Sie hatten ja vorhin darum gebeten, dass wir Ihre Ausführungen an der Stelle ergänzen. Das will ich gerne tun. Es enthalten sich auch
Rheinland-Pfalz spielte vorhin ja keine Rolle. Die Frage, warum jetzt und nicht vorher, die meinten Sie sicherlich rhetorisch, die Antwort kennen Sie. Jetzt wurde die Bundesregierung – ich will jetzt nicht das Wort „erpressen“ nutzen – unter Druck gesetzt. Ich denke, dass das Thema auch gut gelöst wurde, die Kompromissvorschläge der Bundesregierung waren tragbar, und insofern verstehe ich Ihre Reaktion auch nicht.
Das Zuwanderungspaket der Bundesregierung wird für mich durch zwei wesentliche Schwerpunkte charakterisiert. Meine Vorredner haben darauf hingewiesen: die Einstufung der Balkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten und den Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber bereits nach drei Monaten. Beide Punkte liegen im Interesse aller, und zwar all derer, die sich für eine funktionierende Asylpolitik einsetzen. Bei dem zweiten Punkt, dem erleichterten Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber bereits nach drei Monaten, handelt es sich bekanntermaßen nicht nur um ein Zugeständnis von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sondern unstreitig um eine deutliche Verbesserung in unserer Asylpolitik.
Nach wie vor umstritten ist jedoch der erste Punkt, die Frage der Einstufung der drei Balkanländer als sichere Herkunftsstaaten. Bei kaum einem anderen Thema wird
derart frei mit Fakten jongliert, aber zugleich wird auch der Argumentationsmainstream der GRÜNEN kaum deutlicher als bei der Frage der sicheren Herkunftsländer. Getreu ihrem Motto „Lieber eine starke Behauptung als ein schwacher Beweis“ bewerten unsere Bündnisgrünen die Fakten wieder einmal nach ihrem eigenen Gusto. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir, meine Behauptung anhand einiger Beispiele zu belegen.
Erstens. Indem der vorliegende Antrag die sichere Herkunftsstaatenregelung als irrigen Alleingang des Bundesinnenministers – so kann man das zumindest lesen – darstellt, wird die Meinungsbildung innerhalb der Koa- lition und die Mehrheitsentscheidung des Deutschen Bundestages völlig ausgeblendet, vor dem Hintergrund rot-grüner Koalitionen in den Ländern auch durchaus verständlich, ansonsten typisch GRÜNE. Wir haben es in dieser Sitzung ja wieder erfahren dürfen, GRÜNE lassen in der Regel nur grüne Argumente gelten. Das wurde ja gestern besonders deutlich.
Zweitens. Der vorliegende Antrag erweckt darüber hinaus auch noch den Eindruck, dass es sich wiederum um einen Alleingang Deutschlands handele.
(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie sind natürlich offen für andere Argumente. Deswegen überweisen Sie auch.)
Herr Saalfeld! Herr Saalfeld, gerade Sie! Gerade Sie, der Mann mit den Kompromissen! Also gestatten Sie mir jetzt wirklich ein mitleidiges Schmunzeln.
… und Serbien in Belgien, Frankreich, Österreich und dem Vereinigten Königreich – wie immer habe ich die Anlage auf meiner Seite, nur so nebenbei – schon lange als sichere Herkunftsländer gelten, wird von Ihnen, Herr Saalfeld, zuvorderst großzügig ignoriert, denn das passt nämlich nicht in Ihre Argumentationslinie,
übrigens in Gesellschaft mit Ghana und Senegal – da würden Sie wahrscheinlich den Zuhörern hier auch noch irgendetwas anderes erzählen.
Drittens. Der vorliegende Antrag unterstellt zudem zum wiederholten Male, dass es in der Absicht des Staates – und da kommt Ihre Staatsdoktrin zum Tragen – läge, den Asylsuchenden eine faire Einzelfallprüfung zu verwehren. Dass der Deutsche Bundestag mit seinem Zuwanderungspaket der Realität Rechnung trägt, wollen Sie, meine lieben Damen und Herren der Bündnisgrünen, wieder einmal nicht wahrhaben.
Dennoch lege ich Ihnen die Stellungnahme des Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge,
Dr. Manfred Schmidt, sehr ans Herz. Dort können Sie, Frau Gajek, natürlich nur, wenn Sie wollen, nachlesen, dass in Deutschland 60 Prozent aller Asylanträge aus den Ländern des Westbalkans gestellt werden oder wir beispielsweise eine Steigerung zum Vorjahr von 230 Pro- zent zu verzeichnen haben, die sich nicht – und dies ist nicht Meinung der CDU, sondern des Bundesamtes –, die sich nicht mit Bürgerkrieg, Verfolgungen oder Ähnlichem begründen lassen, aus Albanien übrigens über 1.000 Prozent.
Wer sich diese Zahlen vergegenwärtigt, dürfte schnell zu dem Schluss gelangen, dass Deutschland es sich nun wirklich nicht leicht mit dieser Problematik macht. Und wenn nur einem Prozent der Asylanträge stattgegeben wird, dann liegt es nicht an irgendwelchen Willkürmaßnahmen des Staates, sondern daran, dass die große Mehrheit der Asylsuchenden auf Nachfrage des Bundesamtes wirtschaftliche und soziale Gründe ins Feld führte. Selbst die hartnäckigsten Zweifler sollten doch bitte zur Kenntnis nehmen, dass auch deutsche Gerichte die individuelle Gefahrenlage anders als Sie, meine Damen und Herren der GRÜNEN, beurteilen. Wir haben es schon gehört: Ein Prozent, mehr sind es nicht, ein Prozent Anträge, mehr wird nicht stattgegeben. Das sind die Realitäten, die Sie immer wieder ausblenden.
