Protocol of the Session on October 15, 2014

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das hat auch niemand gesagt.)

Und gestatten Sie mir noch einen weiteren Hinweis. Falls Ihnen das nicht aufgefallen sein sollte, aber Sie nehmen eine Position ein, die nicht mit dieser sparsamen Gesetzesversion – das muss ich ausdrücklich betonen –, Sie nehmen eine Position ein, die sich nicht unbedingt mit den Positionen der Initiatoren des Volksbegehrens deckt. Denn sollte das Volksbegehren nicht erfolgreich verlaufen, führt auch Ihr Gesetzentwurf im Ergebnis zu dem, was der Landtag am 9. Oktober 2013 bereits beschlossen hat,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

dann allerdings mit den von der Justizministerin benannten Einschränkungen und zwei Jahren Verspätung.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

Ich halte mich mit Unterstellungen zurück und gehe deswegen auch nicht so weit zu vermuten, dass Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf möglicherweise sogar Ihre ursprüngliche Reformkritik aufgegeben haben könnten. Aber Sie mögen schon entschuldigen, dem uninformierten Leser wird sich Ihr Ansinnen nicht so einfach erschließen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung kann und darf – das habe ich in der letzten Sitzung bereits gesagt, insofern wiederhole ich mich –, kann und darf nicht einfach den Ausgang eines Volksbegehrens vorwegnehmen, schon gar nicht, wenn die erforderlichen Unterschriften – da musste man kein Hellseher sein, dass dieser Satz heute kommen wird, ich habe ihn auch in der letzten Sitzung bereits gesagt –, wenn die erforderlichen Unterschriften nicht von der Wahlleiterin geprüft worden sind. Bislang liegen aber weder die notwendigen Unterschriften vor, noch ist klar, wann sie vorgelegt werden. Deshalb ist es auch konsequent, wenn die Landesregierung den Mehrheitsbeschluss des Landtages vom Oktober letzten Jahres weiter umsetzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich nochmals erwähnen, dass bei der Diskussion häufig das eigentliche Ziel der Reform aus den Augen verloren geht. Es geht darum, langfristig tragfähige Strukturen zu schaffen, und, mit Verlaub gesagt, meine Damen und Herren der LINKEN, das ist für Sie kein neues Thema. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie genau diese Argumentation vor einigen Jahren in einer rot-roten Koalition an dieser Stelle den Polizistinnen und Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern entgegengebracht haben. Letztendlich wollen Sie, genauso wie wir, auch noch in 20 Jahren, wenn die Bevölkerung weiter gealtert ist und sich die Einwohnerzahl noch weiter verringert hat, ein effizientes Rechtswesen haben.

(Torsten Renz, CDU: Dazu haben sie sich ja noch nicht geäußert, ob das so ist. – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es gibt ja noch Nachwuchs.)

Dann werden rückläufige Fallzahlen, Demografie und der damit einhergehende Fachkräftemangel auch in der Justiz deutliche Spuren hinterlassen. Mit der Reform wird die Justiz schon heute darauf vorbereitet.

Und es verwundert Sie nicht: Wie bereits im September lehnt die Koalition Ihren Antrag ab. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall Burkhard Lenz, CDU – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Tosender Beifall!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu den rechtlichen Aspekten der sogenannten Gerichtsstrukturreform ist schon genug gesagt worden. Daher sollte man gerade im Hinblick auf diesen Gesetzesentwurf den Schwerpunkt auf einen anderen Gesichtspunkt legen, den reinen Pragmatismus. Der Gesetzentwurf fordert, das Volksgesetzgebungsverfahren abzuwarten und erst dann gegebenenfalls die betroffenen Amtsgerichte aufzuheben.

Wenn die Wahrscheinlichkeit gering wäre, dass letzten Endes ein Volksentscheid das Gerichtsstrukturneuordnungsgesetz kassieren würde, wenn man sagen könnte, das liegt außerhalb eines Vorstellbaren und hat gar keine Chance, dann wäre ein Zuwarten bei der Schließung der Amtsgerichte sinnlos, auch wenn diese Schließung immer noch falsch wäre, aber ein Zuwarten wäre dann sinnlos, dann könnte man sich das sparen. Bei hoher Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Volksentscheides wäre es hingegen völliger Wahnsinn, die Amtsgerichte zuerst zu schließen und sie dann, vielleicht nach anderthalb bis zwei Jahren, wieder zu öffnen und alle getroffenen Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. Darin läge eine unverantwortliche Verschwendung von Ressourcen.

