Protocol of the Session on February 1, 2012

Das Wort hat die Ab- geordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie Sie sehen, brauche ich auch schon eine Brille. Das scheint wohl auch mit dem Alter zu kommen.

(Burkhard Lenz, CDU: Was?!)

Ja, es ist so viel von dem Alter gesprochen worden, 50 plus. Ich werde jetzt auch bald in den Klub aufgenommen, dann können wir uns mal unterhalten, wie das weitergeht.

(Torsten Renz, CDU: Nein, nein, das glaube ich nicht, das glaube ich im Leben nicht. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Och! – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Also jetzt wird sie eingesetzt, die Enquetekommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“, die die Koalitionspartner, Herr Ringguth, in ihrer Vereinbarung bereits mehrfach angekündigt hatten. Da sind zu nennen die Ziffer 283 mit „Senioren und Rente“, die Ziffer 397 „Demografischer Wandel“.

Die Koalitionäre haben die volle Unterstützung der Bündnisgrünen-Landtagsfraktion, wenn sie, wie dort vereinbart, ich zitiere jetzt die Ziffer 397, „ihre Kraft darauf konzentrieren, im Land attraktive Bedingungen zu schaffen, damit alle – jung und alt – gerne hier leben, eine gute Arbeit finden und sich junge Menschen für eine Zukunft mit Kindern in Mecklenburg-Vorpommern entscheiden.“ Zitatende.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt ausdrücklich auch die im Antrag für die Enquetekommission geforderte „Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Akteure, Gruppen und Organisationen auf kommunaler und Landesebene“. Als Schwerpunkte der Kommissionsarbeit benennt der Antrag jedoch „Soziale Sicherung“, „Gesundheit“, „Pflege“, „Wohnen“, immer im Zusammenhang mit Alter, „altersgerechtes Wohnen“ sowie „Pflege“ und „Mobilität im Alter“ noch einmal extra. Und wo bleiben die übrigen Generationen, die arbeitende Generation, die heranwachsende Generation oder auch die zuwandernde Generation? Generationengerechtigkeit sieht anders aus. Ihre soziale Sicherung, ihre Bildungschancen, ihre Ge

sundheit, Wohnverhältnisse, auch Energieversorgung, Pflege und Teilhabe hier auszuklammern, wäre fatal. An einem so generationenübergreifenden Phänomen wie dem demografischen Wandel muss eine altersspezifische Klientelpolitik scheitern. Der Generationengerechtigkeit entsprechen auch eine regionale Ausgewogenheit und eine neue Verteilung, denn besonders in der dünn besiedelten Fläche weist der demografische Wandel schon heute dramatische Lücken auf.

Was aber die Koalitionsvereinbarung vom vergangenen Herbst noch versprochen hatte, war die „Berücksichtigung regionaler Unterschiede und spezifischer Gegebenheiten“ in der Förderpolitik des Landes, Ziffer 399, und – wie heute Herr Holter schon sagte – „Pilotprojekte“ wie beispielsweise die „,Neue Dorfmitte‘“ für „zukunftsfähige ländliche Nahversorgung“, die Kennziffer 400, also ein Ausgleich zwischen den Zentren und der Fläche. Das lässt der Antragstext bislang deutlich vermissen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Doch ohne die Einbettung in ein Gesamtkonzept zur Bevölkerungs- und Regionalentwicklung laufen die Ergebnisse einer so einseitig beauftragten Enquetekommission absehbar darauf hinaus, bestenfalls ein deutsches Florida zu schaffen, ein Seniorenwohnheim für die Republik, schlimmstenfalls aber die Abwicklung unseres Bundeslandes zum Hospiz vorzubereiten.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Welche Attraktivität aber hätte ein solches MecklenburgVorpommern selbst für Seniorinnen und Senioren? Eine gebremste Zuwanderung und eine beschleunigte Abwanderung in allen Altersgruppen und zumal in der Fläche

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

würden irreversible Schäden hinterlassen in der Bevölkerungsstruktur, dem sozialen Gefüge, der Wirtschaft, Bildung und Kultur, nicht zuletzt auch in den öffentlichen Haushalten des Landes. Und wozu aufwändig Strukturen schaffen, die den bisherigen Trend nur noch verstärken und sich schließlich von selbst erübrigen? Weder politisch noch ökonomisch wäre das sinnvoll. Warum also nicht die Gestaltungsmöglichkeiten ergreifen, die sich durch den demografischen Wandel überhaupt erst ergeben?

Dabei herrscht außerhalb ja großes Interesse an unserem Land und es richten sich viele Hoffnungen darauf, wie wir die demografische Krise meistern. Herr Heydorn hat das vorhin gesagt, vor 20 Jahren jüngstes Bundesland, ich glaube, heute sind wir das älteste oder zweitälteste Bundesland.

(Torsten Renz, CDU: Da kann sich ja jeder fragen, welchen Beitrag er geleistet hat.)

