke mal, der Schutz des Opfers ist bereits unser aller Auftrag. Häusliche und sexualisierte Gewalt sind Delikte von besonderer Niedertracht, weil sie sich meistens im persönlichen, engen familiären Umfeld abspielen, und da werden Menschen, die anderen vertrauen, von diesen misshandelt und bedroht.

Seit 1986, durch die Opferrechtsreformgesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland, ist der Schutz von Opfern überhaupt erst auf den Weg gebracht worden, sind die Opfer in den Mittelpunkt gerückt worden, hat sich das Strafgesetzbuch entsprechend verändert.

Am 01.12.1999 hat das Bundeskabinett den Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen seinerzeit verabschiedet. Damit hat die Bundesregierung erstmals in Deutschland ein umfassendes Gesamtkonzept für alle Ebenen der Gewaltbekämpfung entwickelt. Folgende Inhalte sollten umgesetzt werden: Nummer eins: die Prävention, zweitens: Rechtssetzung durch den Bund, soweit er zuständig ist, drittens: Kooperation zwischen staatlichen Institutionen und nicht staatlichen Hilfsangeboten, bundesweite Vernetzung von Hilfsangeboten, Täterarbeit – schon damals fest im Blick –, Sensibilisierungsmaßnahmen von Fachleuten, Fortbildung, Schulungen und Richtlinien. Wenn man die Auswertung der Bundesrepublik zu diesen Bausteinen ansieht, dann gelten sie als umgesetzt. Hingewiesen wurde auf die notwendigen Maßnahmen und das Zusammenwirken aller Ebenen, also Bund, Länder und Gemeinden.

In Mecklenburg-Vorpommern wurde 2001 der 1. und 2005 der 2. Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder auf den Weg gebracht. Die Evaluation in 2011 hat eine interessante Aussage getroffen, und zwar wurde als Fazit dieser Auswertung festgestellt: „Ein wesentliches Ergebnis der Evaluation ist, dass M-V im Vergleich zu den ausgewählten Ländern über ein flächendeckend ausdifferenziertes Beratungs- und Hilfenetz für die Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt, von Menschenhandel und Zwangsprostitution, von Stalking sowie für die Täter verfügt. Ziel des ausdifferenzierten Hilfesystems ist, den individuellen Hilfebedarfen der Opfer und der Täter gerecht zu werden. Aufgrund der festgestellten Bedarfe ist das Beratungs- und Hilfenetz zu erhalten, inhaltlich weiter zu entwickeln und zu strukturieren.“ Also hier war der Fokus auf Erhalt und nicht auf Ausbau finanzieller oder personeller Art gerichtet.

Und wenn wir jetzt – vorhin ist diese Petition zitiert worden –, wenn man beim Verein Frauen für Frauen auf die Homepage guckt und sich die Untersetzung dieser Petition ansieht, steht da zum Beispiel auch: „Das Hilfenetz in M-V bietet bei häuslicher und sexualisierter Gewalt Schutz und Beratung, leistet Prävention und Öffentlichkeitsarbeit und bietet auch Beratung für Gewaltausübende an. Jährlich finden knapp 4.000 Erwachsene (über- wiegend Frauen) im Hilfenetz in M-V Unterstützung. Durchschnittlich 3.000 Mädchen und Jungen werden jährlich als Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt im Hilfenetz in M-V bekannt. Mit über 200 gewalttätigen Personen werden jährlich … Beratungen durchgeführt, um die Gewaltausübung zu beenden.“

Sehr geehrte Damen und Herren, selbstverständlich sind das Zahlen, die aufgewachsen sind, die aufgewachsen sind, und zwar nicht, weil hier überhaupt nichts über unser Hilfesystem bekannt ist, und Herr Ritter vorhin, wie ich finde, in unverschämter Weise in Richtung unserer Sozialministerin gesagt hat, dass sie nur in ihren Sonntagsreden darauf hinweist – nein, ganz im Gegenteil.