Wie sieht es also aus mit den Erfolgsaussichten eines Volksentscheides? Darauf kommt es nämlich an. Die Landesregierung ging wohl von Anfang an davon aus, dass die Schließung von Amtsgerichten genauso widerstandslos und apathisch hingenommen würde wie die massenhaften Schließungen von Landschulen. Es ist ja interessant, dass, während in Anklam gegen die Schließung des Amtsgerichtes protestiert wird, gleichzeitig in Schlatkow – das ist ein Dorf in der Nähe von Züssow, nicht weit von Anklam – eine Dorfschule geschlossen wird, nachdem man sie jahrelang hatte verkommen lassen. Man hat nichts investiert, man hat den Sportsaal so verkommen lassen, dass der nicht mehr geheizt werden kann. Jetzt sagt man, 2,5 Millionen sind nötig, jetzt müssen wir die dichtmachen, jetzt lohnt sich die Sanierung nicht mehr.

Dagegen gibt es komischerweise keine Proteste. Die Lehrer als Berufsstand hätten etwas unternehmen können, aber sie haben im Kampf gegen das massenhafte Schulsterben jämmerlich versagt. Sie haben gar nichts gemacht. Das liegt vielleicht daran, dass 1990 viele SEDLehrer übernommen wurden, die heute noch im Dienst sind und die es gewohnt sind, das zu tun, was die Obrigkeit sagt.

Die Landesregierung muss aber zur Kenntnis nehmen, dass die Richter offenbar ein anderes Kaliber sind. Die Landesregierung mag auch kalkuliert haben, dass sich die Bürger für Gerichtsstandorte nicht interessieren würden. Nicht, dass sie sagen würden, das ist abstraktes Zeug, wann bin ich schon mal vor Gericht, was brauche

ich das, ist mir egal, soll das doch verschwinden – das ist offensichtlich nicht der Fall –, doch genug Bürger sind übrig geblieben, dass man sagt, so ein Gericht gehört zur Stadt, es ist eine Reduzierung der Stadt, wenn es verschwindet. Und so sind die benötigten 120.000 Unterschriften verblüffend schnell zusammengekommen. Sie wurden zwar noch nicht übergeben, aber ich halte mal die Angaben des Richterbundes für glaubwürdig, dass die tatsächlich zusammengekommen sind und dass die auch übergeben werden.

Angesichts dessen wäre es fahrlässig von der Landesregierung, sich blind darauf zu verlassen, dass bei einem Volksentscheid, zu dem es käme, wenn das Volksbegehren hier im Landtag zurückgewiesen würde, keine Mehrheit zustande kommen würde und auch das notwendige Drittel der Wahlberechtigten nicht zusammenkommen könnte. Das kann durchaus passieren. Da sind schon ganz andere Sachen passiert.

In Hamburg musste mal eine komplette Schulreform aufgrund eines Volksbegehrens zurückgenommen werden. Das kann durchaus auch hier geschehen. Das wäre dann der Super-GAU für die Landesregierung. Es ist ja schon Vorwahlkampf, wie ich gehört habe. Es sind zwar noch zwei Jahre bis zum Wahltermin, aber dieser Volksentscheid würde in die Zeit unmittelbar vor den Wahlen fallen, in ziemlicher Nähe zu den Wahlen. Wenn das schiefginge für die Landesregierung und der durchkäme, dann wäre das für SPD und CDU extrem peinlich.

Wenn Sie also einen Rest von Realitätssinn übrig haben sollten, dann wären Sie in der Tat gut beraten, dieses Volksgesetzgebungsverfahren abzuwarten, wenn es nicht zu dem Volksentscheid käme oder der Volksentscheid nicht erfolgreich sein würde. In dem Fall könnte das Gericht das Gesetz durchsetzen. Wenn es aber anders käme und der Volksentscheid Erfolg hätte – das ist nicht ganz auszuschließen –, stehen immerhin der Richterbund, die Anwaltskammer und Teile der Presse und Teile der Politik dahinter. Das sind ganz schön Ressourcen. In dem Fall würden Sie schön dumm dastehen, und das würde ich an Ihrer Stelle nur für diese kurze Zeit, nur um meinen Willen durchzusetzen, weil ich jetzt die Gerichte schließen kann, nicht riskieren. Aber wie Sie wollen, das ist Ihre Sache. Wir werden sehen, wie es ausgeht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt noch einmal für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Borchardt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist für mich zumindest schon sehr beeindruckend, auf welche Argumente sich die Koalitionsfraktionen beziehungsweise die Justizministerin jetzt zurückziehen.