Die Rechtsprechung zu Asylanträgen aus allen drei Balkanstaaten ist einheitlich, es liegen keine herkunftslandbezogenen Gründe vor. Es wurden weder politische Verfolgung oder staatliche Diskriminierung noch sonstige Benachteiligungen wegen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit festgestellt – wie gesagt, vor den deutschen Gerichten. Und wenn auch nur ansatzweise ernsthafte Zweifel an der Spruchpraxis bestünden, gäbe es längst eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofes. Mir ist eine solche Entscheidung nicht bekannt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich erwähnen, dass Deutschland und Europa nicht unbegrenzt Asylbewerbern und Flüchtlingen helfen können. Auch unsere Ressourcen sind limitiert. Der Deutsche Städtetag hat uns gerade am Mittwoch deutlich darauf aufmerksam gemacht und gefordert, dass eben dieses Zuwanderungspaket der Bundesregierung angenommen werden sollte. Die hohe Zahl der letztendlich erfolglosen Asylanträge aus den Balkanstaaten geht deshalb zulasten der tatsächlich schutzbedürftigen Asylsuchenden. Deshalb ist es wichtig, klare Regeln für Asylbewerber und Flüchtlinge zu definieren und diese auch konsequent anzuwenden, damit wir denjenigen, die unseren Schutz und eine sichere Zuflucht brauchen, schnell und effektiv helfen können.
Sie können sich natürlich vorstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden. Gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine Ergänzung Ihrer Ausführung. Es wurde immer wieder das Problem der Roma ins Feld geführt und es hat mich ein bisschen gewundert, dass niemand von Ihnen aus dem Bericht über die Umsetzung des EURahmens für nationale Strategien zur Integration der Roma zitiert hat. Aber wahrscheinlich hat man deshalb nichts zitiert, weil die Europäische Union hier klar alle Länder Europas kritisiert und eine Differenzierung zwischen den zentraleuropäischen und den Westbalkanländern in der Form, wie Sie sie hier vornehmen, überhaupt
nicht erfolgt ist. Aber auch so kann man Realitäten ausblenden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben in der Debatte vieles gehört, was eindeutig dafür spricht, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien unbedingt als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Im Grunde genommen haben die GRÜNEN eine weitere Begründung, warum der Antrag nur abgelehnt werden kann, in ihrem eigenen Begehren formuliert. Bezogen auf sichere Herkunftsstaaten heißt es, Zitat: „Es wird gemäß Artikel 16a Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz vermutet, dass ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.“ Zitatende.
Die Widerlegung der Vermutung dürfte für sogenannte Ausnahmefälle kein Problem darstellen. Es ist davon auszugehen, dass eine Person, die politischer Verfolgung oder unmenschlicher Bestrafung ausgesetzt ist, dazu imstande ist, umfangreich darzulegen, warum die Sicherheitsvermutung in dem persönlichen Fall nicht zutrifft. Wenn die Gedanken allerdings mehr um den bevorstehenden Wohlstand kreisen als um das angeblich zurückgelassene Leid, wird das zu Recht schwierig.
Aber selbst dann, und ich glaube, genau hier liegt die Zielgruppe der GRÜNEN, gibt es leider noch genug andere Instrumente, die einen längeren Aufenthalt in Deutschland garantieren, zum Beispiel die Klage gegen den abgelehnten Statusbescheid und die damit verbundene Ausreisepflicht. Bei gut unterrichteten Asylanten wird zusätzlich Eilrechtsschutz gegen die drohende Aufenthaltsbeendigung beantragt. Bis zur tatsächlichen Abschiebung vergehen dann noch mal mehrere Monate beziehungsweise eineinhalb Jahre.
Die Antwort der Landesregierung auf Drucksache 6/3160 gibt einen entsprechenden Überblick. Welche Möglichkeiten es darüber hinaus noch gibt, verrät dieselbe Drucksache, Zitat: „Untergetaucht“, „Keine Reisefähigkeit wegen Erkrankung der Frau, … der Mutter, …des Vaters“,
„Kirchenasyl“, „Anwesenheit im Bundesgebiet für eine Zeugenaussage erforderlich“, „Verwaltungsgericht untersagt Abschiebung bis zur Gerichtsentscheidung“, „Asylfolgeantrag beim BAMF“, „Keine Aufnahmezusage aus Serbien“. Zitatende.
Setzt man dazu noch die Duldung nach Paragraf 60a Aufenthaltsgesetz ins Verhältnis, wird Ihr heute vorgelegter Antrag gänzlich lächerlich und überflüssig, vor allem im Hinblick auf Asylanten aus Ghana, da Ghana bereits heute als sicherer Herkunftsstaat gilt. Anstatt also auf die antideutsche Hysterie der GRÜNEN hereinzufallen, sollten wir es den Österreichern gleichmachen. Dort umfasst die Liste der sicheren Herkunftsstaaten schon seit Jahren die Staaten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion zeigt eines, dass es ein Thema ist. Ich möchte noch einige Ausführungen machen, um noch mal einige Positionen von uns darzustellen.
denn das Einstufen eines Landes als „sicher“ führt zur pauschalen Ablehnung von Asylanträgen und somit zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen. Zwar besteht nach wie vor die Möglichkeit, Asyl zu beantragen, das wurde schon mehrfach gesagt, aber der entscheidende Unterschied ist, dass die Anträge nicht mehr sorgfältig geprüft werden.
Damit unterwandert dieses Gesetz einen der zentralsten Grundsätze unseres Asylrechts – das Recht auf individuelle und gründliche Prüfung eines Asylbegehrens und auf effektiven Rechtsschutz.