(Peter Ritter, DIE LINKE: In Grußworten. Von Sonntagsreden war nicht die Rede. Grußworte. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich denke mal, die Öffentlichkeitsarbeit hat mit dazu beigetragen, dass sich immer mehr betroffene Opfer überhaupt aus der Deckung heraustrauen. Das Hilfenetz in Mecklenburg-Vorpommern wurde Schritt für Schritt ausgebaut und auch nach Vorlage des zweiten Aktionsplanes und nach der Evaluierung ist es weiter kontinuierlich ausgebaut worden. Hier zu behaupten, wir hätten einen Stillstand, finde ich einfach unverschämt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, so was! – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ich habe schon Schlimmeres gehört. – Stefan Köster, NPD: Böse, böse.)

Zuletzt weise ich auf die Einrichtung der Opferambu- lanzen an den rechtsmedizinischen Instituten zur gerichtsfesten Dokumentation nach Gewalttaten hin oder aber auch auf die zusätzlich zu dem bereits breit gefächerten Netz mit Therapieangeboten für Traumatapatienten eingerichteten Traumaambulanzen – innerhalb der letzten zwei Jahre sechs Standorte für Erwachsene und zwei für Kinder. Außerdem wurde auch im Laufe der Jahre das inhaltliche Spektrum erweitert. Ich erinnere nur an die Aufnahme des Straftatbestandes des Stalkings, das hat Frau Gajek ja auch schon angesprochen. Dazu hatten wir in der letzten Landtagssitzung einen Antrag vorliegen.

Die Bewusstseinsbildung hat sich auch weiterentwickelt, das haben wir von mehreren schon gehört. Auch Männer sind durchaus häufiger Opfer häuslicher Gewalt, als man das vielleicht anfangs vermutet hätte. Und nachdem unsere Justizministerin Kuder das Modellprojekt „Psychosoziale Prozessbegleitung“ zum 1. Juli 2010 präsentierte, sind wir heute so weit, dass die psychosoziale Prozessbegleitung in die Bundesgesetzgebung aufgenommen werden soll.

Die EU-Opferschutzrichtlinie, die bis zum 16. November nächsten Jahres in nationales Recht umzusetzen ist, legt weitere Mindeststandards für die Rechte der Opfer von Straftaten fest. Ihre Gewährleistungen auf den Gebieten „Information und Unterstützung“, „Teilnahme am Strafverfahren“ und „Schutz des Verletzten“ fallen teilweise in den Zuständigkeitsbereich der Bundesgesetzgebung. Wesentliche Bereiche, wie etwa die Regelung über den Zugang zu Opferhilfeeinrichtungen, liegen in der Zuständigkeit der Länder. Auch das wird sicherlich im 3. Landesaktionsplan an der einen oder anderen Stelle Berücksichtigung finden müssen.

Der Bund selbst reagiert darauf mit einem 3. Opferschutzrechtsreformgesetz. Der Bundesjustizminister stellt in diesem Zusammenhang fest: „Denn die staatlichen Organe seien nicht nur dazu verpflichtet, dem Beschuldigten ein rechtsstaatliches und faires Verfahren zu gewährleisten. Sie müssten sich auch schützend vor die Opfer von Straftaten stellen und deren Belange achten.“ Dem kann ich nur zustimmen. Körperliche Unversehrtheit ist, wie gesagt, ein Grundrecht.

Nun steuern wir hier im Land auf die nächste Fortschreibung unseres Landesaktionsplans zur Bekämpfung von häuslicher und sexualisierter Gewalt hin und die Fraktion DIE LINKE legt dazu diesen Antrag vor. In die Begründung hat sie auch reingeschrieben: „Im Gesetzgebungsplan der Landesregierung für die 6. Legislaturperiode ist eine zweite Fortschreibung … für das 4. Quartal 2015 vorgesehen. Der dritte Landesaktionsplan befindet sich … in der lau

fenden Bearbeitung. An die Fortschreibung, die Erarbeitung und die Umsetzung des Landesaktionsplanes stellen wir die im Antrag formulierten Anforderungen.“

Man könnte jetzt ja auch nach den einführenden Worten der Ministerin sagen, vielleicht macht sie das sogar als vorauseilenden Gehorsam. Ich glaube, eher nicht,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nee, Sie pflegt einen anderen Umgang mit uns.)

sondern das war ein langer Entwicklungs- und Meinungsbildungsprozess,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

der dem zugrunde liegt und der auch bei der Fraktion DIE LINKE zu den Vorschlägen und zu den Forderungen, die hier niedergeschrieben worden sind, geführt hat. Aber eben auch die Ministerin ist bereits an dieser Stelle angekommen, sehr geehrte Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE.