Ich will an der Stelle sagen, Frau Kuder: Im Bildungsausschuss haben wir zurzeit einen Gesetzentwurf von SPD und CDU zur Novellierung des Schulgesetzes, rein formell.

(Torsten Renz, CDU: Richtig.)

Weil das Ding gesetzestechnisch nicht richtig bearbeitet und es offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt wurde,

sind auf zwei Seiten nur rein formelle Änderungen vorgenommen worden, keine inhaltlichen.

(Torsten Renz, CDU: Das gab es bei den LINKEN nie. KiföG 2004! – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Darum geht es doch überhaupt nicht.)

Ich will damit auch nur sagen, Herr Renz,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

damit will ich nur sagen, Herr Renz, dass es durchaus dazu kommen kann, dass man bei der Erarbeitung eines Gesetzestextes Fehler macht, auch die Landesregierung.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Von Frau Dr. Linke 50 Änderungsanträge nachts um halb zwölf und jetzt kommen Sie mit solchen Sachen hier!)

Ich glaube, deswegen hat der Gesetzgeber auch gesagt, Erste und Zweite Lesung, damit man auf diese Änderungen oder auf diese Fehler einwirken kann beziehungsweise andere politische Maßstäbe setzt. Das ist das ganz normale Verfahren. Aber sich hier auf formelle Sachen zurückzuziehen, das halte ich auf der anderen Seite auch wieder für sehr bemerkenswert.

Was Anklam betrifft – das können Sie uns glauben, mit Anklam hatten wir große Schwierigkeiten, und das wissen Sie ganz genau –, der Amtsgerichtsbezirk Anklam ist ja als Zweigstelle gespalten worden in die Zuständigkeiten unterschiedlicher Amtsgerichtsbezirke. Am 06.10. ist es erfolgt und wir mussten alles wieder zurückholen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wir müssen das nicht.)

Dass uns da technisch vielleicht etwas unterlaufen ist, das will ich hier zugestehen, aber gleichzeitig zu sagen, wir wollen es abschaffen, das halte ich für starken Tobak. Deswegen sollte man darüber in der Zweiten Lesung oder im Gesetzgebungsverfahren sprechen. Das ist das eine.

Das Zweite ist, die Erkenntnis habe ich mitgenommen, Sie schaffen jetzt schon vollendete Tatsachen. Und wenn das Volksbegehren Erfolg hat und wir hier im Landtag darüber reden, ist Ihr Superargument, wir haben die und die Millionen eingesetzt, wir haben die und die Voraussetzungen geschaffen und deswegen müssen wir das Volksbegehren ablehnen. Genau das wollen wir doch verhindern! Genau das ist doch unser Ansatz, im Respekt zu sagen, wenn ein Volksbegehren auf den Weg gebracht wurde, es offensichtlich erfolgreich sein wird und wir uns damit befassen müssen, dann können wir doch nicht vollendete Tatsachen schaffen.

Das machen wir doch in den Kommunen auch nicht. Da werden Entscheidungen teilweise ausgesetzt, um finanzielle Belastungen und vieles andere mehr auszuschließen. Das ist doch ein ganz normales Demokratieverständnis. Welches Demokratieverständnis haben Sie denn? Das muss ich Sie jetzt mal fragen. Sie haben in der Landesverfassung das Instrument des Volksbegehrens. Jetzt wird ein Volksbegehren auf den Weg gebracht, offensichtlich erfolgreich

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jetzt sagen Sie mir mal die Stelle, wo es steht, dass wir das aussetzen müssen!)

und wir tun so,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Zeigen Sie mir mal die Stelle, wo das steht, Frau Borchardt!)

und wir tun so, als wenn uns das alles nicht juckt, wir machen weiter wie vorher.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Zeigen Sie mir mal, wo das steht, dass es ausgesetzt werden muss!)

Die Ursachen für diese Situation haben Sie doch mit Ihrem Umgang

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Mann, Mann, Mann!)

mit dieser Gerichtsstrukturneuordnung selbst gelegt.

(Vincent Kokert, CDU: Aber jetzt nicht wieder weinen!)

Herr Silkeit, 60 Anzuhörende waren da. Wir haben uns gestritten und es war die Mehrheit, die gegen diese Reform war.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Echt?!)