Und, wie gesagt, dieses sollten wir als Chance nutzen. Welch eine Chance für Mecklenburg-Vorpommern, sich überregional wie auch international als Einwanderungsland mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten zu positionieren,

(Michael Andrejewski, NPD: Unbegrenzte Möglichkeiten! – Udo Pastörs, NPD: Ja!)

mit Möglichkeiten jedenfalls, von denen andere Länder nur träumen könnten! Wir begrüßen daher die Einberufung einer Enquetekommission, um die Grundlagen dafür zu schaffen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir stellen fest, dass zum vorliegenden Antrag noch ein anderer Blick erforderlich sein wird, um den demografischen Wandel handlungsfähig zu gestalten. Deshalb schlägt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dem Änderungsantrag, der Ihnen vorliegt, vor, den Auftragsrahmen der Enquetekommission zu erweitern,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

um die Integration aller Alters- und Bevölkerungsgruppen umzusetzen sowie der Verteilung zwischen den Zentren und der Fläche gerecht zu werden. Die so erweiterte Enquetekommission muss statt wie bisher „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ konsequent unter dem Titel „Demografischer Wandel“ geführt werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Berichtsfrist der Enquetekommission haben wir auf den 31.05.2013 vorverlegt, um gegebenenfalls noch mal andere, neue Schwerpunkte zu erarbeiten, um dann die Enquetekommission erfolgreich zum Ende zu bringen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um die Unterstützung unseres Änderungsantrages.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich begrüße es außerordentlich, dass eine Enquetekommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ eingesetzt werden soll, denn es ist ein Zeichen des Landtags, dass uns das Leben der alt werdenden Menschen in Mecklenburg-Vorpommern wichtig ist und wir uns gemeinsam um ihre Lebensbedingungen, aber vor allem auch um ihre Teilhabebedingungen kümmern wollen.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Mecklenburg-Vorpommern ist ein Land der Generationen, in dem jeder und jede seinen und ihren Platz haben soll.

Wir müssen dem demografischen Wandel Rechnung tragen. Und ich will hier ausdrücklich sagen, ich spreche nicht von einer demografischen Krise, es ist ein demografischer Wandel,

(Stefan Köster, NPD: Das ist eine Chance.)

der nach meinem Verständnis auch nicht wirklich aufzuhalten ist. Das Positive an diesem demografischen Wandel ist,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

dass die Menschen ja immer älter werden. Das ist etwas Gutes.

(Udo Pastörs, NPD: Nicht wirklich.)

Die Lebenserwartung von Menschen ist heute stark gestiegen.

(Michael Andrejewski, NPD: Aber zu wenig Junge kommen nach, das ist das Problem.)

Die medizinische Versorgung, der medizinische Fortschritt tragen dazu bei, dass Menschen eben nicht frühzeitig an Krankheiten sterben,

(Stefan Köster, NPD: Mein Gott!)

sondern sogar wieder geheilt werden können und ein höheres Lebensalter erreichen. Das ist etwas Positives. Das wirkt sich darin aus, dass natürlich Menschen dann auch wesentlich älter werden und älter bleiben.

(Udo Pastörs, NPD: Bleiben die dann auch länger älter, ja?)

Und was dabei natürlich eine schlechte Entwicklung ist, ist, dass nicht mehr so viele Kinder nachkommen, obwohl gerade in Mecklenburg-Vorpommern zum Glück wieder mehr Kinder geboren werden als in den vergangenen Jahren.

Und in Mecklenburg-Vorpommern verschärft sich natürlich die demografische Entwicklung in Bezug auf die jüngere Bevölkerung dadurch, dass wir seit der Wende 200.000 Menschen verloren haben und davon alleine 70.000 junge Frauen aus meiner Generation und jünger, die heute fehlen und die auch mit ihren Kindern fehlen. Man kann es sich leicht machen im politischen Diskurs, dass man dann gegenseitig sich die Verantwortung in die Schuhe schiebt. Ich glaube fest daran, dass jeder Demokrat in unserem Land in den vergangenen Jahren versucht hat, seinen Beitrag dafür zu leisten, dass die Abwanderung nicht so stark ist. Aber wir wissen, dass der wirtschaftliche Zusammenbruch der DDR dazu geführt hat, dass gerade viele junge Leute, junge Frauen mit guter Ausbildung zunächst nach der Wende sich Ausbildungsplätze und vor allem Arbeitsplätze in anderen Ländern gesucht haben.

Es war gut, dass man versucht hat, zum Beispiel mit „mv4you“, da gegenzusteuern. Aber deshalb, Herr Holter, braucht man heute nicht zu sagen, uns vorzuwerfen, Ihnen fehlen die jungen Leute, Sie haben eine hohe Altersarmut,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ich habe Ihnen das nicht vorgeworfen.)

weil ich glaube, dass es einfach so ist, dass man diese Entwicklung hätte vielleicht mindern, aber nicht wirklich aufhalten können. Das gehört auch zur Ehrlichkeit dazu. Und ich glaube, es ist wichtig, heute mit diesen demografischen Rahmenbedingungen umzugehen. Ich werbe dafür, dass man es nicht als Krise sieht, sondern als gute Entwicklung, dass Menschen immer älter werden.

Es wurde angesprochen, wir hatten 1992 noch 1,9 Millionen, wir werden 2030 1,5 Millionen Menschen sein in unserem Land und der Anteil der älteren Menschen wird

wesentlich größer sein. Das wird Auswirkungen auf alle Lebensbereiche haben, auf die Frage der Versorgung von Menschen und auf die Frage der Teilhabemöglichkeiten. Dazu gehört in erster Linie natürlich die soziale Sicherung. Kann jeder ältere Mensch existieren? Hier stehen wir vor großen Herausforderungen aufgrund der wachsenden Altersarmut, vor den Herausforderungen der Sicherung der sozialen Sicherungssysteme.