Ein Antrag, der in Ziffer I die Landesregierung dazu auffordert, das zu tun, was sie bereits macht, dazu wurden bereits Erkenntnisse in der Landesregierung gewonnen und die Antworten in den Kleinen Anfragen teilweise auch schon gegeben, sodass man die meisten Bestandteile dieses Antrags bereits zum jetzigen Zeitpunkt als gegenstandslos ansehen kann. Das trifft auch insbesondere auf Ziffer III zu, das hatte Frau Friemann-Jennert schon gesagt. Da geht es um die Rechtsgrundlage für das Handeln der Bundesregierung in Bezug auf die Frauenhäuser, aber auch andere Dinge. Ziffer II suggeriert Fehlentwicklungen beziehungsweise Versäumnisse im Land. Die personelle und finanzielle Ausstattung sei nicht auskömmlich, die Frauenhäuser nicht barriere- frei, die Öffentlichkeitsarbeit reiche nicht aus, die Aus- und Weiterbildung des Personals in den Einrichtungen schwächele ebenso wie die Förderung der interkulturellen Kompetenzen, außerdem sei die Datenlage unzureichend.

Zur Datenlage hatte Herr Ritter im letzten Jahr eine Kleine Anfrage gestellt, weil der Evaluationsbericht aus dem Jahr 2011 durchaus einen Bedarf, zu einer anderen Datenlage zu kommen, auswies. Die Antwort auf die Kleine Anfrage sah allerdings so aus: „Die Erfassung der Angaben zum Tatverdächtigen und Opfer, einschließlich der Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung mit Angaben zur Verwandtschaft, einschließlich Partnerinnen/Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaft, erfolgt seit 2008 in Mecklenburg-Vorpommern nach einem Landesverfahren mit weitreichenden Auswertemöglichkeiten.“

Also wenn diese Defizite tatsächlich da sind und Sie sie in Ihrem Antrag als Anregung für den dritten Aktionsplan sehen möchten, dann hätten Sie schon etwas konkreter werden und Vorschläge dazu machen müssen. Wie kann der Landespräventionsrat effektiver arbeiten? Ich sehe beim Landespräventionsrat zum Beispiel das Thema Öffentlichkeitsarbeit stark verortet, weil ich weiß, dass der ganz breit die Informationen streut, die auch gerade natürlich für die Opferhilfe erarbeitet werden.

Sie hätten jetzt sagen können, was muss CORA tun, wenn wir hier über Ausbildung von Institutionen, Einrichtungen und so weiter sprechen. Was machen die falsch? Warum reicht das nicht? Sind die nicht ansprechbar?

Was und wo ist Ihrer Meinung nach die personelle und finanzielle Ausstattung aufzustocken und warum genau? Oder in Ziffer I.1 hätten Sie schon sagen müssen, wie denn die interministerielle Arbeitsgruppe Ihrer Meinung nach aussehen soll.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Der Landesrat zur Umsetzung des Aktionsplans scheint Ihren Anforderungen ja auch nicht zu entsprechen. Was verstehen Sie hier unter kontinuierlicher Zusammenarbeit? Fragen, Fragen,

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

die Antworten sind Sie schuldig geblieben. Ich denke, die Antwort wird unsere Ministerin nicht schuldig bleiben.

Wir lehnen Ihren Antrag ab, werden das Thema natürlich immer weiter mitverfolgen, weil es ein unglaublich wichtiges Thema ist und uns alle angeht. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke, Frau Tegtmeier.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der NPD.